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ARCHIV
Neue Folge.
Herausgegebe n
von dem
Vereine für Geschichte und Alterthumskunde
zu Frankfurt am Main.
Neunter Band.
Mit 2 Abbildungen.
FRANKFURT a. M.
K. TH. V ÖLCKER’S VERLAG.
1 8 8 2.
Druck von Kumpf & Reis in Frankfurt a. M.
Geschichte dek Schauspielkunst
in Fkankeuet a. M.
VON IHREN ANFÄNGEN
BIS ZUR
ERÖFFNUNG DES STÄDTISCHEN KOMÖDIENHAUSES.
EIN BEITRAG
ZUR DEUTSCHEN KULTUR- UND THEATERGESCHICHTE
VOX
E. MENTZEL.
V o r w o r t.
Üiine ausführliche und umfassende Geschichte des
Entwicklungsganges der dramatischen Kunst in Deutsch¬
land kann nur dann erreicht werden, wenn die Vergangen¬
heit der bedeutendsten vaterländischen Bühnen aus dem
täuschenden Zwielicht traditioneller Nachrichten heraus¬
gezogen und auf Grund archivalischer Quellen in die
klare Beleuchtung thatsächlicher Wahrheiten gestellt wird.
Das Erscheinen verschiedener hochwichtiger Werke
über die Entwicklungsgeschichte einiger deutscher Theater
und der erfreuliche Aufschwung, welchen die Special¬
forschung allenthalben auf diesem Gebiete genommen,
liefern einen deutlichen Beweis dafür, wie sehr man im
Laufe der letzten Jahrzehnde gelernt hat, die Schauspiel¬
kunst in ihrer sittlichen und nationalen Bedeutung zu be¬
greifen und die Theatergeschichtsschreibung als einen Haupt¬
beitrag zur Kulturgeschichte unseres Volkes anzusehen.
Obgleich ich seit Jahren alle auf die Vergangenheit
der hiesigen Bühne bezüglichen Nachrichten gesammelt
habe und manchmal unverhofft in den Besitz der werth¬
vollsten Mittheilungen gekommen bin, so fasste ich doch
nicht ohne Zagen nach weiteren Vorstudien im Juli vorigen
Jahres den Entschluss, zum hundertjährigen Gedenktage
der Eröffnung des hiesigen Schauspielhauses einige Aufsätze
über die hauptsächlichsten Entwicklungsphasen der drama¬
tischen Kunst in Frankfurt zu schreiben. Der Gedanke an
die Abfassung einer zusammenhängenden Geschichte des
Theaters lag mir damals noch sehr fern, und ich würde
wohl niemals den kühnen Vorsatz zur Bearbeitung einer
solchen gefasst haben, wenn ich nicht von dem Vorstande
des hiesigen Vereins für Geschichte und Alterthumskunde
den ehrenvollen Auftrag dazu erhalten hätte.
VI
Der für meine Arbeit in Betracht kommende arclii-
valisclie Stoff war einestheils sehr spärlich, anderntheils in
sehr schwer zu bewältigenden Massen vorhanden. Herr
Stadtarchivar Dr. Gfrotefend hat die Güte gehabt, mir
nicht allein mit einem grossen Aufgebot von Mühe und Zeit
in jeder Weise beizustehen, sondern mir auch sogar einen
Theil seiner höchst werthvollen Goetheforschungen abzu¬
treten, ohne welche einer der wichtigsten Abschnitte dieses
Buches ein sehr mangelhaftes Stückwerk geblieben wäre.
Indem ich Herrn Dr. Grotefend hierfür sowie für
die mannigfaltigen, mir durch ihn zu Theil gewordenen
Unterstützungen und Anregungen bestens danke, erfülle ich
zugleich die angenehme Pflicht, dem Herrn Stadtbibliothekar
Dr. Haueisen, dem Herrn Dr. Richard Froning und
dem Herrn Dr. Ernst Kelch ne r für ihre Förderung
meiner Arbeit den verbindlichsten Dank abzustatten.
Auch allen denen, welche mich durch wichtige Mit¬
theilungen unterstützt und mir aus ihren Bibliotheken und
Sammlungen werthvolle Beiträge überlassen haben, spreche
ich hiermit meinen besten Dank aus.
Trotzdem ich bedacht war, jede mir zu Gebote stehende
Hülfsquelle gewissenhaft auszunutzen und soviel als möglich
alle über die ältere Zeit des hiesigen Theaters vorhandenen
Nachrichten aufzufinden , so kann ich doch meine Arbeit
keineswegs als ein Werk von erschöpfender Vollständigkeit
ansehen. Dies ist um so weniger möglich, als ich das
Gebiet der Frankfurter Theatergeschichte zum ersten Mal
ausführlich bearbeitete und mit einer Menge von falschen
Ueberlieferungen zu kämpfen hatte. Vielleicht sind mir
auch ungeachtet des gründlichsten Forschens wichtige
Quellen unbekannt geblieben, durch deren Benutzung
etwaige Lücken ausgefüllt, etwaige Mängel hätten ver¬
mieden werden können. Ich glaube deshalb mit der
in der Handelswelt üblichen Formel schliessen zu sollen:
Salvo errore et omissione.
FRANKFURT, im August 1882.
E. MENTZEL.
Inlialts-Verzeiclmiss,
Seite
Einleitung . 1 — 2
Die Bürgerspiele . 3 — 20
Die ersten Berufskomödianten in Frankfurt . 21 — 42
Englische Komödianten in Frankfurt von 1G00 — 1631 . 43 — 66
Fahrende Wandertruppen von der Mitte des 30 jährigen Krieges
bis 1679 . 67—101
Magister Yelthen in Frankfurt . 102 — 129
Die dramatische Kunst in Frankfurt von dem Beginne des XV 111 . Jahr¬
hunderts bis zum ersten Auftreten der Neüberin . 1 30 — 154
Die Neüberin zum ersten Male in Frankfurt . 155 — 176
Frankfurter Bühnenlehen -während der Krönung Karl's VII. 1742
und Franz I. 1745 . 177 — 209
Franziskus Schuch und seine unmittelbaren Nachfolger . 210 — 246
Die französische und deutsche Komödie von 1759 bis 1763 und
ihr Einfluss auf den jungen Goethe . 247 — 270
Theater in Frankfurt während der Krönung Joseph’s II . 271 — 284
Vater Bemardon in Frankfurt . 285 — 310
Theobald Marchand’s Wirken in Frankfurt . 311 — 340
Die Seyler’sche Gesellschaft und die ersten Frankfurter Theater¬
kritiken . 341 — 381
Die letzten Waudeijahre der Bühne in Frankfurt . 382 — 399
Schluss . . 400 — 402
Anmerkungen . . . . 403 — 416
Beilagen . , . 417—535
Namen- und Sach-Register zum Texte . 536 — 544
Berichtigungen.
Seite
48
lies
Ben Jon so n
statt Ben Janson.
»
249
»
Note 37 9
» 397.
»
285
»
Note 439
» 934.
»
279
»
Madame Auvray
» Madame Aurray.
Zu Seite 397 — 399. Nach der Ausgabe von 1781 , Leipzig bei Christian
Gottlob Eilseber, heisst es Hanno Fürst in Norden, nicht im Norden, welche
letztere Bezeichnung sich in Theaterzeitungen und Almanachen Yorfindet. Gross¬
mann nannte in der Einladung zur Eröffnungsvorstellung das Stück: »Hanno,
Fürst von Norden?.
Seite 399. Nach einer getroffenen Veränderung im Repertoire wird nicht
Frl. "VVeisse, sondern Frau Stägemann die Rolle der Prinzessin Ornithe spielen.
Einleitu n g\
Das grosse Verdienst, die ersten theatralischen Aufführungen
in Frankfurt veranstaltet zu haben, gebührt den Geistlichen der drei
Collegiatstifter , die zum öfteren in der Oster- und Pfingstzeit des
Jahres unter dem Beistände ihrer Schüler und der jungen Bürger¬
schaft geistliche Spiele, die sogenannten Mysterien, zur Darstellung
brachten.
Die bisherigen Forschungen über die hier wirklich aufgeführten
geistlichen Spiele 1 führten nicht weiter als auf das XV. Jahrhundert
zurück, und wenn hie und da ausgesprochen wurde, dass schon im
XIV. Jahrhundert kirchliche theatralische Vorstellungen stattfanden, so
beruhte diese Annahme lediglich auf Vermutlmng.
Neuere Forschungen haben ergeben, dass die Abfassung der zu
den Schätzen unserer Stadtbibliothek gehörigen und von Fichard in
das Jahr 1506 gesetzten Dirigirrolle des Bartholomäusstiftes bereits
in das XIV. Jahrhundert fällt, in welchem die geistlichen Spiele einen
streng religiösen Charakter trugen und von den späteren verwelt¬
lichenden Einflüssen noch keine Spuren aufzuweisen haben. Der
gelehrte und fleissige Baldemar von Peterweil, Kanonikus am Bartho¬
lomäusstifte, unterwarf die Rolle, wie seine Bemerkungen im Text
und am Rande derselben bezeugen, einer genauen Durchsicht, die
ziemlich sicheren Berechnungen zu Folge bald nach der Mitte des
XIV. Jahrhunderts vorgenommen sein muss. Baldemar von Peterweil
wird schon 1384 in einer Urkunde als verstorben erwähnt.
Um so interessanter ist deshalb eine Vergleichung dieser Dirigir¬
rolle mit dem von Herrn Archivar Dr. Grotefend aufgefundenen
Passionsspiel von 1493, welches eine grosse sachliche Uebereinstim-
mung mit dem der Rolle zu Grunde liegenden Spiel enthält. Das über
die Frankfurter Passionsaufführungen aus Lokalquellen neu gewonnene
Material gewährt in Verbindung mit der Vergleichung der beiden Spiele
reiche Blicke in die hiermit zusammenhängenden Verhältnisse. 2
1
2
Namentlich ist die mehrfach in jener Zeit auftauchende Absicht,
sogenannte Bruderschaften zur Aufführung von geistlichen Spielen zu
bilden, eine für das Frankfurter Leben bisher noch nicht genügend
gewürdigte Erscheinung. Der letzte Versuch einer Bruderschaft zur
Aufführung eines solchen Mysteriums fällt in das Jahr 1515, also in
eine Zeit, wo die humanistischen Bestrebungen es der bedrängten
Kirche zur Aufgabe machten, die dramatischen Aufführungen als ein
bedeutendes Wirkungsmittel auf das Volk sicli zu erhalten.
Die bald in hohen Wogen hereinbrechende Deformation , zu
deren Hauptforderungen auch die Vermeidung von äusserlichem Ge¬
pränge in geistlichen Dingen gehörte, hatte einen bewussten Wider-
stand gegen kirchliche theatralische Aufführungen zur Folge.
Erst nach völliger Rückkehr zu geordneten Verhältnissen in
den vierziger Jahren des X VI. Jahrhunderts, treten in Frankfurt aufs
Neue dramatische Bestrebungen hervor, che zwar von einem anderen
Geiste getragen wurden wie die Passionsspiele, aber sowohl durch
die Wahl der Stoffe wie durch die Art ihrer Abhaltung wieder auf
dieselben zurückgreifen.
Die Bürgerspiele.
i.
Dass auch in Frankfurt den theatralischen Leistungen der Kirche
die ersten Versuche berufsmässiger Darstellungskunst zeitlich eben¬
bürtig waren, beweist die frühe Erwähnung von Spielleuten, Mimen,
Tänzern und Gauklern, deren grösste Thätigkeit sich in der alten
Reichsstadt, wie überall in Deutschland, hauptsächlich in der Zeit der
Messen entfalten durfte. Von welcher zweideutigen Art aber diese
ersten schauspielerischen Versuche gewesen sein müssen, erkennen
wir- an dem ererbten Vorurtheil der Nachlebenden, welche in den
folgenden Jahrhunderten ohne Bedenken die ersten Berufskomödianten
zu den unehrlichen Leuten , ja zu dem Auswurf der Menschheit
zählten. Müssen wir also auch jene Mimen, Tänzer und Gaukler
die eigentlichen Ahnherren der Schauspielkunst nennen, so dürfen wir
aber eben so wenig verschweigen, dass sie es waren, die ihrem
Geschlechte diesen gefährlichen und von den edelsten Jüngern der
dramatischen Kunst oft schmerzlich empfundenen Makel aufprägten.
Aber nicht allein von fahrenden Gauklern sind mimische
Leistimgen zu verzeichnen, auch in dem Volke der alten Reichsstadt
schlummerte der uralte Trieb der Darstellungskunst , der sich zur
Fastnachtszeit in mannigfaltigen Mummereien, in ausgelassener Lustig¬
keit und in verschiedenen pantomimischen Tänzen Ausdruck verschaffte.
Mehr als ein Decennium vor der Aufführung des unter der
Leitung des Vicars Enolphus vom Bartholomäusstifte als Rector 14G7
in Scene gesetzten Mysteriums findet sich die Erwähnung eines Spiels,
welches »Gesellen« auf Fastnacht aufführen wollen. Der Rath gestattete
dasselbe nicht allein, er lieh auch die Bretter und Dielen zum Gerüst
unter der Bedingung, dass die Mitwirkenden die Löcher im Pflaster
wieder zumachen würden. 3
Da der Römerberg schon Anfangs des fünfzehnten Jahrhunderts
gepflastert war, lässt sich mit einiger Gewissheit annehmen, dass die
Aufführung hier abgehalten wurde ; welcher Art jedoch das Spiel
gewesen, kann nur aus literarhistorischen Vergleichen vermuthet oder
annähernd bestimmt geschlossen werden. — Vielleicht war es ein
1*
4
Fastnachtsspiel von Hans Rosenplüt, dessen dichterische Thätigkeit
bei dem lebhaften Handelsverkehr zwischen Frankfurt und Nürnberg
schon in der Mitte des XV. Jahrhunderts den meisten Bürgern der
alten Handelsstadt einigermassen bekannt sein musste.
Wenn aber auch bei diesem Spiele von vielen Brettern und
Dielen zum Gerüst die Rede ist, so würden wir uns sehr täuschen,
falls wir die Bühne der Fastnachtsspiele mit dem immerhin nach
gewissen Regeln errichteten Aufbau zu den Mysteriendarstellungen
vergleichen wollten.
Nichts ist einfacher als der theatralische Apparat zu einem
solchen Schwank von Hans Sachs oder Hans Rosenplüt, bei welchem
meist der geräumige Platz zu einer ungeschlachten Prügelei zwischen
den Spielenden die Hauptsache bildete. Wurden die Schwänke nicht
in geschlossenen Räumen aufgeführt, dann schlug man ganz einfach
vier Hauptpfähle und verschiedene Stützbalken in die Erde und be¬
legte dieselben so mit Brettern, dass eine quadratische Bühne ent¬
stand. Auf dieser trugen sich dann die ungehobelten burlesken
Scenen zu, welche bei dem damaligen derben Sinn des Volkes stets
einen so allgemeinen Beifall fanden.
Auf Fastnacht 1463 — also vier Jahre vor der ersten Auf¬
führung des oben erwähnten geistlichen Spiels — suchten nicht näher
bezeiclmete Gesellen beim Rath um die Erlaubniss nach, den heid¬
nischen Tanz thun zu dürfen.4 Sie erhielten unter der Bedingung
Willfahrung, »dass sie sich nicht vermalen sollten«, welche Warnung
gleichbedeutend ist mit einem etwa hundert Jahre älteren Verbot
gegen das Vermachen unter den Augen.5
Der heidnische Tanz ist ohne Zweifel eine christliche Umbildung
der um die Zeit der Frühlingswende bei den heidnischen Franken
und Chatten abgehaltenen Feierlichkeiten. Wie bei jenen Stämmen
junge Leute in vermummter Gestalt erschienen und die greulichen
Lindwürmer darstellten, mit welchen — nach den alten Liedern —
des Volkes Helden kämpfen mussten, so trat die Jugend des Mittel
alters bei den sogenannten heidnischen Tänzen vermalt und in ver¬
mummter Thier- und Teufelsgestalt auf, deren Aussehen bei den
Zuschauern ebensoviel Grausen als Belustigung erregte.
Alle diese volksthümlichen Elemente der Schauspielkunst wurden
jedoch dadurch in andere Bahnen geleitet, dass die Kirche deren hohe
Bedeutung anerkannte und sie mit ihrem ernsten biblischen Stoffe
verband. Gerade die lustigen Scenen im geistlichen Drama waren
es ja, welche auf die grosse Masse wirkten und mehr noch als die
Versinnlichung der heiligen Geschichten die Fühlung der Kirche mit
dem Volke unterhielten.
Ob am Schlüsse des 15. Jahrhunderts neben den grossartigen
geistlichen Spielen die weltliche Schauspielkunst in Frankfurt noch ihre
selbständigen Wege ging, muss trotz der eingehendsten Forschung
5
dahingestellt bleiben. Ein unbekannter Schriftsteller des siebzehnten
Jahrhunderts spricht zwar in seinem Büchlein »Allerhand neve und
schöne Historien so in vorigen Zeyten allhiero würklich passiret sind«
(Frankfurt 1618) von einer Darstellung eines Spiels vom Hans
Sachsen zu Nürnberg, worin ein Kranker mit einem dicken ge¬
schwollenen Bauche vorkam, der unter dem jämmerlichsten Geschrei
des Patienten und dem Gejauchze der Zuschauer vom Arzt mit
Hülfe seines Knechts aufgeschlitzt wurde.
Ohne Zweifel meint der Verfasser des eben genannten Büch¬
leins den sinnreichen, aber etwas anstössigen Schwank von Hans
Sachs, in welchem der Arzt nach derselben Verrichtung dem Kranken
mit einer grossen Zange allerlei zeitgemässe Untugenden in Form
kleiner Narrenpuppen aus dem Bauche holt und dem Publikum vor¬
zeigt.. Ehe er dem erlösten Patienten den Bauch wieder zunäht,
schneidet er ihm noch einen Ansatz von kleinen Närrchen heraus,
deren schnelles Heranwachsen leicht wieder den alten Zustand herbei¬
führen könnte. Bei der öfteren Aufführung und dem Erfolg, welchen
dieser Schwank in Nürnberg erlebte, Hesse sich nun leicht annehmen,
dass er auch in Frankfurt zur Darstellung gekommen wäre. Da aber
die alten QueHenschriften jeglicher Mittheilung hierüber entbehren,
kann man wohl mit grosser Sicherheit sagen, dass sich der Verfasser
um ein halbes Jahrhundert geirrt hat. Wie später noch ausführlicher
erwähnt -werden soU, spielten im FrühHng des Jahres 1585 Nürn¬
berger Komödienspieler und Gaukler in einer Bude am Main und
bei dieser sahen ohne Zweifel »die Väter« des ungenannten Frank¬
furter Schriftstellers einer DarsteHung vom »Narren schneiden« zu.
Man kann es geradezu behaupten, dass von dem Zeitpunkt an,
wo die alten Reichsstädter durch die häufigen Aufführungen der
Passionsspiele anhaltende Eindrücke wirklich scenischer Darstellungen
empfingen, wohl noch Mummereien und sonstige Belustigungen, aber
keine eigentüchen Fastnachtsspiele mehr in Scene gesetzt wurden.
Auch war ja die Theilnahme an den Mysterien eine so ausserordent¬
liche, dass unmöglich eine dramatische Richtung neben denselben
aufkonnnen konnte, bei der nichts weniger als der kirchliche Gehalt
den Lebensnerv des Daseins ausmachte.
Erst als die geistlichen Spiele durch das Ausbeuten der bur¬
lesken Scenen und die lustigen Nachfeste verweltlichten, erst dann
hätte das Fastnachtsspiel eines Hans Sachs den Vorantritt in dem
weiteren Entwicklungsgang der dramatischen Kunst in Frankfurt er¬
langen können.
Aber in jener Zeit schlug Luther die 95 Sätze an das Portal
der Schlosskirche zu Wittenberg, deren Inhalt wie ein flammender
Blitz in den in Frankfurt angesammelten Zündstoff einschlug. Ob
als Freund oder Feind, ob für oder wider, Alles nahm Stellung zu
dem grossen Werk der Kirchenerneuerung, welches in der alten
6
Reichsstadt sofort eine Schaar begeisterter Anhänger finden sollte.
Aber nicht wie in den deutschen Hauptstädten der Schweiz fand
auch in Frankfurt die reformatorische Bewegung ihr unmittelbares
Echo in den dramatischen Aufführungen. Hier las man zwar die
Schauspiele, welche die lebensvolle dramatische Form als wichtiges
Streitmittel gegen die Misswirtschaft des Papstthums benutzten, aber
das bretterne Gerüst der Mysterienbühne verwandelte sich nicht in
eine Kanzel, von welcher aus die Stimme für die geläuterte Lehre
des Evangeliums hätte erhoben werden können.
Auch das komische Fastnachtsspiel fand in der ernsten, bewegten
Zeit nach dem Reichstag zu Worms kein günstiges Erdreich, in
dem seine alten Wurzeln neu hätten ausschlagen können.
Ein Menschenalter entschwand, ehe der Sturm sich in den
Gemiithern einigermassen gelegt hatte, ehe die dramatische Kunst an
der Hand eines »teutschen Schulmeisters« den Boden des neuen
Glaubens in Frankfurt betreten durfte. Es waren jedoch keine heiteren
possenhaften Spiele, womit man den Zuschauern zuerst die Lust an
dramatischen Darstellungen wieder zu erwecken suchte.
Dem ernsten Charakter der Zeit entsprechend, wählte man in
Frankfurt bis zum Auftreten der Nürnberger Spielleute nur Gegen¬
stände aus der Bibel und der Legende, in welche freilich — wie ehe¬
mals in die Mysterien - — als besondere Würze komische Intermezzos
eingeflochten waren.
Ehe die Aufführung der in der Reformationszeit entstandenen
Schauspiele eingehendere Schilderung finden kann, muss noch er¬
wähnt werden, dass nach den vorliegenden Schriftquellen lateinische
Schulkomödien in ihrer eigentlichen Blüthezeit in Frankfurt nicht
aufgeführt wurden. Der Humanismus, — der Tater dieser dramati¬
schen Hebungen im Latein, — konnte selbst nur unter einer Maske
in die drei alten Stifter ein dringen, deren Schüler durch andere
Hülfsmittel im öffentlichen Vortrag und classischer Diction geübt
werden mussten, als durch die Recitation verfänglicher Werke der
heidnischen Poeten Plautus und Terenz.
Obgleich die neue Gattung der Schulkomödien durch ihre
stereotype Einseitigkeit der dramatischen Kunst nicht mehr Dienste
leistete, als die geistlichen Spiele, so wäre es doch interessant ge¬
wesen, erforschen zu können, ob vielleicht in der 1520 in Frankfurt
gegründeten Schola Patriciorum die Aufführung einer lateinischen
Comödie stattgefunden hat. —
Kurz vordem Luther auf seiner Reise nach Worms in der alten
Reichsstadt einkehrte, hatten bekanntlich einige der neuen Lehre
zuneigende Patricier auf Vorschlag des Erasmus von Rotterdam den
jungen gelehrten Humanisten Wilhelm Nesenus als Lehrer ihrer
Söhne nach Frankfurt berufen. Aber so viel man auch darüber
weiss, dass Nesenus durch seine humanistischen Bestrebungen die
7
Verbreitung der neuen Lehre fördern half, so spärlich fliessen die
Quellen über seine eigentlich pädagogische Wirksamkeit. Wenn
man jedoch seine feurige Natur, seine Begeisterung für die reforma-
torische Bewegung in Betracht zieht, so möchte man fast mit
Sicherheit annehmen, dass auch Nesenus — wie so mancher seiner
zeitgenössischen Collegen — diesen neu entdeckten Kampfplatz für
die Ausfechtung der dogmatischen Streitfragen keineswegs unbenutzt
liess. —
Die erste von uns aufgefundene actenmässige Erwähnung einer
lateinischen Komödie, die von den Scholaren der Barfüsserschule auf¬
geführt wurde, fällt in das Jahr 1591, also in eine Zeit, in welcher
die Werke des Plautus und Terenz bereits von biblischen oder legen¬
darischen Stoffen im antiken Gewände verdrängt worden waren. Es
handelt sich hier um eine Darstellung der Komödie von der Susanna,
welches Stück der Rector der Schule wahrscheinlich selbst verfasst
hatte. Seine Bitte an den Rath lässt trotz einer Erwähnung der Be-
sorgniss erregenden Zeitumstände durchblicken, dass er beabsichtige,
die Komödie mit seinen Schülern auf einem öffentlichen Platz ausser¬
halb der Schule zur Darstellung zu bringen, aber der Rath, der ein
derartiges öffentliches Examen im Lateinischen offenbar nicht wünschte,
gestattete nur eine Aufführung in der Schule, mit dem Zusatz, dass
dieselbe innerhalb der nächsten vierzehn Tage stattgefunden haben
müsse. 6
Ein Jahr später, um dieselbe Zeit, erbat sich der Rector der
nämlichen Schule "wieder vom Rath die Erlaubniss zur Aufführung
der Komödie vom König David und dem Philister Goliath. Noch
mehr als bei seinem ersten Antrag erkennt man in dieser Bittschrift
das Bestreben des gelehrten Mannes, die Leistungen seiner Scholaren
öffentlich zu präsentiren. Er erwähnt zwar auf’s Neue »die bedenk¬
lichen Zeitläuffte«, aber er fügt hinzu, dass er die Komödie lauge
einstu dirt und die Absicht habe, dieselbe vor einer öffentlichen Dar¬
stellung im Stillen mit den dazu gehörigen Gewändern zu versuchen.
Darnach wendet sich der Rector noch in feiner Weise an die be¬
kannte Freigebigkeit des Rathes, welche derartige Darstellungen nicht
allein durch Balken und Dielen zum Gerüste, sondern in neuerer
Zeit auch durch sonstige Beisteuern zu unterstützen pflegte. Jedoch
die Väter der Stadt gingen diesmal ebensowenig auf das Begehren
des Rectors ein wie das erste Mal. Sie gestatteten zwar den Ver¬
such dieser Komödie im Stillen, aber sie erliessen die Verordnung,
die öffentliche Action derselben noch zur Zeit einzustellen. 7
Es ist wohl möglich, dass in der Folgezeit besonders bei feier¬
lichen Schulacten noch viele solcher lateinischen Komödien aufgeführt
wurden, die Luther in einem Briefe an Joh. Cellarius aus vielfachen
Gründen für ein so bedeutendes Bildungsmittel der Jugend aner¬
kannte. Aber je selbständiger die dramatische Kunst in Frankfurt
8
wurde, desto weniger Einfluss hatten diese lateinischen Exercitien in
dramatischer Form auf deren weiteren Entwicklungsgang. Wir ver¬
weisen sie deshalb in der Folge auf das Gebiet der pädagogischen
Betrachtung und kehren nach einem so grossen Vorsprung zu dem
Zeitpunkt zurück, wo Mathis Reuter (Reiter), »teutscher Schulmeister«,
im Jahre 1545 das erste Schauspiel eines protestantischen Dichters
auf dem Römerberg zur Darstellung brachte.8 Ihm halfen bei diesem
Unternehmen seine grösseren Schüler und die Zünfte, die mittler¬
weile ein starker Halt des jungen Glaubens geworden waren.
Zu den Glanzpunkten der Frankfurter Theatergeschichte gehört
unstreitig die Thatsache, dass dieses Stück »ein geistliches Spiel von
der gottesfürchtigen und keuschen Frawen Susannen« 9 das bedeu¬
tendste Werk eines Dichters war, der seine gleichstrebenden Zeit¬
genossen in jeder Beziehung um Haupteslänge überragte.
Paul Rebhun, der Freund Luthers und Melanchthons, ist einer
der wenigen Gelehrten jenes Zeitalters, welche mit einer umfassen¬
den humanistischen Bildung den Sinn für die Veredlung der deut¬
schen Volksdichtung zu paaren verstanden. Das fünfactige Drama
»Susanna« von Paul Rebhun ragt nicht allein dadurch über alle
derartigen gleichzeitigen Werke hervor, dass seine Gestalten über¬
raschende Züge psychologischer Wahrheit und Feinheit in sich tragen,
sondern auch durch den weiteren Vorzug, dass sich in ihm trotz
der volkstümlichen Form genau die Einflüsse naclnveisen lassen,
welche die classischen Studien auf das biblische Drama der Reforma¬
tionszeit ausübten.
In der »Susanna« baut Rebhun zum ersten Mal den biblischen
Stoff nach den Regeln des antiken Dramas auf. In richtigem drama¬
tischen Gefühl zieht er eine engere Linie um den Kreis der eigent¬
lichen Handlung, als seine Vorgänger gethan, und theilt sie in fünf
wohlgegliederte Hauptstücke oder Acte. Auf einen jeden derselben
lässt der Dichter metrisch vollendete musikalische Chöre folgen, welche
ungefähr dieselbe Stellung zur dargestellten Handlung einnehmen,
wie die Chöre zu der Handlung des griechischen Dramas.
Obgleich nun Rebhun zur dramatischen Charakterisirung der
Hauptpersonen seinen Stoff noch durch einige dichterischen Zusätze
bereicherte, so ist er doch im Ganzen der bekannten biblischen Er¬
zählung bis aufs Kleinste getreu geblieben. Mit einer klaren und
sicheren Empfindung für das dramatisch Wirksame giebt Rebhun
den bedeutendsten Momenten dieser an dramatischem Gehalt so reichen
Historie auch in seinem Drama ihren rechten, in die Augen fallen¬
den Platz. Wir müssen dies um so mehr bewundern, wenn wir
seine »Susanna« mit der langen Reihe von Susannen vergleichen,
welche in der Folge von andern Dichtern der Reformationszeit ver¬
fasst wurden.
Die »Susanna« von Paul Rebhun gelangte schon 1535 in Kahla
9
Leitung
in
im Thüringischen und später (1544) in Oelsnitz durch Bürger zur
Aufführung. Zwischen die spätere Darstellung des Dramas zu Münner-
stadt 10 im Jahre 1549 fällt die unter Mathis Reuters
Frankfurt 1545 am 29. Juli auf dem Römerber^
Stellung.
Dieser »teutsche Schulmeister«, der, wenn wir einer traditionel¬
len Mittheilung glauben dürfen, aus dem Thüringischen stammte, er¬
stattgefundene Y or-
warb sich nicht nur das Verdienst, nach
langer
Verbannung der
dramatischen Kunst wieder Eingang in Frankfurt verschafft zu haben,
sondern
auch
matisch - dichterische Leistungen das richtige Verständniss
durch die Wahl des Stückes, dass er für dra-
hatte. Da
nun die »Susanna« von Paul Rebhun das erste in Frankfurt auf¬
geführte Drama ist, in welchem der Dichter auf individualisirende
Charakteristik Rücksicht nahm, so soll hier das Verzeichniss der im
Drama auftretenden Personen und eine Scene aus demselben wieder¬
gegeben werden.
»Unterredner dieses Spiels [damalige Bezeichnung für die Personen].
Resatha
Ichaboth
die zwen Richter.
Simeon
Gamaliel
Zacharias
Nahor
Daniel der prophetisch knab.
Susanna die keusche Fraw.
Joachim 1 Man.
Helchias Vater.
Elisabet Mutter.
Rebecca Schwester.
Benjamin > Söhnlein.
Jahel Töchterlein.
Sara Erste magd.
Dabira Andere magd.
Baldam der reiche Bürger.
(Malchus des Baldams Knab.
Olimpa
die vier Eltisten oder Radtsgenossen.
Ruth
Abdi
Gorgias
Samri
Abed
Giezi
zwo Widwen.
des Joachims
die Schergen.
Erster
Anderer
Dritter
Knecht.
(Heb der den letztrunk gibt.)«
Nachdem die beiden im Genre Jago’s gehaltenen Richter Su¬
sanna bei den Aeltesten des Volkes der Untreue angeklagt haben,
10
bereitet sich die reine Frau, die hier wie Desdemona als das Ideal
ehelicher Liebe und Treue dargestellt ist, zum Todesgang durch
folgendes Gebet vor:
»Actus Quinti Seena Prima,
Susanna, Joachim, Giezi, Helchias, Elisabet, Rebecca, Abed.
Susanna:
0 Gott in ewigkeit der du alleine
All heymlich Ding erkenst beyd gross und kleine
Der du zuvor weist alls, ehe dans geschihet
Dein äuge auch in das verborgne sihet
Du du erkenst, das dise haben geben
Ein falsch gezeugnis, das sie mich vom leben
Zum tode brengen vnverdienter sache
Darumb o mein Gott dich zu mir bald mache
Ynd rieht mein vnschuld mit gerechtem grichte
Dann ich des lasters schuldig bin mit nichte
Das sie mit lügen habil auff mich ertichtet
Ynd drauff zum tod verurteilt, vnd gerichtet,
Dieweil ich dann nu soll auffgebn mein seien
So wil ich dirs in deine hendt bevelen
Dann du o mein Gott wirst mich nicht verlassen
Ynd diser rach zur Zeit dich recht anmassen.
Joachim [der im Drama nichts weniger als ein Othello ist]:
Ach Gott das vnschult bleiben sol verschwigen
Ynd recht dem gwalt sol vndern fassen ligen
Wie lang wiltu zu disen dingen schweigen
Ynd deine augn zu uns herab nicht neygen
Wie kum wir ytzt in solche schwere schände?
Ach Herr erlöss vns durch dein starke hande.« 1 1
Ein feiner psychologischer Nebenzug in diesem dramatischen
Gemälde ist der feste Glaube und die herzliche Zuversicht, welche
nicht allein die Diener des Hauses, nein auch die Schergen in Su¬
san nas tleckenlose Tugend und Unschuld setzen. Giezi, der mit
seinem Gesellen Abed von den Aeltesten abgesandt wurde, um
Susanna gebunden in’s Richthaus zu führen, entschuldigt dies Vor¬
haben, nachdem Joachim zu Ende gesprochen, mit den Versen:
»Fraw wollt vns das vmb Gottes willn vergeben
Das wir ytzt vnser hendt an euch werdn legen
Wir wolten vns viel lieber des endhalten
Wo wir nicht müsten ghorsam sein den alten
Drumb wolt euch nu gedültig drein ergeben
Ynd eure hendt für euch zusamen legen.«
11
»Susann a:
Ach last mir noch ein klein weil frey mein hende
Das ich die meinn müg gsegnen für meim ende
Gesegn euch Gott mein aller Liebster lierre
Wolt euch meinn todt nicht lassen kümmern sehre
Denn Gott der wirdt den grossen gwalt noch rechen
Mein vnschult lassen auch herfür noch brechen
Mein liebe kindlein lass ich euch zur letzen
An disen wolt euch eures leids ergetzen
Ynd sie in Gottes forchten stets erhalten
Auff das sie mügen sein ein freud euch alten
Dann ihn kein grösser Schatz kan werdn auff erden
Dann so sie Gotselig erzogen werden.«12
Nun nimmt Susanna Abschied von ihrer Familie, dann ergiebt
sie sich den Schergen, aus deren Händen sie durch die Weisheit des
jungen Daniel wieder erlöst wird.
Die Aufführung der »Susanna« in Frankfurt erlebte keinen ge¬
ringem Erfolg als ein halbes Jahrhundert früher die geistlichen
Spiele. Mathis Reuter und die mitwirkenden Bürger bekamen nicht
allein wieder Balken und Dielen zur Bühne umsonst geliehen, son¬
dern auch später einen halben Schilling (6) Gulden von den Tätern der
Stadt zur Verehrung. 13 Sicher würde die Spende noch grösser aus¬
gefallen sein, wenn der Rath nicht durch Erkundigung erfahren hätte,
dass der der Vorstellung beiwohnende Comtlmr des deutschen
Ordens in Sachsenhausen den Spielern schon 2 Tlilr. und 4 Flaschen
Wein zur Belohnung geschenkt habe. 14
Ein Jahr später bat Mathis Reuter den Rath im Mai um die
Gewährung, die Historie Josephs aus dem alten Testament zur Auf¬
führung bringen zu dürfen. Ohne die geringste Einwendung wurde
seinem Gesuch sofort Bewilligung zu Theil 15, welche Thatsache noch
mehr als che empfangene Verehrung beweist, dass die vorjährige
Darstellung den Vätern der Stadt kein Bedenken eingeflösst und sich
des allgemeinsten Beifalls zu erfreuen gehabt hatte.
Zur Charakteristik Mathis Reuter’s, welcher sich der drama¬
tischen Kunst mit ganzer Liebe hingab, sei hier noch erwähnt, dass
er, und jedenfalls des Komödienspielens halber, sein Nebenamt als
Vorsinger vernachlässigte. Aus diesem Grunde wurde er »eingesteckt«,
aber alsbald auf einflussreiche Fürbitte wieder entlassen. 16
Mathis Reuter war überhaupt ein Mann, der seine vielseitigen
Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst zu verwerthen suchte ; dies
geht auch aus dem Umstande hervor, dass er sich am 12. April
1546 um die Schreiberstelle bei dem hier abzuhaltenden Reichstage
bewarb. 17 Freilich erhielt er auf dieses Gesuch einen abschläglichen
Bescheid, aber nicht aus Mangel an Vertrauen zu seinen Kenntnissen,
sondern in Rücksicht auf seine schon vielfach zersplitterte Thätigkeit.
12
Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass in diesen Bürger¬
komödien, wie ehemals in den Mysterien, die Frauenrollen von
Männern gegeben wurden. Die Kinder der Susanna und den jungen
Daniel stellten in dem Spiel wahrscheinlich einige Schüler des Mathis
Reuter dar, die dieser »teutsche Schulmeister« für ihre Aufgabe, wie
eine weitere Bemerkung in dem mehrmals erwähnten Büchlein
»Allerhand neve und schöne Historien« u. s. w. meldet, »gar ergötzlich
und lieblich darzu angeschickt« hatte.
Im Jahre 1549 führten die Buchdrucker, welche in Frankfurt
neben den Schuhmachern die bedeutendsten Stützen der Reformation
und fortschreitenden Volksbildung waren, auf Fastnacht »die zehn
Altern« 18 von Pamphilus Gengenbach, Bürger und Buchdrucker in
Basel, auf. Sie mussten dieses Stück, wie die fast gleichzeitig um die
Erlaubniss zur Darstellung »Vom verlorenen Sohn« einkommenden
Schuhmachergesellen, zuerst dem Prädikanten Mathias Ritter zur
Censur einreichen, der in seinem Berichte an den Rath die Vor¬
stellung beider Stücke befürwortete. Trotzdem die Väter der Stadt
sich anfangs ablehnend gegen die auch den Schwerttanz19 aufführenden
Schuhmachergesellen verhalten hatten,20 durften sie nun doch nach
dem Censurbericht mit den Buchdruckern um den Preis des grössten
Erfolges auf dem Gebiete der Darstellung ringen. 21
Auf Fastnacht 1551 wollten die Schuhmachergesellen wieder
ihre Fechterkünste in dem Schwerttanze zeigen, mit dessen Ab¬
haltungen sie schon 1538 begonnen hatten. Es war dies ein marsch¬
artiger Tanz mit Fechterbewegungen, bei welchem es allein auf
Pünktlichkeit und sichere Handhabung der Waffe ankam. Dieser
beliebte Tanz stammt schon von den Griechen, bei denen er ebenso
häufig als gottesdienstliche Hebung wie als Spiel vorkommt. Aber
im Hinblick auf die bedenklichen Zeitverhältnisse — es war die für
die Protestanten schwere Zeit des Interims — wurde die Abhaltung
des Waffentanzes nicht gestattet.
Der Rath fügte dem abschläglichen Bescheid sogar noch die
strenge Verordnung hinzu , dass auf allen Zunftstuben und Gesell¬
schaften angesagt werden solle, die Gesellen oder ihresgleichen möchten
sich des »Butzengehens« (der Mummerei) auf Fastnacht bei Strafe und
beim Verlust seiner Gunst enthalten.22
Durch die Belagerung Frankfurts vom 17. Juli bis 9. August
1552, deren Nachwirkungen noch lange tief in das öffentliche Leben
der alten Reichsstadt eingreifen sollten, entstand nun wieder in dem
Fortschritt der dramatischen Kunst eine Pause von mehr als zehn
Jahren.
Erst im Januar 1563 kamen die Buchdruckergesellen wieder
um Erlaubniss zur Darstellung der Historie »Vom heiligen Tobias«
(wahrscheinlich von Jörg Wickram zu Kolmar) ein,23 welches Be¬
gehren ihnen unter der Bedingung gestattet wurde, dass sie sich,
13
dem Charakter des Stückes gemäss, züchtig und ohne Ausschweifungen
verhalten würden. 24
Im Laufe des folgenden Jahres starben 1966 Personen in
Frankfurt an der Pest,25 wodurch sich der Rath neben verschiedenen
Anordnungen auch zu dem Verbot genöthigt sah, dass die Tänze
und andere öffentlichen Lustbarkeiten abgestellt werden sollten.
Wahrscheinlich wurde aus diesem Grunde den Schuhmachern auf
Fastnacht 1565 der Schwerttanz nicht gestattet, 26 und den »Trucker¬
gesellen zum Krug« die Aufführung einer nicht näher bezeichneten
»Tragödia« abgeschlagen.27 Eine weitere Folge jenes Verbots mag es
wohl auch gewesen sein, dass die Bitte derselben, auf Fastnacht 1567
die Historie von den sechs Kämpfern von Hans Sachs darstellen zu
dürfen, wiederum keine Bewilligung fand.28
Die schwere Heimsuchung, welche Frankfurt im Jahre 1568
durch das grosse Sterben an der Pest zu erleiden hatte, drängte die
Freude und das Interesse an theatralischen Bürgerspielen beinahe
wieder ein Decennium hindurch von dem Schauplatz des öffent¬
lichen Lebens zurück. Trotzdem 1571 noch 918 Personen an der
schrecklichen Seuche starben, wagten es die Schuhmachergesellen
dennoch , beim Rathe ein Gesuch, wegen Abhaltung des Schwert¬
tanzes einzureichen, welches aber abschläglich beschieden wurde.29
Ein Jahr später gelang es den Meistern und Gesellen des¬
selben Handwerks , die Erlaubniss zur öffentlichen Aufführung des
Spiels »Vom jüngsten Gericht« zu erwirken.30 Dies Stück wird in
den Raths-Protocollen auch »Singschule« genannt, weil in dasselbe
verschiedene Chöre eingeflochten waren, die von den gut eingeübten
Gesellen des Schuhmacherhandwerks gesungen wurden. Es muss
aber darauf aufmerksam gemacht werden, dass die von den Schuh¬
machern dargestellte Tragödie nicht zu verwechseln ist mit dem erst
1573 erschienenen Werke des Philipp Agricola »Ein Schöne Christ¬
liche liebliche Comödia von dem Letzten tage des Jüngsten gerichts.
(Gedruckt durch Joh. Eichhorn Frankfurt an der Oder).«
Das hier wie auch in verschiedenen rheinischen Städten auf¬
geführte Spiel »Vom jüngsten Gericht« von einem unbekannten Ver¬
fasser, lässt in crassen Scenen hauptsächlich die Höllenqual der Ver¬
dammten hervortreten. Da man in jener Zeit den Grund für schwere
Heimsuchungen gewöhnlich in der grossen Sündhaftigkeit der Menge
suchte, hat der Dichter in Hinblick auf die Fehler und Laster seiner
Zeitgenossen in der Tragödie abschreckende Bilder ihrer ewigen
Strafe entworfen. Unter anderm kommt ein an der Pest gestorbener
Jüngling darin vor, dem der Heiland sagt, die schwere Seuche sei
nur seine zeitliche Plage gewesen, jetzund solle er erst in der Hölle
für seinen sittenlosen Wandel büssen.
Der vorsichtige Rath Frankfurts würde sicher trotz dem ernsten
religiösen Charakter der Bürgerspiele in dem auch von der Pest-
14
seuclie begleiteten Jahre 1572 keine Aufführung gestattet haben,
wenn er nicht der Tragödie vom jüngsten Gericht einen segens¬
reichen Einfluss auf die Herzen des Volkes zugetraut hätte.
Erst nach sechs harten Jahren, in denen Misswachs, Theuerung
und Pestilenz selbst jedes berechtigte Vergnügen von der »fränkischen
Erde« verbannten, wagten es einige Gesellen Christoffel Schmidt,
Sekler, später Zöllner an der Friedberger Pforte und sein Bruder
Andreas Schmidt, Weinsteinbrenner aus Gernsheim, den Rath um
die Erlaubniss anzugehen, die Komödie »Vom verlorenen Sohn« vor
dem Römer oder in einem Hause aufführen zu dürfen.31 Aber die
Zeit der Erlösung aus schwerer Pein war noch zu kurz als dass
die Väter der Stadt schon jetzt ein, wenn auch religiös angehauchtes,
öffentliches Vergnügen hätten gestatten können.
Im folgenden Jahre 1579 erlaubte der Rath einigen Gesellen
im Rahmhof, worin auch schon früher das öffentliche Schiessen ab¬
gehalten wurde, auf Fastnacht zwei theatralische Aufführungen zu
veranstalten. 3 2 Die eine derselben war die Komödie »Joseph« nach
verschiedenen traditionellen Mittheilungen ohne Zweifel das Werk
Thiebold Gart’s aus Schlettstadt, welches in seiner Vaterstadt schon
1540 auf Sonntag nach Ostern mit einer »Ersamen burgerschafft
öffentlich gespilt wurde.« 3 3
Das andere Spiel »Die geduldig und gehorsam marggräfin
Griselda, ein comödi in fünf akten mit 13 Personen von Hans Sachs« 34
hat um so grössere Bedeutung, als es das erste in Frankfurt dar¬
gestellte Stück ist, dessen Gegenstand nicht aus den biblischen
Schriften entnommen wurde. Es ist eine charakteristische Thatsache,
dass die Heldin dieses ersten hier aufgeführten weltlichen Schauspiels
in der rührenden Aufopferungsfähigkeit der Gattenliebe einer »Susan na«
und den andern hehren Frauengestalten der Bibel und Legende in
keiner Weise nachsteht.
Eine Griseldis oder Griselda musste es sein, welche den Ueber-
gang vermittelte, und einer andern dramatischen Gattung trotz dem
streng christlichen Sinne der Menge in Frankfurt eine neue Heim¬
stätte vorbereiten half.
Dieses Stück, dessen Gegenstand die Poeten bis in die neueste
Zeit vielfach zum Vorwurf dramatischer Dichtungen genommen haben,
erlebte in Frankfurt einen so grossartigen Erfolg, dass die Ver¬
anstalter der beiden Spiele um eine nochmalige Aufführung ein-
kommen mussten. Der Rath, welcher ihrer Einladung gefolgt und
bei der ersten Darstellung zugegen gewesen war, willfahrte zwar
ihrer Bitte, aber er gab diesmal kein Geschenk, auf welches die
Spieler doch allem Anschein nach gerechnet hatten. Jedenfalls wurden
ihnen schon von dem Comthur des deutschen Ordens und von
anderen hohen Personen Verehrungen- zu Theil, die dem Rath eine
weitere Zugabe überflüssig erscheinen liessen.
15
Was nun den scenischen Apparat zu der Griselda und zu den
Bürgerspielen in Frankfurt überhaupt anbetrifft, so muss man sich
denselben so primitiv als möglich vorstellen. Die je nach dem Stück
entsprechend grosse Bühne war ein einfaches, manchmal mit Tuch
belegtes Gerüst, das bei Aufführungen im Freien wegen des Schalles
oft eine bretterne Rückwand bekam. Ton eigentlichen Dekorationen
war gar keine Rede, aber seit der Zeit des Hans Sachs wurde die
Bühne nicht selten durch »Zeug behängte Pfeiler« der Breite nach
in zwei Hälften geschieden.
Verschmähte also das Bürgerspiel der Reformationszeit die
reiche Unterstützung, welche den Mysterien in der letzten Zeit die
genaue Ausbildung der scenischen Effekte gegeben, so ging es doch
schon einen viel engeren Bund mit der Schauspielkunst ein, die
jetzt statt der leblosen Gestalten des Kirchendramas zum erstenmal
zwar unbeholfene, aber lebenswarme Vertreter in der alten Reichs¬
stadt gefunden hatte.
Wenn wir uns nun auch vorstellen müssen, dass die ehrsame
Frau Susanna, die sicher von einem schönen Jüngling dargestellt
wurde, in der Kleidung einer Frankfurter Patrizierin einherschritt,
so kann man doch mit Sicherheit annehmen, dass der Repräsentant
der »geduldig und gehorsam Marggräfin Griselda« schon in einem
der Rolle mehr entsprechenden Kleide sich zeigen durfte. Dasselbe
gilt auch von den andern Personen des Spiels, denen die Vorschriften
eines Hans Sachs in Bezug auf das Kostüm ebensowenig unbekannt
gebheben sein mochten, wie seine Anweisungen für den rednerischen
und mimischen Ausdruck.
So ordnet er unter anderm im fünften Akt der Griselda, nachdem
dieselbe wieder von dem Gatten in ihre früheren Ehren eingesetzt
wurde, bei der Zurückkunft des Janiculus, ihres alten Vaters, an : »Sie
legen dem alten ein schauben (Festgewand) an, Griselda kumpt fürst¬
lich geklayd, der Graf von Banocho entpfecht sie.« In Bezug auf
mimische Vorschriften findet sich z. B. im dritten Akt, als ihr der
Gemahl das Kind abfordern lässt, die Anweisung, »Griselda schaut ihr
Kind, kust es und zeichents mit dem creutz und gibt ihms, spricht:
So nimb hin das unschuldig blut,
Weil sein mein lierr begeren thut,
Und verbring deines fürsten gebot!
Jedoch so bitt ich dich durch Gott,
Du wölst die gnad an mir beweisen
Das du nit wölst lassen zerreisen
Sein zart leiblein in walts refier
Die Vögel oder wilden thier.
Antoni tregt das Kind liinauss. Sie sicht im sehnlich nach.«35
An künstlerischem Aufbau und metrischer Vollendung steht
dieses Stück der Susanna von Paul Rebliun bedeutend nach, aber
16
beide Werke haben trotzdem gemeinschaftliche Züge. Sie tragen den
Stempel des Genius an sich und behandeln in edler poetischer Weise
psychologische Probleme, welche wahrhafte Dichter zu ihren Vor¬
würfen genommen haben und nehmen werden, so lange noch Treue
und Tücke, Liebe und Leidenschaft den alten ewigen Kampf mit
einander fortsetzen.
Obgleich nun der Inhalt der meisten in jener Zeit aufgeführten
Bürgerspiele ausserordentliche Verstösse gegen Zeit und Ort beging,
so nahmen sie doch schon desshalb eine höhere Stufe als die
Mysterien ein, weil nicht mehr das ganze mitwirkende Personal
während der Handlung auf der Bühne stand. Die Personen, deren
Auf- und Abtreten von dem Actor, früher Rector, des Spiels geleitet
wurde, kamen und gingen nach der Anweisung des Dichters, und
nur, wenn der mitunter über 100 Personen zählende Chor die Bühne
betrat, empfing man einen ähnlichen Eindruck wie früher bei den
Monstrevorstellungen des Kirchendramas. Der die Mysterien ein¬
leitende Herold oder Expositor ludi verwandelte sich jetzt in den
meistens von einem Knaben oder Jüngling dargestellten Argumen-
tator, welcher am Anfang jedes Aktes den Inhalt desselben anzeigte.
Häufig findet sich auch im Drama der Reformationszeit noch ein das
Stück mit einer Betrachtung beschliessender Conclusor.
Die übliche dichterische Form der meisten Stücke des Refor¬
mationszeitalters sind die achtsilbigen Reimpaare ; Paul Rebhun ist
der erste Dichter, der sich in seinen beiden Dramen Susanna und
die Hochzeit zu Cana eine Abweichung von der allgemeinen Regel
erlaubte.
Ebenso wenig wie das Publikum, das den Mysterien zusah,
zahlten die Zuschauer der Bürgeraufführungen in Frankfurt eine
bestimmte Abgabe. Der alte Hang, bei öffentlichen Aufführungen
mitzuwirken, beseelte auch die Zünfte und Gilden der neueren Zeit
und verlieh ihnen in Bezug auf die Förderung des Gott wohlgefälligen
Vergnügens zum allgemeinen Besten eine Opferwilligkeit, worüber
wir uns noch heute erstaunen müssen. Die ganze Entschädigung,
die das Spielpersonal für seine Mühen und Auslagen empfing, bestand
in einer Verehrung vom Rath und in der meistens von einigen
reichen Zuschauern gestifteten freien Zeche.
Die beiden 1579 im Rahmhof abgehaltenen Komödien bilden den
Glanzpunkt der Frankfurter Bürgerspiele. Nun war die Zeit nicht
mehr fern, wo die ersten fremden Wandertruppen von Berufs¬
komödianten dem Laientheater der Reformationsepoche auch in der
alten Reichsstadt Frankfurt mit sicherer Hand den Todesstoss ver¬
setzen sollten.
Im Jahre 1581 hielten die Schuhmacher wieder auf Fastnacht
den Schwerttanz ab,30 und ein Jahr später petitionirten im Juni
einige Bürger, an deren Spitze Ott Regenbogen 37 stand, künftiges
17
Schiessen die »Comödie vom König Ahas« aufführen zu dürfen. Den
Bittstellern wurde ihr Gesuch zwar gestattet , aber mit dem Vor¬
behalte, dass dem Rathscensor, Prädikanten Mathias Ritter, die Komödie
zuvor zur Einsicht übergeben werde. Dieser beurtheilte dieselbe
günstig und wurde sie dann zur Zeit des grossen Schiessens auf¬
geführt, welches stets eine Menge Bürger und viele Fremde aus
den schwäbischen und rheinischen Städten in den Mauern Frankfurts
vereinte.
Wegen Mangels weiterer Mittheilungen lässt sich weder genau
bestimmen, wo diese Bürgerkomödie abgehalten wurde, noch wer der
Verfasser derselben war.
Was aber Ott Regenbogen, den Unternehmer des Spiels vom
König Ahab anbetrifft, so haben wir in ihm eine Persönlichkeit vor
uns, die zu absonderlichen Bestrebungen wie ^geschaffen erschien.
Er war ein Stiefsohn vom hiesigen Pfarrer Egenolff, entlief dem
Hause und seinem Lehrherrn, einem Barbier, trieb sich lange Jahre
in Ungarn umher, diente wahrscheinlich als Lanzenknecht im kaiser¬
lichen Heere und tauchte dann 15(38 als Barbiergeselle wieder in
Frankfurt auf. Trotz seines noch durch manche anderen Vorfälle
zweifelhaft gewordenen Rufes muss ihm seine Weltkenntniss doch
ein gewisses Uebergewicht über seine Mitbürger verschafft haben.
Er verstand es auch, diesen Vortheil auszubeuten und starb in den
achtziger Jahren des XVI. Jahrhunderts sogar als Vorsteher der
hiesigen Baderzunft. 38
II.
In der Entwicklungsgeschichte des Frankfurter Theaters kommt
nun der hochwichtige Moment, wo die erste berufsmässige Wander¬
truppe in der alten Reichsstadt ihren Einzug hielt. — Es war dies
eine französische Gesellschaft und aller Wahrscheinlichkeit nach die¬
selbe, welche Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre
des XVI. Jahrhunderts auch in Metz, Strassburg und in andern
rheinischen Städten Vorstellungen von Moralitäten und biblischen
Komödien veranstaltete. Der Rath Frankfurts machte »den Welschen«,39
wie sie in der Ausdrucksweise der damaligen Zeit genannt wurden,
keine grossen Schwierigkeiten, er sagte die Aufführung der nicht
genauer benannten Komödie unter dem alten Vorbehalte sofort zu,
dass der Prädikant Mathias Ritter nach genommener Durchsicht keine
weitere Einsprache dagegen erheben würde.
Minder gnädig als die Franzosen wurden ein Jahr später
Spielleute von Nürnberg behandelt, die in der Ostermesse in einer
Bude am Main ihre »närrischen Komödien und Fastnachtsspiele« ab-
halten wollten.40 Sie bekamen nicht nur einen abschlägigen Be¬
scheid, sondern sie wurden auch noch im Rathsbeschluss mit den
18
verachteten Gauklern auf eine Stufe gestellt.41 Im März 1585 legte
eine Gesellschaft Nürnbergischer Bürger dem Käthe Frankfurts ein
Verzeichniss deutscher Komödien und Tragödien von Hans Sachs42
vor, welche sie in der Ostermesse in einer Bude am Main zur Dar¬
stellung zu bringen beabsichtigten. Der Rath gestattete zwar den die
Schauspielkunst nur als amüsante Nebenbeschäftigung betreibenden
Nürnberger Bürgern diesmal ihre Bitte, aber er fügte an die ertheilte
Erlaub niss den charakteristischen Zusatz, dass sie künftighin daheim
bleiben und nie mehr mit dergleichen Begehren lästig fallen sollten. — 43
Diese Geringschätzung der ersten, nicht in Frankfurt gebornen Ver¬
treter der Schauspielkunst erscheint fast wie ein böses Omen für alle
Wandertruppen, welche bis in die Mitte des XVIII. Jahrhunderts
nur unter den grössten Schwierigkeiten in die Wahl- und Krönungs¬
stadt ihren Einzug halten durften.
Das Verzeichniss der von den Nürnberger Bürgern dem Rath
vorgelegten Komödien und Tragödien von Hans Sachs — die genaue
Unterscheidung dieser beiden Gattungen treffen wir hier zum ersten
Mal — ist leider in den Acten nicht erhalten, aber nach einer Notiz
in dem schon mehrmals erwähnten und mit den Quellen meist
übereinstimmenden Büchlein : »Allerhand neve und schöne Historien
so in vorigen Zeiten allhiero würklich passiret sind«, kamen ausser
dem Narrenschneiden folgende benannte Stücke zur Aufführung:
»Die mörderisch Königin Clitemnestra, Tragödie.«
»Eulenspiegel mit dem blinden, Fastnachsspiel.«
»Die schöne Magelone, Comödie.«
»Der karg Abt mit seinem Gastmeister (Schwank).«
»Von der Königin Esther, Comödia, und noch eine von einer
bösen Frawen Cleopatra«, letztere ist jedenfalls »Die Königin Cleopatra
mit Antoni dem Römer, Tragödie.«
Welchen Erfolg diese Werke eines ächten Dichters in Frank¬
furt erlebten, ist nicht weiter angegeben ; wenn man aber in Betracht
zieht, dass in der Ostermesse 1591 wieder Nürnberger Bürger,44
unter denen sich sogar ein Hans Sachs, vielleicht ein Enkel des
Dichters, befand, um die Spielerlaubniss nachsuchen, so lässt sich
wohl vermuthen, dass ihre Vorgänger, oder vielleicht gar sie selbst,
das erste Mal nicht ungünstig von dem Frankfurter Publikum auf¬
genommen wurden. — Einige von diesen benannten Nürnberger
Spielleuten: Endres Neudietz, Wolff Most, Georg Mock, Hans Sachs,
Hans Daget, Adam und Thomas Grielemayr, Till Ochsenhut waren
zugleich »tüchtige Singer«, welche ihre Spiele durch »eingelegte Lie¬
der verschönten und gar erketzlich machten«. Was die französische
Gesellschaft von 1583, was ihre Vorgänger von den Zuschauern for¬
derten, ist nicht angegeben, aber von dieser Corporation lässt sich
das Eintrittsgeld actenmässig feststellen. Sie wollte für ihre »Meister¬
gesenke oder Gomödien« 4 Pf. verlangen, aber der Rath gebot bei
19
der ertheilten Erlaubniss, diese Forderung entweder auf die Hälfte
herabzusetzen oder »ihre Spil anderswo zu treiben«.
Zwischen der Aufführung der letzten Bürgerkomödie und der
dramatischen Thätigkeit der Nürnberger Spielleute in Frankfurt muss
im Jahre 1586 noch eine französische Gesellschaft in der Behausung
»Zur Glocke« Vorstellungen gegeben haben. Dass in einer derselben
die protestantische Polemik in starken Ausfällen gegen das Papst-
thum vorging, beweist die Thatsaehe, dass der Rath aus Rücksicht
auf den Kurfürsten zu Mainz, den Comthur des deutschen Ordens
in Sachsenhausen und andere papistische Prälaten in Erwägung
zog, ob es nicht angerathener sei, die Fortsetzung der französischen
Komödie zu verbieten.45
Etwas Näheres über diese Wandertruppe, deren Mitglieder in
so starker Weise die protestantische Stimmung zu ihrem Vortheil
ausbeuteten, war in den alten Schriftquellen trotz des eingehendsten
Nachforschens nicht zu finden.
Die ersten englischen Komödianten hatten die dramatische Kunst
in Frankfurt schon einer neuen Aera entgegengeführt, als die Bürger¬
komödie die letzte Anstrengung zur Fortdauer ihres Bestehens machte.
Am 27. Deeember 1593 suchten Carl Sigmund Feyerabend, Balthasar
Kriebel (Griebel) der Gürtler, und Hans Stolzenberger , der Keller
auf dem Römer, um die Erlaubniss nach, künftige Fastnacht die
Komödie vom König Alias aufführen zu dürfen.46 Der Rath be¬
willigte auch ihre Bitte, aber unter der eigenthümlichen Bedingung,
dass die Spieler »kein Vbermass gebrauchen«, das heisst in die Sprache
unserer Zeit übersetzt, dass sie sich ihrer Rolle entsprechend ver¬
halten und nicht zu stark komische Scenen mitten in die biblische
Handlung einlegen sollten. — Dieser Zusatz ist um so mehr in’s
Auge zu fassen, als er den klaren Beweis liefert, wie sehr auch in
Frankfurt das geistliche Schauspiel der Reformation im Laufe der
Zeit seinen ernsten, streng religiösen Charakter eingebüsst hatte. Es
ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, auch die Unternehmer die¬
ser Tragödie machen nicht den gediegenen Eindruck wie die meisten
Veranstalter der Bürgerspiele in früheren Jahren.
Carl Sigmund Feyerabend, der Sohn des berühmten Frankfurter
Buchdruckers, war ein lockerer Bursche, der sich um geschäftliche
Angelegenheiten wenig kümmerte und in jugendlichem Leichtsinn
viel lieber brodlose Künste pflegte.47 Wie aus verschiedenen Raths¬
verordnungen und sonstigen Mittheilungen aus jener Zeit hervor¬
geht, standen ihm seine beiden Genossen Balthasar Griebel, der
Gürtler, und Hans Stolzenberger, Keller auf dem Römer, weder
an Leichtsinn noch an der Lust zu absonderlichem Treiben nach.
Die Tragödie vom König Alias, deren Aufführung am 6. Februar
1594 im Leinwandhaus stattfinden sollte, aber bis zum 10. ver¬
schoben wurde, scheint nach einer Bemerkung in den Bürgermeister-
20
büchern trotz der Mahnung des Raths nicht einen dem tragischen
Stoff entsprechenden Charakter getragen zu haben. Es ist dies
auch das erste und letzte Bürgerspiel, von welchem mit Sicherheit
festzustellen ist, dass die Darsteller von dem Publikum eine gewisse
Abgabe verlangten.
Wie bei früheren ähnlichen Vorstellungen lieferte der Rath
wieder Holz und Dielen zum Gerüst, aber die Zuschauer mussten
diesmal die Person 1 Batzen (jetzt, etwa 1 M.) Eintrittsgeld geben.
Obgleich die Einnahme von den wohlhabenden Veranstaltern keines¬
wegs zur Zahlung der Unkosten verwandt, sondern für die nach¬
folgende Zeche der mitwirkenden »Gesellen« verbraucht wurde, so
raubte dieser geschäftliche Anstrich doch dem Drama der Reforma¬
tionszeit den letzten Anflug unantastbarer Würde, welchen die sonstige
Opferwilligkeit der Unternehmer derartigen Aufführungen stets
zu geben pflegte. Nach einer Bemerkung in den Rathsprotokollen
»man soll dem Autori der Tragödie eine Verehrung reichen«, war
derselbe entweder ein Frankfurter oder bei der Darstellung im Lein¬
wandhause gegenwärtig. — Da Balthasar Griebel, der Gürtler, im
Januar 1594 dem Rath einige Büchlein von der Tragödie verehrte,48
welche die Bürgerschaft aufzuführen beabsichtigte, so ist viel
Grund vorhanden, diesen Handwerker für den Verfasser des letzten
hier aufgeführten Bürgerspiels und folglich auch für den ersten in
Frankfurt geborenen dramatischen Autor einer Tragödie zu halten.
Leider sind die Widmungen an den Rath aus jener Zeit nicht mehr
erhalten und andere genaue Forschungen nach jenen »tractetlin« er¬
folglos geblieben, wesshalb wir nicht im Stande sind, über den In¬
halt dieses für die Entwicklungsgeschichte der dramatischen Kunst
in Frankfurt so hochwichtigen Werkes einigen Aufschluss geben zu
können.
Nicht allein im Leben der Völker und Individuen, auch in
dem Entwicklungsgang der verschiedenen Künste treten hie und da
Momente ein, wo die innere Nothwendigkeit gebietet, dass das
Bestehende durch andere Richtungen verdrängt und in den alten Boden
eine neue Saat der Zukunft gelegt werden muss. Dieser Augen¬
blick war für die Schauspielkunst in Frankfurt gekommen, als die
Bürgerkomödie anfing, eine amüsante Nebenbeschäftigung zweifel¬
hafter Persönlichkeiten zu werden. Die dramatische Kunst war
mittlerweile selbständig geworden, sie suchte nach einem Vertreter,
der in den kommenden Stürmen einer schweren Zeit mit Gut und
Blut für sie eintreten würde, und sie fand ihn auch hier in den
fahrenden Komödianten, die über’s Meer herüberkamen und zur
rechten Stunde das Amt ihrer getreusten und ritterlichsten Vasallen
übernahmen.
Die ersten Berufskomödianten in Frankfurt.
i.
Die Vermuthung Tiecks, die englischen Komödianten möchten
Deutsche vom Comptoir der Hansa in London oder abenteuerliche
Gesellen gewesen sein, hat wegen der sonstigen Verdienste dieses
Schriftstellers um das deutsche Theater mehrere Decennien eine
grosse Gemeinde zweifellos glaubender Anhänger gefunden. Es ist
ein nicht genug zu schätzendes Verdienst Albert Cohn’s, dass er in sei¬
nem hocliinteressanten Werke »Shakespeare in Germanv« an der
Hand überzeugender Thatsachen nicht allein die augenfälligen Gründe
erörtert, welche diese englischen Mimen zu einer Reise nach Deutsch¬
land antrieben, sondern auch in sicherer, entscheidender Weise den
Irrthum widerlegt, dass die ersten fahrenden Thespisjünger keine
ächten Söhne Albions gewesen.
Die Geschichte des Frankfurter Theaters liefert schon im Jahre
1592 einen neuen untrüglichen Beweis gegen die irrthümliche An¬
sicht, die englischen Komödianten hätten nur deshalb diesen Namen
geführt, weil der Sprachgebrauch jener Zeit alle absonderlichen
Leistungen mit dem Titel »Englische Künste« zu bezeichnen pflegte.
Der eigentliche Anfang der berufsmässigen Schauspielkunst in
Frankfurt wurde durch den interessanten Moment eingeleitet, dass
eine der ersten bedeutenden englischen Truppen, welche im Frühling
1591 sich in Dover zu einer Reise nach dem Continent einschiffte,
kaum ein Jahr später, im August 1592, den Rath um die Erlaub niss
anging, während der Herbstmesse »ihre Comödias und Tragödias« hier
zur Darstellung bringen zu dürfen.
Diese fremde Wandertruppe, deren hauptsächlichste Mimen sich
als Mitglieder der Schauspielergesellschaft des Grafen von Worcester
in England schon einen bedeutenden Namen erworben hatten, wurde
jedenfalls durch den Weltruf der Frankfurter Messen angezogen.
22
Vielleicht hat (aber auch eine Ueberlieferung aus dem XVII. Jahr¬
hundert nicht ganz Unrecht, welche die Behauptung enthält, die
englischen Komödianten seien nicht allein dem Weltruf der Messen,
sondern auch der Einladung verschiedener Frankfurter Patrizier ge¬
folgt, die in den letzten Jahrzehnten des XVII. Jahrhunderts Eng¬
land besuchten und ein besonderes Wohlgefallen an den damals
schon weit vorgeschrittenen Theatern Londons gehabt hätten.
Ehe Avir das Wirken dieser unter der Leitung eines Bobertus
Browne stehenden Künstlergesellschaft in Frankfurt weiter verfolgen,
muss erst ein Empfehlungsschreiben hier Wiedergabe finden, welches
derselben ein englischer Hofbeamter Namens Howard in französi¬
scher Sprache vor ihrer Abreise an die Generalstaaten der Nieder¬
lande ausstellte. Dieses Schreiben legt nicht nur Zeugniss dafür ab,
dass die Reisenden Deutschland zum alleinigen Ziel ihrer Wande¬
rung auserwählt hatten, es giebt auch GeAvissheit über den eigent¬
lichen Schwerpunkt ihrer Thätigkeit, der hiernach hauptsächlich in
mimischen und musikalischen Künsten bestand. Es lautet folgender-
massen :
»Messieurs, connne les presents porteurs, Robert BroAvne, Jehan
Bradstriet, Thomas Saxfield, Richard Jones, ont delibere de faire ung
voyage en Allemagne, avec intention de passer par le pais de Zelande,
Hollande et Frise, et allantz en lenr dict voyage d’exercer leurs qua-
litez en faict de musiqne, agilitez et joeuz de commedies, tragedies
et histoires, ponr s’entretenir et fournir ä leurs despenses en leur
dict voyage. Cestes sont partant vous requerir monstrer et prester
tonte faveur en voz pais et jurisdictions, et leur octroyer en ma
faveur vostre ample passeport soubz le seel des Estatz afin que les
Bourgmestres des villes estantz soubs voz juricditions, ne les em-
pechent en passant d’exercer leur dictes qualitez par tout. Enqoy
faisant, je vous en demeureray ä tous oblige, et me treuverez tres
appareille ä me revencher de vostre courtoisie en plus grand cas.
De ma chambre ä la court d’Angleterre ce Xme your deFebvrier, 1591.
Vostre trös affecsionne ä vous fayre plaisir et sarvis
C. Howard.«49
Wenn auch keine schriftlichen Belege dafür aufzufinden waren,
so lässt sich doch mit grosser Sicherheit an nehmen, dass diese an¬
gesehenen Komödianten, die vom Hofe durch einen solchen Reise¬
pass ausgerüstet wurden, auch noch andere Empfehlungsschreiben
ihrer englischen Patrone an deutsche Fürsten und Reichsstädte mit
auf den Weg nahmen.
Die Meinung, dass die von Robert BroAvne angeführte Gesell¬
schaft sogar einer Einladung des regierenden Herzogs Heinrich Ju¬
lius von Braunschweig folgte und schon im Sommer 1592 in dem
ein Jahr früher in Wolfenbüttel errichteten Theater spielte, verdient
um so mehr Glauben, als die dramatischen Dichtungen des kunst-
23
sinnigen Herzogs schon in den Jahren 1592 — 94 unter englischem
Einfluss verfasst und gleich nach ihrem Entstehen von englischen
Schauspielern dargestellt worden sind. — Ein weiterer Beweis für
die Richtigkeit dieser Ansicht ist die Thatsache, dass Thomas Sack-
ville, nachdem er als Mitglied der Truppe des Robertus Browne in
Frankfurt und in andern Städten gespielt, schon um 1595 in den stän¬
digen Dienst des Herzogs von Braunschweig trat. Es ist liier nicht
der Ort, nachzuweisen, inwieweit dem fürstlichen Poeten seine Nach¬
ahmung englischer Vorbilder gelang oder misslang: es soll hier nur
erwähnt werden, dass der Herzog Heinrich Julius von Braun¬
schweig der erste deutsche Dramatiker war, der sich bei der Ab¬
fassung seiner Stücke die Vortheile der in England schon weit vor¬
geschrittenen Bühneneinrichtungen vollkommen zu Nutzen machte.
Als Robertus Browne am 30. August 1592 zum ersten Mal
für sich und seine Truppe nachsuchte, theatralische Vorstellungen
in Frankfurt geben zu dürfen, scheint seine Bittschrift in dem älteren
Herrn Bürgermeister Hieronymus zum Jungen kein geringes Staunen
erweckt zu haben. Er berichtete den Vätern der Stadt, »es seien
etliche frembde Komödianten aus England übers Meer herüber¬
gekommen«, welche in der bevorstehenden Herbstmesse auch hier
ihre Comedia darstellen und zuvor dieser Tage in einer wohlgefälli¬
gen Stunde dem Erbaren Rath eine Probe ihrer Kunst ab legen woll¬
ten.50 Da das Begehren der Engländer das erste dieser Art und
demnach für die vorsichtigen Väter der Stadt von bedenklicher Natur
war, so fasste man den Beschluss, vor der Gestattung desselben
zuerst die Probe anzusehen. Diese muss zu Gunsten der eng¬
lischen Komödianten ausgefallen sein, denn es wurde ihnen sofort
nach derselben die Bewilligung ihrer Bitte zu Theil.
Wo nun die Truppe des Robertus Browne bei ihrem ersten
Aufenthalt in Frankfurt spielte, ist nicht actenmässig festzustellen;
aller Wahrscheinlichkeit nach aber stand ihre Bude am Main, wohin
damals alle mit den Komödianten auf einer Stufe stehenden fahren¬
den Künstler verwiesen wurden. — Ebensowenig wie der Spielort
lässt sich nach den schriftlichen Quellen aus jener Zeit das Reper¬
toire dieser ersten englischen Künstlergesellschaft in Frankfurt genau
angeben. Aber was liier unzulänglich ist, ergänzt eine Notiz aus
dem Reisebüchlein eines »Würtenbergischen Kaufmanns«, der einige
Jahre früher eine Reise nach »dem Inselland« unternommen hatte
und der englischen Sprache vollständig mächtig war. Hiernach wur¬
den während seines Aufenthaltes in der Herbstmesse 1592 von den
-Englischen« in Frankfurt mehrere Stücke des »dort im Inselland
gar berühmten Herrn Christopher Marlowe« und auch »das lustig
Spill Ganimer Gurtons Needle (Frau Gurtons Nähnadel) mit allerley
künstlich Verdrehungen auf das theatro gebracht«.
Der etwas anstössige Inhalt des letzten Stückes, das an die
24
Fastnachtsspiele von Hans Rosenplüt und Hans Sachs erinnert, ist
zu eigen thümlich, als dass er nicht kurze Erwähnung finden sollte.
Eine ehrbare Hausfrau, welche die Beinkleider ihres Knechtes aus¬
bessert, verliert in der Geschwindigkeit ihrer Beschäftigung die Näh¬
nadel. Diesen Umstand benutzt ein lustiger Gesell, eine Art Hans¬
wurst, um die tleissige Hausfrau gegen ihre Nachbarin, welche die
Nadel genommen haben soll, aufzuhetzen. Der Streit zwischen beiden
Frauen verursacht ein entsetzliches Geschrei, das ganze Haus läuft
zusammen, der Pfarrer und andere Personen mischen sich hinein. —
Endlich, als die Handlung auf dem höchsten Punkt der Verwicklung
angekommen ist, löst der lustige Urheber dieses häuslichen Streites auf
einmal alle Räthsel dadurch, dass er dem Hausknecht einen Schlag
von hinten auf den eben geflickten Theil der Hosen giebt. — Die
Nadel, welche darin stecken geblieben ist, dringt jetzt in das Fleisch
ein und der Hausknecht verräth durch sein Geschrei, wo sie bis da¬
hin verborgen war.
Dieses von John Still, einem ehemaligen Magister artiuin am
Christ-College zu Cambridge, verfasste Lustspiel ist in fünf Akte ge-
theilt und in einem Versmass geschrieben, welches dem Alexandriner
ähnlich ist und auch in Shakespeares früheren Stücken, z. B. in »Ver¬
lorne Liebesmühe«, vorkommt.
Viel wichtiger als die Angabe dieses Lustspiels wäre für die
Frankfurter Theatergeschichte allerdings die nähere Bezeichnung der
Marlowe’schen Stücke. — Dieser geniale Dichter, bekanntlich neben
Kyd und Green der unmittelbarste Vorläufer William Shakespeare's,
behandelte ja schon 1588 denselben Stoff, aus welchem beinahe
200 Jahre später Frankfurts grösster Sohn sein unsterbliches Meister¬
werk bildete. Es wäre eine glückliche Entdeckung gewesen, nach
dem eifrigsten Forschen feststellen zu können, dass sich unter den
von den ersten englischen Komödianten aufgeführten Stücken schon
1592 »Die tragische Historie von Dr. Faust« von Christopher Mar¬
lowe befunden habe.
Was die künstlichen Verdrehungen anbetrifft, welche die Truppe
des Robertus Browne neben ihren mimischen Künsten zum Besten
gab, so gehören dieselben in die Abtheilung der »agilitez«, wie sie
Howard in seinem Empfehlungsschreiben an die Generalstaaten
bezeichnet hat. Die Beigabe der Equilibristenkünste waren eine
Art Lockspeise für das deutsche Publikum, das sich seit alten Zeiten
gern an derartigen Leistungen ergötzt hatte. Jedenfalls aber waren
den Frankfurtern, welche bis dahin die dramatische Kunst nur selten
ansgelassen und noch nie als eine blutige Rachegöttin auftreten sahen,
die ersten hier dargestellten Stücke der englischen Komödianten doch
zu crass. Dies mochten die fremden fahrenden Thespisjünger wohl
gemerkt haben, denn als sie ein Jahr später, am 28. August 1593,
wieder beim Rath um Zulassung für die Herbstmesse einkamen, be-
25
merkten sie ausdrücklich, dass man ihnen gestatten möge, gelehrte,
von »einem von ihnen selbst erfundene geistliche Komödien in eng¬
lischer Sprache« aufführen zu dürfen.51 Einige Tage später ist der
Titel dieser Stücke genau angegeben. »Robert Braun, Thomas Sachs¬
weil vnd Johan Bradenstreit et Consorten« wollen »die Comödia von
Abraham und Loth und vom Untergang von Sodom und Gomora
belieben anderen Künsten« zur Darstellung bringen.52 Die Bittsteller
erhielten unter dem Vorbeding Bewilligung, dass sie von den Jungen
nicht so viel nehmen sollten wie von den Alten,53 welche Be¬
merkung gleichzeitig den Beweis liefert, dass ihre Vorstellungen
besonders stark von der Frankfurter Jugend besucht wurden.
Es darf mit vieler Sicherheit angenommen werden, dass der
Verfasser der »selbst erfundenen« Komödien kein anderer als Thomas
Sackville war, dessen dramatisch-poetischer Beanlagung in der Folge
mehrmals Erwähnung geschieht. Er ist aber deshalb nicht zu ver¬
wechseln mit einem älteren Verwandten gleichen Namens, der im
Verein mit Lord Buckhurst und Thomas Norton die älteste, nach
antiken Mustern aufgebaute englische Tragödie »Gorboduc oder Terrex
und Porrex« verfasste. Die Wahl eines bekannten biblischen Stoffes
für theatralische Darstellungen in Frankfurt war aber um so glück¬
licher, als die Kenntniss des Gegenstandes dem Publikum das Ver¬
ständnis für die in fremder Sprache gegebenen Stücke erleichterte.
Bei dem gesprochenen Worte blieb es jedoch nicht allein ; es wird
später ausdrücklich erwähnt, dass die Komödianten in »bevden Co-
mödien auch Musik und Singerkünste treiben wollen«, woraus man
schliessen kann, dass auch in diese Stücke — wie in die »Susan na«
von Paul Reblmn — gereimte Chorgesänge eingelegt waren, welche
von den Darstellern mit Instrumentalbegleitung gesungen wurden.
Ebenso wie für die musikalische Zuthat, war auch sicher trotz dem
Ernst des Gegenstandes für eine gute Vertretung des komischen
Elements gesorgt, das in den gleichzeitigen englischen Stücken
durch die Figur des lustigen Narren Jahn (Jan) repräsentirt wird.
Musik und Humor, die beiden unwiderstehlichen Gewalten,
übten schon bei den Aufführungen der Mysterien ihren Zauber auf
die Gemüther des Frankfurter Publikums aus, und auch die berufs¬
mässige Schauspielkunst hat, besonders in ihren ersten Entwicklungs¬
phasen in der alten Reichsstadt, nie grössere Triumphe errungen,
als wenn sie mit beiden Schwesterkünsten zu gemeinsamem Ziel ein
freundschaftliches Bündniss eingiug.
Man würde sich nun sehr täuschen, wenn man annehmen
wollte, dass die Truppe des Robertus Browne, die über vier Wochen
hier spielte, nur diese beiden Komödien abwechselnd gegeben hätte.
Finden sich auch keine bestimmten Nachrichten über das damalige
Repertoire, so lässt sich doch annehmen, dass dieselben Stücke, welche
neben den schon vorhandenen deutschen Dramen den Herzog Hein-
26
rieh Julius von Braunschweig und etwas später den Nürnberger
Gerichtsprocurator Jacob Ayrer zu eignen Schöpfungen anregten,
schon in dem letzten Decennium des XYI. Jahrhunderts auch hier
in Frankfurt zur Darstellung gekommen sind. Es waren dies haupt¬
sächlich die Stücke von Green und Christopber Marlowe, welche
beiden Poeten im Verein mit Thomas Kvd eine ähnliche Stellung in
der englischen Literatur einnehmen, wie Klinger, Lenz und Wagner,
die hervorragendsten Dichter der Sturm- und Drangperiode, in der
deutschen.
Thomas Kvd, der nur ein einziges bedeutendes Drama, »Die
spanische Tragödie«, schrieb, gab durch dieses Werk das Muster zu
einer ganzen Reihe von Stücken, denen man mit Recht den Namen
der »Blut- und Rachetragödien« beigelegt hat. Begabter und er¬
findungsreicher als Thomas Kvd ist Robert Green, der mit grossem
dramatischem Takt zuerst das burleske Element in die ernsten Dra¬
men einzuführen verstand. Unzweifelhaft der bedeutendste dieser
Dichter ist der schon einmal erwähnte Christopher Marlowe, dessen
phantasiereiche, aber von Blut und Mord strotzende Tragödien »Ta-
merlan«, »Die Pariser Bluthochzeit« und »Der Jude von Malta« die
Vorläufer von Shakespeare’s grausenerregendem Erstlingswerk »Titus
Andronicus« geworden sind. — Jedenfalls wechselten mit diesen
Tragödien auch in Frankfurt die Lustspiele eines John Lilly und
anderer zeitgenössischer Dichter ab, welche die englischen Komö¬
dianten schon in Theatern Londons aufgeführt hatten.
Die von Robert Browne und seinen Genossen am 4. Septem¬
ber 1593 zu Ehren des Rathes aufgeführte Komödie war ohne Zweifel
eines jener Lustspiele, in denen hauptsächlich die komische Figur
des Jan oder Jahn die Lachmuskeln der Zuschauer durch die toll¬
sten Ausgelassenheiten in Bewegung setzte. In den Zwischenacten
und am Schluss des Stückes wurden auch bei dieser Vorstellung
wieder von einigen Mitgliedern der Truppe akrobatische Künste,
welche der Geschmack jener Zeit nicht von dem Theater zu trennen
vermochte, zum Besten gegeben.
Da der Rath die Einladung nicht gerade ablehnte, sondern —
was bei der damals verachteten Stellung der Komödianten sehr viel
sagen will — seinen Mitgliedern den Besuch der Komödie freistellte,54
so findet sich wohl einige Begründung für den Glauben, dass sowohl
die künstlerischen Leistungen wie das moralische Verhalten der
Truppe keinerlei Missfallen bei den leicht empfindlichen Vätern der
Stadt erregten.
In der Herbstmesse des Jahres 1597 spielten wieder dieselben
englischen Komödianten hier, aber diesmal unter der Führung des
Thomas Sackville, auch »John Bouset genannt«.55 John Bouset ist
der Name der komischen Figur in verschiedenen Stücken des Her¬
zogs Heinrich Julius von Braunschweig.
27
Dass Thomas Sackville sich diese Bezeichnung beilegte, ist um
so interessanter, da sie nicht allein Zeugniss giebt tür den grossen
Ruf, den er sich bereits 1597 als Darsteller dieser Partie erworben
hatte, sondern auch in Frankfurt als erster Fall für die später
immer mehr aufkommende Sitte zu verzeichnen ist, wonach sich
darstellende Künstler den Namen ihrer hauptsächlichsten Rolle bei¬
legen.
Ehe Thomas Sackville mit seiner Truppe nach Frankfurt kam,
war er mit ihr in Schwaben und Bayern herumgereist und hatte im
Mai 1597 sieben Tage an dem Hofe des Herzogs Friedrich I. von
Wiirtenberg gespielt,56 desselben, der als Graf Friedrich von Möm-
pelgard im Jahre 1592 mit einem grossen Gefolge den Hot der
Königin Elisabeth von England besuchte. Obgleich der Kamraer-
secretär des Herzogs, Jacob Rathgeb, welcher im Jahre 1602 eine
Beschreibung dieser Reise lieferte,57 nichts von den Theatern Lon¬
dons erwähnt, so beweist doch diese Reise Sackville’s und seiner
Gesellen an den Hof zu Stuttgart, dass der Herzog auch zu jenen
Fürsten gehörte, welche- in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts
als köstliches Gastgeschenk den Sinn für die dramatische Kunst aus
England in ihre Heimath mit hinübernahmen.
Der Herzog Friedrich belohnte die Komödianten durch eine
Gabe von 200 Gulden und ertheilte den Befehl, dass man auch alle
ihre sonstigen Unkosten aus seiner Schatulle decken solle. Und
diese Ausgaben der fahrenden Komödianten waren mitunter nicht so
gering, als man nach den mässigen Eintrittspreisen vermuthon
möchte. Um einen kleinen Einblick in dieselben und in die Reisen
der fremden Thespisjünger überhaupt zu bekommen, sei hier eine
Abweichung von unserem eigentlichen Gebiete und eine nach mehre¬
ren alten Holzschnitten abgefasste Schilderung aus dem fahrenden
Wanderleben der Truppen gestattet, welche nicht allein auf die
Truppe Sackville’s, sondern auch auf die meisten reisenden Banden
bis zum letzten Viertel des XVII. Jahrhunderts passt.
Ueber irgend eine Landstrasse des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation zieht ein seltsamer Zug von Wagen, welche theils
mit Leinwand bedeckt, theils mit einem schützenden Holzdach ver¬
sehen sind. Ein oder zwei Fahrzeuge sind darunter, in deren festen
Seitenwänden sich sogar kleine Fenster oder, besser gesagt, Licht-
und Luftlöcher befinden. Ein Blick in die Wagen lehrt, dass sie im
Nothfall zum Wohnen und Kochen, sowie zum Schlafen für etwa
20 — 25 Personen dienen können. Im Augenblick ist eine solche be¬
engende Lage eingetreten, es regnet nämlich in Strömen und die
Räder der verschiedenen Thespiskarren bleiben im Schlamme der
Landstrasse stecken. Aber die üble Laune des Himmels schädigt
den Humor der lustigen Gesellen nicht, die sich in dem engen Ge¬
hege durch allerlei heitere Kurzweil über die bedenkliche Situation
28
hinaus helfen. Einer, der erste Springer der Gesellschaft, macht auf
einem Raum von zwei Quadratschuhen akrobatische Hebungen, ein
Musiker begleitet ihn mit einer gar »erketzlichen Melodia«, ein drit¬
ter Gesell hat die Narrenkappe aufgesetzt und memorirt mit lebhaf¬
ten Gestikulationen eine seiner Rollen, ein vierter, der gewöhn¬
lich die Königin zu spielen hat, rasirt in der Nähe eines Fensters
seinen starken Bartansatz und ein fünfter endlich, die Julia oder
Ophelia der Gesellschaft, schraubt seine Stimme zu Fisteltönen hin¬
auf und übt sich in dem »laudiren der jungfräulichen liebessprach«.
In einer Ecke des Thespiskarrens aber sitzen ein paar Haus¬
frauen der fahrenden Komödianten ; sie bessern bunte Gecken¬
kleider aus, sind aber bei dieser Beschäftigung nicht so heiter
wie das »leichtlebig lustige Mannsgezücht«. Gerade bei dem trüben
Wetter denken sie an ihre Heimath, an ihre ältesten Kinder, die
dort bei Verwandten zurückgeblieben sind, und manche Thräne fällt
dabei auf die bunten goldbesetzten Narrengewänder hernieder. Plötz¬
lich schreit eine zarte Kinderstimme hinter einem sonst zu theatrali¬
schen Zwecken gebrauchten Vorhang in der äussersten Ecke des
Wagens. Eine der Frauen springt auf und eilt zu dem aus ein
paar Brettern zusammengelegten Wiegenbettchen, worin eben der in
Deutschland geborne kleine Sohn Albions von dem Durcheinander
des verschiedenen Geräusches erwacht war. Indem die Frau ihren Klei¬
nen herzt, lebt sie wieder ganz in der Gegenwart, schaut mit einem glück¬
seligen Blick auf den Narren, ihren Hausherrn, und thut ihm in
Gedanken Abbitte für den erst vor einer Weile ihm im Stillen
gemachten Vorwurf, dass er seine einträgliche gute Stelle als Komö¬
diant des kunstsinnigen Grafen in der Heimath verlassen und sie
selbst in ein Land hinübergelockt habe, wo sie kein Wort verstand
und ein zigeunerhaftes Dasein führen musste.
Indessen rauscht draussen der Regen unaufhaltsam hernieder ;
die Pferde sind trotz ihren grossen Schutzdecken bis auf die Haut
nass geworden, die dreifache Leinwand über den »Rüstwäglin« ist
durchgeweicht. Da ordnet der Führer an, dass aller Männer Hände
beim Ueberspannen der grossen Lederdecken helfen müssen. Und
siehe da, das Völkchen, das eben noch so lustig getändelt, hat, ehe
ein paar Minuten vergehen, die wasserdichten Schutzhüllen über¬
gezogen und auch über jedem Gespann Pferde ein baldachinartiges
Gestell mit einer ledernen Schirmdecke aufgerichtet. Trotz dieser
Vorsicht wurde aber durch den Regen doch manches werthvolle Re¬
quisit, »manch kostbares Wämslin«, das aus dem Wagen heraussah,
beschädigt.
Als die Thespiskarren am andern Morgen nach einer harten
Fahrt im nächsten Dorfe anlangten, mussten die Weiber die bunten
Gecken kleid er, »das blaue Getüch zu den Wolken und das Gehengsel
für das Zelt und die Seit« zur grössten Belustigung der Landleute
29
auf den Hecken der Dorfgärten trocknen. Aber dies war der Scha¬
den nicht allein, den ihnen der Regen zugefügt hatte. Die Pferde
waren übermässig ermüdet und der Beschlag an den Rädern der
Thespiskarren musste in der Dorfschmiede erneut werden. Ein paar
Tage gingen darüber hin, welche die Komödianten in einer elenden
Herberge zubringen mussten. Wegen der wieder einmal ein¬
getretenen Ebbe in ihrer Kasse wurden sie sogar genöthigt, die Un¬
kosten mit dem Versetzen ihrer besten Gegenstände zu decken.
Nach mühseliger, oft viele Wochen in Anspruch nehmender
Fahrt kam dann das wandernde Völklein endlich an das Ziel seiner
Reise, wo aber nicht eher gespielt werden konnte, bis die versetzten
Gegenstände ausgelöst und manche nöthige neue Zutliat für das
Theater wieder angeschafft worden war. Da kam denn die huld¬
reiche Unterstützung eines kunstsinnigen Fürsten oft wie ein Er¬
retter aus grosser Noth; denn keiner aus dem Volke würde die
fremden Abenteurer unterstützt haben, die ja ungerufen über ’s Meer
herüber kamen und sich ihr ruheloses Vagabundenleben selbst er¬
wählt hatten.
Es liegt etwas Absonderliches, aber zugleich auch ein unend¬
lich rührender Zug von Aufopferungsfähigkeit für ein schönes Ziel
in den Kunstreisen der ersten englischen Komödiantentruppen, der
nicht immer allein aus dem Hang zu Abenteuern und zu absonderlichem
Treiben seine nöthige Kraft schöpfen konnte. Man hat diese Thespis-
jünger in vieler Hinsicht mit Recht den Sängern unter den AV ander¬
vögeln verglichen, sie folgten einem unwiderstehlichen Trieb in der
Brust und ertrugen freudig alle Beschwerden, um für ihre Kunst in
einem fernen, fremden Lande einen neuen Frühling zu finden.
II.
Das ansehnliche Geschenk, welches der Herzog Friedrich I. von
Württemberg der Truppe des Thomas Sackeville zu Theil werden
liess, machte ihr die Reise durch einige' schwäbische Städte bis nach
Frankfurt viel leichter. Sie konnte in ihrer Bittschrift an den Rath
»von ihren neven unversehrten Verzierungen der Comedia« reden
und »den Zimmerlutten« schon vor dem Beginn der Herbstmesse
»das Vffschlagen von der hütt und dem geräth« im Voraus be¬
zahlen.
Dass nun Thomas Sackeville (Sachsweil) als lustige Figur bei
der Truppe in jenem bretternen Musentempel sowohl durch seine
Spässe als auch durch die charakteristische Tracht der englischen
Narren in Frankfurt das grösste Aufsehen erregte, beweist eine Stelle
aus Marx Mangolds Messgedicht »Markschiffs-Nachen« aus dem Jahr
1597. Diese derbe, an Kraftausdrücken jener Zeit reiche Satire ist
eine Fortsetzung des »Markschiff oder Markschiffer-Gespräch von
30
der Frankfurter Mess« von dem nämlichen Verfasser, in welcher er
in nicht gerade hochpoetischer Weise beschreibt, was in derselben im
Jahre 1596 Namhaftes und Seltenes zu sehen war.
Nachdem der Verfasser die Fechterschale der Marxbrüder derb
gegeisselt, richtet er seinen kritischen Spott auf die englischen Ko¬
mödianten.
»Als diese Fechterschul hat ein En dt,
Da war nun weiter mein Intent,
Zu sehen das Englische Spiel,
Davon ich hab gehört so viel.
Wie der Narr drinnen, Jan genennt,
Mit Bossen war so exellent,:
Welches ich auch bekenn fürwar,
Dass er damit ist Meister gar.
Verstellt also sein Angesicht,
Dass er keim Menschen gleich mehr sicht,
Auff tölpisch Bossen ist sehr geschickt,
Hat Schuch, der keiner jhn nicht drückt,
In seinen Hosen noch einer liett Platz,
Hat dran ein vngehewren Latz.
Sein Juppen jhn zum Narren macht.
Mit der Schlappen, die er nicht acht,
Wann er da fängt zu lötfein an,
Vnd dünkt sich seyn ein fein Person.
Der Wursthänsel ist abgericht,
Auch ziemlicher massen, wie man sicht:
Vertretten beyd jhr Stelle wol,
Den Springer ich auch loben soll,
Wegen seines hohen Springen,
Vnd auch noch anderer Dingen:
Höftlich ist in all seinen Sitten,
Im tantzen vnd all seinen Tritten.
Dass solchs fürwar eine Lust zu sehen,
Wie glatt die Hosen jhm anstehen.
Denn er so runde Springe tliut,
Ist sonst auch wol proportioniert,
Sein langes Haar jhn auch was ziert.
Aber ein Kunst die fehlt jhm noch,
Vnd spreng er noch einest so hoch,
Welch wol diente zu seinen Sachen:
Wenn er sich könnt vnsichtbar machen,
Noch mehr Gelt er verdienen möcht,
Dann nicht alle, versteht mich recht,
31
Hineyn zu diesem Spiele gehen,
Die lustige Comedien zselien.
Oder der Music vnd Seiteuspil
Zu gefallen, sondern jhr viel
Wegen des Narren groben Bossen,
Ynd des Springers glatten Hosen.58
Die Kritik über den Narren »Jan« in dem obigen Messgedicht
und der Umstand, dass Thomas Sackeville Jan oder Johan Buset als
künstlerischen Beinamen führte, lässt wohl kaum einen Zweifel gegen
die Vermuthung auf kommen, dass schon in der Herbstmesse 1597
die bedeutendsten Stücke des Herzogs Heinrich Julius von Braun¬
schweig in' Frankfurt von den englischen Komödianten zur Dar¬
stellung gebracht wurden. Um so glaubwürdiger erscheint diese An¬
nahme, als sich damals schon deutsche Mitglieder bei der Truppe
befanden und auch die obengenannten Engländer bei ihren Unter¬
schriften ihren Namen ins Deutsche übersetzten und deshalb
dieser Sprache schon zum grossen Theil mächtig sein mussten.
Eine weitere Bestätigung erhält diese Annahme durch eine
Notiz in einem alten Yerhaltungsbüchlein »Yon dem rechtmässigen
Wandel der Eheleutt vnd dem Schaden so V ffschneidereien anrichten
thun können«, Frankfurt 1620. Der Yerfasser führt als warnendes
Beispiel in seiner Abhandlung »Die Ehebrecherin, die ihren Mann
dreimal betreucht«, und »Die Comödia vom Yincentius Ladislaus« an,
die beide »von dem Herrn Herzogen Julius zu Braunschweig ge¬
schrieben« und in des Erzählers »jungen Jahren zu Frankfurth von
Engländern gar schön agiret worden sind«.
Die hiernach kaum noch zu bezweifelnde Aufführung dieser
beiden Dramen nöthigt zu einer kurzen Inhaltsangabe derselben, bei
welcher wir der Ehebrecherin, als dem zuerst verfassten Stück, den
Vorrang gestatten.
Ein Kaufmann Gallichoräa (Hahnrei), der das Stück mit einem
langen Selbstgespräch eröffnet, sagt darin, dass er durch das Miss¬
trauen erregende Benehmen seines schönen Weibes trotz aller Ge¬
sundheit und dem Besitze grosser Reichthümer »in eine kummervolle
Betrübniss hinein versetzt worden sei«. Um aber sein schlaues Ehe-
gespons bei einer Untreue ertappen zu können, fasst er den Vorsatz,
die Mithülfe eines Mannes in Anspruch zu nehmen, der ihn selbst
und seine Gattin nicht kenne.
Nachdem dieser Entschluss in ihm fest geworden, tlieilt er ihn
seinem närrischen Diener Johan Bouset mit, der aber das strengste
Gebot, zu schweigen, erhält. Bei dem Beginn des zweiten Aktes er¬
scheint Pamphilus, ein armer Student, »gehet gar betrübt ein und
spricht :
Wann ich armer gesel möchte das Glück haben, das ich hier in
32
dieser Stad konte an einen guten Man gerathen, der mir doch
möchte zu einem Zerpfenning verhelften, dass ich mich doch ein
weinig kleiden könte, damit ich nicht so zerrissen dörffte hergehen.
Ich scheine mich Zusagen, wer ich sev, weil ich so gar durch
armuht bin herunter körnen. Nach Haus hab ich zu Aveit, sonsten
wens meine Freunde Avüsten, würden sie sich jah meiner annehmen.
Ich wolt auch avoI ein weinig anders herein treten, als ich jtzunder
leider thu. Ich Avil doch hier ein weinig warten, ob ich vieleicht
eine glückselige Stund antreffen könte.«
InzAvischen kommt (Mlichoräa mit Johan Bouset aus dem
Hause und wird von Pamphilus angesprochen. Nach einer kurzen
Unterredung erkennt der betrübte Kaufmann in ihm den rechten
Helfer zur Ausführung seines festen Vorhabens. Er sagt ihm, er
sei ein feiner Avohlgewachsner Kerl, der ohne allen ZAveifel angenehm
sein würde beim »Frawen-Zimmer«, und fordert ihn dann nach einem
Geldanerbieten auf, sich mit den dafür angeschafften neuen Kleidern
in jenes Haus zu begeben, »worin ein ausbündig schön Weib wohne,
das gar gerne mit schönen Gesellen reden möge«. Während sich
nun Pamphilus »auspotzt«, geht Gallichoräa zu seiner Frau Scortum,
um ihr die Mittheilung zu machen, dass er Abschied von ihr neh¬
men müsse, um »ein Avenig über Veldt zu gehen«. Vielleicht, fügt
er hinzu, Avürde er (Uesen Abend nicht Aviederkommen.
Als beide gegangen sind, giebt Scortum gleich in einem Mono¬
log zu erkennen, dass ihr Charakter nicht im mindesten mit dem
einer keuschen Susanna zu vergleichen ist. Sie fühlt heraus, dass
ihr Gallichoräa einen »blawen Dunst« vormachte, und fasst den Ent¬
schluss, falls er ihre Treue in Versuchung bringe, ihn zu überlisten
und dennoch zu betrügen. In der nächsten Scene erscheint Pam¬
philus im neuen Anzuge und spielt, um die Frau herauszulocken,
»auff dem Pandor«. Scortum kommt dann sofort aus dem Hause,
knüpft ein Gespräch mit Pamphilus an und führt ihn mit kecker
Rede alsbald in’s Haus. In demselben Moment kommt der betrogene
Gatte mit seinem Diener Johan Bouset zurück und begehrt hastig
Einlass. Erst nach langem Zögern wird ihm derselbe in dem Augen¬
blick gewährt, wo Pamphilus mit Hülfe der Ehebrecherin zum Fen¬
ster hinausspringt.
In der ersten Scene des dritten Aktes kommt der Nachbar
Adrian und drückt sein Erstaunen darüber aus, dass Gallichoräa so
spät nach Hause gekommen sei und vor seinem Hause einen Lärm »Avie
ein Zahnbrecher« gemacht habe. Der Kaufmann sucht diesen Fragen
auszuweichen, aber Johan Bouset verräth durch derbe Spässe den
wahren Grund des auffallenden Verhaltens. Nun kommt Pamphilus
und erzählt auf einige Fragen sein gestriges Abenteuer und glück¬
liches Entkommen. Weil er ihm nun zugleich die Mittheilung macht,
er Averde diesen Abend seinen Besuch wiederholen, nimmt Gallichoräa
33
wieder unter einem Scheingrund Abschied von seiner Frau, welche
den Gesell, der gestrigen Verabredung gemäss, sogleich wieder ein¬
lässt. Im vierten Akt kommt der Kaufmann zurück, durchsucht mit
Bouset das Haus, findet aber keinen Nebenbuhler. In einer der
folgenden Scenen erzählt ihm Pamphilus, wie er wieder durch eine
List des Weibes gestern Abend glücklich entkommen sei. Dies reizt
den Gallichoräa so , dass er zu einer dritten Probe schreitet. —
Als er den Pamphilus am Abend auf’s Neue bei seinem Weibe weiss,
erscheint er und Johan Bouset mit Fackeln vor dem Hause und fordern
entschieden Einlass. Dann befiehlt Gallichoräa seiner Frau, den Ge¬
sellen herauszugeben oder fest überzeugt zu sein, dass er ihr das
Haus über dem Kopf anstecke. Scortum, die mit Schwüren ihre
Unschuld betheuert, fleht jetzt ihren Gatten an, ihr doch wenigstens
vor dem Brande zu helfen, dass sie »ihr Fass mit Leinenzeug vor
den Flammen retten könne«. Weil die Frau klagt, dass sie sonst
gar nichts mehr anzuziehen hätten, geht der abermals Betrogene auf
ihre Bitte ein. Währenddem er dann in ’s Haus geht, um den Ver¬
borgenen zu suchen, entspringt derselbe aus dem Fass mit Wäsche
und entkommt glücklich. Als der Betrogene diese abermalige Täu¬
schung erfährt, wird er erst melancholisch und verfällt dann all-
mählig in einen völligen Wahnsinn. In diesem Zustand wird er
von dem Diener und dem Nachbarn Adrian in einen Kasten ge¬
steckt und in’s Haus getragen.
Nun aber hat auch die Stunde der Sünderin geschlagen, iln
Gewissen erwacht und sie bereut ihre schandbare That. Sie jammert
und rauft sich die Haare, ruft, dass sie »ein verlorner und verdamp-
ter Mensch sei und für ewig in betrübnis der hellen sitzen müsse«.
In der Fortsetzung ihrer reuevollen Betrachtungen wünscht sie sich
die Erlösung aus schwerer Pein, worauf ihr »Satyrus« (der Teufel)
einen Strick vor die Fiisse wirft. Da sie keinen Ort zur Befestigung
desselben weiss und sie sonst Niemand von ihrer Qual erlösen kann,
ruft sie die Diener des Satans, denen sie im Leben gedient, zur
Unterstützung des grausigen Werkes herbei. Die Teufel lassen sich
nicht zweimal rufen, sie ziehen den Strick zu und jauchzen mit
andern neu hinzukommenden Gesellen über den grossen Triumph.
Satyrus aber hält noch eine kleine Rede, welche deshalb schliesslich
hier noch Erwähnung findet, weil sie deutlich die Absicht des Dich¬
ters widerspiegelt, durch die Darstellung eines abschreckenden Bei¬
spiels gegen das Laster des Ehebruchs zu wirken.
»Bistu schon deinem Man zu klug gewesen vnd hast ihn drey
mal schentlich bedrogen, so hastu gleichwol die lenge mir nicht ent¬
gehen können, vnd es soll nicht lange wehren, ich will baldt mehr
nachholen, dann ich weiss noch viel, die auff solche hendel ihre
Menner zu betriegen, vnd ihre schlechtheit zu bementeln ausgelernet
haben ; ich sehe dich gar wol, ich will dich aber nicht nennen ; aber
3
34
warte nur, ehe dan du dichs einmal versiebest, wil ich dich auch
bey den Fittichen haben.«59
Herzog Heinrich Julius hatte sich schon vorher in zwei andern
Stücken die Untreue einer Frau zum dramatischen Vorwurf ge¬
wählt, aber keins von beiden streift an den Werth der Ehebrecherin,
der man trotz eines mangelhaften Aufbaues und mancher unfeinen
Schilderung eine gewisse dramatische Bedeutung nicht absprechen
kann. Der Herzog benutzte für die eigentliche Handlung dieser
Tragödie dieselbe Geschichte aus dem Pecorone des Fiorentino, die
auch einen Theil des Vorgangs in Shakespeares »Lustigen Weibern
von Windsor« ausmacht. Inwieweit nun die Behandlung eines glei¬
chen Stoffes durch einen zwar wohlmeinenden, aber mittelmässig be¬
gabten Dichter und ein gottbegnadetes Genie verschieden ist, das
zeigt am besten ein Vergleich zwischen den beiden Werken selbst.
Was bei dem Herzog Heinrich Julius eine erzene Form bekam, das
verwandelte Shakespeare in Gold und gab ihm eine Gestaltung,
welche nur der Dichter ausprägen kann, dem alle guten Geister die
ewigen Gesetze des Schönen und Erhabenen in der Kunst selbst in’s
Herz legten.
Das andere in Frankfurt aufgeführte Stück des Herzogs, die
Komödie von Vincentius Ladislaus, in welcher Thomas Sackeville
nicht den Johan Bouset, sondern die Bolle des Titelhelden gespielt
haben soll, steht hinsichtlich der dramatischen Gestaltung auf einer
viel niedrigeren Stufe als die Ehebrecherin. Oft müssen gute humo¬
ristische Einfälle, womit der Dichter die Hauptfigur ausstattete, über
die Dürftigkeit der Handlung hinaushelfen.
»Vincentius Ladislaus Satrapa von Mantua, Kempfer zu Fuss
und Boss,« hat einige verwandte Aehnlichkeit mit Shakespeares Don
Armado in »Verlorne Liebesmüh« und mit dem geckenhaft gespreiz¬
ten Malvolio in »Was ihr wollt«. Mit lächerlichem Stolz nennt sich
Vincentius Ladislaus bei jeder Gelegenheit »Kempfer zu Fuss und
Boss«. Er, der keinen Pfennig in der Tasche hat, verlangt gross-
thuerisch che feinsten Speisen, deren Namen bis dahin dem Wirth
noch gar nicht zu Ohren gekommen sind. »Habt jhr Vasanen, Bep-
hüner, Kramtvögel, Vrhanen, Berghanen so fein saftig gebraten?
Habt jhr auch Forellen, Schmerling, Osterling, Krebs vnd dergleichen
Schnabelweide?« fragt er den entsetzten Wirth, der von solchem
Essen gar nichts zu sagen weiss und doch »schon manchen ehrlichen
Grafen und Herrn mit seiner Tractation zufriedengestellet hat«.
Ueberall giebt sich Vincentius in der geckenhaftesten Weise für
einen grossen Kitter und feinen Herrn aus, dem man nicht fein und
vornehm genug entgegenkommen könne. Den höchsten Punkt er¬
reicht seine Prahlerei aber an der Tafel des Herzogs »Silvester«, dem
er in Münchhausenscher Art eine ganze Beihe seiner Grossthaten
berichtet, welche dann jedesmal von Johan Bouset bestätigt und mit
35
satirischem Spott erläutert werden. Schliesslich schneidet »der Kem-
pfer zu Ross und Fuss« auch noch mit seiner Fechtkunst auf; als
ihm jedoch ein Rappierkampf angetragen wird, schlägt er ihn unter
den nichtigsten Vorwänden aus.
Für so viel lächerliche Albernheiten beschliesst nun die Ge¬
sellschaft des Hofes, ihm eine recht empfindliche Strafe zu ertheilen.
Vincentius, der sich bei der Tafel stark verliebt in eine Prin¬
zessin zeigt und in seinem grenzenlosen Eigendünkel an die Er¬
widerung seiner Gefühle glaubt, beschliesst, ein Ehebündniss mit der
hohen Dame einzugehen. Hierauf stellt ihm der Herzog und einige
andere Hofleute mit Erlaubniss der Prinzessin einen angeblich von
ihr verfassten Liebesbrief zu. Ohne dass er mit seiner Erwählten,
che überhaupt eine »Muta persona« (stumme Person) im Stücke ist,
ein Wort gesprochen hat, hält er die Einrichtung des fürstlichen
Brautgemachs für vollkommenen Ernst. Aber im Augenblick, da er
das Lager besteigen will, kracht es, und er fällt in eine darunter
stehende Bütte mit Wasser. Diese Schlussscene enthält nur An¬
weisungen, keinen Dialog und schliesst mit der Bemerkung des
Dichters :
»Da lachet nun niemand als jederman.«
So plump nun auch nach heutigen Kunstbegriffen che Lösung
des Knotens angeordnet erscheint, so mag dennoch der Schluss der
lustigen Posse für das Publikum seiner Zeit nicht so ganz reizlos
gewesen sein. Ueberhaupt muss che komische Figur des Helden,
dessen Charakteristik der Dichter mit grosser Geschicklichkeit durch¬
führte, bei guter Darstellung einen sehr tiefen Eindruck auf che da¬
maligen Zuschauer gemacht haben. 60 Dass ches in Frankfurt der
Fall war, ist kaum anders zu denken, da der berühmte »engel-
lenchsch Harr Thomas SackeviUe« che Titelrolle spielte. — Die stark
reahstische Richtung der englischen Komödianten fand allein schon
in den Anweisungen für che Darstellung cheses Stückes einen be¬
deutenden Anhalt zur Ausbildung wirksamer Bülmeueffekte.
Welchen gründlichen Unterricht der Herzog bei den englischen
Mimen genommen, beweisen oft mehr als der scenische Aufbau che
Bemerkungen und Anweisungen für die Darstellung. Diese zeugen
nicht selten von einem tiefen Verständniss für che lebensvolle Ge¬
staltung dramatischer Figuren, che in seinen Dichtungen freilich oft
übertrieben realistisch gezeichnet sind.
Indem wir die in dieser Periode der Frankfurter Schaubühne
von Thomas Saekeville gespielte Figur näher in ’s Auge fassen, müs¬
sen wir noch einmal zu Mangolds Messgedicht »Markschiffs Hachen«
zurückkehren. Hierin wird schon zwischen dem »Wursthänsel« und
dem englischen »Jan« ein Unterschied gemacht, der uns deutlich er¬
kennen lässt, dass diese beiden Species der Lustigmacher von dem
fein empfindenden Sinn des Volkes durchaus nicht auf eine Stufe
3*
36
gestellt wurden. Der »Jan« entspricht dem geistreich witzigen »fool«
bei Shakespeare und seinen Zeitgenossen, der Wursthänsel, späterer
Pickelhering und Hanswurst, dem Clown in den Werken derselben
Dramatiker. Obgleich der Wursthänsel trotz seiner groben Tölpel¬
haftigkeit oft ganz beachtenswerthe Einfälle hat, ist er doch eine
mehr lächerliche als ächt komische Figur.
Da Deutschland keinen Shakespeare aufzuweisen hatte, der
durch den Mund des Narren den weisheitsvollsten Lehren Eingang
in die Herzen der Zuschauer verschaffen konnte, so ist es begreif¬
lich, dass die zeitgenössischen Dichter mehr die Eigenschaften des
gröberen Clown (Wursthänsel) als die Aufgabe des witzigen Narren
förderten.
Der Johan Bouset des Herzogs Heinrich Julius von Braun¬
schweig, welcher sich jedenfalls erst durch Sackevilles Darstellung
einen festen Platz im deutschen Schauspiel eroberte, ist ein Mittel¬
ding zwischen dem witzigen englischen Narren und dem nüchternen
tölpelhaften Clown. Seine Einfälle sind nicht elastisch genug, um
über der betreffenden Situation schweben zu können, und doch ent¬
faltet er hie und da einen Mutterwitz, der ihn durchaus nicht
lächerlich, aber höchst drollig erscheinen lässt. Auf seine fremde
Abkunft deutet ausserdem seine eigen thümliche Ausdrucksweise hin,
die aus einem Gemisch von holländischen, deutschen und englischen
Worten besteht.
Der englische »Jan« mit den sinnreichen Scherzen, dessen Stel¬
lung Jacob Ayrer durch seine sorgfältige Pflege des komischen
Elementes zu retten versuchte, musste im Laufe der Zeit dem rohen
und dreisten Possenreisser Pickelhäring vollständig das Feld räumen.
Justus Mösers Behauptung, dass die lustigen Figuren jener alten
Stücke den hervorragendsten Charakterzug einer Zeit in ihrem Sinne
widerspiegeln, trifft nie mehr zu, als in der Epoche, in welcher kurz
vor dem 30jährigen Kriege das Entarten der komischen Volksfigur
mit dem Herabkommen der Sitten und geistigen Bestrebungen des
deutschen Volkes gleichen Schritt hielt.
Von dem Schicksal der ganzen Gattung der Lustigmacher
kehren wir nun zu dem bedeutendsten englischen Darsteller komi¬
scher Partien, zu Thomas Sackeville und seinen Gesellen in Frank¬
furt, zurück. — Dadurch, dass eine Ueberschreitung der Taxe, welche
diese Truppe mit Bewilligung des Ratlies von den Zuschauern ver¬
langen durfte, gerügt wird, erfahren wir, dass dieselbe berechtigt
war, einen Albus = 2 Kr., also nach unserm Geldwerth ungefähr
60 Pf. von der Person zu nehmen. Der starke Andrang zu ihrer
Bude am Main liess sie jedenfalls eine Uebertretungssünde gegen
die Anordnung des Käthes begehen, welche sie später mit 20 fl.
büssen musste.61 »Die erzelten Vrsachen«, mit denen sie ihr Ver¬
gehen zu entschuldigen suchte, müssen nicht stichhaltig genug ge-
37
wesen sein, um die Väter der Stadt zu einer Milderung der Strafe
bewegen zu können.
Nach Schluss der Herbstmesse 1597 unternahm Thomas Sacke¬
ville eine Reise, vor deren Beginn er den Rath Frankfurts um Er-
laubniss bittet, seine »Hausfrawen« einen Monat bis zu seiner Zurück¬
kunft in einem Bürgerhause hier lassen zu dürfen.62 Trotz des oben
erwähnten Vergehens wird sein Bittgesuch ebenso bewilligt, wie die
Supplikationen von Johan Breitenstrasse und Jacob Biel, welche sich
auch mit ihren Weibern so lange in der alten Reichsstadt auf halten
wollen, bis ihr Gesell Sackeville wieder zurückkommt.63 Der zu¬
sagende Bescheid für die beiden Letzteren erhält eine gewisse Ein¬
schränkung durch das Gebot, dass sie aber von nun an in einer
öffentlichen Herberge wohnen müssten. Da sich nun Thomas Sacke-
villes Hausfrau auch während seiner Abwesenheit in einem Bürger¬
hause auf halten sollte, so ist wohl genug Grund für die Vermuthung
vorhanden, dass die englischen Komödianten während ihrer Kunst-
thätigkeit mit ihren Familien bei Frankfurter Bürgern Unterkunft
gefunden hatten. Als sich die Compagnie unter Führung von Robert
Browne zu einer Reise nach dem Continent entschlossen hatte,
waren »die Frawen der Gesellen« noch nicht dabei, denn sonst hätte
Howard ihrer sicher im Reisepass Erwähnung gethan. Jedenfalls
folgten sie ihren Männern erst nach, nachdem sich denselben in
Deutschland durch die Gunst kunstsinniger Fürsten und das ent¬
gegenkommende Verhalten verschiedener wichtiger Reichsstädte ein
weites Feld der künstlerischen Wirksamkeit eröffnet hatte.
Als Sackeville Frankfurt nach dem Schluss der Herbstmesse
1597 verliess, machte er verschiedenen Nachrichten zufolge eine
Reise nach Nürnberg, um sich die Erlaubniss für ein Auftreten
seiner Gesellschaft zu verschaffen. Hier war durch die dichterische
Tliätigkeit eines Hans Sachs und seiner unmittelbaren Nachfolger
ein fruchtbarer Boden für den Fortschritt der dramatischen Kunst
vorbereitet. In Nürnberg kann das Wirken der Sackevilleschen
Truppe auf den dramatischen Dichter Jacob Ayrer nicht ohne Ein¬
fluss geblieben sein. Man hat schon mehrmals die Frage aufgewor¬
fen, warum Ayrer in seinem fünften, 1598 geschriebenen Stück »Von
den römischen Historien der Stadt Rom« die frühere Bezeichnung
des Lustigmachers verlässt und ihn in diesem Stück zum ersten Mal
»Jahn Posset« nennt. Sollte che Umbildung dieses Namens nicht im
causalen Zusammenhänge stehen mit dem Auftreten des berühmten
Johan Bouset in Nürnberg, dessen Ijeistungen sich Ayrer ohne
Zweifel angesehen haben mag? — - Wenn nicht eine andere Verbin¬
dung geradezu nachgewiesen werden kann, dann vermittelte jedenfalls
Thomas Sackeville dem Nürnberger Gerichtsprokurator diese Bezeich¬
nung der lustigen Figur in den Stücken seines fürstlichen Patrons,
des Herzogs Heinrich Julius von Braunsclrweig.
38
Obgleich nun Sackeville und seine Genossen in ihrem Gesuch
um die Spielerlaubniss vor der Herbstmesse 1597 »neve vnd schöne
Comödien vnd Tragödien« ankündigten, so würde man sich doch
selir täuschen, wenn man annehmen wollte, dass schon in dem letz¬
ten Decennium des XVI. Jahrhunderts Shakespearesche Stücke in
Frankfurt zur Aufführung gekommen sind.
Die früheste Darstellung der grössten dramatischen Meisterwerke
erfolgte in Frankfurt am Main wahrscheinlich erst mehr als ein
Jahrzehnt später, und bezieht sich jene Ankündigung jedenfalls
einzig auf die kürzlich verfassten Stücke des Herzogs Heinrich Julius
von Braunschweig.
Da Robertus Browne im Jahre 1597 nicht mehr an der Spitze
seiner alten Gesellschaft stand, so mag wohl die Annahme Albert
Cohns zutreffend sein, welcher ihn, wie auch Richard Jones, schon
1596 wieder in England vermuthet.
Er war ohne Zweifel derselbe Robertus Browne, der im Ge¬
folge des Gesandten der Königin Elisabeth von England, Grafen von
Lincoln, an den Hof des Landgrafen Moritz des Gelehrten nach
Cassel reiste, als Lincoln dessen Tochter erster Ehe im Namen der
Königin aus der Taufe heben sollte.64 Während nun ihr erster
Führer am Hofe des gelehrten Fürsten eine neue Kunstepoche an¬
bahnen half, die von dem Beginne des neuen Jahrhunderts an auch
das Emporblühen des Frankfurter Theaters segensreich beeinflussen
sollte, setzten seine ehemaligen Genossen Thomas Sackeville und
John Breadstreet das begonnene Werk in Frankfurt, in Nürnberg, in
schwäbischen und rheinischen Städten fort.
Ein alter Holzschnitt, der eine Bühne englischer Komödianten,
vielleicht in Cassel, Nürnberg oder gar in Frankfurt selbst, aus dem
Jahr 1597 darstellt, giebt genauen Aufschluss, wie die Einrichtung
derselben beschaffen gewesen. Die verhältnissmässig tiefe, weniger
breite Bühne ist durch einen zurückziehbaren Vorhang in einen
grösseren vorderen und kleineren hinteren Tlieil geschieden. Ueber
diesem Vorhang, der seitlicli auseinandergeht, erhebt sich ein zelt¬
artiger Aufsatz, aus dessen in der Mitte befindlicher Oeffnung der
Kopf eines Clowns hervorsieht. Wahrscheinlich soll hierdurch an¬
gedeutet werden, dass dieser gewiss ziemlich kleine Raum bei dem
Spielen nicht unbenutzt blieb. Der vordere Tlieil des Schauplatzes
liegt etwas niedriger als der hintere, zu dem auf dem Holzschnitt
zwei Stufen führen. Die Bühne hat weder einen Vorhang noch
Coulissen, aber von der Decke hängen fahnenartig einige Stücke
Zeug herab. — In dem 1576 zu London errichteten Blackfriars-
Theater, in welchem Shakespeares Stücke zuerst aufgeführt wurden,
bedeuteten hellblaue von der Decke herab hängende Teppiche, »dass
es Tag, etwas dunklere, dass es Nacht sei. Jedenfalls hatten die
eben erwähnten Stoffe auf dem Holzschnitt in Wirklichkeit die
39
gleiche Bestimmung. — Tn der Mitte der Vorderbühne steht dicht
am Bande ein schmales Brett mit einer Tafel, auf welcher einige —
im Bilde unleserliche — Worte stehen. Dieses Brett befindet sich
auch in den gleichzeitigen Theatern Englands, in denen es die Auf¬
gabe hatte, durch eine Aufschrift die Zuschauer mit dem Ort der
Handlung des Stückes genau bekannt zu machen. Eine Abänderung
der Angabe auf der Tafel genügte also vollständig, um der willigen
Phantasie jenes Publikums einen bedeutenden Ortswechsel begreif¬
lich zu machen. Auch über dem Vorhang des zweiten Bühnentheils
hängt eine Tafel mit der Inschrift : »A room in the house«. Auf der
Vorderbühne befinden sich drei Personen : Jolian Bouset, den seine
der Bolle entsprechende Tracht verräth, ein Mann und eine Frau,
die sich in streitender Stellung gegenüberstehen. Dass die Frauen¬
rollen auch in jener Zeit noch von Männern dargestellt wurden,
merkt man sofort an dieser robusten Gestalt in Frauengewändern,
die nichts weniger als einen weiblichen oder gar reizenden Eindruck
macht.
Möglicherweise stellt der Holzschnitt eine Scene aus der »Ehe¬
brecherin« des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig dar, in
welchem Stück Thomas Sackeville als Jolian Bouset, Diener des von
seiner Ehefrau dreimal betrogenen Kaufmanns Gallichoräa, so Vor¬
treffliches leistete.
Was die Zuschauer anbetrifft, so lässt sich auf dem Bilde nur
so viel erkennen, dass das Publikum um die an drei Seiten freie
Bühne herumsass. Wahrscheinlich richteten die englischen Komö¬
dianten ihre Bude in Frankfurt nach dem Muster der Londoner
Vorbilder ein, deren Hauptzuschauerraum das etwas tief gelegene
Parterre oder der sogenannte Hof war. In England enthielt dieser
Baum nur Stehplätze, aber nach dem Holzschnitt zu urtheilen waren
in Deutschland wenigstens in der nächsten Nähe der Bühne Bänke
zum Sitzen angebracht. — Eine etwas zweideutige Stelle in dem
Messgedicht »Markschiffs-N achen« drängt sogar zu dem Glauben, dass
die englischen Komödianten für das feinere Publikum erhöhte Logen
in ihrer Hütte am Main gehabt hätten. — Der Dichter spricht von
einer fremden Frau, die aus ihrem Fenster auf die Bühne geblickt
und erinnert unwillkürlich dadurch an -die länglich viereckigen
Logen Öffnungen solcher höher gelegenen Logen, welche auch bei
den Engländern in jener Zeit oft »Windows« (Fenster) genannt
wurden.
Diese einfache, aber höchst zweckmässige Einrichtung des da¬
maligen Theaters blieb mit Ausnahme einiger unbedeutender Ab¬
änderungen bis in das erste Viertel des folgenden Jahrhunderts
bestehen. Ebensowenig änderte sich in diesem Zeitraum die An¬
kündigungsform der darzustellenden Stücke, welche, wiederum einem
alten Holzschnitt zufolge, in ziemlich geräuschvoller komischer Weise
40
vor sich gegangen zu sein scheint. Die Spielleute einer solchen
englischen Komödiantentruppe zogen in auffallenden Kleidern mit
Trommeln und Trompeten in Begleitung einiger berittener Mitglieder
durch die Strassen der betreffenden Stadt und machten an jeder be-
merkenswerthen Stelle Halt. Nachdem dann der Trommler und der
Trompeter ihre Instrumente »zu jedermanns Gehörlichkeit dreimal so
stark wie sunsten gerühret und geschmettert«, verlas ein als Clown
gekleideter Schauspieler die Einladung zu dem bombastisch an¬
gekündigten Stück, dessen Inhalt dann dem umstehenden Publikum
kurz, aber sehr lockend geschildert wurde. Mehr als von dieser in
fremder Sprache gegebenen rhetorischen Leistung scheinen sich jedoch
die Umstehenden von den »seltsamlich Grimassen und bossigten Ver¬
windungen« angezogen gefühlt zu haben, womit der Clown die Ver¬
kündigung seiner Rede zu illustriren pflegte. — Diese Art der
Publikation hat viel Aehnlichkeit mit den Umzügen minder bedeu¬
tender Kunstreiter-Gesellschaften, welche noch heute in kleineren
Städten auf eine fast gleiche Weise ihre beabsichtigten Vorstellungen
an kündigen.
In Bezug auf die Dauer des Spiels herrschte bei den englischen
Komödianten in dieser und in einer späteren Zeit, noch derselbe Ge¬
brauch wie bei den Mysterien und Bürgerspielen. Die Vorstellungen
begannen um 3 Uhr Nachmittags und endigten spätestens gegen
6 Uhr Abends.
Abwechselnd mit den Engländern spielten bis zur Mitte der
90er Jahre des XVI. Jahrhunderts auch zwei französische Truppen
in Frankfurt, deren künstlerische Bedeutung nicht geringer war als
die ihrer englischen Collegen. Am 27. März 1593 suchte »Valeran le
comte de Monditier aus der Picardy« für sich und seine »Consorten,
Comödienspieler« die Bewilligung des Gesuches nach, in der Oster¬
messe »Biblische Comödias und Tragödias« aufführen zu dürfen.65
Der Rath willfahrte sofort seinem Begehr, aber mit dem ausdrück¬
lichen Bescheid, dass er nicht mehr als 4 Pf. von einer Person
nehme und sich einen Ort suche, avo niemand durch ihn beschwert
würde.66 Der Ort, wo Monditier spielte, lässt sich ebensoAvenig nach-
Aveisen, wie sein Repertoire; doch würde man sich sehr täuschen,
wenn man annehmen wollte, dass er nur Stücke mit biblischem In¬
halt gegeben hätte. Monditier, der in seiner Zeit eine ähnliche
Stellung eingenommen zu haben scheint, Avie in unserm Jahrhundert
der durch seine enthusiastische Liebe für das Theater bekannte Graf
Friedrich von Hahn, gab in Rouen, d’Angres, Metz und Strassburg
die Werke von Jodelle, dem ersten französischen Dichter, der durch
die Nachahmung der Griechen und Römer der eigentliche Begrün¬
der der dramatischen Renaissance-Poesie der Franzosen wurde. Was
der gräfliche Komödiant nun in jenen Städten zur Darstellung brachte,
hat sicher in Frankfurt ebenfalls eine Wiederholung gefunden. Es
41
ist also die besondere Hervorhebung »biblischer Comödien und Tra¬
gödien« für nichts weiter als für die in andern Worten ausgedrückte
Versicherung zu halten, dass der Schwerpunkt seines Strebens in
der Darstellung Gott wohlgefälliger Gegenstände zu suchen sei. Der
Rath, welcher den heiligen Boden ehrte, der mittlerweile von frem¬
den Berufskomödianten weiter bepflanzt wurde, schien auf derartige
Versicherungen ein grosses Gewicht zu legen, denn auch die eng¬
lischen Komödianten versäumten es jetzt und in der Folgezeit nie¬
mals, in ihren Gesuchen der biblischen Stücke zu gedenken.
Durch eine Rauferei, welche wegen starken Gedränges »vor
der welschen Comödienhütt entstund«, erfahren wir, dass auch Mon-
clitier trotz seiner in fremder Sprache gegebenen Stücke einen
grossen Zuspruch von Seiten der Frankfurter hatte. Freilich darf
man auch nicht vergessen, dass sich während der Messen viele Kauf¬
leute und sonstige Personen in der alten Reichsstadt aufhielten, die,
wenn auch nicht selbst Franzosen, so doch wohl der französischen
Sprache annähernd mächtig waren.
- Ueber die französische Gesellschaft Carlo Chautron und Con-
sorten, welche in der Ostermesse 1595 in Frankfurt spielte,67 sind
in den Schriftquellen noch dürftigere Nachrichten vorhanden als über
die Truppe des Grafen von Monditier. Da aber der Rath dem
Führer Carlo Chautron ohne jegliche Einwendung gestattete, einen
Albas (2 Kr.), also nach unserem Geldwerth ungefähr 50 Pf. mehr
als seine Vorgänger, zu nehmen, so ist wold ein begründeter Anhalt
für die Meinung vorhanden, dass dieser französische Komödiant,
welcher in der Ostermesse 1595 mit seinen Consorten in Frankfurt
spielte, etwas Besseres als seine Vorgänger leistete und identisch ist
mit jenem Chautron, der am Ende der achtziger Jahre und am An¬
fang der neunziger Jahre des XVII. Jahrhunderts in den östlichen
Provinzen Frankreichs besonders Stücke mit gesanglichen und in¬
strumentalen Einlagen gab. Dieser Chautron führte auch oft die
erste französische Pastorale »La sultane« von Gabriel Bounin oder
Bounijn (1549—1600) auf, welche sich' überall des grossartigsten
Beifalls erfreute.
Kurz vor dem Schluss des alten Jahrhunderts petitionirte eine
durchreisende englische Gesellschaft ausser der Messzeit um (he Spiel¬
erlaub niss, deren Führer sich schon früher einen angesehenen
Künstlernamen in Frankfurt erworben hatte. Es war der schon er¬
wähnte Robert Browne, der mit seinen Gesellen am Hofe des Pfalz¬
grafen Friedrich IV. in Heidelberg gespielt hatte und jedenfalls im
Begriff war, unter den Schutz seines fürstlichen Gönners, des Land¬
grafen Moritz von Cassel, wieder zurückzukehren. Aber im Hin¬
blick auf die traurige Lage, in welcher sich Frankfurt durch das
furchtbare Umsichgreifen der Pest befand, war der Rath nicht im
Stande, einem Gesuch zu willfahren, welches sogar zu ungewöhn-
42
lieber Zeit die Erlaubniss zur Veranstaltung eines mittlerweile all¬
gemein beliebt gewordenen Vergnügens von ihm verlangte. Trotz der
Abweisung war der Bescheid des Käthes doch nicht schroff ab¬
gefasst, sondern mit einem mildernden Zusatz versehen. Er theilte
dem Robertus Browne die Gründe seines Vorhabens mit und forderte
ihn auf, »in besserer Zeit seine Schritte wieder anliero« zu lenken.
Es ist ein reiches und buntes Streben, ein unaufhaltsames
Drängen und Treiben der fremden Komödianten, welchem der von
jeher theaterlustige Sinn der Frankfurter im letzten Decennium des
XVII. Jahrhunderts eine sichere Heimstätte bereitete. Gerade jene
erste Periode der berufsmässigen Kunst liefert einen schlagenden
Beweis gegen die oft ausgesprochene Mythe, dass die eigentliche
Geschichte der Frankfurter Schaubühne keine so glorreiche Ver¬
gangenheit besitze wie die anderer deutscher Reichsstädte. — Wenn
ein Vergleich statthaft ist mit der Sage, worin freundliche Schutz¬
geister von der guten Fee der Vorsicht ausgesandt werden, um in
einem verheerenden Kampfe die kostbarsten, auf den Festen eines
edlen Geschlechts geborgenen Gütern in Sicherheit zu bringen, so
war Frankfurt gewisslich eine jener Burgen, in der die fremden
Thespisjünger den reichen, von den religiösen Spielen des Mittelalters
überlieferten Schatz den Enkeln einer besseren Zeit nach muthigem
Ringen mit redlichem Sinn überlieferten.
Das grosse Jahrhundert, worin der Sturm der Reformation
die Lüfte gereinigt, aber auch hier und da den Boden der deutschen
Kultur bedenklich ausgedörrt hatte, neigte sich seinem Niedergange
zu. Die Wurzel der deutschen dramatischen Poesie, auf die Hans
Sachs und später der Herzog Heinrich Julius von Braunschweig und
Jacob Ayrer grüne Reislein pfropften, konnte nicht weiter ausschla-
gen, es fehlte ihr der befruchtende Regen, der ihrer älteren Schwester
in England im goldenen Zeitalter der Königin Elisabeth zu so schnel¬
lem und mächtigem Wachsthum verhelfen sollte. Alle Verhältnisse
gestalteten sich in der Folge für die Entwicklung der dramatischen
Kunst und Poesie in Deutschland immer ungünstiger, und es ist
deshalb ungerecht und ungeschichtlich, von dem kritischen Stand¬
punkt einer späteren Zeit auf die fremden Gärtner missachtend herab¬
zusehen, die an den Höfen einiger kunstsinniger Fürsten und in
hervorragenden Reichsstädten, wenn auch oft in roher, wenig ge¬
schickter Weise, aber immerhin in lobenswerther Absicht die welken
Wurzelfasern der dramatischen Poesie durch Wasserspenden aus der
eignen Geistesquelle vor vollständigem Absterben behüteten. — Die
Entwicklungsgeschichte des Frankfurter Theaters allein bestätigt hin¬
reichend diese Behauptung.
Englische Komödianten in Frankfurt von
1600 — 1631.
i.
Eine ähnliche Stellung’ wie in der ersten klassischen Periode
der deutschen Literatur die Wartburg, die Residenz des Dichter-
bescliützers Hermann von Thüringen, nimmt für den Entwicklungs¬
gang der dramatischen Kunst und Musik in mitteldeutschen Ländern
der Hof des Landgrafen Moritz des Gelehrten von Hessen-Cassel im
letzten Decennium des XVI. und im ersten Viertel des XVI 1. Jahr¬
hunderts ein. Es war ein glückliches Zusammenströmen der ver¬
schiedensten künstlerischen und geistigen Bestrebungen, denen der
hochbegabte und humanistisch gebildete Fürst seit dem Beginn seiner
Regierung am Hofe zu Cassel eine ebenso sichere als behagliche
Heimstätte gewährte. Aber der Landgraf wollte diese künstlerischen
Kräfte nicht in den Kreis seiner eignen Sphäre gebannt wissen, er
machte es ihnen vielmehr möglich, unter seinem Schutze neue und
vielversprechende Bahnen aufzufinden.
Ein voller Strahl des geistigen Sonnenlichtes, welches von dem
Hofe des kunstsinnigen Landgrafen am Anfang des neuen Jahr¬
hunderts ausging, fiel auch auf die im Aufblühen begriffene dra¬
matische Kunst in der alten Reichsstadt Frankfurt. Seitdem Thomas
Sackeville nach der Herbstmesse 1597 für sich und seine Gesellen
ein anderes Feld der künstlerischen Thätigkeit aufgesucht hatte, war
in den zu Messzeiten stattfindenden theatralischen Aufführungen
eine Pause von mehr als zwei Jahren eingetreten. In der Ostermesse
von 1600 aber erhält dieser Stillstand seinen Abschluss durch die
Ankunft der »fürstlich hessischen Komödianten und Musikanten«,
welche auf ein Empfehlungsschreiben des Landgrafen Moritz sofort
unter der einzigen Bedingung Erlaubniss erhielten, dass sie von den
Zuschauern keinen zu hohen Preis fordern sollten. 68 Bei den Mit¬
gliedern dieser Gesellschaft treffen wir nicht eine der schon von
früher bekannten Persönlichkeiten. Die hauptsächlichsten Darsteller
Georg Webster, Johann Hüll (Hüll) und Reichard Machin (Makim)
gehörten einem neueren Nachschub englischer Komödianten an, welche
44
erst auf die lockenden Berichte ihrer Vorgänger über’s Meer herüber¬
gekommen waren, um ebenfalls ihr Glück auf dem Continent zu
versuchen.
Im Gefolge des schon erwähnten Grafen von Lincoln befand
sich ausser dem bekannten Robert Browne auch ein gewisser John
Webster (identisch mit Georg Webster), dessen in den Aufzeichnungen
über kleinere persönliche, 1597 und 1598 vorgekommene Ausgaben
des Landgrafen Moritz von Hessen mehrmals gedacht wird.69 Um
einigermassen Einblick in die Kosten für die »Zuthatten zu der
Komödie« und die Besoldung der englischen Mimen zu bekommen,
lassen wir hier die betreffenden Posten folgen:
Georg Webster dem Engländer zur Reise nach Heidelberg 20 Thlr.
Für Dielen zum Gerüst der Komödie . 5 »
Für sechs Ellen weisses wollenes Tuch den Engländern
zur Komödie . 2 »
Für weisse Geckskleider . 4 »
Ein paar Schuhe dem Narren . 4 »
Einem Engländer auf seine Besoldung . 20 »
Dem Kammermeister Heugel um die Engländer abzu¬
fertigen . 300 Gl.
Wie sich aus verschiedenen ineinandergreifenden Thatsachen
schliessen lässt, gehörte Robert Browne zu den Engländern, welche
1598 von dem hessischen Kammermeister Heugel die oben erwähnte
Abfertigungssumme von 300 Gulden erhielten. Sie folgten ohne
Zweifel einer Einladung des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz,
dem sie der Landgraf Moritz bei Gelegenheit der Taufe seines Sohnes
Friedrich (des späteren Königs von Böhmen) in Amberg empfohlen
haben mochte.
Georg Webster, der später im Frühjahr 1600 als »fürstlich
hessischer Komödiant« auch nach Frankfurt kam, erhielt ohne Frage
die in dem Ausgabebüchlein angeführten 20 Thaler Unterstützung
zu einer Gastspielreise an den kurfürstlichen Hof zu Heidelberg, von
wo aus ihn seine Gesellen Robertus Browne, Robertus Kingmann
(Kingsmann) und Robertus Ledbetter seines grossen komischen Talentes
wegen hierher berufen haben mochten.
Was für Stücke die »fürstlich hessischen Komödianten« bei
ihrem ersten Aufenthalt in Frankfurt vorstellten, lässt sich nicht
bestimmen , aber da sie schon in der nächsten Ostermesse wieder-
kehrten, 70 so kann man wohl mit Sicherheit annehmen, dass sich
ihre besonders durch musikalische Einlagen auszeichnenden Auf¬
führungen einer grossen Beliebtheit in Frankfurt erfreuten. — Die
»fürstlich hessischen Komödianten« waren wohl auch die ersten
Thespisjünger, welche keine Bretterbude mehr am Main aufrichteten,
sondern in geschützten Höfen oder geschlossenen Räumen ihre Bühne
aufschlugen. — Der jüngere Nachschub der fremden Künstler war
45
durch die stabilen englischen Bühnen schon an einen besseren Schutz
vor Wind und Wetter gewöhnt, und insonderheit wurden die fürstlich
hessischen Komödianten durch ihre wohl eingerichteten und ge¬
schützten Bühnen in den verschiedenen Schlössern des Landgrafen
bewogen, auch anderswo an die Lokalität ihrer Darstellungen schon
grössere Ansprüche zu machen. — Im Jahre 1605 errichtete der
Landgraf sogar ein Theater in Gestalt eines Circus mit bemalten
Decken, welches er zu Ehren seines erstgeborenen Sohnes Otto
Ottonium nannte.71
Als die ersten geschlossenen Lokalitäten, in denen die fahren¬
den Komödianten in Frankfurt Vorstellungen gaben, ist das Gebäude
»zur Sanduhren« und »Herrn Martin Bauers seliger Behausung draussen
auf der Zeillen« zu bezeichnen. 7 2 Das erstere auf dem Löwenplätzchen
in der Fahrgasse gelegene Haus, dessen grosse Räumlichkeiten von
hinten an das Gasthaus zum Krachbein , jetzt König von England
stiessen, ist beim Durchbruch der Fahrgasse nach der Judengasse
abgerissen worden. Die andere Lokalität, welche einen grossen, theil-
weise verdeckten Hof gehabt haben muss, stand auf dem Platze des
heutigen Cafe Müller, Zeil No. 39.
Das Ansehen, dessen sich die alte Reichs- und Krönungsstadt
Frankfurt am Main weit und breit erfreute, zeigte sich, besonders
von dem Beginne des neuen Jahrhunderts an, auch in dem eifrigen
Bestreben verschiedener englischen Komödiantentruppen für die
Messzeiten die Erlaubniss zum Spielen zu erhalten.
Als die »fürstlich hessischen Komödianten« in der Herbstmesse
1600 ausblieben, suchte eine andere durchreisende Gesellschaft, deren
Führer seinen Namen nicht näher angegeben hat, um Zulassung
nach.73 Diese Truppe scheint Frankfurt nicht zum Hauptziel ihrer
Reise auserkoren zu haben ; denn sie kam nur um die Erlaubniss
für einige Vorstellungen ein und setzte ihre Wanderung schon vor
Beschluss der Messe fort.
Im März des folgenden Jahres bitten drei verschiedene eng¬
lische Truppen, ihre mimischen und musikalischen Künste »präsen¬
tieren zu dörfen«74 und werden sämmtlich unter der Bedingung
aufgenommen, dass sie »im Geldeinnemen« von den Zuschauern »kein
Vbermass gebrauchen.«75 Die zuletzt Kommenden waren die »fürstlich
hessischen Komödianten: Georg Webster, Johann Hüll (Hüll) vnd
Reickhard Machin und Consorten«, welche »in Ansehung ihrer sunder¬
lichen Stellung« trotz der bereits erfolgten Zulassung der beiden
andern Gesellschaften sofort die Gewährung ihrer Bitte erhielten. 76
Der Schwerpunkt der einen von den beiden ersten Truppen,
welche aus zwölf Mitgliedern bestand , scheint hauptsächlich in
akrobatischen Künsten gelegen zu haben.77 Die andere, unter der
Führung des berühmten Robertus Browne auftretende, hingegen stellte
ausser den schon von früher bekannten Stücken die neueren Werke
46
der zeitgenössischen englischen Dichter dar, welche Browne jeden¬
falls bei seiner letzten Rückkehr aus England mit nach Deutschland
gebracht hatte.78
Das Bittgesuch dieser Compagnie, die im Jahre 1599 in Rück¬
sicht auf die durch die Pest herbeigeführten traurigen Zustände in
Frankfurt von den Vätern der Stadt auf eine bessere Zeit vertröstet
worden war, ist die erste uns erhaltene Supplication fahrender Komö¬
dianten an den Rath, datirt vom 12. März 1601. Die bunte Ge¬
schichte der englischen Thespisjünger in Frankfurt darf nicht weiter
verfolgt werden, ehe dieses interessante, manche sonst dunkle Punkte
klar beleuchtende Dokument hier an seiner rechten Stelle Erwähnung
gefunden hat:
»Edell Ern veste Hoch vnd Wolwavse Achtbare vnd Fürsichtige
E. E. vnd F. E. W. seind vnsere bereidwillige vnd vnverdrossenen
Dienste besten Vermögens in vnderthenigkeit zuvor gnedige vnd
gepietendte grossgunstige Herren.
Was gestalt vngefährlich vor anderthalb Jaren als wir von
Heidelberg anliero genahet an E. E. vnd F. E. W. wir zu endts
namhafte vmb günstige gestattung vnd Zullaßung, das wir alhie
etliche neve comedia vnd Tragödia aus denn Historys agiren vnd
halten mögten, supplicirendt gelangen lassen haben , das würdt den¬
selben noch in vnentfallenem andenken sein.
Obwol hirruf durch (he dero Zeit regirende Herrn Bürger¬
meister vns ein Bescheid eröffnet vnd angemeldet worden ist, weiln
es damals nit allerdings bequeme gelegenheit gegeben, als solten
wir etwa inn Messzeiteu vns wieder anliero lenken, solte dasselbe
vns vf ferneres ansuchen nit abgeschlagen sein, welcher gnedigen
vnd günstigen anerpietung wir vns nochmals ganz vndertheniges
Vleisses thun bedanken.
Nachdem nun aber wir vns anitzo mit grossem vnstatten an-
hero erhaben, auch Johannen Buscheten vnd noch anderer in vnserer
Companei gehörige Commedianten mehr gewertig, gemüths vnd
mainung, in itziger furstehend ostermess (geliebts gott) viel schöne,
herrliche, freudige, vnd trostreiche Comedia aus denn Historys zu
halten vnd zu agiren. Weilen wir vns aber zu bescheiden, das solchs
ohne günstigen Consens vnd gestatten Erngmelter E. E. vnd F. E.
W. vns keineswegs gebüren sondern dieselbe zuvorderst hierunter zu'
begrvessen obliegen will.
Hierumb vnd derohalben langt an Wolgedachte E. E. vnd
F. E. W. vnser vndertheniges vnd instendiges bitten, Sie geruhen
vnserm bittlichen suchen gnedig vnd grossgünstig deferiren vnd vns
gestatten zu lassen, das wir so woll in neliister Ostermess als auch
zuvor in der wochen einmal oder drey mehrenannte comedia einer
Ehrlöblichen Bürgerschaft, zuvörderst E. E. vnd F. E. W. zu vnder-
thänigcn ehren halten mögen. Des Erpietens von nenniglichen ein
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geringes vnd erträgliches zunehmen, vncl vns dermassen friedlich,
verträglich vnd vnverweisshch zu erhalten, das darob keine Clage
erscheinen solle. Neben dem wollen auch solche Begnadigung vns
oben gesagte E. E. vnd E. E. W. vnderthenig vnd dienstlich zu
vergelten vnd bei menniglich zu laudiren wir in keinen vergess
stellen, sondern allerweg getlissen sein vnd bleiben
E. E. vnd E. E. W.
Y n derthenige vnd
vnterdienstgeflissene
Robertus Browne
Robertus Kingmann (Klingsmann)
Robertus Ledbetter.
Da die Bittsteller ausdrücklich erwähnen, dass sie auch Johannen
Buscheten (Jokan Bouset), also den in Erankfurt als lustige Figur
hochberühmten Thomas Sakeville und noch andere zu ihrer Gesell¬
schaft gehörige Darsteller erwarten, so möchte man fast mit Sicher¬
heit annehmen, dass wenigstens die hauptsächlichsten Mitglieder
Fürstlich Braunschweigisch bestellte Hofkomödianten gewesen sind.
Auch die Erwähnung, dass sie mit grossen Unkosten »anhero er¬
haben«, zeugt für eine weite Reise, wie auch die Angabe »schöne
herrliche trostreiche Comödia und Tragödia aus denn Hystorys« auf¬
führen zu wollen, mit einer ähnlichen oft angewandten Redewendung
in den Prologen und Epilogen zu den Stücken des Herzogs Heinrich
Julius von Braunschweig in Yerbindung zu bringen ist. Aus dieser
Bemerkung geht ferner hervor, dass es die englischen Komödianten
mittlerweile wagen durften, in ihren Bittgesuchen an den Rath der
Stadt Frankfurt den Schwerpunkt ihrer mimischen Thätigkeit von dem
Feld der biblischen Darstellung in das Gebiet der Weltgeschichte
und des Lebens hinweg zu rücken.
Die erste Bittschrift des Robertus Browne und seiner Gesellen
Kingsmann und Ledbetter wurde zurückgewiesen, eine andere aber,
die ein paar Tage später eingereicht wurde, erhielt sofort die Be¬
willigung des Rathes. Die Unterzeichneten bemerken darin, dass
sie, »wie günstiglick zu erachten«, sogar von Yenedig Komödianten
erwarten, »die durch allerhand liebliche Musica ihre Stücke verzieren
sollen«. 7 9
Die Yermuthung, dass sich schon am Anfang des XVI. Jahr¬
hunderts mit den englischen Komödiantentruppen italienische Musiker
zu gemeinsamem Streben verbunden hätten, wäre nach dieser und
nach manchen anderen Bemerkungen in den verschiedenen Bitt¬
schriften also eine Tkatsache und nicht zu jenem dichten mythischen
Gewebe gehörig, womit die Tradition im Laufe der Zeit die ersten
Banden der englischen Komödianten umsponnen hat.
Kein Bericht von Zeitgenossen, keine sonstige Aufzeichnung
ergänzt die spärlich fliessenden Notizen, welche die alten Schrift-
48
quellen über die Vorstellungen der englischen Komödianten am An¬
fang des neuen Jahrhunderts auf unsere Tage aufbewahrt haben.
Sackeville’s Ankunft jedoch bürgt für die Darstellung von
Stücken, in denen »Johan Bouset« oder der englische »Jan« eine
Hauptrolle spielte, und die Bemerkung in einem Bittgesuch, auch
ein »erschröcklich spanisch Tragödia zu agiren«, für die Aufführung
des in England epochemachenden Stückes »Hieronvmo oder die
spanische Tragödie.« Dieses wirklich in vieler Beziehung schauder¬
erregende Stück, welches der Stammvater eines ziemlich zahlreichen
Geschlechtes von Blut- und Rachetragödien wurde, erfreute sich in
England eines solchen Beifalls, dass es 1602 mit vielen Zusätzen
von Ben j/nson wieder neu auf die Bühne gebracht wurde.
Ebensowenig bekannt wie das Repertoire dieser Truppe ist
dasjenige der »fürstlich hessischen Komödianten und Musikanten«,
welche auch in der Herbstmesse 1601 etwa vier Wochen hindurch
ihre Vorstellungen gaben.80 Denn dass — wie mehrmals behauptet
worden — am Anfang des XVII. Jahrhunderts von dieser Truppe
die dramatischen Dichtungen des Landgrafen Moritz von Hessen in
Frankfurt aufgeführt worden seien, gehört um so mehr in das Bereich
der Fabel, als dieselben in der lateinischen Sprache abgefasst
waren, in welcher die englischen Komödianten ohne jeden Zweifel
keine Meisterschaft besassen. Die Darsteller dieser nach dem Muster
des Terentius gebildeten Komödien waren die Zöglinge der Hof-
und Ritterschule und die Studenten der Landesuniversität Marburg,
für die eine derartige Darstellung zugleich eine Uebung im Latei¬
nischen bildete.81 Bei solchen Aufführungen in Cassel mag es wohl
vorgekommen sein, dass die schon gleich nach dem Regierungs¬
antritt des Landgrafen 1592 an seinem Hofe weilenden englischen
Komödianten, Tänzer und Springer in den Zwischenakten ihre eigenen
Künste ausgeübt haben, aber weitere Annahmen entbehren jeglicher
Begründung.
Der grosse Zuspruch, welcher deu Aufführungen der »Fürstlich
Hessischen Comödianten« von Seiten des Publikums in Frankfurt zu
Theil wurde, hatte hauptsächlich darin seinen Grund, dass sie die¬
selben durch alle für die damalige Zeit höchst merkwürdigen Hilfs¬
mittel zu verschönern wussten. Der Landgraf, welchem die An¬
erkennung seiner bestallten Diener grosse Befriedigung bereitet zu
haben scheint, gestattete den Komödianten Kleidung, Waffen und
sonstiges Zubehör auf ihre Kunstreisen mitzunehmen und unterstützte
sie auch vor ihren Abfahrten stets durch namhafte Geldspenden.
Ausserdem wurde der Ruf dieser Truppe durch ihre musikalischen
und tanzenden Mitglieder bedeutend erhöht, welche den Darstellungen
durch instrumentale Einlagen und mimische Ballette einen un¬
gewöhnlichen Reiz verliehen.
Die Auffindung genauer handschriftlicher Notizen über die von
49
der oben erwähnten oder von anderen englischen Truppen in dieser
Zeit in Frankfurt aufgeführten Stücke, die dem eingehendsten Forschen
vorenthalten blieb, gelingt vielleicht einmal einer mühelosen Ent¬
deckung.
Ein glücklicher Zufall hat ein vollständiges Yerzeichniss von
42 Vorstellungen erhalten, die im Jahre 1626 im steinernen Saal
des Dresdner Schlosses abgehalten und von einem Hofbeamten in
einen Schreibkalender jenes Jahres eingezeichnet worden sind.82 Viel¬
leicht kommt einmal ein späterer Forscher in Bezug auf diesen nur
spärlich beleuchteten Punkt der Frankfurter Theatergeschichte in die
angenehme Lage, ähnliche Aufzeichnungen an einer Stelle zu ent¬
decken, wo man sie am wenigsten vermuthen könnte. Dass aber
ganz sicher die englischen Komödianten damals schon erhöhte und
auch tiefer gelegene Plätze in ihren Lokalitäten hatten , beweist die
Anordnung des Käthes, dass sie in den beiden Messen des Jahres
1601 »sonsten 8 sfy und vff den Gengen« — also im Parterre —
»nur 4 r$f nehmen durften.« 83
In der Ostermesse 1602 spielte eine Compagnie von 12 eng¬
lischen Komödianten hier, deren Namen nicht näher angegeben sind.
— Diese Gesellschaft, welche ihre Bittschrift am 2. März einreichte,
war aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Mal in Frankfurt;
denn was bei den schon früher dagewesenen Truppen als bekannt
vorausgesetzt werden durfte, nämlich das Verbot, vor dem Mess-
einläuten zu spielen, erwähnt der Rath bei der Bewilligung des
Gesuches mit grosser Nachdrücklichkeit.84 Trotz dieser bündigen
Verordnung suchte die Truppe zwei Tage später um die Erlaubniss
nach, ihre Spiele schon am Sonntag den 7. März, also vor dem
Beginne der Messe anfangen zu dürfen, welches kühne Begehren
aber vom Rath mit etwas gereizter Entschiedenheit abgewiesen wurde.85
Wie gross aber das Ansehen war, dessen sich die »fürstlich
hessischen Komödianten und Musikanten« nicht allein bei dem Ratlie
Frankfurts, sondern auch bei ihren oben genannten Collegen erfreuten,
zeigt eine Bemerkung in dem zweiten Bittgesuch der letzteren, dass
sie »abzuziehen willig sind, wenn die von Cassel anhero kommen
sollten.« 86
Gleichzeitig mit dieser englischen spielte eine französische Ge¬
sellschaft unter Führung eines Johann le Boeuff, dessen gewiss an¬
genommener Name eine ähnliche Bedeutung gehabt haben mag, wie
Thomas Sackeville’s Jolian Bouset. Auch aus ihrer deutsch ab¬
gefassten Supplikation, in der sie, wie die Engländer, dem Rath
nachträglich am 18. März in sehr origineller Weise den gnadenreichen
Segen Gottes zum neuen Jahre wünschen, geht hervor, dass ihre
hauptsächlichste Thätigkeit in komischen Leistungen bestand.87
In der Herbstmesse desselben Jahres spielte — und jedenfalls
in der Behausung zur Sanduhr — wieder Robert Browne mit seinen
4
50
Gesellen in Frankfurt, unter denen diesmal ein gewisser Robert Jonas
sich befand, der das Bittgesuch vom 7. September mit Unterzeichnete.
Am 21. desselben Monats erbot sich diese Truppe, »einem Erbaren
Rath eine Comödia zu spielen« und lud auch »dero liebliche Ge¬
mahlinnen und Kinder« zu dieser Vorstellung ein.88
Da die englischen Komödianten eine solche Einladung wagen
durften, so ist Grund genug für die Vermuthung vorhanden, dass
ihr Theater nicht allein von einem gewöhnlichen Publikum, sondern
auch schon früher von den angesehensten Herren und Damen der
Stadt besucht wurde.
An demselben Tage, an welchem das Bittgesuch dieser Truppe
gewährt wurde, erhielten auch Jacob Rein, »deutscher Springer von
Schlettstadt« und »Jacob Perin, Seiltänzer von Paris« die Erlaubniss,
während der Messe ihre Künste ausüben zu dürfen.89
Die charakteristische Art und Weise, in welcher der Rath
diese Luftspringer in jeder Beziehung den Komödianten gleich¬
stellte, ist ein neuer Beleg für die alte Annahme, dass selbst der
Sinn der Gebildetsten in jener Zeit den Unterschied zwischen den
Ausübern körperlicher und geistiger Künste noch nicht zu finden
verstand.
Trotz des Ansehens der »fürstlich hessischen Komödianten« und
des langjährig bewährten Wirkens eines Robertus Browne werden
die Schauspieler und Seiltänzer mit den gemeinsamen Ehrentiteln
»allerlei Gesind« oder »Gesindlein« bezeichnet. — Und doch müssen
sowohl der moralische Zustand wie die wirthschaftlichen Angelegen¬
heiten dieser Truppen vollständig geordneter Natur gewesen sein.
Denn sonst hätte ohne Frage der vorsichtige Rath weder dem Robertus
Browne, noch anderen seiner Collegen viele Jahre hindurch die fast
regelmässige Wiederkehr während der Messen gestattet.
In der Ostermesse 1603 spielten die fürstlich hessischen Komö¬
dianten Richard Mackuni (Mach in) Georg Webster und Rudolphns
Reelle in der Bauer 'sehen Behausung »draussen vff der Zeillen«,90
während Robertus Browne mit seinen Gesellen in den Räumen der
Sanduhr Vorstellungen gab.91 Beide Truppen erhielten den Bescheid,
dass sie ihre Spiele nicht vor dem ersten Sonntag in der Messe
beginnen und bei Strafe von 50 Thalern nur 8 und 4 ^ von jeder
Person nehmen dürften. 92 Da die festgesetzte Taxe den Engländern
zu gering war, petition irten sie gemeinsam, einen Batzen von der
Person nehmen zu dürfen, welches Begehren aber vom Rath sofort
mit der Hinzufügung abgewiesen wurde, dass man kein weiteres
Gesuch mehr wegen Abänderung des Eintrittsgeldes beachten würde.
Auch in der Herbstmesse blieb Frankfurt nicht ohne Theater,
wenn auch diesmal die fürstlich hessischen Komödianten und die
Truppe des Robertus Browne ihre Schritte anderswohin gelenkt hatten.
Thomas Blackreude und Johannes Fheer, noch im Frühjahr Mit-
51
gliedcr der Browne’sclien Gesellschaft, hatten sich inzwischen zn
Führern einer eigenen Truppe emporgeschwungen und gaben »Comö-
then imd Tragödien zusampst mit einer herrlichen und lieblichen
Musica.« 93
Inzwischen muss der früher landgräflich hessische Komödiant
Richard Machin mit einigen andern Gesellen in die Dienste des
kunstsinnigen Markgrafen Christian von Brandenburg, Administrators
von Magdeburg, getreten sein, desselben, welcher mit dem Herzog
Heinrich Julius von Braunschweig innig befreundet war und später
1615 dessen Tochter Dorothea heirathete. Prinz Christian Wilhelm
von Brandenburg beschützte die Schauspielkunst gleich seinem dich¬
terischen Schwiegervater, dessen Komödien mehrmals an seinem
Hofe gespielt worden sein sollen.
Bei einer Reise durch Norddeutschland sah Landgraf Philipp
von Butzbach, Onkel des Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt,
am Hofe des gedachten Administrators zu Halle eine »Teutsche Ko-
media, der Jud von Venedig, aus dem engländischen agiren« (nicht
zu verwechseln mit dem Kaufmann von Venedig von Shakespeare),
deren er in einem wahrscheinlich an seinen Neffen Georg II. von
Halle aus abgesandten Briefe gedenkt.94
Als Richardus Machin mit seinen Gesellen 1603 in die Dienste
des Prinzen Christian von Brandenburg trat, muss dieser bereits
eigene Komödianten gehabt haben, denen die neu hinzugekommenen
Collegen jedenfalls von dem grossen Erfolge und Verdienst er¬
zählten, womit die Frankfurter Messen stets das Wirken der drama¬
tischen Künstler zu belohnen pflegten. Diese Schilderungen blieben,
wie die Thatsachen beweisen, nicht ohne Wirkung.
Schon in den beiden Messen des Jahres 1604 spielten diese Hof¬
komödianten in Frankfurt. In etwas hochtönender Weise nennen sie
sich in ihren beiden Supplikationen an den Rath »die Dienstverwandte
des durchlauchtigsten vnd hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn
Christian Markgrafen zu Brandenburg, zu Preussen, zn Stettin,
zu Pommern, der Cassuben, auch zu Schlesien, zu Crossen und Jägern-
dorf Herzog, Burggraf zu Nürnberg und Fürst zu Rügen«.95
Urne Bemerkung, dass sie schon »etliche Jahre nach einander
hier agiret«, bezieht sich hauptsächlich auf Richard Machin und dessen
andere Gesellen , welche allerdings seit mehreren Jahren in Frank¬
furt künstlerisch thätig gewesen waren. Ein halbes Jahr später
waren sie schon wieder von dieser Truppe getrennt, die jedenfalls
an den Hof des Markgrafen Christian nach Halle zurückkehren
musste.
In der Herbstmesse 1604 war ausserdem noch eine Gesellschaft
englischer Schauspieler hier, deren Führer, da er vom Rath »der alte
Komödiant« genannt wird, ohne Zweifel Robertus Browne gewesen ist.96
Obgleich schon zur Zeit Sackeville’s von den Engländern die
4*
52
deutschen Stücke des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig
in Frankfurt zur Darstellung gebracht wurden, so findet man doch
im Jahre 1605 zum erstenmal die mit besonderem Nachdruck ge¬
gebene Versicherung der Komödianten Richardus Makum (Machin)
und Rudolphus Riobe, mit ihren Gesellen »auch züchtige und lieb¬
liche Comödias und Tragödias in hochteutscher Sprach agiren und
dabei mit sieben Instrumenten ein gar ergetzlich Musica lautiren« zu
wollen.97 Diese Gesellschaft, welche in der Bäuerischen Behausung
auf der Zeil Vorstellungen gab, bestand aus 18 Personen, die mit
»Kleidern, Tüchern und sunstigem Gezeug wohl ausstaffiret war.«
Durch ein Bittgesuch der beiden Führer, die wegen der vielen
Unkosten anstatt der vom Rath festgesetzten Taxe von 8 ^ nun
12 A) nehmen wollen, erfahren wir, wieviel Zins die wandernden
Komödianten um jene Zeit an die betreffenden Eigenthümer ihrer
Lokalitäten abgeben mussten. Sie zahlten 46 fl. für Hof und Platz,
also für die damalige Zeit eine ziemlich bedeutende Summe, und
»je 10 fl. für das Auf- und Abschlagen des Gerüstes.«98 Trotz dieser
grossen Unkosten, zu denen noch die Besoldung einer so starken
Compagnie kam, willfahrte der Rath ihrem Begehren nicht, woraus
sich schliessen lässt, dass ihre Einnahmen in einem sehr günstigen
Verhältniss zu den Ausgaben standen.
Um so mehr darf man dies glauben , als sie in der Herbst¬
messe 1605 wiederkehrten 99 und sich nicht mehr über die 8 ^
Eintrittsgeld beschwerten. Der grosse Zulauf, der den Engländern,
besonders den in komischen Leistungen starken Truppen, von allen
Seiten zu Theil wurde, verschaffte ihnen eben durch die Masse der
Zuschauer doch einen bedeutenden Verdienst.
Ungeachtet der Versicherung »nur züchtige und liebliche Stücke
agiren zu wollen«, mögen die Aufführungen der Truppe des
Richardus Machin und Rudolphus Riobe nicht immer dieser Angabe
entsprochen haben. Auch müssen wieder Ueberforderungen vor¬
gekommen sein, die den Rath im Verein mit den »Zodden und
läppigtem Gezeug« so empörten, dass er in der Ostermesse 1606 gar
keine Truppe zuliess.
Mittlerweile waren immer mehr neue Elemente in die alten
Truppen eingetreten, welche nicht von wrahrer Begeisterung für
die Kunst, wohl aber durch den eigentliüm liehen Reiz des fahrenden
Wanderlebens angezogen wurden. Besonders die Deutschen, welche
zu jener Zeit als Mitglieder in die englischen Truppen eintraten,
konnten nur für Abenteurer von der niedrigsten Sorte gelten, die zu
keinem anderen Geschäft mehr taugen mochten. Thomas Sackeville
wai- ein Meister in der komischen Menschendarstellung, bei dem
grössten Theil seiner Nachfolger in Frankfurt artete jedocli das stark
Komische in possenhafte Uebertreibung oder in närrische Tölpelei aus.
Robertus Browne, der sogenannte »alte Comödiant«, mag diese
53
ersten Anzeichen einer allmählich immer mehr hervortretenden Ver¬
wilderung wohl gekannt haben, als er in seinem Bittgesuch an den
Rath vom 26. Mai 1606 ausdrücklich erwähnt, dass »bis dahin noch
kein Mensch durch sein und seiner Gesellen Spiel geärgert, vielmehr
zum Bespiegeln seiner Schwachheit und zum Ausüben aller Tugenden
angereizt worden sei«.
Robertus Browne, dessen tiefes Yerständniss für die wahren
Aufgaben der dramatischen Kunst auch aus obigen Worten hervor¬
geht, muss inzwischen mit seinem Gesellen Robert Ledbetter wieder
in die Dienste des Landgrafen Moritz von Hessen getreten sein.
Beide Unterzeichneten sich mit einem dritten Gesellen Johann Grün
(John Green) als »fürstlich hessische Comödianten«100 und berufen
sich auf ein Empfehlungsschreiben ihres kunstsinnigen Mäcens, wel¬
ches aber leider in den Acten des hiesigen Stadtarchivs nicht auf¬
zufinden war. — Trotz der energischen Verordnungen des Rathes,
»nichts Lappiges zu agiren, 8 Pf. uff dem Gang und an jedem Ort
zu nehmen und erst mit dem eigentlichen Beginn der Messe anzu¬
fangen«,101 erscheint es doch wie eine ehrende Anerkennung für das
langjährige Wirken des »alten Komödianten« in Frankfurt, dass ihm
der Rath in der Herbstmesse 1606 und in der Ostermesse 1607 vor
allen andern supplicirenden Führern die Erlaubniss ertheilte, in
ihrem »alten Losement zur Sanduhren« wieder Vorstellungen von
Komödien und Tragödien geben zu dürfen. 102 Gleichzeitig spielte
hier zwar in der letztgenannten Messe noch eine erst kaum aus
England herübergekommene Truppe, aber deren hauptsächliche Thätig-
keit bestand in »Musiciren, Springen, Tanzen und allerhand sunstiger
lustiger Kurz weill«. 1 0 3
Höchst originell sind in der That die Bittschriften der eng¬
lischen Komödianten aus jener Zeit, in denen sie sich stets beim
Rath durch allerlei Lobpreisungen der alten Reichsstadt und deren
grosser Bedeutung für den Handel beliebt zu machen suchen. So
sagt Robertus Browne in seinem Gesuch vom 17. März 1607 über
die Frankfurter Messe, dass »darinnen derselbe getreue Gott aber-
mahls auss allen landsartten Völker vnd menschen wegen der mensch¬
lichen gesellschaft zu gutt erfundner Commercien zusammenp ringen
vnd geleyten würde«.
Es ist hervorzuheben, dass jener mit Browne und Led¬
better gemeinschaftlich unterschriebene Johann Green (Job. Grün,
die Komödianten verdeutschten oft ihre Namen) in der Folge eine
ähnliche Stellung in der Entwicklungsgeschichte der dramatischen
Kunst in Frankfurt einnehmen sollte, wie »der alte Komödiant«, Ro¬
bertus Browne. Er war jedenfalls derselbe John Green, welcher in
der Herbstmesse 1617 vor dem Kaiser Ferdinand II. in Wien
spielte104 und kurz zuvor im März desselben Jahres vom Bischof zu
54
Brixen und Breslau, Erzherzog Karl von Oesterreich, seinem Amts¬
genossen, dem Bischof von Olmütz, empfohlen wurde.
Dass im Jahre 1607 schon englische Komödien in deutscher
Sprache von den fürstlich hessischen Komödianten gegeben wurden,
geht aus der Bemerkung eines Kammerdieners des Landgrafen
Moritz hervor, welcher seinem Fürsten berichtet, er wisse zwar nicht,
ob es Scherz oder Ernst sei, aber die Engländer hätten geäussert,
sie seien unzufrieden mit dem allzu geringen Gehalte und wollten
bald ihre letzte Komödie am Hofe zu Cassel halten. Der Inhalt
dieses Stückes laute von zwei kriegführenden britannischen Königen,
von denen der eine des andern Sohn, der zweite aber des ersteren
Tochter gefangen nimmt. 105
Dieses Stück, das auch manchmal nach den Titelhelden »Senile
und Astrea« genannt wird, ist in der 1620 erschienenen Sammlung
englischer Komödien lind Tragödien unter dem Titel zu finden :
»Eine schöne lustige triumphirende Comödia von eines Königes Sohn
auss Engelandt vnd des Königes Tochter auss Schottlandt.«106
Jedenfalls war es aber mit der obigen Bemerkung, wenn sie
überhaupt von den Schauspielern ausging, nicht so ernst gemeint,
denn noch nach dem Jahre 1613 befanden sich englische Komödian¬
ten in den Diensten des kunstsinnigen Landgrafen Moritz von Hessen.
In den beiden Messen des Jahres 1608 und 1609 spielten die,
»so von Cassel klimmen«, wieder in der Behausung zur Sand¬
uhr, aber unter der Leitung ihres alten Führers, der diesesmal
als Rudolphus Riweus sich bezeichnet.107
Ausser den fürstlich hessischen Komödianten gab noch in der
Ostermesse 1608 ein gewisser Robert Artcher mit seiner Gesellschaft
hier Vorstellungen,108 der später im Jahre 1613 in den Dienst des
Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg trat. 109 Einige seiner
Mitglieder sind namhaft gemacht, so Heinrich Greum und Rudolf
Beart.
Robert Artcher ’s Truppe gab diesmal, wie auch bei seinem
späteren Aufenthalt in Frankfurt zur Herbstmesse 1610, Vorstellun¬
gen in der grossen Behausung des »Reinhardt Becker uff der Fahr¬
gassen , welche (bisher) niemahlen dazu gebraucht worden«.110 Im
Hinweis auf den Umstand, dass sie »ganz neu« hier sind und »ein
neu losement bekommen, worin sie sich erst eine Kundschafft er¬
werben müssen«, bitten diese Komödianten, dass sie mit ihrem Spiel
schon vor der Messe beginnen dürfen, erhalten aber einen abschlägi¬
gen Bescheid.111
Fast gleichzeitig erneute der Rath die schon einmal im Jahre
1607 den. englischen Komödianten ertheilte Verordnung, dass sie bei
ihren Ankündigungen »das heftige vnd vnzeitige Trom men schlagen
mässigen sollten«. 112 Dies Gebot erging jedenfalls aus Rücksicht für
die vielen Pestkranken, die, kurze Unterbrechungen ausgenommen,
55
in den Jahren 1604 — 1613 in den meisten Häusern Frankfurts zu
finden waren. Heberhaupt macht es den Eindruck, als sei die Ko¬
mödie hauptsächlich nur im Hinblick auf die zahlreichen Messfrem¬
den zugelassen worden, denn der Eath gestattete in jenen Zeiten
schwerer Heimsuchung keinerlei sonstige Festlichkeiten und verbot
sogar bei Strafe ausser den Messzeiten Musik und Tanz.
In dieser Zeit betrug das festgesetzte Eintrittsgeld für eine
Vorstellung der englischen Komödianten mitunter einen Albus,
manchmal 8, auf den meisten Plätzen aber 4 Pf. Damit keine
Ueberforderung Vorkommen könnte, mussten die Spieler sogar »ein
tätlin aushenken lassen«. 113 Hiergegen beschwert sich am 11. Sep¬
tember 1610 Robert Artcher mit seinen Gesellen. Sie ersuchen den
Rath, von der Person am Thore 8 Pf., desgleichen auch »uff den
gengen vnd Kellerev (Parterre) ebenmässig 8 Pf. nehmen zu dürfen«,
damit sie »in ermelter theurer Zeitt vnd schweren Vn kosten, inn
deute vnsrer Viel, desto besser auskommen möchten«. 114
Obgleich dies Begehren wohl ohne Zweifel berechtigt erschien,
willfahrten ihm die Väter der Stadt ebensowenig wie einem gleichen
Bittgesuch der »fürstlich hessischen Komödianten und Musikanten«,
welche wieder in der Ostermesse 1610 »einige schöne Comödien und
Tragödien allhiero unter grossem Zulauflf agiret«115 und ihren Thespis¬
karren von Frankfurt »den Main null«, vielleicht nach Nürnberg, ge¬
lenkt hatten.116
In der Ostermesse 1611 spielte zum ersten Mal eine direct aus
den Niederlanden kommende englische Truppe in Frankfurt. Es
waren die Hofkomödianten des berühmten Kriegshelden Moritz von
Nassau, Prinzen von Oranien, der ihnen ein huldvolles, leider nicht
mehr erhaltenes Empfehlungsschreiben an die Väter der Stadt Frank¬
furt mitgab. Diese Mimen waren, wie sie ausdrücklich erwähnten,
noch ganz fremd in deutschen Landen und sind deshalb nicht zu
verwechseln mit jener unter Jon Spencers Leitung stehenden Com¬
pagnie, welche auf ein Empfehlungsschreiben des Kurfürsten Johann
Sigismund von Brandenburg an den Prinzen Moritz von Nassau
vom Januar bis Mai 1605 in Leyden Vorstellungen veranstalten
durfte. 1 1 T
Welche Stücke diese Komödianten gaben, ist nirgends genau
gesagt, aber da sie noch nicht lange »herübergekommen« (iiber’s
Meer) und »allerlei neue schöne Comödien und Tragödien, die in
Teutschland noch nie zuvor gesehen worden«, aufführen wollen, so
ist die Vermuthung wohl nicht ohne Grund, welche gerade diese
Komödianten für die ersten Darsteller Shakespeare’scher Stücke in
Frankfurt halten möchte. Die Gesellschaft, welche auch in der Behau¬
sung zur Sanduhr spielte, war sehr stark, sie hatte auch mehrere
Tänzer, ein »Häuflein Musiker«, welche auf »Sechserlei Arten und mit
allerley Seytenspillen lautiren konnten«.118
56
In der Herbstmesse 1611 führten wieder englische Komödian¬
ten in der Sanduhr »etzliche schöne Comödien« unter grosser Be¬
theiligung des Publikums auf, aber ob es die vorigen Acteurs gewesen,
lässt sich nicht mit vollständiger Sicherheit feststellen.
Dass auch die politischen Verhältnisse ihren Widerschein auf
die Ausübung der dramatischen Kunst in Frankfurt wie überhaupt
auf alle öffentlichen Vergnügungen werfen, zeigt das abweisende
Verhalten des Käthes , der in der Ostermesse 1612 weder der Bruder¬
schaft von St. Marcus die Abhaltung ihrer öffentlichen Fechtschule,
noch trotz mehrfacher Bitten verschiedener englischer Komödianten-
fiihrer diesen die Aufführung neuer Stücke gestatteter
II.
Es war am Vorabend jener gewaltigen, das Frankfurter Gemein¬
wesen heftig erschütternden Revolution, welche man gewöhnlich nach
dem Namen ihres Hauptführers den Fettmilchschen Aufstand nennt.
Wie eine schwere Wetterwolke hing es über den Häuptern des
Käthes, der seine gesetzmässige Gewalt durch die verschiedensten
willkürlichen Verordnungen missbraucht und che reinste Oligarchie
zur herrschenden Regierungsform erhoben hatte. An einem solchen
Wendepunkt der Geschichte Frankfurts, wo jede der beiden schroff
gegenüb erstehenden Parteien sich im Stillen für den Moment des
Ausbruchs rüstete, gab es in Frankfurt keinen Raum für das weitere
Gedeihen der mimischen Kunst. Der Rath verdeckte zwar seine
abschlägigen Bescheide durch den Hinweis auf das Ableben des
Kaisers Rudolf II. (1576 — 1612), aber in Wahrheit war es ihm doch
wohl nur darum zu thun, den Zünften und sonstigen Corporationen,
»die den Comödien mehr als gutt zugeloffen«, nicht so viel Gelegen¬
heit zu zwanglosen Zusammenkünften zu geben.
Am 30. Mai 1612 kam König Mathias von Ungarn zum Zweck
seiner im Juni stattfindenden Wahl und Krönung nach Frankfurt.
Zu den Reichsfürsten, welche dieser feierlichen Handlung beiwohn¬
ten, gehörte auch der Landgraf Moritz von Hessen, der bei dieser
Gelegenheit seine Hofkomödianten dem Rath auf’s Wärmste empfahl.
Trotz dieser Fürsprache und der Anwesenheit einer grossen Menge
von der Kaiserkrönung zurückgebliebener Fremden mussten die
»fürstlich hessischen Comödianten und Musikanten« vor der Herbst¬
messe 1612 und der Ostermesse 1613 doch wiederholte Bittgesuche
einreichen, ehe ihnen, wie früher versprochen, erlaubt wurde, »nach
nun vollendeter Kayserliche Klage« ihre Spiele wieder beginnen zu
dürfen.119
Dass auch die Kunstbestrebungen der englischen Komödianten
beinahe in die politischen Verwicklungen hineingezogen worden
wären, erhellt aus einem Anträge der mit dem Rathe Frankfurts zur
57
Bekämpfung der bürgerlichen Unruhen verbundenen Städte Strass¬
burg, Worms und Speyer, deren Abgesandte am 5. September 1612
in pleno senatu erschienen und nach der Ueberreichung einer Er¬
innerungsschrift und der Erörterung von zwei anderen Punkten auch
vorbrachten, »sie hätten vernommen, dass die Engelländische Komö¬
dianten, als sie dieser tagen vmb vergunst ihre Comödias und
Tragödias in bevorstehender Mess zu agiren angehalten, vor den
Ausschuss der Bürgerschafft verwiesen worden seyn sollen, welches
den L. L. Rath etwas verkleinerliche«. Die Täter der Stadt verwahr¬
ten sich aber sofort gegen diese von ihnen allerdings selbst ver¬
schuldete Herabsetzung ihres eigenen Ansehens. Sie erklärten dieses
»fürgeben« für nichtig und ertheilten den strengen Befehl, dass
man den »Trheber« eines solchen Gerüchtes »stattlich verweissen
solle«.120
Von Frankfurt gingen die fürstlich hessischen Komödianten
und Musikanten in der Herbstmesse 1612 nach Nürnberg, wo sie
vom 20. — 23. October spielten. Eine handschriftliche Chronik be¬
rührt ihre dortige, auch für unsere Theatergeäjichte interessante Thätig- F < t!i
keit folgendermassen :
»Im Jahre 1612 den 20. — 23. October haben etliche Engelländer
des Landgrafen zu Cassel in Hessen bestallte Comödianten, aus Ver¬
günstigung des Herrn Bürgermeisters im Halsprunner Hof al hie
etliche schöne und zum Theil in Deutschland unbekannte Comödien
und Tragödien und dabei eine gute liebliche Musika gehalten; auch
allerlei wälsche Tänze mit wunderlichem Verdrehen, Hüpfen, hinter
sich und für sich Springen, welches lustig zu sehen ; dahin ein
grosses Zulaufen von Alten und Jungen, von Manns- und Weibs¬
personen, auch von Herren ries Raths und Doctoren gewesen; dann
sie mit zwei Trummein und vier Trompeten in der Stadt umgegan¬
gen, und das Volk aufgemahnt, und eine jede Person solche schöne
kurzweilige Sachen und Spiel zu sehen '/2 Batzen geben müssen,
davon sich die Comödianten ein gross Geld aufgehoben und mit
ihnen aus dieser Stadt gebracht haben.«121
Gleich an diese Nachricht schliesst der Nürnberger Chronist
eine andere Mittheilung, welche ebenfalls mit der Geschichte der
Frankfurter Schaubühne in Verbindung steht.
Er erzählt, dass 1613 den 27. Juni und einige Tage nachher
von der brandenburgisch-englischen Gesellschaft »schöne Comödien
und Tragödien von Philoie und Mariane, item von Celide und Sedea
auch von Zerstörung der Städte Troia und Constantinopel, vom
Türken vnd andern Historien mehr, neben zierlichen tänzen, lieb¬
licher Musica vnd anderer Lustbarkeit im Halsprunner Hofe allhie
in guter teutscher Sprache, in köstliche Mascarade vnd Kleidungen
agiret vnd gehalten worden«.
Diese starke Truppe, deren Führer der berühmte englische Ko-
58
mödiant John Spencer war, wurde entweder zu Ende des Jahres
1613 oder zu Anfang des folgenden von dem Kurfürsten Friedrich 1Y.
von der Pfalz nach Heidelberg berufen, wo sie bis zum Beginne der
Frankfurter Ostermesse 1614 blieb und die nämlichen Stücke auf¬
führte. Zur Ostermesse kam diese Truppe nach Frankfurt, wo sie
der bürgerlichen Unruhen halber »bei allem Ruhm nur wegen eines
hohen Fürworts Aufnahme fand«.
Ohne Frage führte John Spencer mit seiner Gesellschaft hier
in der Sanduhr dieselben Stücke auf, wie etwas früher in Nürnberg
und Heidelberg. Da nun die »Zugehörungen zur ausstaffierungk und
grossen Präparation seiner Comödien auf mehreren Rüstwäglin (Pack¬
wagen) anhero gebracht wurden«, so liegt die Vernmtlrang nahe, dass
John Spencer die Requisiten, Kleider und sonstigen Hülfsmittel,
welche der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg für die
Darstellung obgenannter Stücke im Jahre 1611 angeschafft hatte,
beim Herumziehen seiner Truppe behalten durfte.
Unter diesen befanden sich kostbare mit Silber und Gold be¬
setzte Kleider, schöner blauer, schwarzer und Aveisser Stoff zu Wol¬
ken für »che Triumph - Comödia«, mannigfaltige Schnitz werke und
allerlei Malereien, welche letzteren von dem brandenburgischen Hof¬
maler David Rose herrührten. 122
Wenn aber auch dem berühmten Spencer alle möglichen Hülfs-
mittel zur Verschönerung seiner Stücke zu Gebote standen, Avenn
seine Truppe aus 34 Mitgliedern, 19 Schauspielern und 15 Musikern
bestand,123 so durfte er doch nicht mehr Eintrittsgeld nehmen als
seine Vorgänger, Avelche, Avie er selbst in seiner Eingabe sagt, »nur
halb so viel leutt und viel Aveniger vnkosten gehabt«. — Aber trotz
des abschlägigen Bescheides, keinen Batzen, sondern bei Strafe von
100 Thlr. nur einen Albus zu nehmen, spielte er dennoch in
Frankfurt, und, Avie mehrere Bemerkungen in verschiedenen Raths-
supplicationen bezeugen, unter dem grössten Andrang des Publi¬
kums.
Gerade in jener Zeit erhoben nämlich einige Prädikanten ihre
Stimme gegen den »vbermässigen Besuch der englischen Comödi«
und ein »Gesell« klagt dem Rath, dass ihm »wegen argem Ged rück
in dem gang in der Sanduhren sein neu Wemslin in Lappen gerissen
worden«.
Mehr aber noch als die beiden eben erwähnten Thatsachen
zeugen einige Verse des Gedichtes »Ein Diseurs von der Frankfurter
Messe und ihrer vnderschiedlichen Kaufleuten gut vnd böss«, er¬
schienen 1615, für den starken Andrang zu den theatralischen Vor¬
stellungen der damals in Frankfurt spielenden englischen Mimen.
»Die Englische Comedianten
Haben mehr Jjeuht den Predicanten,
59
Da lieber 4 stund stehn hören zu,
Dan ein in die Ivirch, da sie mit Kühe
Flux einschlaffen auff ein hart banck,
Dieweil ein stund in feit zu lang,
Und Agieren doch so schlecht Sachen,
Da sie der poszn oft selbst lachen,
Das siesz Gelt von den Leuten bringen
Zu sich, vor so närrische dingen,
Der Narr macht lachen, doch ich weht,
Da ist keiner so gutt, wie Jan Begehtt
Vor dieser Zeit wol hat gethan,
Jetzt ist er ein reichr Handelszman.«
Diese Verse, welche das Wirken der englischen Komödianten
in der niedrig komischen Gattung erwähnen, erinnern an Thomas
Sackeville (Jan Begehtt, Johan Bouset), an dessen künstlerische
Thätigkeit in Frankfurt der Verfasser des Gedichtes sich wohl noch
lebhaft erinnern mochte. Wenn es nicht feststünde, dass Sackeville
seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts in die Dienste des Herzogs
Heinrich Julius von Braunschweig getreten gewesen wäre, dann
möchte man fast glauben, dass der letzte Vers »Jetzt ist er ein reicher
Handelszman« sich auf ihn als jenen englischen Seidenhändler glei¬
chen Namens bezöge, der vom Jahre 1604 an lange Jahre hindurch
zu Messzeiten einen Stand in dem Römer hatte.
Es ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass Spencer
grade in dem Jahre Stücke mit volkstümlichen Aufständen und
Kämpfen hier aufführte, in welchem Frankfurt selbst ein Schauplatz
tief erschütternder ähnlicher Vorfälle geworden war. Im August
1614 plünderte Fettmilch die Judengasse, im September erklärte
man ihn in die Acht und im November desselben Jahres wurde er
von dem Sohne jenes Martin Bauer gefangen genommen, dessen Be¬
hausung »draussen uff der Zeillen« eine der ersten Lokalitäten der
wandernden Komödianten gewesen war.
Von Frankfurt muss Jon Spencer nach Regensburg gegangen
sein, wo er vor dem versammelten Reichstag spielte.124 In der Herbst¬
messe 1615 kehrte er hierher zurück und berief sich in seiner Ein¬
gabe auf ein Kaiserliches Patent und auf die günstige Befürwortung,
welche ihm auch sonst an allen Orten zu Theil geworden Aväre.
Der Rath, welcher nach der Gefangennahme Fettmilchs schon wieder
freier aufathmen konnte, willfahrte sofort seiner Bitte und genehmigte
auch wenige Tage später das Gesuch einer französischen Gesellschaft,
die aber jedenfalls Spencer ’s wegen nur sehr schlechte Geschäfte
gemacht haben muss.
Diese Truppe, die vom Hofe zu Heidelberg kam und nach Cassel
wandern wollte, war nicht im Stande, für die gegebenen Vorstellungen
die geringste Abgabe an die Armen zu entrichten. Ausserdem hatte
60
sie so viele Schulden, dass der Rath gerne aus Furcht vor noch
grösserer Anhäufung derselben auf »das Bestimmte für das Aerario«
verzichtete. Von diesen Komödianten ist nichts weiter aufzufinden
gewesen als ihr von Heidelberg aus eingereichtes Bittgesuch, welches
hier als die älteste erhaltene Supplikation französischer Mimen an
den Rath wörtlich wiedergegeben werden soll.
»Plaise, A Messieurs Les Bourgmaistres de permettre aux
comediens frangois de representer leurs histoires en cette ville de
Frankfort pendant la foire au contentement d’un chascun ainsy que
lez ont fait en dautres lieux et mesme devant Monseigneur L’electeur
Palatin a Hidelberg d’ou viennent maintenant, Et plusieurs autres
princes de ces pays, ce faisant ils prieront pour nos prosperitez.« —
Das Bittgesuch ist nochmals in lateinischer Sprache vorhanden,
aber beide Schriftstücke tragen keine Namensunterzeichnungen. —
Nach dem Abzug Spencers und der französischen Komödianten
fanden während eines Zeitraumes von zwei Jahren keine theatralischen
Aufführungen in den Messen statt. Dieser Stillstand wird einiger-
massen durch die Thatsache erklärt, dass die Truppen, welche Frank¬
furt früher zum hauptsächlichsten Ziel ihrer Kunstthätigkeit erwählten,
sich theils aufgelösst, theils ihrer Heimath wieder zugewandt hatten.
Seit 1613 findet sich keine Spur mehr von den »fürstlich hessi¬
schen bestallten Komödianten«, und auch der Name des berühmten
Robertus Browne verschwindet auf Jahre von dem Schauplatz des
Frankfurter Bühnenlebens. Aber kurz vor der Herbstmesse 1618
erscheint er wieder mit einer Truppe und berichtet, dass er von
London in England käme und viele neue und schöne Stücke mit¬
gebracht hätte. Mit einem gewissen Stolz beruft er sich in dem
Gesuch auf seine frühere langjährige Thätigkeit in Frankfurt, auf die
Thatsache, dass er nie vom Rathe wegen »Ueberfordrung der Specta-
tores oder sonstiger Unhill« bestraft worden sei. Browne will in
seinem »alten losement in der Sanduhren« spielen und hofft um so
eher Aufnahme zu finden, als er seine neuen Stücke ebenso gut, wie
andre mit »allerlei erketzliehem Gezeug und herrliche Zuthaten« ver¬
zieren kann. 125
Es ist gewiss ein ehrenvolles Zeugniss für den alten Komö¬
dianten, dass er nicht zweimal um Aufnahme bitten musste, dass ihm
der Rath trotz der »gar ernst gewordenen Zeitleuffte«, des Beginnes
des 30jährigen Krieges, sofort die Gewährung seines Gesuchs zu¬
sagte. 126 Durfte man schon bei der im Jahre 1611 aus den Nieder¬
landen kommenden englischen Truppe die Aufführungen Shake-
speare’scher Dramen mit einiger Sicherheit annehmen, so kann doch
kaum ein Zweifel gegen die Annahme aufkommen, dass sich unter
den neuen, von Browne erwähnten Stücken wenigstens die Erstlings¬
werke des grossen englischen Genius befanden. Der »alte Comödiant«
gab auch einige Aufführungen in »nur teutscher Mundart«, die jeden-
61
falls der im Jahre 1620 erschienenen Sammlung englischer Komödien
und Tragödien in deutscher Sprache entnommen waren.
Aus 1619, dem Krönungsjahre Ferdinands II., haben sich keine
Nachrichten über (he Anwesenheit englischer Komödianten in Frank¬
furt erhalten. Die Truppe des Robert Browne war inzwischen nach
Prag in Böhmen gezogen,127 wo das Haupt der protestantischen
Union, der Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, im November 1619
von den vom Hause Oesterreich abgefallnen böhmischen, mährischen,
und schlesischen Ständen zum König von Böhmen erwählt worden
war. In den glänzenden Tagen, che den kurzen königlichen Winter¬
traum des Kurfürsten mit einem trügerischen Schimmer überkleideten,
fanden diese Komödianten gewiss in Prag eine sehr freundliche Auf¬
nahme. War doch die junge schöne Königin nicht allein eine eng¬
lische Prinzessin, sondern auch eine grosse Freundin der darstellen¬
den Künste, deren höchste Blüthezeit sie als Tochter Jacobs I., des
Nachfolgers der Königin Elisabeth, in England noch miterleben durfte.
Nachdem Robert Browne mit seiner Gesellschaft den Winter
über in Prag gespielt hatte, kehrte er mit derselben zur Ostermesse
1620 nach Frankfurt zurück.
Mittlerweile aber hatten sich die Wolken am politischen Hori¬
zont immer dichter zusammengezogen und — um mit einem Frank¬
furter Schriftsteller jener Tage zu reden — »die unheimlich still’ gar
manch Gemüth beschwert und melancholisch gemacht«. Vielleicht
dachte Robertus Browne an diese gedrückte Stimmung, als er in
seiner Supplikation an den Rath ausdrücklich erwähnte, dass er
»Vielen ein höchliches Oblectamentum und denen Melancholicis eine
gute Recreation mit seinen Actionen bereiten wollte«. — Aber die
starken Truppendurchzüge und die sonstigen Anzeichen eines immer
mehr heranziehenden Krieges hatten den Rath doch mit zu ernsten
Befürchtungen erfüllt, als dass er selbst in der für die verschiedensten
Künste freien Zeit der Messen sofort ein allgemein beliebtes Ver¬
gnügen, wie die Komödie hätte gestatten können. Die Väter der
Stadt schlugen dem angesehenen »alten Gomödianten« seine Bitte ab
und entschlossen sich erst zur Bewilligung der theatralischen Vor¬
stellungen, als die verschuldete Wittwe des Gastgebers zum Krach¬
bein und Besitzers der Sanduhr Anna Catharina Hausin eine Suppli¬
kation einreichte und in derselben bat, ihren kleinen Kindern doch
den sehr nüthigen Messnutzen nicht zu entziehen, den ihr die Vor¬
stellungen der englischen Komödianten gewähren würden.
Das merkwürdige Gesuch dieser Wittwe, die »als Fraw im Haus
über die Vorstellungen der Engländer wachen und es an Ermah¬
nungen zum Guten nicht fehlen lassen will«, zeugt nicht allein für
die Missachtung, die man, trotz dem tadellosen Verhalten Browne’s,
der Schauspielkunst und ihren Vertretern in Frankfurt noch immer
zu Theil werden liess : sie giebt auch Aufschluss über den Fortschritt
62
der scenischen Einrichtung, die mittlerweile nach den Londoner Vor¬
bildern auch auf die englischen Bühnen in Frankfurt übertragen
worden war. 128
Der verstorbene Besitzer der Sanduhr hatte »zur Commodität der
Engländer in dieser Behausung verschiedene Gemächer durchgebrochen«
und zum Zweck ihrer Vorstellung noch sonstige »mit grossen Unkosten
verbundene Präparationen« gemacht. — Hatte auch die Bühne in
jener Zeit noch keinen Vorhang, der bei den Aktschlüssen herabfiel,
so besass sie doch sicher auch in Frankfurt schon die coulissenartigen
Tapeten, welche die Bühne an den Seiten abschlossen.
Dass die Schauspielkunst nicht die gebührende Achtung genoss,
hat neben dem oft vagabundenähnlichen Leben ihrer Jünger auch
vielfach seinen Grund in der zweideutigen Gesellschaft, in der sie in
dem ersten Viertel des XVII. Jahrhunderts oft auf Jahrmärkten, Volks¬
festen und auch in den Messen der alten Reichsstadt Frankfurt er¬
schien. Fahrende Schwindler, Storger, Zahnbrecher u'ud Operateurs
verbanden sich mit ihren gefährlichen Künsten und suchten mit ihrer
Hülfe desto leichter das Ziel ihres betrügerischen Strebens zu er¬
reichen. Als Beleg für diese Behauptung sei das Auftreten des auch
in Cüln und anderen rheinischen und niederländischen Städten be¬
rühmten und berüchtigten italienischen Medicus Claudius D’aguaviva
erwähnt, der in der Ostermesse 1622 Arzneimittel für allerlei Uebel
öffentlich feil bot und nach dem Absatz und dem Genuss der Hülfs-
mittel »den Käuffern zur Danksagung vndt zur recorirung des Ge-
müths eine liebliche Musika und Comedia nach Art der alten Römer
auf Italienisch abhielt«. 129
Bei der Schilderung vom Auftreten des Simplex als Storger
und Landfahrer im achten Kapitel des vierten Buches vom Simpli-
cissimus scheint dem Grimmelshausen eine ähnliche Figur wie Clau¬
dius D’aguaviva zum Modell gesessen zu haben.
Der Fortschritt des dreissigjährigen Krieges, besonders aber die
von dem Mansfelder und dem Markgrafen Georg Friedrich von Baden
dem Tilly abgewonnene Schlacht bei Wissloch, 29. April 1622, und
die späteren Siege des Kaiser! . Generals über den Markgrafen am
6. März bei Wimpfen und am 19. Juni desselben Jahres über den
Herzog Christian von Braunschweig bei Höchst, wie auch die Be¬
setzung der Pfalz verscheuchten auf Jahre die englischen Komö¬
dianten aus den Gegenden des Rhein, Main und Neckar.
Erst in der zweiten Periode des 30jährigen Krieges, als Nieder¬
deutschland der Schauplatz der verheerenden Kämpfe geworden war,
kam in der Ostermesse 1626 wieder eine Truppe fahrender Mimen
nach Frankfurt. Es waren die alten englischen Komödianten, welche
früher unter der Leitung des Robert Browne gestanden und »sich
hei diesem gefährlichen Kriegswesen wiederumb mit der Hoffnung
herausen gewaget. hatten, um in den berühmten Frankfurter Messen
63
wie von Alters her ihre Comödeas und Tragödeas in dem Losement
zur1 Sanduhren gehen zu dürfen.« — Die Compagnie, welche direkt
aus England kam, übersandte ihre Bittschrift von Cöln aus, wo ihr
vom dortigen Bürgermeister eine 14 tägige Spielzeit gestattet worden
war. 130
Inzwischen muss der Tod dem bewegten ruhelosen Künstler¬
leben des Robertus Browne in der Heimath seinen Abschluss gegeben
haben; denn der schon einmal erwähnte John Green (Johann Grün)
stand jetzt an der Spitze der Truppe. Er war früher das erste Mit¬
glied derselben und hatte »als junger Gesell zuerst die feinen Jung¬
frauen und Weibsen« und später »fürtrefflich und gar ergetzlich« die
komische Rolle des Lustigmachers gespielt. — Obgleich die Haupt¬
kraft dieser Compagnie in der Darstellung »erbaulicher Comödien und
Tragödien« bestand, so scheint doch der Führer derselben auch grossen
Werth auf die Pflege der Künste gelegt zu haben, welche die Zwi¬
schenakte ausfüllen mussten. Während die Darsteller sich umklei¬
deten, »für den folgenden Aldus preparirten und zu ihrer Erholung
auch etwas verschnauften tliäten, sollte eine liebliche Musica Instru¬
mentalis und allerlei neue schöne Nationentänz einem Publiko zum
oblectamentum« gegeben werden.
Dass gerade die Vertreter der Musik und des Tanzes meisten-
theils Deutsche wraren, geht aus der Bemerkung John Greens hervor,
dass »seine hüppenden und spillenden Germans viel Ehre mit ihrem
Gethu« einlegen sollten.
Nach der Ostermesse 1626 reiste Green mit seiner Truppe von
Frankfurt nach Dresden, wohin er aller Wahrscheinlichkeit nach vom
sächsischen Hofe berufen worden war. Am 1. Juni dieses Jahres
beginnen che erhaltnen Aufzeichnungen von einer Reihe von Stücken,
welche von dem genannten Datum an bis zum 4. December im
steinernen Saal zu Dresden aufgeführt wurden. Unter diesen be¬
finden sich neben den Tragödien Faust und Hieronymo von seinen
Vorgängern Marlowe und Kyd die vier Meisterwerke Shakespeares,
»Romeo vnd Jiüietta«, »Julio Cesare«, »Hamlet« und »Lear König in
Englandt«. — Da nun die englischen Komödianten von hier nach
Dresden reisten, in diesem Jahre nicht zurückkehrten und sich bei
ihrer Wiederankunft in der Herbstmesse 1627 »Chursächsisch bestallte
Hofkomödianten« nannten, so liegt wohl nichts näher als die Ver-
mutlmng, dass sie »die Engellender« waren, die vor dem kursächsi¬
schen Hofe zu Dresden die aufgezählten Stücke zur Darstellung
brachten. Bestärkt wird man in diesem Schluss noch durch das
Faktum, dass einige Gesellen dieser Truppe, welche auch bei den
Vermählungsfeierlichkeiten der sächsischen Prinzessin Sophie mit dem
Landgrafen Georg II. im April 1627 zu Torgau spielte, ihren erhal¬
tenen Namen nach, ganz sicher Deutsche gewesen sind. 131
Für die Entwicklungsgeschichte der dramatischen Kunst in
64
Frankfurt wäre die zweifellose Sicherstellung dieser Annahme um so
wichtiger, als dann kaum noch eine Frage darüber bliebe, dass die
obengenannten Shakespeare’schen Tragödien in jenen Jahren auch in
Frankfurt zur Aufführung gekommen sind. In Torgau wurden die
Hofkomödianten im April entlassen, und in der Herbstmesse demselben
Jahres kam »die alte englische Compagnie nach einer harten be¬
schwerlichen Reise mit der abermahligen Intention und Meynung in
die weit berühmte Handelstadt, um zum Gefallen des Volkes wiederum
allerhand neue ausserlesene Comödien wie auch respective Tragödien
auf öffentlichem Theatro zu representiren«. 1 3 2
Die Zwischenzeit von der Herbstmesse 1627 bis zur Oster¬
messe 1628 muss die Gesellschaft in Gegenden zugebracht haben,
welche durch allerlei Kriegsbedrängnisse, besonders durch starke
Truppendurchzüge, hart mitgenommen worden waren. Sie sagen in
ihrem Bittgesuch, dass sie »nur mit ausgestandener leib- vnd lebens-
gefalir anhero gekommen, um die vor einem halben Jahr gethane
grossgünstige Vertröstung gemessen zu können«. 133 Wegen starken
Grassirens der Pest in der Fahrgasse durfte »die alte Compagnie«
nicht mehr in ihrem »alten losement zur Sanduhren agieren«. — Sie
spielen in dieser und in der folgenden Messe im Wolfseck, einem
alten Gasthof am Eck der grossen Eschenheimer- und Biebergasse,
dem heutigen Cafe Schiller.
Gleich nach der Ostermesse 1628 reiste diese Truppe nach
Nürnberg, wo sie Ende April das Stück »der Liebe Süssigkeit ver¬
ändert sich in Todes Bitterkeit« zur Darstellung brachte. Von jenem
Aufenthalt hat sich eine Art von Bekanntmachungszettel erhalten, 184
welcher uns zu dem Glauben nöthigt, dass bedeutendere englische
Schauspieler-Truppen nach dem ersten Viertel des XVIL Jahrhunderts
nicht mehr durch herumreitende, von Trommelschlägern begleitete
Comödianten ihre Vorstellungen bekannt machen liessen, sondern
bereits die Presse zum Vermittler zwischen sich und dem Publikum
wählten.
Im Juli des Jahres 1628 spielte »die alte Compagnie«, wir
wissen nicht ob wieder oder noch in Nürnberg und am 28. August
vor dem Beginne der Herbstmesse, treffen wir sie aufs Neue in
Frankfurt.
In ihrem Bittgesuch sagen die »Churfürstlich sächsischen Hof¬
komödianten« dass dies beabsichtigte Auftreten in Frankfurt das letzte
in Deutschland sein solle, da sie von hieraus ihren Weg sofort nach
der Heimath zurück lenken wollten. Aber ehe sie auf immer von
Frankfurt, dem langjährigen Ziel ihrer erfolgreichen Thätigkeit schieden,
wollten sie zu guter letzt noch »etzlich neue denkwürdige Comödien
und Tragödien agieren,« deren Eindruck ihnen ein ewiges Gedächtniss
im Herzen ihrer hiesigen Anhänger sichern sollte. 135 Wer aber war
denn der dramatische Dichter, mit dessen Beistand sie sich eine
05
irdische Unsterblichkeit in der Erinnerung ihrer Frankfurter Zu¬
schauer erwerben wollten?
Kein anderer kann es gewesen sein als Shakespeare, der, um
mit Goethe zu reden, »von jeher durch die Darstellung seiner gewal¬
tigen Meisterwerke den auf deutschem Boden wandernden Mimen
die sicherste Bürgschaft für ein unauslöschliches Wirken verlieh.« —
Ein Theaterdichter des XVIII. Jahrhunderts, Adam Gottfried Üblich,
gestorben dahier um 1753, spricht in einer Abhandlung »Ueber die
alte Schaubühne« von einem leider verlorenen Anschlagzettel, auf
welchem englische Komödianten ungefähr 1628 oder 1(330 in Frank¬
furt als Abschiedsspiel eine in hochdeutscher Sprache gegebene Vor¬
stellung des Hamlet ohne Angabe des Verfassers angezeigt haben
sollen.
Wenn man dieser Mittheilung, die ja nicht im leisesten Wider¬
spruch zu dem Repertoire der »alten Compagnie« an andern Orten
steht, Glauben schenken darf, dann bildete die Vorstellung des ge¬
waltigen, für die darstellende Kunst insbesondere so hoch bedeutenden
Werkes den Schlussstein in dem geistigen Denkmal, welches sich
diese Truppe und andere Thespisjünger seit dem letzten Decennium
des XVI. Jahrhunderts durch ihr Wirken auf fränkischer Erde auf¬
gerichtet hatten. — Der hereinbrausende Sturm einer kriegerischen
Zeit zertrümmerte zwar das einfache Monument, aber er vermocht©
die Erinnerung an diese englischen Komödianten doch nicht ganz
auszulöschen.
Hoch eimnal, ehe durch die Schlacht von Hördlingen das end¬
lose Leidensgefolge des unseligsten aller Kriege gerade der Gegend
von Frankfurt auf lange Zeit zugeführt wurde, spielte in der Oster¬
messe 1631 im Wolfseck eine englische Gesellschaft, deren haupt¬
sächlichste Mitglieder schon vor Jahren einmal in Frankfurt gewesen
sein müssen. Die Komödianten, die sich auf diesen Umstand bezogen,
und sich aller »Vppigkeit« enthalten wollten , scheinen trotz der
drückenden Zeitverhältnisse sehr gute Einnahmen gehabt zu haben ;
denn sie gaben noch einige Vorstellungen mehr als ursprünglich
beabsichtigt war und entrichteten der Stadtarmenkasse die für die
damalige Zeit ungewöhnliche Summe von 50 Reichsthalern. 136
In der Zeit bis zum Jahre 1649, dem traurigsten Capitel in
der Geschichte Frankfurts , fand che dramatische Kunst auch hier
keine geschützte Insel, auf der sie in dem wilden Gewoge der Zeit
hätte ruhig weiter grünen und blühen können. In dem jammervollen
Kriege, in welchem nicht um die edelsten Güter der Menschheit ge¬
kämpft wurde, ging für che deutsche Nation in der allgemeinen Verwil¬
derung neben manchem unersetzlichen Gut auch der letzte Rest des
idealen Anflugs zu Grunde, durch welchen che ersten bedeutenden eng¬
lischen Truppen trotz mannigfaltiger Verirrung ihrem Wirken eine
gewisse künstlerische Weihe zu geben gewusst hatten.
5
66
Yon dem Moment an, wo der englische Narr Jan den Namen
Pickelhäring annahm und mit seinen niedrigen Zoten die noch vor¬
handenen edlen Keime der volkstümlichen Komik vollständig ver¬
nichtete : von da an sank die Schauspielkunst von Stufe zu Stufe,
so dass sie schon um die Mitte des 30jährigen Krieges in der all¬
gemeinen Verwilderung das getreue Ebenbild ihres eigenen Seins
erblicken konnte.
Fahrende Wandertruppen
von der Mitte des 30jährigen Krieges bis 1(579.
i.
Wenn Shakespeare den Hamlet sagen lässt: »die Schauspieler
sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik ihres Zeitalters,« dann
findet dieser Ausspruch gewiss keinen zutreffenderen Beleg als in
dem Wanderleben jener verwilderten Komödiantenbanden, welche
wie Unkräuter auf dem Boden des 30jährigen Krieges aufgeschossen
und mehr im Gefolge der Kriegsheere als an Höfen und in Städten zu
finden waren. Wie die jammervollen herabgekommenen Sittenzustände
des deutschen Volkes, so bietet das ganze Leben, Thun und Treiben
dieser Truppen ein trauriges Bild der Zerrüttung, Auflösung und
Erschöpfung. Der langjährige Krieg, der wegen des Mangels an einem
idealen begeisternden Ziele vernichtend in die Kultur des deutschen
Volkes eingriff, erniedrigte auch die dramatische Kunst, deren Lebens¬
geister sich so gerne von einer nationalen Erhebung neue Kräfte
zuführen lassen.
Und dieser Zustand des allgemeinen Verfalles in Kunst und
Leben endigte nicht mit dem Augenblick, als die Kirchenglocken
den langersehnten Abschluss des westphälischen Friedens einläuteten.
Die weitgehenden Folgen des schrecklichsten aller Kriege, welcher
jemals Deutschlands Fluren verödete, waren fast noch verderblicher
als es das Brennen und Morden selbst gewesen. — Dass diese
Schmach aber trotzdem edleren Gemüthern zum Bewusstsein kam,
beweist auch ein tiefempfundenes Volkslied, dessen unbekannter
Verfasser nur wenig Jahre nach dem Friedensschluss von Münster
und Osnabrück singen konnte:
»Die Herzen seynd voll roher Brunst,
Kein Mensch das Rechte weiss,
Es liegt gar manches Würzlein Kunst
Tief unter hartem Eis.
Vorbei ist wohl des Krieges Noth
Und Friede ist im Land,
Doch auch gar manche Freud ist todt,
Die sunst man gut gekannt.«
G8
Der Dichter hatte Recht, tief unter hartem Eis lagen wie die
die Wurzeln aller Künste auch die der dramatischen, und kein
Frühling, kein erwärmender Sonnenstrahl drang zu ihnen hinab auf
den winterlichen Grund.
Und die Schauspieler selbst, die berufen gewesen wären, ihre
Kunst aus dem schweren Bann zu erlösen, ja, sie waren die ab¬
gekürzte Chronik ihres Zeitalters und konnten in ihrer Verkommen¬
heit, besonders im letzten Decennium des 30jährigen Krieges, gerade
am allerwenigsten für das Emporkommen der Kunst thun.
In den meisten Städten, zu denen auch Frankfurt gehörte,
wurden die Komödianten vor dem Abschluss des westphälischen
Friedens gar nicht zugelassen und, wo man ihnen Eingang ver-
stattete, waren ihre Stücke so voll Greuelscenen, von gemeinen Zoten
des Pickelhärings erfüllt, dass dem eigentlichen idealen Zweck der
Schauspielkunst nur das grösste Leid dadurch angethan wurde. Eine
Begründung findet diese Behauptung in der 1630 unter dem Titel
»Liebeskampff« erschienenen neuen Ausgabe englischer Komödien,
die zwar zur »Ergötzlichkeit und Erquickung des Gemüthes« be¬
stimmt waren, aber in der That den Eindruck machen, als wären
sie nur geschrieben, um ein von den traurigen Erlebnissen abge¬
stumpftes Publikum durch die niedrigste Possenreisserei und grau¬
sigste Tragik ein wenig aus seiner Stumpfheit aufzurütteln.
Nichts ist in dem Entwicklungsgang der dramatischen Kunst
in Frankfurt weniger zu beklagen als die grosse Pause, welche durch
das traurige Schicksal der Stadt in der zweiten Hälfte des dreissig-
jährigen Krieges, vom Jahre 1631 bis zur Ostermesse 1648, in den
theatralischen Vorstellungen entstand. So blieb Frankfurt durch das
entschieden abweisende Verhalten des Rathes wenigstens so lange
wie möglich von den fahrenden Gauklerbanden verschont, bei welchen
ein »Cordendanzer« den Prinzen Hamlet von Dänemark und ein
»windiger Springer« Romeo’s holdselige Geliebte darstellte.
Aber kaum war der langersehnte Friede zu Münster und
Osnabrück abgeschlossen, kaum hatten die Glocken der alten Bar¬
tholomäuskirche das Dankfest eingeläutet und ein Freudenfeuer auf
dem Main zwischen Frankfurt und Sachsenhausen der allgemeinen
Stimmung Ausdruck gegeben, als verschiedene fahrende Thespisjünger
mit ihren Karren vor den Thoren der alten Reichsstadt anlangten
und in ziemlich stürmischer Weise den Rath um Gestattung ihres
Einzugs angingen. Da jedoch die Erinnerung an die kaum über¬
standenen schweren Leidensjahre nicht mit dem Abschluss des west¬
phälischen Friedens verwischt war, erlaubten die ernst gestimmten
Väter der Stadt in der Herbstmesse 1648 noch kein so allgemein
beliebtes Volksvergnügen, wie es von Anfang an die theatralischen
Vorstellungen in Frankfurt gewesen waren. Erst in der folgenden
Ostermesse, als das erneute Emporblühen des Handels wieder mehr
69
Rücksicht auf die Messfremden gebot, zeigte der Rath dem Begehren
der fahrenden Komödianten gegenüber kein so streng abweisendes
Verhalten. Aber obgleich seine weniger schroffe Haltung von ver¬
schiedenen Truppen als ein Zeichen der Begünstigung aufgenommen
wurde, so war doch der Rath in Bezug auf die Wahl der Gesell¬
schaft, die nach einer so langen Pause den dramatischen Reigen
wieder eröffnen sollte, äusserst vorsichtig. — Unter mehreren peti-
tionirenden Compagnien wählte er diejenige, welche 1631 im Wolfs¬
eck gespielt und aller Wahrscheinlichkeit nach weder Schulden noch
einen »unfeinen Ruhm« hinterlassen hatte. 137
Diese Truppe, die wieder unter dem alten gewohnten Titel
Englische Komödianten hier auftrat, bestand, nach einigen Bemer¬
kungen in einer ihrer Bittschriften , jetzt zum grössten Theil aus
deutschen Mitgliedern, welche »die Kunst der Frembden bei weitem
überholet« hatten. Ob die Supplikanten nun hierunter akrobatische
Fertigkeiten oder wirklich schauspielerische Leistungen meinten, lässt
sich schwer entscheiden. Jedenfalls stand aber die Truppe, die von
1649 — 1651 regelmässig während beider Messen in Frankfurt spielte,
diesmal auf einem höheren künstlerischen Standpunkte als es vor
18 Jahren der Fall gewesen. Die leider nicht unterschriebenen Führer
der Compagnie nehmen hierauf Bezug und sprechen sogar einmal
ausdrücklich aus, »dass sie ihre Actiones gründlich und nicht nach
der Weise des unnützen Gauklergesindleins representiren wollen«. —
Diese gewiss bedeutungsvolle Bemerkung nöthigt zu dem Glauben,
dass es in jener dunklen Kunstperiode doch noch Schauspieler gab,
welche mit einer gewissen Scham an die Versunkenheit ihres Standes
dachten und wenigstens durch ihr Streben beweisen wollten, dass
sie nicht zum rohesten Auswurf desselben gehörten.
Die aus 20 Personen bestehende Gesellschaft, welche anfangs,
jedenfalls aus Vorsicht, »alte bekannte Comödien und Tragödien auf¬
führte«, spielte wieder in ihrem alten Lokale, dem Gasthofe zum Wolfs¬
eck. Aus einer Bittschrift von 1650 an den Rath der Stadt Frankfurt
geht aber hervor, dass sie »ihr Theatrum verändern, um einem Ehr¬
baren Rath einen frömbden vngewöhnlichen Eingang verfertigen zu
wollen.«
Wenn sich überhaupt die im vorigen Jahrhundert z. B. von
den Frankfurter Schriftstellern Seyfried und Rühl ausgesprochene
Annahme bestätigt, dass die beiden allegorischen Stücke: »das friede¬
wünschende Deutschland« und »das friedejauchzende Deuschland« von
Rist, gleich nach Beendigung des dreissigjährigen Krieges in Frank¬
furt aufgeführt worden sein sollen, so muss diese Truppe die genannten
Stücke gegeben haben. Unterstützt wird unsere Ansicht durch den
Umstand, dass sie eine weite Reise »vom Norden aus«, vielleicht
von Hamburg , hierher gemacht hatte , wo , wie bestimmt erwiesen,
wenigstens das erste der beiden Stücke schon 1647 von der unter
70
Leitung eines Andreas Gärtner stehenden Studententrnppe znr Auf¬
führung gekommen war. 138
Ein weiterer Beleg für diese Meinung bildet die Erwähnung
der ausserordentlichen »Präparationen« für die Vorstellung zu Ehren des
Käthes, welche in »feinlichem Wolkengehänge für che Englin, schönen
Tapezerien und allerlei kostbarem Zeug für den alten Kriegsgott«
bestanden. Da nun in dom erstbenannten Stücke Rist’s der grösst-
mögliche Pomp der scenischen Darstellung vorgeschrieben ist, auch
»die Englein zwischen den Wolken in grosser Klarheit« sitzen sollen,
und »Mars, der Kriegsgott der Alten«, ebenfalls auftritt, so wird die
Aufführung der obengenannten Stücke noch wahrscheinlicher. —
Aus den verschiedensten Notizen in den Bittschriften an den
Rath geht übrigens so viel mit Sicherheit hervor , dass auch hier,
wie in vielen andern deutschen Städten, ein Schauspiel zur Ver¬
herrlichung des lang ersehnten Friedens aufgeführt wurde. Die nicht
ganz sichere Bezeichnung desselben zwingt uns, an dieser Stelle auf
die Inhaltsangabe der Rist’schen Stücke nicht näher einzugehen und
statt dessen einer Komödie zu gedenken, welche im Jahre 1632
erschien und zwar in Frankfurt nicht aufgeführt, aber noch bis in
die sechziger Jahre des XVII. Jahrhunderts hinein von allen Ständen
eifrig gelesen wurde. Es ist dies ein tendenziöses allegorisches Ge¬
dicht, in welchem offenbar die lebensvolle Form des dramatischen
Dialogs als Waffe gegen das Papstthum und als Vertheidigung der
evangelischen Lehre benutzt wurde. Der ausführliche Titel ist zu¬
gleich eine kurze Inhaltsangabe des vielgelesenen Stückes : »Schwe¬
dische Comödia, in welcher zu ersehen, wie die heilige Jungfraw,
Confessio Augustana genannt, von der Babylonischen Huren, im
Römischen Reich feindlich durchgeächtet, vnd allerdings vberwältigt;
nachdem aber jhre Schwestern, Fides, vnd Veritas, in Schweden
exulirt; durch den von ihnen erbet.tenen thewrsten Helden, König
Gustavum Adolphum, in Teutschlandt, durch vnerhörte siegreiche
Thaten vindicirt, in flor, vnd Auffnam widerumb gebracht worden.
Alles Gott zu Ehren, der wahren Kirchen zu Trost, dem
gemeinen Mann zur Erinnerung, den Feinden zur Warnung, vnd
Erkäntnuss göttlichen Gerichts in Truck gegeben.
Personen in dieser Comoedia.
I. Confessio Augustana, mit ihren zwo Schwestern, die sein
Fides, der wahre Glaub.
Veritas, die liebe Wahrheit.
II. Königliche Mayestet in Schweden, Gustavus Adolphus &c.
III. Die Babylonisch Hur : Papst Agnes, sampt ihren Rath-
gcberin : Als
Lugen,
Mord,
Vnzucht,
71
IV. Römische Post,
Y. General Graff Tillv,
Graf von Fürstenberg,
Obrist Cronberg,
Soldaten.
YI. Fridländer.
YII. Etliche Bischöff vnd Praelaten.
Ein Pfaff.
Y1II. Henkers Buben.
IX. Fama quae loco Prologi & Epilog!.«
Die Komödie, welche augenscheinlich im ersten Jubel über die
siegreichen Heklenthaten Gustav Adolfs, wie der unbekannte Ver¬
fasser selbst in einer Art Vorrede verräth, in zwölf Stunden ge¬
schrieben wurde, fand deshalb in dem protestantischen Frankfurt so
viele Leser, weil der darin verherrlichte Schwedenkönig bei seinem
hiesigen Aufenthalt im November 1631 bis Februar 1632 durch sein
leutseliges Verhalten sich eine grosse Anzahl begeisterter Anhänger
erworben hatte.
In dem vorliegenden ältesten Druck dieses Stückes, den der
Frankfurter Besitzer in der Herbstmesse 1632 ankaufte, steht auf
einem Blatt vor der Titelseite die von ihm eingezeichnete, leider
durch ein fehlendes Stück desselben nicht ganz vollständige Inschrift:
»Dies Büchlein, so ich dermalen vff der Mess kauffet, ist mit der
zevt bei jedermenniglich meist sehr bcrühmet worden. Das macht,
das man nicht vergessen thät wie der majestetisch Herr Herr (Gott
hab ihn selig) in sein Frankhfurter dägen voll Müdigkeit alle leutt
wie seine brüder in Christo gerespektiret. Fürnehmlich aber sein
Tod für die gerecht sach, so jeglich gemüth reich und arm allhiero
gar sehr gejammert hat. Der trawrig Krieg hat die engllender ver¬
trieben, derenthalb ist die Comödie gar viel gelesen und gelernet
iedoch noch nie allhiero agiret worden. — Vielleicht wenn sie zu
Münster in der bält eins werden — — «
Hier endigt durch das fehlende Stück des Blattes die Einzeichnung
in das Büchlein, die jedenfalls kurz vor dem Abschluss des westfälischen
Friedens gemacht wurde. Aber der Frankfurter Besitzer der Komödie
irrte, wenn er dieselbe für eine Darstellung durch die englischen
Komödianten geeignet hielt. Der etwas fanatisch protestantische Ver¬
fasser, der seinen Namen nicht nennt, sich aber als M(agister) und
P(oeta) L(aureatus) bezeichnet, muss selbst gefühlt haben, dass das
flüchtig entstandene, episch breite Werk in seiner damaligen Fassung
wenig Vorzüge für eine Aufführung mitbrachte.
In den folgenden Versen zu der Vorrede seiner Komödie weist
er ausdrücklich auf die ihm selbst sehr wohl bewussten Mängel hin :
»Mein lieber Leser, diss Gedicht
Ist nur zu eim Anfag gericht.
72
Wer diss wil spielen, muss mehr zieren,
Vnd mit mehrern Scenis aussführen.
Viel Erga vnd Parerga seyn,
So hie können bracht werden ein.«
Es lasst sich nicht nachweisen, ob die »Schwedische Comedia«
jemals in Frankfurt aufgeführt wurde, aber da ihrer auch in man¬
chen, in jener Zeit erschienen Büchern gedacht wird, so darf man
wohl ohne Zweifel annehmen, dass sie in der grossen Kunstpause
von 1631 — 1649 viel dazu beitrug, bei den Frankfurtern den Sinn
für dramatische Vorstellungen während einer schweren Zeit lebendig
zu erhalten.
»Nicht Alles, was auf die Bühne kommt, fördert die dramati¬
sche Kunst, das Entfernte, gleichsam Abgelegne thuts oft mehr«,
sagt Wieland, nachdem er sich kurz vorher über den grossen Segen
ausgesprochen, den die weitverbreitete Lectüre eines Stückes für den
Bühnenerfolg desselben und die Pflege des oft durch äussere An¬
lässe erlahmenden Interesses für die darstellende Kunst im Gefolge
habe. Dieser gewiss zutreffende Ausspruch ist ein Grund mehr,
dass die »Schwedische Comödie« in diesem Abschnitt nicht unerwähnt
bleiben durfte.
Yon dem vielgelesenen Buchdrama kehren wir nun zu den in
der Ostermesse 1651 hier spielenden sogenannten englischen Komö¬
dianten zurück. Nach den verschiedenen, schon in den früheren
Messen eingereichten Beschwerden brachten es dieselben endlich da¬
hin, dass sie der vielen Unkosten wegen ein etwas höheres Eintritts¬
geld als in früheren Jahren vom Publikum fordern durften.
In der Ostermesse 1649 schrieb der BatJi den Truppenführern
vor, in dem Parterre und auf dem erhöhten Gerüst nur 6 Kr. von der
Person zu nehmen und am Schluss ihrer Vorstellungen ein Stück
Geld an das Hospital zu entrichten. Die Komödianten fügten sich
anfangs dieser Anordnung, aber schon am 6. März suchten sie nach,
von den Zuschauern »sowohl auf den Banken — also im Parterre — ,
als auch nochmals an der Thür, die zu dem Gerüst führte, 4 Albus
erheben zu dürfen.«139 Trotzdem der Rath den Eintrittspreis noch
um einen Albus herabsetzte, willfahrte er doch nur unter der Be¬
dingung dem dringenden Gesuch, dass die Komödianten zu ihrer
Abgabe auch noch eine Komödie zum Besten der Armen und
Hospitalkranken spielen sollten.140 Diese Einrichtung blieb von
jener ersten gesetzlichen Anordnung an fast bei allen in Frankfurt
bis zur Gründung eines ständigen Schauspielhauses spielenden Wander¬
truppen bestehen.
Wahrscheinlich wegen des grossen Zuspruchs gebot der Rath
in der Herbstmesse desselben Jahres den Komödianten, »nur einen
Batzen auf dem Gerüst und im Parterre und ein und einen halben
Batzen auf dem Theatro selbst« zu nehmen.141 Gegen dieses »allzu
73
gering angesetzte Quantum« reichen die Führer der Truppe einige Tage
später eine Beschwerdeschrit't ein, in der sie sich erbieten, gerne und
willig dem Hospital 50 Rohsth. zu entrichten, wenn man ihnen ge¬
statten würde, »zwei Albus im Parterre und auf den Gängen des
Gerüstes und fünf gleiche Geldstück auf dem Theatro selbst zu
nehmen.«142 Hierauf setzte der Rath den Preis von je 2, 3 und
4 Albus fest, welche Taxe bis zur Ostermesse 1651 fortbestellen blieb.
Auch die Abgabe an das Hospital änderte sich in dieser Zeit nicht,
sie wurde nur manchmal anstatt, wie gewöhnlich in Reichsthalern,
in Gulden ausgedrückt. — Die Bitte, »auf dem Theatro« den höchsten
Preis fordern zu dürfen, erinnert an die alte, noch im achtzehnten
Jahrhundert bei den Franzosen bestehenden Unsitte, für vornehme
Bühnenliebhaber auf dem Podium der Bühne oder in einer das übrige
Publikum ziemlich störenden Nähe desselben Sitze aufzurichten.
Gleichzeitig mit der Truppe, die von 1649 bis zur Ostermesse
1651 im Wolfseck Vorstellungen gab, spielten von 1650 an noch
Springer in einer Bude am Main, welche auch ihre Künste in »allerlei
lieblichen Comödien und erschrecklichen Tragödien« zu zeigen willens
waren. 143 Von diesen Luftspringern und Tänzern, deren Spiel den
Komödianten im Wolfseck keinen geringen Abbruch that, ist nichts
weiter bekannt, als die Mittheilung, dass in ihrem bretternen Musen¬
tempel am Main stets »ein gross Geschrey und lermens war.« Ein
weiteres Forschen nach etwaigen dramatischen Leistungen dieser Ge¬
sellschaft erscheint insofern überflüssig, als sie allem Anschein nach
zu jenen fahrenden Gauklerbanden gehörte, wie sie zu charakterisiren
am Eingang dieses Abschnittes versucht worden ist.
Mittlerweile war in der allgemeinen Geschichte der deutschen
Schauspielkunst ein Wendepunkt eingetreten, der auf den Entwick¬
lungsgang der dramatischen Kunst in Frankfurt nicht länger ohne
Einfluss bleiben konnte. Martin Opitz, der angesehenste Dichter seiner
Zeit, hatte das Libretto von Rinuccinis italienischer Oper »Daphne«
übersetzt und der berühmte, in Italien gebildete Dresdner Kapell¬
meister Heinrich Schütz die Musik dazu geschrieben. — Diese erste,
die Bezeichnung »Pastoral Tragödie« führende deutsche Oper, welche
bei den Vermählungsfeierlichkeiten der sächsischen Prinzessin Eleonore
mit dem Landgrafen Georg II. von Hessen-Darm stadt aufgeführt
wurde,144 rief in der Folge, besonders aber gleich nach Beendigung
des dreissigjährigen Krieges, eine wahre Flut von minder bedeuten¬
den gleichartigen Erscheinungen hervor, die hauptsächlich bei Fest¬
lichkeiten an fürstlichen Höfen zur Darstellung kamen. Dem mittel¬
alterlichen Schauspiel, das sich seit seinem grössten Aufschwung unter
Hans Sachs allmählich immer mehr von der anfangs angestrebten
Kunsthöhe entfernt hatte, wurde durch das Emporkommen der bald
allgemein beliebten Oper die letzte Lebenskraft geraubt. Alles, was
Aug und Ohr bestricken konnte, vereinigte sich in derselben mit der
74
tiefsinnigen Symbolik der Mysterien und dem willkürlich phantasti¬
schen Aufbau der Moralitäten. So war es denn eine ganz natürliche
Folge, dass in einer Zeit, in welcher die Gelehrten und Gebildeten
sich von dem verwahrlosten Volksschauspiel mit Verachtung abwen¬
deten, in welcher das Theater zum gewöhnlichsten Pöbelvergnügen
herabsank, eine Kunstgattung immer mehr und mehr gepflegt wurde,
die so viel einschmeichelnde Vorzüge besass und dem Dichter und
Componisten ganz besonders Gelegenheit bot, mit Hülfe der Musik
durch allegorisch-dramatische Darstellungen einen fürstlichen Gönner
zu verherrlichen.
Trotzdem nun Opitz die Oper in einem neuen, nach dem Ita¬
lienischen bearbeiteten Singspiel »Judith« weiterpflegte, besass er doch
das tiefste Verständniss für die eigentliche Aufgabe der tragischen
Dichtkunst. Ausdrücklich bekennt er in dem Vorwort zu dem eben¬
genannten geistlichen Singspiel, »dass unter allen poetischen Gedichten
nichts über die Schauspiele gehe, dass aber heutigen Tags diese
herrliche Kunst aus Nachlässigkeit und Unverstand fast ganz ver¬
loschen sei.«
Aber wenn wir es auch von unserm heutigen Standpunkt be¬
klagen müssen, dass die jüngere gefälligere Schwester den älteren
legitimen Sprössling der dramatischen Kunst lange Zeit aus seiner
rechtmässigen Stellung verdrängte, so darf doch auch nicht vergessen
werden, wie durch ihre einschmeichelnde Weise nicht allein die
gleichzeitige Dichtung neue Anregung gewann, sondern auch der
fremde Kunsteintluss auf dem Gebiete der Musik mit dem heimischen
Ideal eine versöhnliche und segensreiche' Verschmelzung fand.
Aus der Herbstmesse 1651 haben wir die erste aktenmässige
Erwähnung von hier aufgeführten »Singespielen und Pastorellen«,
mit welchem Titel man damals die dramatischen Tonstücke zu be¬
zeichnen pflegte. Es waren die ehemaligen Hofkomödianten des
verstorbenen Prinzen von Oranien, welche in ihrer Eingabe sagten,
dass sie entschlossen seien, »allerhand neue und schöne Histo¬
rien, Comödien, Tragödien und Pastorellen geziert mit einer lieblichen
Musica und Stimmen und vielen wundersamen Veränderungen von
Theatern, alles nach französischer anmuttiger art und manier, zur
beiehrsamen Belustigung alliier representiren zu wollen«. 145
Diese Truppe, die auch pomphaft ausgestattete Schlacht- und
Belagerungsstücke aus dem niederländischen Befreiungskriege in
hochdeutscher Sprache zur Darstellung brachte, führte zuerst die
fortgeschrittenen scenischen Einrichtungen in Frankfurt ein , welche
das genau nach italienischen Vorbildern aufgebaute deutsche Sing¬
spiel durchaus von der Bühne verlangen musste. Da die Komödian¬
ten mehrmals sagen , dass sie ganz nach französischer Art spielen,
hatten sie ohne Frage den ersten Vorhang, die ersten Dekorations¬
gardinen und wirkliche Coulissen. Dass auch wie bei allen gleich-
75
zeitigen französischen Theatern eine Flugmaschine nicht fehlte, welche
die in vielen Pastoralen erscheinenden Götter auf ehe Erde und wieder
»hinauf in das Wolkengehänge« tragen musste, geht aus einer Be¬
merkung einer der weiteren Supplikationen hervor, wonach ihnen
die Unterhaltung der grossen Flug-Maschine viele Unkosten ver¬
ursachte.
Wie gross der Erfolg war , den die neue Kunstgattung in
Frankfurt erzielte, zeigt eine weitere Eingabe der niederländischen
Komödianten an den Rath, worin sie denselben dringend um Hin¬
ausschiebung des festgesetzten Termins bitten. Ferner machen sie
das Anerbieten, an den weitergestatteten Tagen eine Vorstellung zum
Besten der Armen geben zu wollen, wenn man ihnen erlauben würde,
die angesetzte Taxe von 2, 3 und 4 Albus etwas zu erhöhen. Da
aber die Führer der Truppe dem Rathsdekret zuwider die Zuschauer
dennoch übernommen hatten, willfahrten die Väter der Stadt weder
der einen, noch der anderen Bitte und legten den Komödianten ein
Strafgeld von 50 Thlr. auf, das aber einige Tage später, am 19. Ok¬
tober 1651, nach einer Eingabe um Moderation, respective Abwendung
der Strafe, durch einen Rathsbeschluss erlassen wurde. 146
Die Pastorale und die Oper eröffneten bekanntlich den Frauen
den Weg zur Bühne, aber dass sich bei diesen Komödianten schon
Sängerinnen befunden haben sollen, ist kaum vorauszusetzen, da die
Führer der Truppe stets nur von ihren »zwanzig Gesellen« reden.
Gleichzeitig mit der »Niederländischen Compagnie,« deren Theater
i$i Wolfseck aufgebaut ward, gab ein gewisser »Joris Jollifous, vulgo
George Jeliphus und Joseph Jori Vorstellungen im Krachbein,147
(heutigem König von England) welche aber wegen der mit ungewöhn¬
licher Pracht ausgestatteten Stücke der Niederländer nur ein sein-
kleines Publikum fanden. Jollifous konnte deshalb weder das fest¬
gesetzte Geld für die Stadtarmen erlegen, noch den Wirth des Krach¬
bein und seine übrigen Gläubiger befriedigen. Er musste in der
Noth ehe »zu seinem Theatro gehörigen besten Kleydungen und Re¬
quisiten im Werth von 1000 Thlr. versetzen« und nur mit dem Noth-
wendigsten von Frankfurt abziehen. Als er später in der Lage war
die Gegenstände von Cöln aus wieder einlösen zu können, wurden
dieselben unterwegs aus dem Rüstwagen gestohlen, welcher Verlust
dem Jollifous einen Schaden zufügte, von dem er sich erst kurz vor
der Herbstmesse 1652 wieder vollständig erholt hatte. 148
In der Ostermesse 1652 spielten sogenannte englische Komö¬
dianten in Frankfurt, deren auch einmal als »Springer und Corden-
tenzer« in den Rathsprotocollen gedacht wird. — Die fehlende
Namensunterschrift in der Eingabe der Truppenführer ist jedenfalls
kein grosser Verlust, da diese Compagnie gewiss nicht zu den er-
wähnenswerthesten ihres Standes zählte.
Die mannigfaltigen theatralischen Vorstellungen, welche gleich
76
nach dem Frieden sabsch hiss von Münster und Osnabrück hier auf-
geführt wurden, mochten wohl viel dazu beigetragen haben, dass die
Scholarchen Frankfurts den Entschluss fassten, nach langer Pause,
»um die Ingenia bei der Schuljugend zu excoliren,« die Darstellung
einer lateinischen und deutschen Komödie zu veranlassen. Leider
ist die Eingabe , worin der Et. Christoff Bender im Namen seiner
Collegen am 8. Juni 1652 den Rath um Erlaubniss für ein solches
Vorhaben bittet, nicht erhalten. Die Namen jener Komödien waren
deshalb nicht aufzufinden , aber statt dessen ein Rathsbeschluss aus
dem mit Bestimmtheit hervorgeht, dass dieselben Mitte Juni 1652
im Hofe der Barfüsserschule zur Darstellung gekommen sind.149
Kaum zwei Monate später, am 17. August stellte sich Joris
Jollifous mit seiner Truppe wieder ein und berichtete dem Rath in
einer langen Bittschrift all das bereits mitgetheilte Missgeschick, welches
ihn seit seinem vorjährigen Aufenthalt getroffen hatte. Jollifous, der
inzwischen eine andere Compagnie »von hochteutschen Personen, so
wohl zu verstehen zusammen gebracht,« will denselben Preis wie
früher von »denen spectatoribus nehmen und nur eine kleine mode-
ration der für die Armen angesetzten Summe von den gnedigen
Vättern der Stadt erflehen.«
Der Rath hatte Mitleid mit dem armen Komödianten, der sich
kaum aus seiner traurigen Lage herausgerissen hatte; er gewährte
die bescheidene Bitte150 und suchte das Fehlende an der Summe für
die Armen durch eine dem Gasthalter im Krachbein auferlegte Ab¬
gabe zu ergänzen. Jollifous führte bei seinem diesmaligen Aufent¬
halt auch Pastorellen und Singespiele nach italienischer Manier auf
und gab auch verschiedene neue, aber nicht genauer bezeichnete
Tragödien, »deren Historia zuvor nie hier auf das Theatro gekommen.«
Wenn es keine Mythe ist, dass Joris Jollifous im Jahre 1651
die Tragödien »Leo Armenius und Catharina von Georgien« in Cöln
aufführte,151 dann mögen wohl diese beiden dramatischen Erstlings¬
werke des genialen Andreas Gryphius die angekündigten neuen
Stücke gewesen sein. Unbekannt waren die Werke des ebengenannten
Dichters dem fahrenden Komödianten keineswegs; denn in einer im
Jahre 1656 eingereichten Eingabe will er die Tragödie »Carolus
Stuart« — also auch eine dramatische Schöpfung von Gryphius —
»mit ganz neuen Kleydungen und Zutatten im Ballenhaus zum
Krachbein,« das mittlerweile als Bühnenlokal die Stelle der an-
stossenden Sanduhr eingenommen hatte, zur Darstellung bringen.
Am 9. März desselben Jahres wurde auch in Windsheim am Main
dasselbe Stück von einer englischen Komödianten truppe gespielt,152
deren Führer aller Wahrscheinlichkeit nach Joris Jollifous gewesen
ist. Denn trotzdem seine Truppe nur aus »hochteutschen leutten«
bestand, führte sie noch, wie sich aktenmässig nachweisen lässt,
bis zum Ende der fünfziger Jahre des XVII. Jahrhunderts den Titel
»Englische Komödianten.«
77
Ueber den Aufenthalt von Wandertruppen in der Ostermesse
1G53 Hessen sich keine Aufzeichnungen finden, in der Herbstmesse
hingegen gaben Heinrich Hackenberg, Bastian Steinerl und Caspar
Henrich, »hochteutsche Exercitien« in einer Hütte am Main,153 während
Jacob Brauer »Engellendischer Springer und Cortentenzer« im Krach¬
bein »seine Exercitia beneben einer lieblichen Musica und köstlichen
Comödienspiel dem löblichen Pubfico zum Besten gab.«154 Beide
Truppen, deren vorübergehendes Wirken für die Geschichte der
Schauspielkunst in Frankfurt ohne weitere Bedeutung ist, gehörten
allem Anschein nach nicht in die Reihe der besseren ihres Standes.
Sie hinteiliessen kein gutes Andenken und waren jedenfalls daran
Schuld, dass sie in einem späteren Senatsbeschluss mit den »Gauklern,
dem Gesind und den Bärenleutt« in eine Kategorie gesteht wurden.
Wichtiger als das genaue Aufzählen aller jener verwilderten
Schauspielertruppen, welche meistens am Main in einer Art von
bretternem Verschlag ihre »hochteutschen Actiones exercirten«, sind
einige Momente aus der weiteren Kunstthätigkeit des Joris Jollifous,
welche zwar der Theatergeschichte andrer Städte angehören, aber
trotzdem für die Entwicklung der Frankfurter Schaubühne von weit-
tragender Bedeutung sind.
Im Mai 1(553 spielte Jollifous mit seiner Gesellschaft eine
Komödie »vor den Kayserlichen Majestäten in Wien,« welche ihm
mit 15 fl. 155 honorirt wurde; am Ende desselben Jahres gab er Vor¬
stellungen in Strassburg und am Anfang des folgenden richtete er
von dieser Stadt aus eine Bittschrift um Erlaubnis zum Agiren
an den Rath von Basel, in welcher er ausdrücklich sagt, dass bei
seiner gutgeschulten Gesellschaft auch »rechte Weibsbilder« mitwirk¬
ten. 150 Der Schwerpunkt seiner Leistungen lag damals in »Singe¬
spielen nach italienischer Alt und Manier,« in welchen die Frauen
nicht mehr fehlen durften.
In der Herbstmesse 1(554 kommt Joris Jollifous »aus Schwitzer
Landen mit seiner gesambten Compagnie« wieder nach Frankfurt157
und folglich mit ihm die ersten weiblichen Darstellerinnen. In¬
zwischen waren die mit so vielen Fremden verkehrenden Frankfurter
jedenfalls zur Genüge von dem Mitwirken der Frauen in der Oper
und in dem kleineren Singspiel unterrichtet, so dass das Eintreten
dieses neuen Elementes in die hiesige Schaubühne kein so ausser-
gewöhnfiches Aufsehen erregte, als es jedenfalls noch sechs Jahre
früher gethan hätte.
Aus verschiedenen Andeutungen lässt sich schliessen, dass »der
Komödiant«, wie Jollifous von nun an in den Rathsprotocollen und
Bürgermeisterbüchern meist genannt wird, den Vätern der Stadt in
einer leider nicht erhabnen Eingabe von dieser neuen Einrichtung
mit »rechten Weibsbildern« Mittheilung machte. Bei dem sonst in
Hinsicht auf die Komödianten mit grosser Vorsicht handelnden Rath
78
scheint diese Anzeige zu keinen bedenklichen Erwägungen Veran¬
lassung gegeben zu haben.
Mittlerweile stellte auch in Frankfurt wenigstens das gebildetere
Publikum höhere Ansprüche an die Besetzung der verschiedenen
musikalischen Frauenrollen, und der beste Sänger »mit zarter Stimme
und fraulichem Antlitz« konnte für eine Daphne, eine zierliche Hirtin
oder olympische Göttertochter nicht mehr genügen.
In der Werthschätzung des Volkes aber stand ungeachtet der
erhöhten Anforderung an die Kunst auch der bessre fahrende Ko¬
mödiant gerade in jener Zeit noch auf der allerniedrigsten Stufe. Als
Joris Jollifous das Haus zur güldnen Kose (Lit. J Nr. 190), das Eck
an der Karpfengasse dem Clesern Hof gegenüber gemiethet hatte
und darin sein Theater einrichten wollte, erhob sich sofort die
ganze Nachbarschaft, »weil solches Gesind, das mit Tabak und
Trinken umbgehe,« alle anliegenden Häuser in Feuersgefahr zu ver¬
setzen drohe. 258
Auf diese Eingabe blieben die Bewohner in der Nähe der
güldnen Rose vor den Komödianten verschont, der auf einen Raths¬
befehl nach einem andern Lokal Umschau halten musste. Jollifous
fasste nun zunächst die grossen Räumlichkeiten des Leinwandhauses
ins Auge, worin auch 1594 die letzte Bürgerkomödie aufgeführt
worden war. Als sich aber der Rath auch diesem Anliegen gegenüber
abweisend verhielt, miethete er die »kostbaren (theuren) Ballenräume«
im Gasthofe zum Krachbein. 159
Die Vorstellungen des Jollifous, in denen zum Theil, dem Ge¬
schmack der Zeit gemäss, der zotenreissende Pickelhäring oder wie
er auch noch mehr genannt wurde der »Jean Potage«, »Jack Pudding«,
»Hanswurst«, keine geringe Aufgabe hatte, wurden von den Frank¬
furtern und Messfremden eifrigst besucht. Trotz seiner guten Ein¬
nahmen klagt aber der Komödiant doch darüber, dass ihm durch
eine andere, in einer Bude am Main spielende Truppe »ein gar ärger¬
licher Abbruch geschehe.« Diese Compagnie,160 die auch in der
Ostermesse 1G54 hier Vorstellungen gab und ein geringeres Eintritts¬
geld wie Jollifous nehmen musste, scheint nur »närrische das gemütt
erquikliche Exercitia« gegeben zu haben. Beide Truppen, sowie eine
gleichfalls anwesende Gesellschaft Englischer Springer mussten eine
Steuer von 50 Thlr. an das Hospital entrichten und ausserdem noch
eine Vorstellung zum Besten der Armen geben.
Am 8. März 1G55 kam der Komödiant von Cöln aus um die
ihm sofort gewährte Erlaubniss ein, in der Ostermesse, wie zu ver¬
schiedenen Jahren, seine berühmten Actiones wieder aufführen zu
dürfen.«16 1 Aber seine theatralische Wirksamkeit war diesmal nicht
mit dem Schluss der Messe beendet. Er spielte bis Ende Juni 1G55
und suchte am 3. des folgenden Monats um die Vergünstigung nach,
79
da er mit seiner Truppe hier »vbersommern« wollte, wöchentlich zwei
Vorstellungen geben zu dürfen.
Der abschlägige Bescheid des Rathes, der ihm das denkbar
Möglichste gestattet hatte, traf ihn nicht zu hart; denn er wurde an
den Hof des Kurfürsten von Trier berufen, von wo aus er nach der
Aufführung einiger Vorstellungen in verschiedenen nahe liegenden
Städten herumreiste. Bei der Abreise nach Trier liess er sein Theater
im Ballenhaus zum Krachbein stehen und drückte in einer Eingabe
in höchst schmeichelhafter Weise dem Rath, »an dessen stets gar
wohl verspürter Gewogenheit er auch fernerhin sich nicht zu zwei¬
feln getrauen könne«, den demüthigsten Dank für »alle erzeigte Gut-
tatt« aus.
Ob es nun der Erfolg dieses politisch abgefassten Dank¬
memorials oder das allgemeine Verlangen nach theatralischen Vor¬
stellungen war, was dem Jollifous in der Herbstmesse 1055 so leicht
wieder Eingang in Frankfurt verschaffte, lässt sich schwer ent¬
scheiden. Er spielte wieder bis nach dem Schluss der Messe und
erholte sich durch eine ungewöhnlich gute Einnahme von dem har¬
ten Verlust, den ihm das Herumziehen in verschiedenen schlechten
Städten bereitet hatte.162 Auch in den beiden Messen des folgenden
Jahres versäumte es der mittlerweile immer heimischer gewordene
Komödiant nicht, mit seiner Truppe Frankfurt zu besuchen, dessen
mannigfaltige Erwerbsquellen auch in seiner Kasse die eingetretene
Ebbe oft in eine volle Fluth verwandelt hatten.163
Diesmal freilich sollte Jollifous in seinen günstigen Voraus¬
setzungen bitter enttäuscht werden. Kurz vor der Ostermesse 1656
gingen zwei Hauptdarsteller seiner Truppe, Hans Ernst H offmann
und Beter Schwartz, von ihm ab und gründeten eine eigene Gesell¬
schaft. Sie mietheten nach der am 11. September 1656 erlangten
Erlaubniss 164 das Ballenhaus im Krachbein und drängten dadurch
ihren ehemaligen Führer an einen Ort, woran seine »löblichte kund¬
schafft« sich nicht gewöhnen und er kaum das Nöthigste für seine
Lebensnothdurft erwerben konnte.
Wohin sich der Komödiant nach dieser schlechten Ernte
wandte, ist in den Schriftquellen nicht zu finden, aber statt dessen
erfahren wir den Aufenthalt der beiden vereinigten Truppenführer
Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz, welche mit ihrer aus
Männern und Frauen bestehenden Gesellschaft von hier nach Heidel¬
berg zogen und den Winter über am Hofe des Kurfürsten Karl
Ludwig von der Pfalz spielten.
Es ist dies derselbe kunstsinnige Fürst, der, wie der gelehrte
Heinrich Zschokke richtig bemerkt,165 weniger durch heldenhafte
Grossthaten, als durch die Liebe zur Hofdame seiner ersten Ge¬
mahlin, Maria Susanna Louise von Degenfeld, berühmt geworden
ist. — Gerade in jener Zeit, wo die beiden Meister der hochteut-
sehen Compagnie mit ihren Zugehörigen meistens heitre und lieb¬
liche Singespiele am Hofe zu Heidelberg aufführten, fand die
erschütternde Ehetragödie durch die lang ersehnte, aber von fürst¬
licher Willkür angebahnte Scheidung ihren Abschluss, welche den
Kurfürsten von seiner rechtmässigen treuen Gemahlin Charlotte,
Tochter Wilhelms Y. von Hessen -Cassel, trennte und dem schönen,
geistreichen Hoffräulein seine heiss begehrte linke Hand verschaffte.'66
Lasst Euch die Komödianten über Eure verzweifelte Lage hinaus¬
helfen, gnädigster Herr! sagt der Narr in einer alten englischen
Tragödie zu seinem Herrn, der auch zwischen zwei Frauen weder
recht leben noch muthig sterben konnte. Vielleicht dachte Pfalz¬
graf Karl Ludwig ähnlich, als er die hochteutsche Compagnie bis
nach dem Anfänge des neuen Jahres an seinem Hofe behielt und,
wie die Meister später mit Stolz bekennen, mit seiner ganz sonder¬
lichen durchläuchtigsten Gnade beschenkte.
Von Heidelberg reiste die Truppe des Hans Ernst Hoffmann
und Peter Schwartz vor dem Beginne der Ostermesse 1657 wieder
nach Frankfurt, wo sie in ihrer ersten Eingabe an den Rath aus¬
drücklich erwähnte-, dass sie den Liebhabern , die der alten
Dinge überdrüssig, ganz nene schöne Komödien zum Besten geben
wolle.167
Diese angekündigten Stücke, in denen der »Hansworscht das
ergötzlichste zur Gemüthserletzung einem löblichen publico« thun
sollte, wurden diesesmal im Pfuhlhof zur Darstellung gebracht, weil
der englische Komödiant bereits das Ballen haus zum Krach b ein
gemiethet hatte.168 Der Pfuhlhof, dieses neue Lokal, in welches Frau
Thalia mit ihren Jüngern in der Ostermesse 1657 einzog, lag am
Eck der Töpfengasse in der Nähe der ehemaligen Heuwaage und
hatte seinen Namen von dem Rosspfuhl, dem er sich gerade gegen¬
über befand. Der Pfuhlhof, welcher später der Stammsitz der Familie
von Holzhausen wurde, schloss sehr grosse Räumlichkeiten in sich,
welche ein noch grösseres Publikum fassen konnten als das Ballen¬
haus des Gasthofs zum Krachbein.169
Die hochteutsche Compagnie hatte diese geräumige Lokalität
sehr nöthig; denn sie erfreute sich eines ausserordentlichen Zuspruchs
von Seiten der Messfremden. Und doch konnte sie ihre Vorstellun¬
gen nicht so geben, »wie sie es fürnemlich von ganzem Herzen ge-
wünschet«. Die erste Schauspielerin und Hauptsingerin der Gesell¬
schaft, die Frau des Meisters Peter Schwartz, war nämlich in
Folge eines Wochenbettes sehr leidend geworden und konnte wegen
anhaltender grosser Unpässlichkeit während der ganzen Ostermesse
nicht auftreten.
Peter- Schwartz hoffte anfangs auf eine schnellere Genesung
seiner Frau und fing erst zu spielen an, als von Wien die Trauer¬
nachricht eintraf, dass Kaiser Ferdinand III. am 2. April 1657 das
81
Zeitliche gesegnet hatte. Diese Kunde, die eine allgemeine Reichs¬
trauer zur Folge haben musste, versetzte die über ihren zahlreichen
Zuspruch mächtig beglückten beiden Meister der Hochteutschen
Compagnie in eine sehr angstvolle Stimmung. Um aber wenigstens
noch der Yorstehung einiger Stücke sicher zu sein, reichten sie am
9. April 1657 eine Bittschrift ein, worin sie dem Rath in der aus-
führhchsteu Weise den grossen Schaden und die weiteren Unkosten
auseinandersetzten, die sie durch die »ohnfähichtkeit und restituirung
der schwer kranken Kindbetterin bis dato zu ertragen hatten«. All¬
dieweil aber, wie sie sich ausdrücken, noch keine öffentliche Pro-
clamation der Kaiserlichen Klage geschehen, so möchten sie noch
gerne unbehindert bis zu Ende der laufenden Woche weiter agiren.
Wir sind willig, uns aller Ueppigkeit zu enthalten, berichten Schwartz
und Hoffmann, und sollte wegen der Musik einiges Bedenken sein,
so wollen wir dieselbe einstellen und zwischen den Acten allein eine
Harfe, welches Instrument sonst auch bei Trauerfällen zugelassen
wird, hören lassen.
Mittlerweile erfolgte aber von dem kaiserlichen Cabinet in Wien
die Trauerproclamation und der Rath war nicht mehr in der Lage,
dem Begehren der Komödianten willfährig sein zu können. Die
beiden Meister der hochdeutschen Compagnie sowie auch der Eng¬
lische Komödiant geriethen durch diesen schnellen Abschluss aller
»Lustübungen« in eine sehr traurige Lage. Beide Truppen konnten
ihre Gläubiger nicht befriedigen und mussten ihre »besten Kley der
und Spülzierrathen« versetzen, um nur das nöthige Geld zu einer
Reise in eine andere Stadt auftreiben zu können.110
Einer Randglosse, welche ein Rathsschreiber ohne Zweifel als
Federprobe auf die Rückseite einer Supplication schrieb, verdanken
wir eine kleine, aber genaue Aufklärung über die sonst nur durch
Annahmen und dürftige Bemerkungen feststellbaren, von der Truppe
des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz aufgeführten Stücke.
»Ehegestern agirte man von des Knaben Cupido Macht mit Hans-
worscht im Pulhof, itzund kimmet ein gar tröfflich Tragödie be-
straffter Fürwitz daran.« So berichtet der Schreiber, der seine
Federproben mit dem Aufzeichnen einer fratzenhaften Maske aus¬
schmückte.
Die angegebenen Stücke, welche in der 1630 erschienenen neuen
Sammlung englischer Komödien und Tragödien enthalten sind, cliarak-
terisiren den künstlerischen Standpunkt dieser und der meisten
Wandertruppen in jener Zeit.
In der Komödie »Von der Macht des kleinen Knaben Cupidi-
nis« sieht der Liebhaber der Jucunda, Florettus, seine Heissgeliebte
todt daliegen. Dieser Anblick entsetzt ihn so, dass er den Ent¬
schluss fasst, sich an der Leiche der schönen Jucunda zu erstechen.
Ehe er aber diesen verzweifelten Vorsatz ausführt, beugt er sich
G
82
über die Todtgeglaubte, herzt und küsst sie. In diesem Augenblick
erwacht Jucunda, der überglückliche Florettus küsst und herzt sie
wieder »und leffelt ein wenig«. Dann hält der Hanswurst an Jung¬
frauen und Junggesellen eine Rede über die Kraft des Herzens
und Küssens, deren Spässe, wie die meisten Ausfälle des immer
unverschämter gewordenen Lustigmachers, schlechterdings nicht wieder¬
zugeben sind.
Die Entartung des Komischen hielt mit der crassen Ueber-
treibung der tragischen Effekte gleichen Schritt. Einen Beweis hier¬
für liefern der Inhalt und die Anmerkungen des andern namhaft
gemachten Stückes, in welchem ein Ehemann die Treue seiner Frau
durch einen Freund auf die Probe stellen lässt und sie dadurch zum
Selbstmord treibt. Als Sühne für den begangenen Frevel ist dem
Mann am Ende des Stückes vorgeschrieben, mit dem Kopf gegen
die Wand zu rennen, dass das Blut unter dem Hute hervorläuft.
Um nun einen recht drastischen Eindruck zu erzielen, wurde auf
den Boden des Hutes eine Blase gelegt, deren rothe Flüssigkeit bei
dem Anrennen das Gesicht überströmte.171
Aehnliche grausige Theatereffekte wurden durch die Vorschrift
der rafünirtesten Todesarten und Verstümmelungen in anderen Stücken
erzielt. Einen besonderen Reiz für das Publikum hatte das von den
eigentlichen Gauklern der Truppen mit grosser Geschicklichkeit aus¬
geführte Kunststück des Kopfabschneidens, bei welchem die oben er¬
wähnten Blasen ihre hauptsächlichste Verwendung fanden. Und die
unästhetischen Vorschriften der betreffenden Verfasser, welche die
Hauptaufgabe der tragischen Kunst in der denkbar natürlichsten
Ausführung ihrer V orschriften suchten, wurden durch die Darstellung
eher übertrieben als gemildert.
Nicht auf einen Robertus Browne und seine Gesellen, nicht
auf die fürstlich hessischen Komödianten und andere vor dem Be¬
ginne des dreissigjährigen Krieges in Frankfurt auftretende berühmte
Wandertruppen, wohl aber auf die Compagnieen des Jollifous,
des Peter Schwartz und ihrer unmittelbaren Nachzügler passt den
alten Schriftquellen zufolge das berühmte Wort Hamlet’s : »Es ärgert
mich in der Seele, wenn solch’ ein handfester haarbuschiger Geselle
eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte Lumpen zerreisst, um den
Gründlingen im Parterre in die Ohren zu donnern, die meistens von
nichts wissen als unauslegbaren Pantomimen und Lärm. 0, es giebt
Schauspieler, die ich habe spielen sehen und von anderen preisen
hören, und das höchlich, die, gelinde zu sprechen, weder den Ton
noch den Gang von Christen, Heiden oder Menschen hatten und so
stolzirten und blockten, dass ich glaubte, irgend ein Handlanger der
Natur hätte Menschen gemacht und sie wären ihm nicht gerathen,
so abscheulich ahmten sie die Menschheit nach.«
Dass die Ausartung der sogenannten »englischen Manier«, die
83
in Frankfurt seit dem Anfang des dreissigjährigen Krieges allmählich
begonnen und in den nach dem Friedensschluss folgenden drei De-
cennien ihren höchsten Gipfel erreicht hatte, auch hier ein so grosses
und dankbares Publikum fand, zeugt für die bedauerliche Verwilde¬
rung des Geschmacks, welche besonders die schweren Heimsuchun¬
gen der letzten Epoche cüeses Krieges für Frankfurt im Gefolge ge¬
habt hatten. Man muss sich an die grauenvollen Scenen der grossen
nationalen Tragödie erinnern, um begreifen zu können, dass die
abgestumpften und herabgestimmten Gemüther sich nicht mit Abscheu
von einer Kunst wandten, welche ihnen die schmerzlichsten Erinne¬
rungen immer wieder durch allzu natürliche Reminiscenzen zu be¬
leben suchte.
Wenn man noch heute einen durch die Leidenschaft streiten¬
der Parteien herbeigeführten blutigen Vorgang scharf kennzeichnen
will, so gebraucht man in vielen Gegenden Deutschlands die Be¬
zeichnung »Mordspektakel«. So nannte man aber die grausigen Vor¬
stellungen in jener Zeit. Der gesunde Sinn des Volkes, der in der
Uebernahme solcher Ausdrücke oft einen feinsinnigen Takt verräth,
rächte sich also gleichsam in der späteren Verwendung ihres Titels
für den entsittlichenden Einfluss, den diese Schauerstücke einst auf
die Herzen der Zuschauer ausgeübt hatten.
Müssen wir aber auch ihre Ausschreitungen tief beklagen: der
innere Kern der berufsmässigen Schauspielkunst wurde durch diese
vorübergehenden Entwickelungskrankheiten nicht angesteckt. Auch
die verwilderten Komödiantenbanden, von denen eigentlich nicht die
geringste Förderung der Bühne zu erwarten war, leisteten ihr einen
wichtigen Dienst durch die wenn auch rohe, aber lebendig anschau¬
liche Darstellung menschlicher Zustände.
In ihren gewaltsamen Uebertreibungen lernte die Schauspiel¬
kunst sich selbst und ihren weitgehenden Einfluss zum ersten Male
ganz verstehen, und bei dieser Erkenntniss ging es ihr wie einem
kraftstrotzenden Jüngling, der im ersten Bewusstsein der in ihm
wohnenden Stärke allerlei tolle, gesetzwidrige Kraftproben ablegt.
Die Bahn zur- weiteren und besseren Aneignung Shakespeare’-
sclier Werke, — des Grössten und Erhabensten, was jemals ein
Menschengeist geschaffen, — blieb freilich durch die Nachwirkung
dieser Jugendsünden lange verschlossen, aber man wird nicht zu
schwer darüber urtheilen, wenn man bedenkt, dass auch in Eng¬
land, wo die heuchlerische und grämliche Puritanerherrschaft bald
dem goldnen Zeitalter der Königin Elisabeth nachfolgte, die Shake-
speare’schen Werke rohen, jene wilde Spielweise fördernden Nach¬
bildungen weichen mussten.
Ein eigenthümlicher Punkt aber bleibt es dennoch in der Frank¬
furter Theatergeschichte, dass in der ersten Epoche des Singspiels
und jener furchtbaren Schauerstücke, die keinen eigentlichen Werth
6*
84
für die Literatur besitzen, auch hie und da, wie bereits erwiesen
wurde und noch ferner dargethan werden soll, durch Joris Jollifous
die Werke des gelehrten Dichters Gryphius zur Darstellung gebracht
wurden, welche durch ihre glanzvolle, bilderreiche Sprache in der
Geschichte der Dichtkunst eine bedeutende, in dem Entwicklungsgang
des deutschen Schauspiels aber nur eine untergeordnete Stellung
einnehmen.
Um so mehr muss man sich über die Aufführung einiger
Tragödien von Andreas Gryphius wundern, wenn man bedenkt, dass
dieselben in einem schwer zu sprechenden Versmass, in dem durch
die schlesischen Dichterschulen neu eingeführten Alexandriner ge¬
schrieben sind. - — Die Schauspieler, welche wohl an die altdeutschen
viersilbigen Beimpaare, aber hauptsächlich an Prosa gewöhnt waren,
hatten beim lebensvollen Sprechen dieser zur Deklamation drängenden
Verse grosse Schwierigkeiten zu überwinden. Ein Beispiel hierfür,
welches zugleich zeigt, dass Gryphius die wirksamen grausigen
Farbentöne der englisch - deutschen Stücke keineswegs verschmähte,
liefert ein Monolog des Geistes der imglücklichen schottischen Maria,
der neben andern Geistererscheinungen in der Tragödie »Carlos Stuart
oder Ermordete Majestät« schon bei der Lectüre nicht wenig zu dem
grausigen Eindruck des ganzen Stückes beiträgt.
Nachdem die Geister der ebenfalls enthaupteten Thomas Went,-
work, Grafen von Schottland, und des Wilhelm Laud, Erzbischoff von
Canteiberg ein düsteres, monotones Zwiegespräch gehalten haben,
erscheint Maria Stuart dem auf seinem Bette liegenden Enkel und
spricht :
Das immer frische Blut, das aus den Adern rinnet
Und Brüst und Leinwand färbt, das Quell das stets beginnet,
Und keinmal sich verstopft, träufft nieder auf das Land
Des rasenden Gebrüts, dass die entweihte Hand,
Gewohnt in Fürsten Blutt ohn unterlass zu baden
Und Königs Leich auf Leich und Mord auf Mord zu laden.
Das Bicht-Beil, das man hier uns an den Nacken setzt,
Wird noch auff Stuarts Stamm durch eine Schar gewetzt.
So, wie Maria fiel, wird unser Sohns Sohn leiden,
Der Greuel soll anitzt vil tausend Augen weiden,
Den Foudringen verbarg. Sein London will es sehn,
Das keinen Meyneyd acht, das Gotts Gesalbten schmehn
Und Printzen schimpffen kann ! das ungezeumte Buben
Lässt richten über die, die Fürst und Volk erhüben.
Das aller Zeiten Schuld durch härter Sünd erneut
Und sich ob diesem Werk als einem Lustspiel freut.
Verfluchtes Stück man sieht die unerzognen Hauffen
Wie rasend tolle Zucht der jungen Hunde lauffen.
85
Was ist ’s den Britten mehr umb eines Königs Haupt?
Es ist der Inseil Art! Vmb dass ihr Edward glaubt
Gab er sein Leben hin ! — Wilhelm der rott eröttet
Ynd zappelt in dem Blut. Ihr Richhard ward getödet.
Durch den geschwinden Pfeil. Johann verging durch Gift,
Das ihm das Kloster mischt. Was hat man nicht gestifft
Auffs zweyten Edwards Kopff, der sich des Reichs begeben
Ynd dennoch nicht erhielt das jammervolle Leben,
Wie Richardt auch der zweit in Hunger unterging,
Ynd Heinrich Frankreichs Herr den der Yerräther fing
Ynd in dem Thurm erwürgt, der Yetter Richhard wetzte
Die Kling auff Edwards Herz, und als er kaum sich setzte
Auff des entleibten Thron, erblass er in der Schlacht.
Des Achten Heinrich Sohn ward plötzlich weggemacht
Durch unendekte Gifft. Wo ist Johanna blieben?
Wie oft war dise schon dem Richtbeil zugeschrieben.
Die endlich wiederumb den harten Schluss aussprach.
Ynd wider Recht den Stab auff Cron und gleiche brach.
Yerfluchter Tag ! als Avir von Königen gebohren,
Die Könige gezeugt, von Königen erkohren,
Die Gallien beherrscht, der Schottland eigen Avar
Die Erbin Albions vor frembder Mörder Schar
Erschinen als verklagt: als Knechte sich vermessen
Als Knechte Avieder uns den Richter-Stul besessen
Ynd die, die keine Macht kennt über sich als Gott
Der Printzen setzt vnd rieht, verweisen zu dem Tod.172
Nachdem der Geist der Maria Stuart noch einmal ausführlich
geschildert hat, welches Ungemach den Königen seit langer Zeit an-
gethan Avorden sei, beschliesst er seine Rede mit. einem grausen¬
erregenden Hinweis auf die bevorstehende Enthauptung des un¬
glücklichen Nachkommen.
Yon dem langathmigen und unnatürlichen Monolog eines ab¬
geschiedenen Geistes, der dem Leser zu Gefallen noch an einigen
Stellen gekürzt wurde, kehren wir nun zu Joris Jollifous zurück,
dessen Repertoire allem Anschein nach ein wahres Quodlibet der
mannigfaltigsten dramatischen Erscheinungen war. Schon am 16.
Juli 1657 ist er Avieder in Frankfurt und sucht bei dem Rath um
die Vergünstigung nach, bei der bevorstehenden Kaiserwahl Leopold I.,
seine Actionen wieder repraesentiren zu dürfen. Nachdem der Eng¬
lische Komödiant unter der Bedingung Erlaubniss erhalten hatte,
dass er »dem Publico zum Besten einen Imposte davon entrichte«173
d. h. dass er dem Gemeinwesen eine Abgabe leiste, sah er sich als¬
bald nach einem für seine Vorstellungen geeigneten Platze um. Das
Ballenhaus zum Krachbein Avar bereits vergeben; denn am 14. Juni
86
hatten schon die mittlerweile durch einen Aufenthalt am kurfürst¬
lichen Hofe zu Heidelberg wieder schuldenfrei gewordenen Hoch-
teutschen Komödianten Peter Schwartz und Hans Ernst Hoffman n
sich die Erlaubniss für ihr Spiel und die Beschlagnahme des eben¬
genannten Lokals vom Rathe zusichern lassen.
Welche Mühe Jollifous mit der Auffindung eines passenden
Raumes für sein Theater hatte, geht aus einer Bittschrift vom 27.
August 1657 hervor, worin er den Rath um Anweisung eines Platzes,
vielleicht in der Catharinenpforte oder anderswo angeht. Aber die
Yäter der Stadt theilten ihm in ihrer kurzen bündigen Weise mit,
dass er sich für einen ungefährlichen Ort selbst zu sorgen habe,
auf welchen Bescheid Jollifous, das Schadische Haus in der Tönges-
gasse, das dem Engelthaler Hof gerade gegenüber lag, für seine Zwecke
ins Auge fasste. Auch hier würde er jedoch mit seiner Compagnie
nach langem Suchen noch kein sicheres Unterkommen gefunden haben,
wenn nicht dessen Eigentlnimer, der Amtmann Johann Leuchter
zu Windecken, mehrmals um Zulassung für ihn eingekommen wäre. —
Her Rath setzte sich nun mit den Bauherrn in Verbindung und
nachdem dieselben die Aufrichtung einer Komödienhütte an die das
Gehöft jenes Hauses (wahrscheinlich Lit. H, No. 163) abschliessende
Stadtmauer für unbedenklich erklärt, konnte Jollifous endlich mit
dem Aufbau seines bretternen Musentempels beginnen.
Inzwischen hatte die Hochteutsche Compagnie, weil verschiedene
hohe Personen im Krachbein ihren Wohnsitz genommen, aus dem
Ballenhaus dieses Gasthofs wieder weichen müssen. Da aber all¬
mählich immer mehr schaulustige fremde Gesellen mit ihren Ge¬
bietern in die weltberühmte Wahl- und Krönungsstadt einzogen,
wurden die Komödianten durch diese Ausweisung in eine sehr pein¬
liche Lage versetzt. Nach beinah vierzehntägigem Suchen fanden
sie endlich einen anderen Platz in dem geräumigen Nürnberger
Hofe, welchen ihnen die Eigenthümer, die Mitglieder der Ganeijschaft
Limpurg, ohne weiteres Bedenken gegen einen guten Zins zusagten.
Die Führer der Compagnie hatten aber den Rath noch nicht um den
Consens für den Aufbau einer Hütte auf den erwählten Ort ange¬
gangen, als auch schon die ganze Nachbarschaft des Nürnberger Hofes
gegen »ein solch geferlich ansinnen des Comödiantengelichts« die In-
hibirung des Baues der Hütte von Obrigkeits wegen beantragte.
Auf die durch alle nur denkbaren Voraussetzungen wegen
Feuers- oder andrer Gefahr unterstützte Supplikation konnte der Rath
nicht anders, als den Herren Ganerben durch den jüngeren Bürger¬
meister sagen lassen, dass sie von der gegebenen Erlaubniss abstehen
und die Komödianten sogleich von ihrem Grund und Boden weisen
sollten.174
Nachdem Peter Schwartz und Hans Ernst Hoffmann aus dem
Nürnberger Hof vertrieben worden waren, wollten sie sich ein Ko-
87
mödienhaus in der Hasengasse neben den Brandleitern aufrichten
lassen, jedoch auch dort erhoben sich die Häuserbesitzer in der Nähe
gegen ein »solch meschantes und gefehrliches Vorhaben«. So mussten
sie sich denn endlich zu den grossen Räumlichkeiten im Pfuhlhof
entschlossen, deren hohen Miethzins sie schon bei ihrem vorigen
Aufenthalt in Frankfurt kaum zu erschwingen vermocht hatten. Aber
das Glück war ihnen diesmal günstig, ihre Vorstellungen wurden
ebenso stark besucht wie die des Joris Jollifous, der durch sein näher
gelegenes Local besonders vornehme Liebhaber herbeizog.
Es entspann sich nun zwischen beiden Truppen, tlieils aus Ehr¬
geiz, theils aus Brodneid eine Coulissenfehde, die von beiden Seiten
mit der grössten Heftigkeit geführt wurde. Sie suchten in ihren
leider nicht erhaltenen gedruckten Ankündigungen einander herab¬
zusetzen und zu überbieten, nahmen bisweilen, um die beiderseitigen
Kunden einander abspenstig zu machen, niedrigere Preise und suchten
sogar in Wirthschaften hie und da Händel miteinander, die sogar
mehrmals in »bösen lerm und ärgerliche knufferei« ausarteten.175
Am 29. September 1657 erreichten die gegenseitigen Reibereien
ihren Höhepunkt. Wahrscheinlich um endlich festzustellen, wer von
ihnen in der Achtung eines hochweisen und hochedlen Rathes am
höchsten stehe, offerirte jede Truppe in der festen Hoffnung, die er¬
sehnte Auszeichnung zu erhalten, den Vätern der Stadt an einem
Tage und zur selben Stunde von Nachmittags 3 — 6 Uhr eine »freie
Comödia«.176 Gleichzeitig kamen sie beide um die Vergünstigung
ein, noch einige Zeit ihre Vorstellungen fortsetzen zu dürfen. Der
Rath gewährte ihnen zwar die letzte Bitte, nahm aber ihr erstes
Anerbieten nur unter dem Vorbehalte an, dass beiden Truppen ein
gewisser Tag zur Abhaltung solcher Comödia nach Belieben festge¬
setzt werden könne. Die Väter der Stadt durchschauten jedenfalls
die bedenkliche Parisrolle, die ihnen die Komödiantenführer zuertheilt
hatten und umgingen in Hinsicht auf die sicher bevorstehenden üblen
Folgen die Einladung durch eine kluge Vorsichtsmassregel. Ausser¬
dem erhielten die Komödianten gleichzeitig noch einen Wink, dass
sie sich vertragen und nicht unausgesetzt bekriegen sollten.
Dieser von dem jüngeren Herrn Bürgermeister Hartmann Weitz
mitgeth eilte Befehl, hatte nicht allein einen Waffenstillstand, sondern
einen förmlichen Friedensschluss zu fernerem gemeinsamen Streben
zur Folge. In einer Eingabe vom 13. October 1657 sagen Jollifous,
Hoffmann und Schwartz, dass sie sich nunmehr, wie unterschiedlich
von vielen vornehmen Liebhabern gewünscht, in Eintracht zusammen
gethan. Nachdem sie dann in umständlicher Weise geschildert, dass
der diesjährige Verdienst doch nicht so gut gewesen sei, weil er
habe getheilt werden müssen, fahren sie fort: »So stehen wir nun-
mehro in guter Hoffnung, das durch unsere Vereinigung, neuen Fleiss
und gute Order, indem wir nun stärker und capabler sein, etwas
88
wackeres und nahmhaftes zu präsentiren«. Sie glauben auch ihre
Creditores vollkommen befriedigen zu können, »sintemal nicht allein
von dieser Stadt Einwohner, sondern vielmehr von den frembden
Anwesenden noch solche leute vorhanden, auch noch mehr erwartet
werden, die einer täglichen und zulässigen Zeitkürzung nicht wohl
ermangeln können.«
Die von vielen vornehmen Liebhabern gewünschte Vereinigung
war aber nicht von langer Dauer. Schon nach der ersten gemein¬
samen Vorstellung gab es durch Meinungsverschiedenheiten hinter
dem Theater einen Streit zwischen den Truppenführern, der in eine
allgemeine und besonders harte Balgerei unter den Gesellen aus¬
artete.177 Nach diesem Coulissenscandal trennten sich die beiden
Compagnieen sofort, und die alten Feindseligkeiten wurden aufs Neue
wieder aufgenommen. Der Rath jedoch, der über den allzu realisti¬
schen V organg unterrichtet worden war, untersagte am anderen Tage
beiden Truppen das Weiterspielen.178
Die Meister der hochteutschen Compagnie nahmen diesen
Bescheid ohne Widerspruch hin, aber Joris Jollifous, der nicht in
der Lage sich befand, von hinnen reisen zu können, bat flehentlichst
um gnädige Abwendung desselben. Er erinnerte an seinen guten
Ruf, an sein wiederholtes Hiersein und schilderte dem Rath seine
traurigen Familien Verhältnisse, besonders den Zustand seiner leidenden
Hausfrau, zu welcher er täglich zwei tlieure Aerzte kommen lassen
müsse.179 Die geschickte Zusammenstellung aller dieser Thatsachen
erweichte die in ähnlichen Fällen sonst ziemlich abgehärteten Ge-
müther eines hochedlen Rath es. — Er gestattete dem Jollifous nicht
allein noch einige Zeit wöchentlich 2 — 3 Vorstellungen nach der
Messe geben zu dürfen, sondern nahm ihn aus Rücksicht für seine
kranke Frau auch den Winter über zu einem Beisassen auf.
Das an theatralischen Ereignissen reiche Jahr 1657 darf nicht
seinen Abschluss erhalten, ehe noch eines Künstlers gedacht worden
ist, dessen Leistungen eigentlich in das Gebiet der niederen Komik
gehören, aber in Frankfurt einen ausserordentlichen Beifall fanden.
Während der Wahl- und Krönungszeit gab auch der berühmte ita¬
lienische »Dockenspieler« Petro Gimonde de tel Bolognia in der
Schmidtstube Vorstellungen, 180 in denen neben den feingezierten
Docken auch der Pulcinella, der italienische Possenreisser im Sinne
des Pickelhäring, eine grosse Rolle spielte. — Diese komische Figur
besass im Aeusseren eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit den
heutigen Clowns bei den englischen Reitergesellschaften. Der Pul¬
cinella hatte gewöhnlich ein weiss bestrichenes Gesicht, einen grossen
brennend roth gemalten Mund, ebensolche Backen und eine abscheu¬
lich grosse Nase. Nicht selten trug er einen grossen Höcker und
dick ausgestopften Leib, welche beiden charakteristischen Merkmale
89
sich besonders bei dem niedrigen Yolke einer grossen Beliebtheit
erfreuten.
Petro Gimonde , der allein dem Besitzer der Schmidtstube im
Voraus 40 Rchsthl. zahlte, erfreute sich eines so ausserordentlichen
Zuspruchs von Hoch und Gering, dass ihm der Rath , dessen vor¬
nehme Mitglieder sich selbst an seinen komischen Leistungen höch¬
lichst erquickten, ohne Bedenken bis Ende October zu spielen ge¬
stattet e. Diese Erlaubnis scheint die gegen alle theatralischen Vor¬
stellungen mittlerweile immer misstrauischer gewordene Geistlichkeit
Frankfurts durch eine entschiedene Einsprache beschränkt zu haben.
Petro Gimonde erhielt nämlich nachträglich den Befehl, dass er bei
Strafe von 100 Tlilr. trotz dem Begehren des Publikums nie an einem
Sonntag spielen dürfe.
Wie die beiden Komödiantentruppen, so nahm auch Gimonde •
2, 3, 5 und 6 Albus Eintrittsgeld, er gab auch gedruckte Ankün¬
digungen seiner Vorstellungen aus, welche Thatsache aufs Neue die
Annahme unterstützt, dass die wandernden Schauspieler sich eben¬
falls auch dieser Art der Bekanntmachung für ihre Vorstellungen
bedient haben.
Jollifous, der mit seiner Familie den Winter über in Frankfurt
blieb, spielte auch im folgenden Jahre während der Krönung Leo¬
pold I. Bei den von vielen Fremden besuchten Sollenitäten, füllte
sich seine Kasse derartig, dass er nicht allein seine vielen Schulden
bezahlen, sondern auch noch einen bedeutenden Ueberschuss zur
Restituirung seiner Komödien gegenstände und zum Unternehmen
einer weiten Kunstreise zurücklegen konnte.181 Besonders häufig
wurden seine Vorstellungen von dem Kaiserlichen Gefolge aus Wien
besucht, dessen Mitglieder wie die Kaiserliche Majestät selbst grosse
Gönner des Theaters waren. — Diese ausserordentliche Begünstigung
veranlasste ihn auch wohl zu seiner 1658 nach Wien unternommenen
Kunstreise. Seine dort eingereichten Gesuche Unterzeichnete er, wie
auch oft in Frankfurt, mit Joseph Jori und nannte sich zugleich
auch Heidelbergischer Komödiant.182 Dass' er sich diese Bezeich¬
nung beilegen durfte, hat seinen Grund in einer neuen Vereinigung
mit Peter Schwartz und Hans Ernst Hoffmann , welche ebenfalls
während der Krönungsfeierlichkeiten in Frankfurt gespielt hatten und
nach dem Schluss derselben im August 1658 mit Jollifous gemeinsam
an den Hof ihres Gönners, des Kurfürsten Karl Ludwig von der
Pfalz in Heidelberg, reisten. Jedenfalls unternahmen sie von dort
aus ihre Fahrt nach Wien, wo ihren Vorstellungen aber von Zeit¬
genossen kein ehrendes Zeugniss ausgestellt wurde. Sie waren mit
den »scandalösesten Zoten pikant gewürzet« und eigneten sich durch
das Vorherrschen des Pickelhärings darin viel mehr für ein ausge¬
lassenes Carnevalspublikum als für die durch anmuthige Schäferspiele
sehr verwöhnten Angehörigen des Kaiserlichen Hofes.
90
n.
Der Abzug der beiden regelmässig die Messen besuchenden
Compagnien nach südlicher gelegenen Städten hatte für die Aus¬
übung der dramatischen Kunst in Frankfurt eine Unterbrechung von
zwei Jahren im Gefolge. Es will aber nicht damit gesagt sein, dass
während dieses Zeitraums keinerlei theatralische Vorstellungen in
Frankfurt stattgefunden hätten. In jeder Messe spielten minder be¬
deutende Wandertruppen in Bretterbuden am Main, aber ihre Vor¬
stellungen sind so untergeordneter Natur, dass sie auf den Entwick¬
lungsgang der Schauspielkunst in Frankfurt nicht den geringsten
Einfluss gehabt haben.
In der Ostermesse 1661 kam Johannes Jenicke »Hochteutscher
Comicus« mit einer starken Gesellschaft zum erstenmal nach Frank¬
furt. Seine erste Eingabe an den Rath wurde abgewiesen, die zweite
hingegen erhielt unter dem Vorbehalt Willfahrung, dass er an den
heiligen Tagen nicht zu agiren« angewiesen wurde.183
Es ist mehrmals ausgesprochen worden, dass der als Komiker
hochberühmte Jenicke sogenannte Haupt- und Staatsactionen in
Frankfurt habe aufführen wollen, da er aber in keiner seiner Bitt¬
schriften diese Bezeichnung gebraucht, sondern selbst immer nur
von Komödien redet, so dürfte diese Annahme irrthümlich er¬
scheinen. Ueberhaupt kommt der Titel Haupt- und Staatsactionen,
dieser Prahlhans von einem Wort, erst zu Ende des 17. und Anfang
des 18. Jahrhunderts in der Geschichte des deutschen Schauspiels
vor, selbst in Gottsched ’s dramatischem Vorrath ist nirgends eine
Spur von einer solchen Bezeichnung aufzufinden. Jenicke kann
also nur sogenannte Hauptactionen aufgeführt haben, wenn man da¬
runter besonders prunkvolle, durch alle möglichen Maschinerien
unterstützte Stücke versteht. Und in dieser Hinsicht sollen seine
Vorstellungen allerdings die seiner meisten Vorgänger bei weitem
übertroffen haben. Nach einer traditionellen Mittheilung aus dem
ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts besass Jenickes Theater im
Krachbein einen Vorhang mit Quasten, es hatte auch Seitencoulissen
und eine Flugmaschine, welche den Hanswurst »in einem Nu« den
Augen der Zuschauer entrückte. — Ueberhaupt waren alle »Zuthatten
sehr prächtig, wie man sie in vorigen Dägen nur gar selten hier
gesehen«, und »die onterschiedlichen Masken des Bossenreissers oft
so erschröck lieh , dass man aus lauter Furcht hätte auf und davon
laufen mögen«. — Auf diese komischen Hülfsmittel Jenickes passte
sicher die Schilderung Grimmelshausens, der in seinem Werk »das
wunderbarliche Vogelnest« etc. eine Beschreibung einer solchen Maske
entwirft: »Es waren eben damahl eine Compagnie Engeländischer
Komödianten in der Stadt angelanget, welche von dar wieder nach
Hause verreisen wollten und nur auff guten Wind warteten über-
91
zusegeln. Von denenselben entlehnte ich eine erschreckliche Teuffels-
Larven, die hatte ein paar Ochsenhörner, ein paar gläserne gantz
feurige Augen, so gross als Hüner-Eyer, ein paar Ohren wie ein
gestutzt Pferd, anstatt der Nasen einen Adler-Schnabel, einen Schlund
wie der Cerberus selbst, einen Box-Bart; anstatt der Hände Greiffen-
Klauen und anstatt der zehen gespaltene Kuhfiiss. Man konnte er-
schröcklich Feuer daraus spevon, wann man wolte, und sähe so
fürchterlich aus, dass man nur von seinem Ansehen hatte erkranken
oder wohl gar sterben mögen.«184
Jenicke’s komische Leistungen gefielen so ausserordentlich in
Frankfurt, dass er in der Herbstmesse 1661 zurückkehrte und wie¬
der »männiglich zu einer recreation und gemüthsbelustigung aller¬
hand schöne neue nützliche und exemplarische Comödias comicas«
im Krachbein zur Darstellung brachte.185
Bei dem grossen Andrang zu seinen Vorstellungen versäumte
er es aber, dem Rath durch eine freie Komödie zu danken, wess-
halb er sich später sehr umständlich und demüthig bei den Vätern
der Stadt entschuldigte.
Johann Jenicke’s Kunstthätigkeit hatte in Frankfurt das Interesse
an komischen Vorstellungen bedeutend gefördert. In Rücksicht hier¬
auf fand in der Ostermesse 1662 Heinrich Mons, Tanzmeister aus
Hamburg, der auch »allerhand lustige, sinnreiche und erbauliche
Komödien agiren wollte«, sofort freundliche Aufnahme.186 Er spielte
im Pfuhlhofe, wo er auch seine »Danz- und Complementirlektiones«
ertheilte und sich noch beinahe drei Wochen nach dem Schluss der
Messe aufhielt. Ob er im Herbste wiederkehrte, lässt sich nicht mit
Gewissheit feststellen ; dass er dies jedoch beabsichtigte, beweist das
Vorhandensein einer Eingabe an den Rath, deren aber weder in den
Senatsprotokollen noch in den Bürgermeisterbüchern Erwähnung ge¬
schieht. Wie Jenicke, so durfte auch Mons die »heiligen Tage«
nicht spielen; wie alle früheren Komödianten, musste auch er dem
Hospital 50 Rchsthlr. erlegen und zum Besten der Armen eine Vor¬
stellung geben.
In den Akten des Jahres 1663 war über den hiesigen Auf¬
enthalt irgend einer namhafteren Wandertruppe nichts zu finden,
aber es geht aus denselben hervor, dass am 11. Februar des folgen¬
den Jahres sich ein Komödiantenführer für die Ostermesse in Frank¬
furt anmeldete, der trotz seiner leider erfolgten Abweisung bedeutungs¬
voll für die Geschichte des Frankfurter Theaters geworden ist, weil
sich bei seiner aus etwa zwanzig Personen bestehenden Gesellschaft
nicht weniger als zehn Studenten befanden. Dass dieser »Meister
einer hochteutschen Bande«, Caspar von Zimmern, auf einer viel
höheren Bildungsstufe stand als seine meisten Vorgänger, dass er
ein edleres Ziel in der Schauspielkunst anstrebte als z. B. Jollifous,
Schwartz und Hoffmann, das beweist hinreichend die eingereichte
92
Supplication an den Rath.187 Caspar von Zimmern, »der mit seinen
bey sich habenden Sodalen in Aachen, Cöln vnd Coblenz solcher¬
gestalt glücklich agiret, dass er (ohne Ruhm zu melden) gutes Lob
davongetragen«, will hauptsächlich drei Stücke, »nemblich für’s Erste
Von der liebe zwischen David vnd Glonatan, 2) Von der verführten
Diana vnd 3) Von dem Triumph des Königs in Engelland vnd
CromwelTs Höllenfahrt« zur Aufführung an melden.
Die Zusammenstellung dieser Stücke, deren Stoff er, der Meister
der hochteutschen Compagnie, selbst vorbereitet hatte, ist zu eigen-
thümlich, als dass sie hier nicht näher in ’s Auge gefasst werden
sollten. Zimmern wollte mit seinem Repertoire augenscheinlich jedem
Glesch macksbediirfniss genügen. Er gedachte eine der besonders
beim Volke beliebten biblischen Geschichten, einen frei bearbeiteten
Gegenstand aus der Mythologie , welche Gattung durch die Oper in
Aufnahme gekommen war, und eine dramatisirte Begebenheit aus
der jüngsten Vergangenheit zu bringen, che jedenfalls schon im All¬
gemeinen die Grundzüge der später auftauchenden Haupt- und Staats¬
actionen in sich getragen haben mag.
Dass Caspar von Zimmern keine Erlaubniss zu seinen »Tugend-
hafften Actibus« erhielt, hatte jedenfalls nur darin seinen Grund, weil
er aus rheinischen Städten kam, wo damals che Beulenpest eine
grosse Menge Menschen hinwegraffte. Da schon verschiedene An¬
steckungen vorgekommen waren, sah sich der Rath in der Oster¬
messe 1665 sogar zu der Verordnung genöthigt, keine Cölnischen
Güter und Personen diesmal zuzulassen. Für die aus den Rhein¬
landen kommenden Fahrenden Künstler erstreckte sich der Befehl
noch bis auf die Herbstmesse des erwähnten Jahres, vor deren Be¬
ginne die Väter der Stadt verschiedene Komödiantenführer und Seil¬
tänzer sehr entschieden zurückwiesen.
In der Ostermesse 1665 wurde der Compagnie - Meister Carl
Paulson zugelassen, der vorher in Dänemark, Braunschweig und
Lüneburg agirt und sich mit seiner Truppe hauptsächlich im Exer-
citium comicuni hervorgethan hatte.188
Paulson’s Vorstellungen wurden derartig stark besucht, dass
er sich sogar veranlasst fühlte, am 14. März 1665 den Rath in einer
besonderen Eingabe um die Erlaubniss anzugehen, auch am Sonn¬
tag agiren zu dürfen. Da er nicht über den schlechten Besuch des
Theaters klagen konnte, berief er sich auf die vielen Unkosten, die
ihm seine weite Reise aus Holstein nach Frankfurt verursacht habe,
und erinnerte zugleich an das gemeine Volk, das Sonntags doch zu
einer solchen Lustbarkeit am besten abkommen könne. Obgleich
Paulson sich erbot, damit der Gottesdienst dabei nicht verabsäumt
werde, den Actus nicht eher als etwa um 3 oder 4 Uhr seinen
Anfang nehmen zu lassen, wurde sein Begehren sofort mit ebenso
grosser Entschiedenheit als Entrüstung abgelehnt. Der Rath, dessen
93
Mitglieder durch das furchtbare Umsichgreifen der Pest sehr ernst
gestimmt waren, gestattete nur aus Rücksicht für die Messfremden
eine »Lustübung«, die zu den traurigen Zuständen in der Stadt im
grellsten Widerspruch stand.
Ob Carl Paulson, der weder die Erlaubniss erhielt, an Sonn¬
tagen Vorstellungen zu geben, noch nach dem Schluss der Messe
spielen durfte, identisch ist mit jenem jugendlichen Obristlieutenants¬
sohn Carl Pauls, der 1628 der Führer von einer meistenteils aus
wohlerzogenen und studirten Leuten bestehenden Gesellschaft wurde,
mag hier unentschieden bleiben. Durch den Umstand, dass jener
Carl Pauls die Possenspiele durch Darstellung ernster übersetzter
Stücke zu verdrängen suchte, der 1665 in Frankfurt spielende Paul¬
son aber das Exercitium comicuni als den eigentlichen Schwerpunkt
seiner Darstellungen ausdrücklich bezeiclmete, erscheint die Ansicht,
dass beide Namen ein und derselben Person angehören, etwas ge¬
wagt. Für die Identität spricht allerdings das Zusammentreffen von
zwei anderen Tliatsachen : beide Komödiantenführer stammten aus
Norddeutschland, wahrscheinlich aus Holstein, und beide besuchten
als ältere Männer mit ihrer Truppe die hauptsächlichsten Städte am
Rhein, Main und Neckar.
In dem Pestjahre 1666, in welchem die Zahl der Gestorbenen
auf 1802 Personen stieg, petitionirten in der Ostermesse wieder ver¬
schiedene Komödiantenmeister , -unter andern auch der berühmte
Jacob Kühlmann, oder Kuhlmann, aus Bautzen, der in Leipzig und
Erfurt spielte und neben schönen Komödien und Tragödien auch ver¬
schiedene neue Pastorellen zur Aufführung bringen wollte.189 Kühl¬
mann erhielt aber einen abschlägigen Bescheid, und als er sich wegen
der grossen Spesen und Reiseunkosten damit nicht zufrieden geben
wollte, wenigstens die damals viel bedeutende Vertröstung, dass er
im nächsten Jahr wieder anfragen solle.190
Auch in der Herbstmesse 1666 wurden keine Komödianten
angenommen. Der Rath Frankfurts glaubte sich jedenfalls in der
durch die oft wiederkehrenden pestartigen Krankheiten entstandenen
Notli schwer zu versündigen, wenn er dem Volke so viele Gelegen¬
heit zu zerstreuenden Vergnügungen verschaffen würde.
Trotzdem das Jahr 1666 für die Frankfurter Theatergeschichte
ziemlich bedeutungslos erscheint, fällt aber ein Ereigniss in dasselbe,
welches auf ihren späteren Entwicklungsgang den grössten Einfluss
ausüben sollte. In diesem Jahre wurde Philipp Jacob Spener nach
Frankfurt berufen, jener wahrhaft fromme Geistliche, nach dessen
streng religiösen Ansichten der Sinn für dergleichen Vergnügungen
mit einem ernsten, sittlich strengen Lebenswandel unvereinbar war.
Spener brachte es während seiner langjährigen hiesigen Thätigkeit
von 1666 — 1686 durch sein seelsorgerisches Wirken, besonders aber
durch seinen eigenen tadellosen Wandel so weit bei dem grössten
94
Theil der Bewohner Frankfurts, dass allmählich eine wahrhaft puri¬
tanische Sittenstrenge aufkam, welche besonders das Theater und
alle dergleichen Belustigungen für nachtheilig und seelenverderbend
ansah.
Die Kirche, welche auch in Frankfurt noch kaum hundert
Jahre früher in der dramatischen Kunst eine bedeutende Helferin
bei der Verbreitung ihrer Heilslehren anerkannt hatte: sie erklärte
die Schaubühne nun von den Kanzeln herab für ihre Feindin und
forderte alle Gläubigen auf, gemeinsam gegen sie anzukämpfen.
Allerdings wurde dieses Verhalten gewissermassen durch den herab¬
gekommenen Zustand der meisten Wandertruppen, durch das zu
ernster Sinnesrichtung drängende Herrschen der Pestepidemien und
durch die Thatsache erklärt, dass das deutsche Theater damals noch
sehr arm an solchen Stücken war, welche der Kirche über ihre
hie und da wirklich begründeten Bedenken hätten hinaus helfen
können.
Ueber den Aufenthalt von Komödianten in Frankfurt zur Oster¬
messe 16G7 liess sich in den Archivalien nichts ermitteln ; dagegen
feststellen, dass in der Herbstmesse desselben Jahres Jacob Kuhl-
mann zweimal um die Erlaubniss nachsuchte, seine Haupt- Actiones
(nicht zu verwechseln mit Haupt- und Staatsactionen) »in dieser welt-
benalmiten Wunder-Stadt mit einer wohlgeübten Compagnie dar¬
stellen zu dürfen«. Ungeachtet der vorjährigen Vertröstung aber
wurde er im Hinweis auf die kaum überstandene Heimsuchung der
Stadt wieder abgewiesen.191 Der Kath, welcher in diesem Jahre die
vorsichtigsten Massregeln anordnete, um der weiteren Verbreitung
der Pest energisch entgegenzuwirken, hielt sich bei dieser ernsten
Aufgabe an seine Zusage, wenn eine solche aus der Vertröstung auf
später überhaupt gefolgert werden darf, jedenfalls nicht für gebunden.
Welch’ ein starker Anziehungspunkt aber die Frankfurter
Messen für die damals hervorragendsten Wandertruppen gewesen
sein müssen, das beweisen die mannigfaltigen und oft höchst origi¬
nellen Kunstgriffe, durch welche sie sich beim Batli Eingang in die
Stadt zu verschaffen suchten. Nach zehnjähriger Abwesenheit woll¬
ten Peter Schwartz und Hans Ernst Hoffmann mit ihrer Compagnie
»die viel berühmte Wunderstadt am Mayn« wieder einmal besuchen.
Da sie aber wegen zurückgelassener Schulden eine Abweisung be¬
fürchteten, suchten sic den Vätern der Stadt durch das Anträgen
einer Pathenstelle bei einem Zwillingskinde des Peter Schwartz einen
derartigen Bescheid unmöglich zu machen. Die originelle Eingabe,
worin der glückliche Vater dem Rath sein seltsames Begehren vor¬
trägt, soll hier wörtlich Erwähnung finden, weil sie zugleich den
geschraubten Ton beleuchtet, in welchem alle damaligen und auch
späteren Komödiantenführer schriftlich mit dem Rathe Frankfurts zu
verkehren pflegten.
95
»Wol Edle, Gestrenge, Edle, veste, fiirsiclitige, hoch und wol
weise, grossgünstige, liebe Herren.
Nebenst ob wol später iedoch treuhertziger Wüntschung eines
glückseeligen Fried und Freuden reichen neuen Jahres, beständiger
Gesundheit, langen lebens, glücklicher Regierung dero löblichen Re-
public, und alles selbst erwüntschten wolstandes, seind E. Gestr.
und Herl, meine wiewohl gering schätzige nichts desto weniger
aber in unterthäniger Devotion treu gemeinte Dienste ieder Zeit
bevor, und wenn ich sambt meinen Cameraden und sämbtlichen
Compagnie deren Dexterität sich in Profession Comica verwichnen
Wahltag zur gniige hatt sehen lassen, auf bevorstehende Messe
wiederumb die Freiheit erlangen möchten, unsere vortreffliche neue
noch nie gesehene und andern Comödianten unbekannte Geist und
weltliche Schauspiele mitt E. Gestr. und Herl, grossgunstigen Be¬
willigung auf öffentlichen Schauplatz zu führen, wollten wir solches
für einen guten Theil unserer Zeitlichen Glückseligkeit halten. Ich
habe aber E. Gestr. und Herl, eines alliier in Heidelberg mir ab¬
sonderlich zugestandnen Glücks unterthänigen Bericht hiemit zu er-
theilen nicht umbgang nehmen wollen, indem der allgütige Gott mir
ein sonderbahr angenehmes Neu Jahrs Geschenke zugeschickt, als
Er vor wönig Tagen meine liebe Hausfrau ihrer weiblichen Bürde
entbunden, und uns beide mit Zweier jungen und gesunden Son-
tags-Söhnlein gnädiglich erfreuet hat. Weil wir denn E. Gestr. und
Herl, als unter deren Schutz wir künftig unser Glück zu suchen
verhoffend, zyi Tauf Zeugen in unseren Herzen erwehlet, als ist
dero hohe Stelle bey denen gebräuchlichen Tauf Ceremonien, durch
eine absonderlich hierzu erbetene adeliche Person albereit vertreten
worden.
Wenn ich denn nicht zu befürchten habe, bevoraus bey einem
dobbelten Segen Gottes, dass E. Gestr. und Herrl. auf meine kühne
Vermessenheit etwan eine Ungnade werffen möchten indem es vor
etlichen Jahren von Regenspurg meinen Cameraden nicht vor ungutt
aufgenonunen worden.
Als gelanget an dieselbe mein unterthänig gehorsames Bitten,
meiner jungen Söhnlein hochansehnliche Herren Tauf-Zeugen, mein
und meiner Frauen aber grossgunstige und hochgeehrte Herren Ge¬
vattern zu sein und zu verbleiben. Und weil wir uns entschlossen
haben, dieser Tagen einen oder ein paar von unserer Compagnie
vmb grosgT. Erlaubnüss auf hirbei nahende Messe anzuhalten, hinab
zu schicken, als lebe ich der ungezweifelten Hofnung, dass E. Gestr.
und Herrl. selbige mitt einem erfreulichen Bescheid widerumb zu
uns abfertigen werden. Es wird sich ein ieder unter uns nach
der Regel der Tugend richten und ich in Sonderheit werde mich
bemühen in der Thatt nach menschlicher müglichkeit, zu erweisen,
96
dass ich hin und die gantze Zeit meines lebens zu verbleiben
gedenke
Heidelberg den 25. Januarii E. Gestr. und Herrl.
des 1668sten Jahres. als meiner grossgunstigen und hoch¬
geehrten Herren Gevattern
unterthanig, gehorsamer und ewig
dankbahrer Diener
Peter Schwarte, der anitzo zu Hei¬
delberg befindliche Compagni Co-
moedianten Mitt Director.«192
Obgleich jedoch der Rath, »wie es nun einmal Christenpflicht«,
die Pathenstelle nicht ablehnte, so fühlte derselbe doch nur in sofern
ein menschliches Rühren mit dem neuen Gevatter, als er seinen
jungen Sonntags-Sölmlein ein ansehnliches Geldgeschenk nach Heidel¬
berg zuschickte. Gleichzeitig erfolgte aber auch als böse Zugabe der
gestrenge abschlägige Bescheid.
Trotz der »fürnehmlichen Spende« mochten die Komödianten
nun doch wohl fühlen, dass sie zu weit gegangen waren und nicht
das rechte Mittel zur Erwerbung der begehrten Erlaubniss angewandt
hatten. Sie fassten desshalb den Entschluss, ihren vermessenen An¬
trag durch ein ehrliches Geständniss in einer weiteren Bittschrift
darzulegen und zugleich den Kurfüsten Carl Ludwig um ein Zeug-
niss über ihre sechszehnwöchentliche Thätigkeit zu bitten. Aus dem
Entschuldigungsschreiben an den Rath vom 13. Februar 1668 mögen
liier die wichtigsten Stellen wörtliche Wiedergabe finden.
»Die Begierde diese hochlöbliche Stadt wiederumb zu sehen,
ist die zehen Jahr unsrer Abwesenheit so gross bei uns gewesen,
dass auch solchen Zweck zu befördern einer aus unserer Mitten sich
neulicher Zeit unterstanden, E. Gestr. und Herrl. zu Tauf-Zeugen
zweier Zwillinge und Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht zur Pfalz
Mittgevattern zu erbitten, welches so es etwan für ein gar zu kühne
Vermessenheit hatt wollen angesehen werden, als wollen sich E. Gestr.
und Herrl. hiermit grossgünstig berichten lassen, dass es auf nichts
anderes geziehet als uns einen desto freieren Zutritt zu erwerben und
die Thür zur verhofften Erlaubniss der Comödien zu eröffnen«.
Nachdem die Bittsteller dann von ihrem langen Aufenthalt in
Heidelberg gesprochen, die »Abstellung ihrer alten Schulden« in Aus¬
sicht gestellt und auf das einliegende Zeugniss des Kurfürsten Carl
Ludwig aufmerksam gemacht haben, fahren sie fort: »Obgleich seine
Churfürstlichen Gnaden, die uns zum öfteren ihre Inclination sehen
lassen, dies zur desto bessern Befürwortung unsrer Sache abgegeben,
so sollen doch Ew. Herrlichkeiten durch alle unsre Verrichtungen in
der Thatt erfahren , dass wir geschickt genug sein , uns selbsten zu
97
recommandation von nötlien haben. Wir werden auch zu Zeiten
auf italienische manier etwas von machinis sehen und musikalische
Scenen hören lassen, welches vor Teutsche etwas Neues sein wird,
im Uebrigen alle unsre Actiones und noch nach der regel der Tugend
richten.« — Die Bittschrift ist unterzeichnet
Hans Ernst Hoffmann
Peter Schwartz
Johann Wolgeliaben
Christoph Blümel
Sämbtliche Direktors der für diesem zu Insprugg
bedient gewesenen Compagnie Comödianten. 193
Jedenfalls war diese Truppe durch ihre weiten Reisen, besonders
durch ihren Aufenthalt in Wien von 16G3 — 1GG4 in eine neue und
bessere Kunstepoche eingetreten, in welcher nicht die Possenreisserei
des Pickelhäring oder Hanswurst, sondern die Pflege der musikalischen
Stücke den Kernpunkt ihres Strebens bildete. Am Kurfürstlichen
Hof zu Heidelberg erregte nach einer Bemerkung in einer späteren
Bittschrift besonders »die Haubtsingerin durch ihr feinliches lautiren
in italienischer Manier und ihre anmuthigkeit« grosses Aufsehen, »wie
auch noch sonsten Seine Churfürstlichen Gnaden an allen Gliedern
dero semmtlicher Compagnie ein satsames und erquickliches Wohl¬
gefallen hatten«.
Karl Ludwig v. d. Pfalz zögerte auch keinen Augenblick diesen
gethanen Ausspruch der Komödianten in dem begehrten Zeugniss
zu wiederholen. Nach dem schriftlich vorgetragnen Wunsche um
ein paar Worte der Fürsprache ertheilte er seinem Geheimsecretär
zu folgendem Empfehlungsschreiben den Befehl :
»Weiln Supplicanten sich nicht allein in ihrer Profession, son¬
dern auch in anderm ihrem thun und lassen Alliier dergestalt (wie
nicht anderst bewusst) wohl verhalten, dass des Pfalzgrafen Churfürst¬
liche Drchl. ein grossgünstliches und satsames Wohlgefallen daran ge¬
habt. Alss ist in die Unterthänigst gebettene Attestation, ihr Bestes
zu befördern, hiemit Bewilliget vnd werden Höchstgd. Ihre Churfürstl.
Drchl. nicht vngern vernehmen, so selbige bey Bevorstehender Mess
der geschöpften Hoffnung nach, ihnen zustatten kommen möchte.
Yrkund hievor getruckten Churfürstl. Cantzley Secrets.
(Siegel) Heydelberg den 10. February 1GG8. 194
Diese wichtige Fürsprache, welche auf die Rückseite der Suppli¬
kation an den Kurfürsten Karl Ludwig geschrieben ist, hatte sogleich
eine günstige Wirkung. Die mittlerweile in Frankfurt angekommenen
Komödianten durften jetzt ohne weiteres ihre Bühne im Krachbein
aufrichten, noch 14 Tage nach der Messe spielen und sogar ihr
Theater zu künftigem Gebrauch stehen lassen. — Aber gerade die
Vorstellungen, von welchen die Directoren die grössten Einnahmen
98
erwarteten , wurden am wenigsten besucht. »Die Singekomödien«
zogen nur dann den grössten Tlieil des Publikums an, wenn der
Lustigmacher in den Zwischenakten, wie bei anderen Truppen, sein
beliebtes tolles Regiment entfaltete.
Auch schon in jener Zeit mussten die Bühnenleiter die Wahr¬
heit des Götheschen Ausspruchs erfahren »das Theater ist eines der
Geschäfte, die am wenigsten planmässig behandelt werden können ;
man hängt durchaus von Zeit und Zeitgenossen in jedem Augen¬
blicke ab«.
Das damalige hiesige Publikum verlangte aber durch ein hei¬
teres Element über die düsteren Eindrücke der Gegenwart, besonders
über die traurigen Erinnerungen und Nachwehen hinweggetäuscht
zu werden, welche die furchtbaren Pestjahre in Frankfurt zurück-
gelassen. Dies erkannten die Führer »der Inspruggischen Compagnie«
und desshalb baten sie auch am 20. August 1668 von Aachen aus,
in der Herbstmesse hauptsächlich »Verrichtungen in rebus Comicis«
zum Besten geben zu dürfen, »weilen beides, Obrigkeit und Bürger¬
schaft, hieran das meinste und hechlichste Wohlgefallen gehabt
haben«. 1 95
Die Komödiantenführer müssen nicht gleich eine Antwort auf
ihre Eingabe erhalten haben; denn sie bitten am 9. September von
Frankfurt aus nochmals und legen dabei einen besonderen Nachdruck
auf den Umstand, dass sie zwischen der Herbst und Ostermesse nur
an zwei Orten, nämlich in Cöln und Aachen, je zehn Wochen ge¬
spielt hätten. — In dieser Supplikation nennen sie den Rath (neben
andern Schmeicheleien) »die Väter und Erhalter ihres Gliikes, und
den hochansehnlichen und gutthätigen Taufzeugen zweier Zwillinge«.
Dieser Lobpreisung fügen sie dann noch die lockende Versicherung
hinzu »Auch werden wir etwas wunderwürdiges von einer neuen
Invention so weder Tragödie, Comödie, Pastoral oder Histori, der
Schatten genannt, welches bei allen Nationen der Welt niemals ge¬
sehen worden, zum Besten geben«.
War es die Schilderung dieser neuen Kunstgattung , oder die
geschickte Erinnerung an die Gevatterschaft mit dem Komödianten
Peter Schwartz : der Rath machte das Versäumte sofort wieder gut
und gestattete den Direktoren ihre Vorstellungen gleich nach dem
Messeinläuten zu beginnen. Die Komödianten-Directoren scheinen über
die freundliche Aufnahme sehr beglückt gewesen zu sein; denn sie
richten am 24. September ein Dankmemorial an den Rath, worin sie
nach einer für sie ebenso demüthigenden, als für die Väter der Stadt
schmeichelhaften Einleitung das Bekenntniss ablegen :
»Nachdem aber die Dankbarkeit so in blossen Worten bestehet,
gemeiniglich für kalt, leer und eitel angesehen wird, als seind wir
im werk begriffen , solche so viel in unserer Möglichkeit ist, auch
etwas in der Tliatt sehen zu lassen, in dem uns unsere unterthänige
99
Devotion gegen E. Gestr. und Herrl. dahin veranlasset, eine aus
vielen andern auserlesene Römische Histori, so noch niemahls in
Frankfurth gesehen worden, zu dero unterthänigen Ehren und gross-
günstigem wolgefallen, wie sonsten mehrmals gebräuchlich gewesen,
ehestens anzustellen«. Die Mitglieder des Raths sollen sich mit ihren
lieben Angehörigen bei den Komödianten einfinden, um den edlen
Römer Titum Manlium Torquatum auf dem Theater mitanzusehen.
Dieses Stück war jedenfalls die in jener Zeit vielgelesene Ueber-
setzung der Tragödie gleichen Namens, welche etwa 10 Jahre früher
mit dem berühmten Heldendarsteller Lenoir la Thorilliere in der
Titelrolle zum öfteren in den Pariser Theatern aufgeführt wurde.
Dass die Führer der »Inspruggischen Compagnie« gerade dies Stück,
in welchem in der Person des tapferen unparteiischen Consuls Titus
Manlius Torquatus die ganze Strenge der römischen Kriegszucht ver¬
herrlicht wird, für die Raths Vorstellung wählten, zeugt für ihr Ver-
ständniss, die gegebene dramatische Leistung dem Bildungsgrad der
Zuschauer anzupassen. Auch gab allerdings diese Tragödie, deren
Titelheld die Liebe zum eignen tapferen Sohne der Macht des Gesetzes
nachstellt, eine günstige Gelegenheit, um durch feine Anspielungen
und Vergleiche den ebenso strengen als unbestechlichen Gerechtig¬
keitssinn eines hochedlen und hoch weisen Rathes zu verherrlichen.
Die Tragödie muss den grössten Beifall der Mitglieder des
Rathes und ihrer lieben Angehörigen gehabt haben ; denn das Gesuch
der Truppenführer vom 6. October, noch eine Woche spielen zu
dürfen, wurde sofort unter der Bedingung freundlichst bewilligt, dass
sie dem Hospital weitere 50 fl. erlegen sollten. Eine nochmalige
Bittschrift vom 15. October 1G68 um Hinausschiebung des Termins
wurde aber auf Antrag der Geistlichen sofort zurückgewiesen. Damit
jedoch den Führern der Inspruggischen Compagnie, die sich allem
Anschein nach auf eine weitere Erlaubniss fest verlassen hatten, kein
empfindlicher Schaden durch die Abweisung zugefügt würde, erliess
ihnen der Rath sogar »grossgünsttiglich« die nachträglich angesetzten
50 fl. 190
War Joris Jollifous schon früher gänzlich von dem Schauplatz
des Frankfurter Bühnenlebens verschwunden, so kam jetzt die Reihe
an Peter Schwartz und Hans Ernst Hoffmann, deren Namen in der
Folge in den Akten keine Erwähnung mehr finden. Es ist wohl
möglich, dass sie sich auch später noch »der besten Quelle ihres
Glückes« wie sie Frankfurt in einer Eingabe bezeichneten, zuwandten,
allein die Eroberungskriege Ludwigs XIV., welche die alte Reichs¬
stadt schon im Frühjahre 1673 in grosse Mitleidenschaft zogen,
machten den Rath bereits vor dem Beginne des Holländischen Kriegs
(von 1G72 — 1G78) vollständig unzugänglich für die Bittschriften der
durchreisenden W andertruppen.
In den Schriftquellen der Jahre 1G69 und 1670 liess sich nur
7*
100
ein gedrucktes Plakat von einer am 3. Marz 1670 gestatteten
Seiltänzer-Vorstellung auffinden; aus dem Jahre 1671 hingegen haben
sich verschiedene Nachrichten sogar über einige nicht zu dem ge¬
wöhnlichen Schlage gehörende Komödianten-Compagnien erhalten.
Am 9. Februar 1671 petitionirte Christian Friedrich Loangkuppy
im Namen der Hofkomödianten des Markgrafen Ferdinand Maximilian
von Baden seligen Andenkens, »der vermittelst eines lossgegangenen
Pürsch-Rohrs in einer Carosse nechst vorbei passirten Jahres sein
leben enden und schliessen müssen«. In der allgemeinen Landes¬
trauer über den plötzlichen Tod dieses Fürsten, haben auch die Vor¬
stellungen eingestellt werden müssen; doch ist den Hofkomödianten
von dem Markgrafen Leopold Wilhelm die Erlauhniss geworden,
»dass sie während der Trauer in den Reichsstädten ad interim exerciren
dürfen«. Wenn aber auch die aus 20 Personen bestehende Com¬
pagnie den Vätern der Stadt aufs Beste empfohlen war, wurde sie
dennoch im Hinblick auf die immer ernster werdenden Zeitläufte
zurückgewiesen. 1 9 7
Ebenso erging es einer unter Johan Gecler’s und Jean Peter
Portier’s Leitung stehenden französischen Gesellschaft, welche sechs
Monate lang in London, nachher in dem Haag in französischer Sprache
agirt hatte und in der künftigen Sommerszeit an dem kaiserlichen
Hof zu Wien ihre Curiositäten sehen lassen wollte. Wie die badi¬
schen Hof-Komödianten so beabsichtigte auch diese Truppe in der
Ostermesse 1671 im Krachbein ihre Vorstellungen abzuhalten. 198
In der Herbstmesse dieses Jahres meldet sich nochmals ein
Komödiantenführer Christian Bockhausen an, der sich mit seiner
Gesellschaft den Sommer über im Bade Schwalbach aufgehalten und
»daselbsten Scenicas ohne jeglichen scandalo gegeben hatte«. Aber
obgleich er sich darauf berief, dass er schon an Kaiserlichen, König¬
lichen Kur- und Fürstlichen Höfen vor vielen Potentaten agirt,
wird er doch ebenso wenig wie seine diesjährigen Vorgänger von
den besorgten Vätern der Stadt aufgenommen. 199
Bockhausen war der letzte namhaftere Truppenführer, der inner¬
halb der Zeit vom August 1671 bis zum Juli 1679 mit seinem »Rüst-
wäglin« vom Rathe Frankfurts Einlass in die Stadt begehrte. Die
kriegerischen Ereignisse des Jahres 1673, welche Frankfurt sogar in
die Gefahr brachten , von dem französischen General Turenne ge¬
nommen zu werden, vertrieben akf lange Zeit alle besseren Wander¬
truppen aus den Gegenden des Mittelrheins.
Was vom Jahre 1672 bis zum Sommer 1679 an Komödianten
liier auftrat, gehört in jene Kategorie, welche die Schauspielkunst
zur niedrigsten Pöbelbelustigung herab würdigte. Die bürgerliche
Stellung dieser Leute trug noch mehr dazu bei, das Ansehen einer
edlen Kunst immer tiefer in den Staub hineinzuziehen. Wie Aus¬
sätzige wurden sie von der Gesellschaft gemieden, wie Verfehmte
101
durch die Kirche von dem Genuss der den Gläubigen zu Theil wer¬
denden Gnadenmittel ausgeschlossen. Mit dem elenden Flitteraufputz
der »ergetzlichsten Theaterzierrathen und den erschröcklichsten Larven«
reisten sie von Ort zu Ort, darbten, wenn die Kasse leer blieb und
lebten flott, wenn die derben Spässe des Lustigmachers eine gute
Erndte herbei führten. Und doch hatte dieses vagabundirende Künstler¬
thum einen solchen Keiz für die studirende Jugend, dass viele Musen¬
söhne das Studium mit dem elenden aber hochromantischen und
ungebundenen Wanderleben vertauschten. Beim Ueb erblicken jenes
Zeitraumes erscheint dieser Trieb wie eine gnädige Fügung, durch
welche freundliche Mächte die Schauspielkunst aus ihrer Versunken¬
heit allmählich auf eine höhere Stufe emporhoben ; denn jenen viel-
verheissenden Aufschwung, den die deutsche Schauspielkunst im
letzten Viertel des XVII. Jahrhunderts nahm, verdankt sie einzig
und allein dem redlichen Streben ihrer akademisch gebildeten Jünger.
Auch in Frankfurt sollte einer der wichtigsten Wendepunkte der
Theatergeschichte durch den besten und aufopferungsfähigsten dieses
Standes, durch den Magister Johann Velthen aus Halle angebahnt
werden.
Magister Veltlien in Frankfurt.
i.
Ein Wanderer, der einen langen ermüdenden Weg durch eine
öde, nur von Zwergpflanzen und wildem Gestrüpp bewachsene Haide
zurücklegte und endlich mitten in der weiten Ebene eine einsame
Höhe mit grünem Laubholz, herab rauschen dem Bächlein und saftigem
Rasen erblickt, ihn muss ein ähnliches Gefühl beschleichen, wie den
aufmerksamen Beobachter, welcher den Entwicklungsgang der deut¬
schen Schauspielkunst von dem Beginne des dreissigjährigen Krieges
an bis zu dem Auftreten des Magisters Johann Yelthen genau verfolgte.
Diese an wahren und erhebenden Kunstbestrebungen so arme
Epoche ähnelt jener steppen artigen Oede mit dem verkrüppelten
Untergehölz und dem dürftigen Pflanzenwuchs ; jener einsamen Höhe
aber, die das Auge des Wanderers erfreut, die seinen Sinn erquickt
und wie ein Merkzeichen aus der Ebene emporragt: ihr gleicht der
muthige Magister Yelthen, der von äcliter Begeisterung getrieben
die Kunst aus ihrer Yersunkenheit erlöste und ihrem fast erstarrten
Körper wenigstens auf eine kurze Spanne Zeit neue Lebensgeister, neue
Impulse einflösste.
Es ist eine eigenth (unliebe, aber durch die mannigfaltigsten
Beispiele bewiesene Thatsache, dass die Tradition die Thaten und
Schicksale reformatorischer Persönlichkeiten auf den verschiedenen
Gebieten der Künste trotz ihres keiner allzufernen Zeit angehörenden
Wirkens oft in einen mythischen Schleier zu hüllen pflegt. Auch
die nur hie und da zusammenhängenden Thatsachen, die über das
Leben und Treiben Yelthen’s bekannt wurden, haben eine derartige
Behandlung erfahren. Als einer der erfreulichsten Erfolge beim
Durchforschen der interessanten Schriftquellen des Frankfurter Stadt¬
archivs ist deshalb das Auffinden von hochwichtigen Aktenstücken
anzusehen, welche in mancher Beziehung das ungewisse Halbdunkel
lichten und einigen undeutlichen Zügen in dem Lebensbilde Yelthen’s
bestimmtere Grundlinien geben können.
In verschiedenen Beiträgen zur Geschichte des Frankfurter
Theaters ist seither angenommen Avorden, dass Magister Yelthen mit
seiner berühmten Bande zum ersten Mal im Jahre 1686 im Krach¬
bein Vorstellungen gab, aber eine eingehende Nachforschung rückt
103
dieses Datum sieben Jahre vor. Velthen , der mehrmals auf seinen
Wanderzügen Frankfurt berührte, würde schon in der Mitte der
siebenziger Jahre hier gespielt haben, wenn nicht die Nachwehen
des Jahres 1673 eine mehrjährige Ausschliessung aller öffentlichen
Vergnügungen zur Folge gehabt hätten. So kam er denn im Juli
1679 auf der Rückreise von Worms, »wo er unlängst vor dem
Römischen Kaiser Leopold 1. agiret«, wieder nach Frankfurt und bat
den Rath in einer einfachen, sich höchst vortheilhaft von den da¬
mals sehr unterwürfigen Eingaben der Komödianten unterscheiden¬
den Bittschrift um die Erlaubniss, während der Herbstmesse im
Krachbein seine Actiones präsentiren zu dürfen. Für den sicher
zu jener Zeit schon weit verbreiteten Ruhm der Velthen’schen Ge¬
sellschaft, für ihr bürgerliches Ansehen zeugt das Verhalten des
Rathes, der nicht eine einzige von seinen bekannten Einwendungen
machte, sondern das Gesuch Velthen’s sofort bewilligte.200
Der berühmte Magister, welcher schon einige Wochen vor dem
Anfang der Messe seine Vorstellungen begann, unterschreibt sich
zwar in verschiedenen Eingaben ganz einfach »Johann Velthen, Co-
mödiant«, aber, wie aus den Raths Protokollen und Bürgermeister¬
büchern, sowie auch aus einigen von der ganzen Truppe Unterzeich¬
neten Supplicationen hervorgeht, besass er doch im Jahre 1679
schon das Prädicat »Chursächsischer Hofeomödiaut«. Eduard Devrient
irrte also nicht, wenn er in seiner Geschichte der deutschen Schau¬
spielkunst als ziemlich sicher annahm, dass Velthen’s berühmte Bande
bei der Zusammenkunft der sämm fliehen Mitglieder des sächsischen
Fürstenhauses im Februar 1678 in Dresden zu den grossartigen
Komödienaufführungen herangezogen und bei der Abhaltung der¬
selben von dem Kurfürsten Johann Georg II. zu Hofkomödianten
ernannt worden sei.201 In einer seiner späteren Eingaben aus die¬
sem Jahre erwähnt Velthen auch, dass ihm sein fürstlicher Herr zu
reisen verstattet habe, welche Mittheilung eine weitere Bestätigung
für obige Annahme bildet.
Es ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass der unmittel¬
bare Vorgänger Velthen’s in Frankfurt der Pulcinella-Spieler Johann
Baptiste Pelcer (auch Pelcio genannt) war, der in früheren Jahren
in der italienischen Stegreif komödie (Comedia delF Arte) so Vortreff¬
liches geleistet haben soll. Pelcer oder Pelcio, der auch im Pul¬
cinella-Spiel als Lustigmacher sehr gut zu improvisiren verstand,
bahnte bei seinem mehrfachen Aufenthalte in Frankfurt in der Oster¬
messe 1676, 1678 und 1679 durch sein grosses Talent gleichsam einer
Kunstgattung den Weg, die Velthen bei dem Mangel an dramati¬
schen Werken im Augenblick höchster Bedrängniss als Notldielfer in
Anspruch nehmen musste.
Velthen gab schon bei seinem ersten Aufenthalt in Frankfurt
»Freie und bekannte Hauptstücke«, die aus den heiligen Schriften
104
und den alten Helden- und Liebesbückern entnommen und durch
eingelegte improvisirte Reden mit einem neuen Reiz ausgestattet
waren. Jeder Hauptaction oder jedem Hauptstück folgte ein burleskes
Nachspiel, in welchem, wie früher bei den englischen Komödianten,
der Lustigmacher durch tolle Scherze dem Publikum die vorher
empfangenen ernsten Gedanken wieder vertreiben sollte. Velthen
erbot sich auch, »eine lustige frembde Komödie mit seiner Bande zu
agiren«, aus welchem Anerbieten hervorgehen dürfte, dass er schon
damals Stücke von Moliere seinem Repertoire einverleibt hatte. Der
eigentliche Kern desselben aber bestand allem Anschein nach aus
religiösen Dramen und Stegreif komödien. Letztere waren keine
eigentlichen dramatischen Werke, sondern Stücke, für welche von
dem Bühnenleiter nur das Schema für che Entwicklung einer be¬
stimmten Handlung angegeben, der Dialog und alles Uebrige aber
dem Erfindungsvermögen der Darsteller überlassen wurde. Zu der¬
artigen Vorstellungen, die auch in Frankfurt einen ausserordentlichen
Reiz auf das Publikum ausübten, gehörten aber ebenso schlagfertige
als sprachgewandte Schauspieler, weshalb man sich nicht zu wundern
braucht, dass die Velthen’sche Truppe schon bei ihrem ersten Auf¬
enthalt in Frankfurt von den Schreibern in den Senatsprotokollen
dann und wann »die berühmte Bande« genannt wurde. Dass aber
trotzdem ein kunstverständiger, hochgebildeter Mann wie Velthen zu
dem Rettungsanker der Aufführung von Stegreifkomödien seine Zu¬
flucht nahm, hatte seinen Grund in dem Verhalten der dramatischen
Poesie, welche ihrer darbenden Schwester, der deutschen Schauspiel¬
kunst, anstatt einer nahrhaften Speise nur werthvolle Steine und
glänzende Goldkörner darreichte. Um Velthen’s oft als vermessen
getadelte Selbsthülfe richtig beurtheilen zu können, muss man einen
Blick auf den damaligen Zustand der deutschen dramatischen Literatur
Averfen, welcher die Pflege der neuen Kunstgattung allerdings leich¬
ter verständlich erscheinen lässt.
In dem Zeitraum, in welchem den verschiedensten Gebieten
der deutschen Wissenschaft durch einen Geistesheros wie Gottfried
Wilhelm Leibnitz neue tiefein greifende Anregungen zu Theil wurden,
in welchem der volksthümliche Roman einen Vertreter wie Hans
Jacob Christoffel von Grimmelshausen fand und die deutsche Ton¬
kunst einen bedeutenden nachhaltigen Aufschwung unter Heinrich
Schütz in Dresden erlebte: in demselben Zeitraum fehlte dem deut¬
schen Volksdrama der rettende Genius, der es aus seiner tiefen Ver¬
sunkenheit hätte wieder emporheben können. Was nützten der deut¬
schen Schauspielkunst die gelehrten und schwülstigen Dramen der
zweiten schlesischen Schule, was halfen ihr die geistlichen Schau¬
spiele und handlungsarmen Moralitäten der Pegnitzschäfer Johann
Klay und Siegmund von Birken? — Das Schauspiel bedurfte einer ?
anderen, kräftigeren Stütze, eines inneren Haltes, den ihr auch die
im Alexandriner geschriebenen Renaissance-Dramen eines Gryphius,
Lohenstein und Hoffmannswaldau nimmer zn geben vermochten.
Opitz, der Tater der neueren deutschen Dichtung, hatte eine wahre
Prophezeiung gethan, als er in seinem Büchlein »Ton der deutschen
Poeterei« vorherverkündigte, dass sich so bald »kein deutscher Dich¬
ter eines vollkommen heroischen Werkes unterstehen werde«. Frei¬
lich trag er selbst viel zur Erfüllung dieses traurigen Ausspruchs
durch seine seltsame, im fünften Capitel des eben genannten Werkes
enthaltene Abhandlung über das Wesen der Tragödie bei. Er
charakterisirt hier ihre Eigenart, indem er genau feststellte, dass sie
von königlichen Willen, Todtschlägen, Terzweiflungen, Kinder- und
Tatermorden handlen müsse. Dieser theoretische Wink würde jedoch
wenig befolgt worden sein, wenn das wirkliche Leben, wenn eine
anregendere Zeitstimmung den dichterischen Instinkt der deutschen
Dramatiker in eine gesundere Bahn gelenkt hätte. So wurde aus
Mangel an nationalem Gehalt Literatur und Bühne streng geschie¬
den und eine Wechselwirkung unterbrochen, welche berufen war,
zwei der edelsten Schwesterkünste in ein anregendes und erhebendes
Terhältniss zu einander zu stellen.
Als Telthen auf dem Höhepunkt seines Strebens stand, hatte
sich dieser Bruch bereits so weit vollzogen, dass der ebenfalls zur
zweiten schlesischen Schule gehörige Dichter Johann Christian Hall-
man (geb. 1647, gest. 1707) in der Torrede zu seinen Trauer-,
Freuden- und Schäferspielen »diejenigen Schauspiele, so von Ehr¬
liebenden und Gelehrten geschaffen wurden, denen die von plebe¬
jischen und herumschweifenden Personen an den Tag gegeben wer¬
den«, scharf gegen üb erstellt. Noch sollte zwar in Christian Weise
(1678 — 1708 Rector des Gymnasiums in Zittau) auf dem entlaubten
Stamme des Tolksdramas ein neuer Zweig zum Grünen kommen,
aber es fehlte ihm doch zu sehr an achter dramatischer Triebkraft,
um neben dem reichen Blätterschmuck (er schrieb nicht weniger als
vierundfünfzig Stücke) »auch volle zum Kranze geborene Blüthen«
treiben zu können. Lessing, der jedes' volkstümliche Streben hoch¬
schätzte, hat diesem Dichter in einem Briefe an seinen Bruder ein
ehrendes Denkmal gesetzt, aber es darf trotzdem nicht vergessen
werden, dass Weise’s dramatische Werke, die er nach eigner Mit¬
teilung »nur zu Lust und Nutz der spielenden Jugend« schrieb, der
berufsmässigen Schauspielkunst kaum nennenswerthe Dienste geleistet
haben. — Im Hinblick auf alle diese Punkte wird man es leichter
verstehen, dass Telthen mit seinen gebildeten Sodalen die ganze
Existenz der Schauspielkunst auf einen kühn gewagten Wurf setzte.
Wie die deutsche Theatergeschichte lehrt, Hat sich die Telthen’-
sche Bande nicht lange nach jener berühmten Dresdener Aufführung
des Polyeuct von Corneille (nach Cormarten’s Bearbeitung), etwa
1669, gebildet. Diese Torstellung erweckte in dem berühmten Ma-
106
gister wegen der ihm trefflich gelungenen Durchführung einer Rolle
für immer die Liebe zur darstellenden Kunst. Dass aber, wie schon
oft behauptet worden ist, der Schauspieler Andreas Elenson während
der ersten zwanzig Jahre nach ihrer Gründung ein stetes Mitglied
der berühmten Bande gewesen sei, wird durch die Geschichte des
Frankfurter Theaters aufs Entschiedenste widerlegt.
Elenson kann der Velthen’schen Truppe nur wenige Jahre
angehört haben. Schon Anfangs September 1678 kam er nämlich
als »Principal der 'Wienerischen Compagnie« nach Frankfurt und
suchte mehrmals vergeblich um die Erlaubniss nach, während der
Herbstmesse seine »Actiones comicas exhibiren« zu dürfen. Als er
mit seinen Bitten nicht nachliess, wurde es ihm endlich unter dem
Vorbehalte gestattet, »dass er sich mit der sächsischen Compagnie
vereinigen solle, um mit ihr auf einem Theatro abwechslungsweise
zu spielen«.202
Es zeugt für den grossen Sinn Velthen’s, dass er sich gegen
diese Anordnung des Ratlies mit keinem Worte auflehnte, vielmehr
seinem einstigen Kameraden die Mitbenutzung des Theaters im Ballen¬
haus zum Krachbein sofort gestattete. Aber Elenson’s Truppe hatte
sich in eine gefährliche Konkurrenz begeben, sie machte neben der
berühmten Bande keine guten Geschäfte in Frankfurt und hatte
nur »das gewöhnliche Volk zu Kunden«. — In einer Eingabe vom
25. September 1679, in welcher Elenson um die Gestattung zur Dar¬
stellung von »sechs weiteren Komödien« nachsucht, hebt er es aus¬
drücklich hervor, »dass die andere Parthey ihn in denen Einkünfften
weith übertroffen habe«. Obschon der Bittsteller sich auch auf die
Empfehlung »von einem angesehenen Herrn Fabricio« berief, wies
der Rath, weil die auferlegten Abgaben an die Hospitalskasse nicht
geleistet waren, sein Begehren doch energisch zurück. — Hierauf
wollte Elenson sich nun nach Leipzig wenden, aber seine Creditoren
Hessen ihn nicht von Frankfurt abziehen.
Aus solcher traurigen Lage befreite ihn Yelthen, dessen hoch¬
herziger und edler Charakter in seinem ganzen Verhalten gegen
Elenson zum schönsten Ausdruck kommt. Yelthen machte es in der
That wie der barmherzige Samariter, der dem Geschlagenen Oel und
Wein in die Wunden goss und später dem Wirthe noch zween
Groschen zu seiner Verpflegung daliess; denn er befriedigte Elen¬
son’s Gläubiger, zahlte die 25 Thlr. für das Hospital, trug alle Bau-
und anderen Kosten allein und gab der Compagnie — um mit seinen
eigenen Worten zu reden »dazu noch aus freyem gutwilligem Herzen
40 Thlr. aus seinem Beitel auf die Reise nach Leipzig, wo sie nun
ihr besseres Fortune zu suchen willens war«.203 — Zu kleinlichem
Künstlerneid, zu eitler Selbstüberhebung scheint der Charakter Yel¬
then’s nicht die geringste Anlage gehabt zu haben. Yelthen erwähnt
seine durch Elenson’s traurige Lage vermehrten Ausgaben beiläufig
107
und in einer so einfachen und selbstverständlichen Weise, dass auch
nicht der leiseste Gedanke aufkommen könnte, als habe er sich da¬
durch den Rathsmitgliedern gegenüber in ein günstiges Licht stellen
wollen.
Liess er aber auch in der schlichten Erzählung der Thatsachen
seine eigene Person vollständig in den Hintergrund treten, so scheint
dennoch sein edles Verhalten dem Rath einen tiefen Eindruck ge¬
macht zu haben. Zeichnete dieser doch Velthen dadurch aus, dass
er die ihm Anfangs October ofterirte Benefizkomödie in corpore
besuchte und sein Gesuch um die Erlaubniss von fünf weiteren
Vorstellungen sogleich und ohne einschränkende Bedingungen be¬
willigte.204
Ehe Velthen in der Herbstmesse mit seiner Truppe von Frank¬
furt nach Süden zu abreiste, gab er noch zum Besten der Armen
eine Hauptaction, dessen lustiges Nachspiel, verschiedenen traditio¬
nellen Mittheilungen und einer noch bis vor wenigen Jahren erhal¬
ten gewesenen gedruckten Ankündigung zufolge, »Peter Squenz«,
das lebensfähigste dramatische Werk von Andreas Grvphius gewesen
ist. — Dieses Stück bleibt deshalb noch heute so ausserordentlich
interessant, weil es in gewisser Beziehung eine grosse Aehnlichkeit
mit dem Sommernachtstraum von Shakespeare hat. Ausser der komi¬
schen Darstellung von Piramus und Thisbe finden sich in dem Peter
Squenz von Grvphius alle lächerlichen Gestalten der Handwerker-
scenen aus der Märchenkomödie des englischen Dichters wieder.
Auch die Angehörigen des Hofes, denen die Komödie vorgespielt
werden soll, fehlen bei Grvphius nicht, der schliesslich die Aehnlich¬
keit durch die komischen Vorbereitungen und Beratschlagungen
der Handwerker ganz frappant werden lässt. Es ist vielfach
und überzeugend nachgewiesen worden, dass sich der schlesische
Dichter trotz dieser genauen Uebereinstimmungen nicht an Shake¬
speare anlelmte, dass er überhaupt die Werke desselben vielleicht gar
nicht kannte.
Hier mögen alle Untersuchungen über das Verhältniss des
Grvphius zu Shakespeare unterbleiben und wollen wir statt dessen
eine Scene der dreiaktigen, von Velthen hier als Schlussvorstellung
aufgeführten Komödie teilweise wiedergeben. Nachdem im ersten Akte
Peter Squenz, der Schreiber und Schulmeister zu Rumpels-Kirchen,
den Handwerkern den Verlauf des Stückes berichtet hat, fährt
er fort :
»Thisbe kommt wieder und findet Piramum todt, derowegen
ersticht sie sich ihm zu Trotz.
Pickelhäring (des Königs lustiger Rath und Darsteller des Pira-
mus). Und stirbt?
P. Squenz. Und stirbt.
Pickelhäring. Das ist tröstlich, es wird Übermassen schön
108
zu sehen seyn: aber saget, Herr Peter Squenz, hat der Löwe auch
viel zu reden ?
P. Squenz. Nein, der Löwe muss nur brüllen.
Pickelhäring. Ey so will ich der Löwe seyn, denn ich
lerne nicht gerne viel auswendig!
P. Squenz. Ey nein, Mons. Pickelhäring muss ein Haupt¬
person agiren.
Pickelhäring. Habe ich denn Kopffs genug zu einer Haupt¬
person?
P. Squenz. Ja freylich. Weil aber vornehmlich ein tapfferer,
ernsthaffter und ansehnlicher Mann erfordert wild zum Prologo und
Epilogo, so will ich dieselbe auf mich nehmen, und Vorredner und
Nachredner des Spieles, das ist: Anfang und das Ende seyn.
Meister Kriks. In Wahrheit. Denn weil ihr das Spiel
macht, so ist billig, dass ihr auch den Anfang und das Ende dran
setzet.
Meister Klipperling. Wer soll denn den Löwen nun
tragiren? Ich halte, er stünde mir am besten an, weil er nicht viel
zu reden hat.
Meister Kriks. Ja mich diinket aber, es sollte zu schreck¬
lich lauten, wenn ein grimmiger Löwe hereingesprungen käme und
gar kein Wort sagte, das Frauenzimmer würde sich zu heftig ent¬
setzen.
Meister Klotz. Ich halte es auch dafür. Sonderlich wäre
es rathsam wegen der Weiber, dass ihr nur bald anpfänglich sagtet,
ihr wäret kein echter Löwe, sondern nur Meister Klipperling, der
Schreiner.
Pickelhäring. Und zum Wahrzeichen lasset das Sclmrtz-
fell durch die Löwenhaut hervorschlenkern.«
Die Schauspielerdilettanten überlegen dann noch, wie die Löwen¬
haut zuwege zu bringen sei, dann giebt Peter Squenz dem Dar¬
steller des Löwen, Meister Klipperling, noch den guten Rathschlag:
»Lasset euch unterdessen die Nägel fein lang wachsen und den Bart
nicht abscheeren, so sehet ihr einem Löwen desto ähnlicher. — Nun
ist einer Difficultät abgeh olffen, aber hier will mir das Wasser des
Verstandes schier die Mühlräder des Gehirns nicht mehr treiben, der
Kirchen -Leh rer Ovidius schreibt, dass der Monden geschienen habe,
und wissen wir nicht, ob der Monde auch scheinen werde, wenn
wir das Spiel tragiren werden.«205
Nachdem die Handwerker über die Darstellung des Mondes
einig geworden sind, folgen nun die weiteren Berathungen über die
Wand, den Darsteller des Piramus und den Vertreter des Brunnens,
welch’ letzterer bekanntlich im Sommernachtstraum von Shakespeare
nicht vorkommt.
Gerade diese Handwerkerscenen müssen zur grössten Belustigung
109
des Frankfurter Publikums ausgefallen sein ; denn eine Art von
Pulcinella, welcher in der folgenden Ostermesse in einer Bude am
Main Vorstellungen gab, versicherte auf einer plakatartigen Ankün¬
digung »dass seine Docken es den Handswerksleuten der berühmten
Bande zur allgemeinen Freud’ des Publico’s in allen Stücken gleich
tliun sollten«.
Die vielen Unkosten, welche Magister Velthen durch das Ein¬
richten seines Theaters im Ballenhaus zum Krachbein tragen musste,
zeugen für den Fortschritt des Decorationswesens , den auch seine
Bühne mittlerweile durch den Einfluss des Singspiels und der Oper
hatte machen müssen. Für den Aufbau eines »doppelten Schauplatzes«,
d. h. für eine Bühne, welche aus einem vorderen und hinteren Theil
bestand, musste er ausser dem hohen Preis für »die Tapezerien«, die
für die damalige Zeit bedeutende Summe von 40 Rchsthlr. bezahlen.206
Der bei den englischen Komödianten meistens zur Darstellung
von Gemächern benutzte, durch einen in der Mitte auseinanderzieh¬
baren Vorhang abgeschlossen gewesene Raum hatte inzwischen eine
weitere Ausdehnung und für die Aufführung der Stücke grössere
Bedeutung gewonnen. Er war von der kleiner gewordenen Vorder¬
bühne durch eine »Tapete« geschieden, welche nach Belieben in die
Höhe gezogen und niedergelassen werden konnte. Sobald man für
einen scenischen Vorgang eine weitere Perspective bedurfte, wurde
die hintere Abtheilung geöffnet, während sich alle einfacheren Dar¬
stellungen nur auf dem vorderen Theil der Bühne abspielten. Die¬
selbe hatte auf beiden Seiten Tapetenwände und wurde in den
Zwischenpausen durch eine aufrollbare Gardine (Vorhang) gegen den
Zuschauerraum abgeschlossen. Aeusserlich hatte also das Theater
eine grosse Vervollkommnung erfahren, es fehlte ihm nur der poeti¬
sche Geistesheros, der es auch in literarischer Beziehung auf eine
gleiche Höhe hätte stellen können.
Dass auch weibliche Mitglieder bei der berühmten Bande waren,
z. B. Velthen’s Frau und deren Schwester, ist eine bekannte That-
saclie, welche hier um so weniger einer ausführlichen Erwähnung
mehr bedarf, als die Frauen ja bereits schon über zwanzig Jahre
früher durch Joris Jollifous auf der Frankfurter Schaubühne als Dar¬
stellerinnen eingeführt worden waren.
Es sei nur noch angeführt, dass jene Frau, welche 1G80 sich
in Frankfurt den die »exercitien« anzeigenden Reitern anschloss und
»in einem glänzend männlichen Sammetkleid« grosses Aufsehen er¬
regte, keineswegs eine Schauspielerin, sondern dieselbe berühmte
Kunstreiterin war, die auch in rheinischen Städten, z. B. in Cöln,
durch eine gleich kecke Art ebensoviel Anstoss als Aufsehen er¬
regte. Sie wurde für die erste Schauspielerin zu Frankfurt gehalten,207
welcher Irrthum leicht begreiflich ist, wenn man bedenkt, wie schwer
zugänglich früher die Quellen des Frankfurter Stadtarchivs gewesen sind.
110
Als Velthen in der Herbstmesse 1679 von Frankfurt abreiste,
Hess er, ein Wiederkommen in der folgenden Ostermesse beabsichti¬
gend, mit Bewilligung des Rathes seine Bühne im Ballenhaus zum
Krachbein stehen. Im Februar und März 1680 bat Velthen wieder¬
holt, »nach vollbrachter heiliger Fasten- und Oster n-Feyertage bis an
die Zeit der nächst bevorstehenden Gottesdracht oder Messe in Cöln
etliche wenige gute unärgerHche Comüdien vorstellen zu dürfen«.
Trotz des grossen Ansehens, Avelches er beim Rath genoss, schlug
dieser sein Gesuch aus Besorgniss über die ernster gewordenen
Zeitverhältnisse zwar anfangs ab,208 bewilligte es aber endlich nach
mehrmaligem Bitten. Yelthen spielte nun etwa drei Wochen lang
in Frankfurt und begab sich dann mit seiner berühmten Bande nach
Cöln, wo ihm sein »freies exercitium zu präsentiren bereits gnädig
vergönnt und erlaubt worden war«.
Yor der Herbstmesse desselben Jahres kam Yelthen wieder
mit seiner Truppe nach Frankfurt zurück, aber er wurde ungeachtet
der hohen Fürsprache des kurfürstlich Mainzischen Oberhofmarschalls
Grafen von Schönborn ein für allemal mit der Vertröstung abgewie¬
sen, dass er zu einer anderen, besseren Zeit Berücksichtigung finden
solle.209 Die Wirksamkeit Spener’s, der durch die Einrichtung der be¬
rühmten Collegia pietatis (gottesdienstliche Hausandachten) besonders
in den höheren Kreisen Frankfurts einen vollständigen Umschwung
in Sitte und Denkart herbeigeführt hatte, gewann auch in Bezug auf
das Gestatten theatralischer Vorstellungen immer mehr Einfluss auf
die Beschlüsse des Rathes. Dass jedoch Philipp Jacob Spener jetzt
und später nicht entschiedener gegen die Vorstellungen der berühm¬
ten Bande auftrat, dass er erst nach der letzten Kunstthätigkeit
Velthen’s in Frankfurt gemeinsam mit den Scholarchen gegen die
Zulassung von Komödianten zu eifern begann,210 ist ein indirektes
Ehrenzeugniss für Yelthen, dessen sittliches Verhalten dem frommen
Gottesmann ebensowenig zum Tadel Veranlassung geben mochte, als
seine zum grössten Tlieil aus religiösen Stoffen aufgebauten Haupt¬
actionen.
Nach ein und einhalbjähriger Abwesenheit kehrte Velthen vor
der Ostermesse 1682 wieder nach Frankfurt zurück. Da seine erste
Bittschrift vom 18. April dieses Jahres nicht allein über sein künst¬
lerisches Wirken in der Zwischenzeit, sondern auch über einige
andere interessante Punkte klaren Aufschluss giebt, so mag dieselbe
wenigstens theilweise hier wörtlich Wiedergabe finden :
»Hochedle, Gestrenge, grossgünstige und hoch weise Herren !
Ew. Hochedlen Gestrengen und Herrlichkeiten gebe ich hiermit ge-
horsamHch zu verstehen, dass eine Zeit liero mit bey mir habender
Sächsischer Comödianten Gesellschaft in Nürnberg, Regenspurg, Augs-
purg, München (aus welcher letzt genandten Statt ich recta anhero
kommen bin) alwo allenthalben Gott Lob reine und gesunde Luft ist,
111
ich mich aufgehalten und mit Bewilligung iedes Orts Obrigkeit
meine Comoedieu exhibirt habe. Weil nun ein gleichmässges bene-
ficium auch diesses Orts ich gern geniissen und dehnen Gnädigen und
Günstigen Herrn und Liebhabern zu ihrer verlangenden Gemiiths-
erlustigung mit meinen Actionibus unterthänigst aufwarten wollte,
absonderlich und bevoraus dehnen Hohen Herren Herrn Abgesanden,
welche meine Comoedien zu sehen, gnädig Verlangen tragen, zumahlen
an Selbige, von dehnen Herrn Abgesanden von Regen spurg auss
ich mit diesen meinen exercitio bestermassen bin recommandirt wor¬
den. Alb gelangt derenthalben an Ew. Herrl. die Bitte, dass mir ge¬
stattet werde, auch in Frankfurt eine kurze Zeit subsistiren und
etliche gute Comödien präsentiren zu dürfen.«
Hierauf bittet Velthen den Rath, folgende Punkte bei seinem
Beschlüsse in Betracht zu ziehen: »Erstlich, das vor anderthalb
Jahren ich eine unfruchtbare Reise mit grossem meinen Schaden und
Unkosten anliero gethan, da denn von Ew. Hochedlen Gestrengen und
Herrl. mir zwar abschlägliche Antwort worden, iedoch mit getrösteter
Hoffnung, zu einer anderen Zeit gnädigerer Erklärung zu gewarthen.
Zweitens, das meine Comödien ohne einige Aergernuss sind und
nichts so wider Tugend und gute Sitten währe, in sich begreifen.
Drittens, das das wenige Geld, so ich etwa von hohen Herren
und Standespersonen, auch anderen frembden Cavalieren und Frauen¬
zimmern, als Zuschauen, verdienen möchte, ich mit meinen Leuthen
und agenten wegen nothwendigen Lebensmittel und anderer unver¬
meidliche Unkosten allhier wieder verzehren muss, und also gemeiner
Statt nicht der geringste Schade oder Abbruch daher entstehet. Als
getrost ich mich einer gnädigen erhörung und Gewehrung dieser
meiner unterthänigen Bitte.
Ew. Hochedlen Gestrengen und Herrlichkeiten
gehorsamer Diener
Johann Velthen,
director der Sächsischen Comödianten.«
Als ihm auf diese Eingabe kein günstiger Bescheid zu Theil
wurde, petitionirte Yelthen am 18. April nochmals. Dieses Gesuch
wurde durch die beiden hier weilenden Kaiserlichen Herren Pleni-
potentiarii unterstützt, welche »mit ihren Frauenzimmern in Regens-
purg seine Actiones oft und mit einem absunderlichen und sattsamen
Vergnügen angesehen hatten«. Um ihrer Empfehlung einen beson¬
deren Nachdruck zu geben, schickten sie eigens einen adligen Cava-
lier zu dem ältern Herrn Bürgermeister Philipp Christian Lersner,
der für Yelthen eintreten und dem Oberhaupte der Stadt versichern
musste, wie sein- ein hochweiser und hochedler Rath die Herren
Gesandten und »ihres Gleichen« durch die Annahme der jetzt hier
anwesenden sächsischen Komödianten verpflichten würde.211
Diese wichtige Befürwortung blieb nicht ohne Erfolg; Yelthen
erhielt sofort unter dem alten Yorbehalt Erlaubniss, dass er dem
Hospital 50 Rchsthl. entrichte und zum Besten der Stadtarmuth eine
Comödie spiele. Wie bei seinem ersten Aufenthalt so setzte man
auch diesmal das Eintrittsgeld für die »Spectatores« auf 10 und 12 kr.
fest, welche Taxe auch in den folgenden Jahren beibehalten wurde.
Am 18. Mai 1682 bedankt sich Yelthen für die willfärige
Güte des Rathes, welche seinen Termin hinausgeschoben und ihm
noch bis Ende dieses Monats zu spielen versattet habe.
So gnädig wie gegen Yelthen hatten sich die Yäter der Stadt
noch gegen keinen Leiter einer Wandertruppe gezeigt, so viele Yer-
treter der berufsmässigen Schauspielkunst auf ihren Rüstwäglein durch
die Thore der alten Reichsstadt auch schon eingezogen waren. Man
merkt es allen auf Yelthen bezüglichen Yerordnungen an, dass man
ihn für eine ganz besondere Erscheinung auf dem Gebiete seiner
Kunst hielt, der man sich ohne Bedenken willfähriger als sonst zeigen
und die grössten Zugeständnisse machen durfte. Jedenfalls bekam auch
aus diesem Grunde Yelthen keinen abschlägigen Bescheid, als er
am 30. Mai 1682 um weitere Prolongation des ihm angesetzten
Termins nachsuchte. Er erhielt nicht allein die Erlaubniss, noch
vier Wochen, also bis zum ersten Juli, spielen zu dürfen, sondern
bekam auch auf seine gleichzeitige Anfrage wegen der Zulassung in
der Herbstmesse die günstige Antwort, dass man ihm gerne willfahren
würde, wenn anders die Zeiten in gutem Stande blieben.212
Yelthen suchte sich für das grosse Wohlwollen des Rathes
einigermassen dadurch dankbar zu beweisen, dass er die Stadtarmen
nicht vergass und mehrere Yorstell ungen zum Besten derselben gab.
Auch in seinem zuletzt gedachten Gesuch bittet er wieder um Be¬
stimmung eines Tages für eine »Armen-Comüdie«, deren Ansetzung zu
gelegener Zeit einer Commission aus Rathsmitgliedern überlassen blieb.
Im Monat Juni aber nahm der Besuch des Yelthenschen Thea¬
ters wegen der plötzlich eintretenden Hitze bedeutend ab, so dass
der Direktor den vordem erzielten Gewinn zum grössten Theil wieder
zusetzen musste. Er berichtet dies dem Rath in einer Eingabe vom
27. Juni 1682, in welcher er zugleich um Bewilligung nachsucht,
»wegen der grossen aufferbauungskosten« die Bühneneinrichtung im
Ballenhaus zum Krachbein stehen lassen zu dürfen. Dies Begehren
wurde ihm zwar gewährt, aber Yelthen musste bis zu seiner Wieder¬
kehr in der Herbstmesse dem Wirthe ein nicht unbedeutendes Stand¬
geld dafür zahlen. Yon Anfangs Juli bis Ende August scheint der
Magister sich mit seiner berühmten Bande in Mainz aufgehalten
zu haben; denn einige hohe Cavaliere aus dieser Stadt, welche
Ende August nach Frankfurt reisten, baten gemeinschaftlich mit den
Kaiserlichen Abgesandten, dass der Rath sein Spiel schon vor dem
Anfang der Herbstmesse beginnen lassen möge, auf welches Ansuchen
ihnen ein befriedigender Bescheid zu Theil wurde.
119
Als gelanget an Ew. Hoch- und Wohl. Edl. Gestr. Herrl. und
fürsichtige Weißheit mein unterthäniges Ansuchen und Bitten, mir
gleich "wie dem Poppenspiel und Schatten beschehen, che gnad zu
erweisen, absonderliche da Gott der Allmächtige die christliche Waffen
gegen den Erbfeind bekanntlich gesegnet, und dadurch sowohl in
hiesiger Stadt alß aller Orthen grose Freude verursachet, und daß
diese Meß (dann Anfangs Michaelis Meß wieder zu Leipzig sein
muß) einige Comoedien agiren dörffen, hoch geneigt zu erlauben.
Dann folgt die einfache Unterschrift
»Johann Veltens Churfürstlich
Sächsisch würcklicher
Hofcomoediant.«
Diese gedrungene einfache Fassung charakterisirt Velthen nicht
allein in seinen verschiedenen Petitionen an den Rath Frankfurts;
sie findet sich auch in den Eingaben an den Kurfürsten Johann
Georg III. von Sachsen wieder,218 der Velthen nach der 1684
erfolgten Rückkehr nach Dresden im Herbste 1685 zum Mitdirektor
des neu errichteten Hoftheaters ernannt hatte.219 Der grösste Theil
der Velthen’schen Gesellschaft trat mit in diesen neuen Verband ein,
dem sich 1686 noch eine vorzügliche Kraft, nämlich die junge kunst¬
begeisterte Sara von Bocksberg zugesellte.
Wie Velthen in einem anderen Schreiben an den Rath mit¬
theilte, hatte der Kurfürst Georg III. seinen »würklichen Comödianten«
eine Weile bis zum Anfang der Leipziger Michaelis-Messe zu reisen
verstattet. Hieraus lässt sich mit Sicherheit schliessen, dass die Schau¬
spieler und Schauspielerinnen, die 1686 zum Personalbestand
des neu errichteten Dresdener Hoftheaters gehörten, in der Herbst¬
messe desselben Jahres in Frankfurt bei den theatralischen Vor¬
stellungen im Krachbein mitwirkten. Hier sollen nur die haupt¬
sächlichsten namhaft gemacht werden.
Ausser Velthen selbst befanden sich bei der berühmten Bande :
seine Gattin, Katharina Elisabeth, und deren Schwester, welche beide
als kurfürstliche Komödianten einen Gehalt von . je 100 Thalern
bezogen, ferner Balthasar Brambacher und seine Frau, die neckische
und heitere Rollen sehr vortrefflich gespielt haben soll. Sodann ist
besonders Gottfried Salzsieder, ein Altersgenosse des Direktors und
ehemaliger Jenenser Studiosus, zu erwähnen, der zum alten Stamm
der Velthen’schen Gesellschaft gehörte und sich mit Christian
Janezschky und Reinhard Richter in die Hauptrollen theilte. — Wie
Velthen als Darsteller Moliere’scher Charaktertypen, so soll sich Salz¬
sieder besonders durch seine lebhafte Phantasie und glückliche Er¬
findungsgabe in der Stegreifkomödie hervorgethan haben. Ausserdem
waren noch Mitglieder die oben genannte schöne Sara von Bocks¬
berg, Johann Christoph Dorsch, ein gewisser Sasse und der Italiener
Franz Christoph Paceli. Letzterer hatte früher den italienischen
120
Arlechino gespielt und sich mittlerweile die deutsche Sprache so
angeeignet, dass er das Publikum durch die gelungensten Improvi¬
sationen als Spassmaclier oder Curtisan »gar mächtiglich zu ergötzen«
verstand. Paceli und Dorsch waren schon 1669 unter Georg II. von
Sachsen bestallte Hofcomödianten.
Die berühmte Bande, welche trotz »der herrlichen victoriae der
christlichen Waffen über den Erbfeind bei Wien« in verschiedenen
Städten sehr schlechte Geschäfte gemacht hatte , erzielte bei ihrem
kurzem Aufenthalt in Frankfurt für ihr Weiterkommen einen sehr
bedeutenden Ueberschuss. Besonders wurde das Yelthen’sche Theater
eifrig von hohen Standespersonen besucht, welche, um mit dem be¬
rühmten Magister selbst zu reden, »auch in dieser Zeit, ohne üppigen
Ruhm zu melden«, an seinen »ernsten und spassigten Actiones ein
gar mächtigliches und erbauliches Vergnügen gehabt hatten.«
Velthen gab »auf hohe Animation« noch zwei Vorstellungen
mehr als beabsichtigt und entrichtete aus Dankbarkeit den Stadt¬
armen eine Summe, welche die vorgeschriebene Abgabe um ein
Erhebliches überstieg. 220
Ungeachtet der mühevollsten Nachforschungen hat sich auch
über diese Epoche der Kunstthätigkeit der berühmten Bande in
Frankfurt keine ihrer gedruckten Ankündigungen auffinden lassen.
Noch vor 10 Jahren besass ein jetzt verstorbener eifriger Sammler
von Frankfurtensien drei Theaterzettel in Grossquartform von den
kurfürstlich sächsischen Hofkomödianten aus dem Jahre 1686, auf
welchen die Aufführungen der Stücke »Der schlimme Roderich« nach
dem Cid von Corneille, »Der Verdrüssliche«, eine Bearbeitung des
Misanthrope von Meliere und »Der bestrafte Brudermord oder Prinz
Hamlet aus Dänemark«, alle drei mit lustigen Nachspielen, ange¬
kündigt gewesen sein sollen. Einer mündlichen Schilderung zufolge
waren die Theaterzettel an den vier Ecken und über dem Titel des
Stückes von Arabesken umrahmt und mit einer kurzen Inhaltsangabe
der einzelnen Akte und der Gesammtmoral des ganzen Stückes
versehen.
Der Beschreiber dieser gedruckten Ankündigungen, die leider
nach dem Tode jenes Sammlers spurlos verschwunden sind, ist sicher
von seinem auch in anderen Dingen ausgezeichneten Gedächtniss in
keiner Weise getäuscht worden. Velthen führte ja die beiden erst¬
genannten Stücke auch 1688 in Dresden und 1690 während der
Carnevalszeit in Torgau auf, wohin er von seinem dort weilenden
fürstlichen Gönner Johann Georg III. von Sachsen berufen worden
war. 221
Auch eine Aufführung des Hamlet von Shakespeare fand
zweifellos statt, wenngleich es auch eine bekannte, oft erwähnte
Thatsache ist, dass Velthen seine Stoffe hauptsächlich aus der fran¬
zösischen, spanischen und italienischen Literatur schöpfte.
117
Jahre später in Frankfurt spielte, erinnerte er den Rath an die 1685
im Krachhein dahier durchgemachte Misere, die ihm wegen »des
hohen Erlösungsgeldes benebst Zinsen noch lange nachgehängt und
viele Sorgen bereitet habe.«
Die Täter der Stadt waren aber gegen Elenson nicht allein
hart und unzugänglich, sie gaben auch dem Jacob Kuhlmann, Prin¬
cipal der bayrischen Hofkomödianten, auf seine Supplikation vom 25.
August 1685 einen abschlägigen Bescheid, obgleich derselbe von
Nürnberg aus, wo er sich mit seiner Compagnie 10 ganze Wochen
aufgehalten und noch aufhielt , durch die besten Empfehlungen
angesehener Personen unterstützt worden war.
In der Ostermesse 1686 wurde die dramatische Kunst nur
durch einen italienischen Dockenspieler und andere fahrende Künstler,
welche sich die durchaus nicht gerechtfertigte Bezeichnung Komö¬
dianten beilegten, in sehr untergeordneter Weise in Frankfurt ver¬
treten.
In der Herbstmesse kehrte dies Gesindlein wieder, dem der
Rath — wie in einigen seiner Beschlüsse ausdrücklich erwähnt wird
— nur aus Rücksicht für die Messfremden den stark begehrten
Einlass gewährte. Aber diese Willfährigkeit der Väter der Stadt
regte auch wieder in echten Thespisjüngern das Verlangen an , auf
dem »guten Boden Frankfurts ihr Heil und ihr bestes Fortuna
zu suchen.«
Neben verschiedenen benannten und unbenannten Truppen¬
führern petitionirte auch wieder Johann Velthen, der auf einem
Wanderzuge durch Frankfurt kam und »nur acht Tage lang seine
Comödien liier präsentiren wollte.« Alle anderen Truppen wurden
abgewiesen, nur Velthen erhielt — aber erst nach dreimaligem Nach¬
suchen und einflussreicher hoher Befürwortung — den folgenden
Bescheid : »Solle man demselben dergestallt willfahren, dass er die
Comödia bei guter Zeit anfange und guter Tages Zeit endige, die
Armen der drey Häuser wohl bedenke und von den Spectatoren
ein mehreres nicht als von der Person 10 kr. einfordern und nehmen
lassen.« 217
Unter den Principalen, welche sich gleichzeitig mit Velthen
um die Spielerlaubniss für die Herbstmesse bewarben, befand sich
auch Georg Scheurer, der Direktor der »neu aufgerichteten Nürn¬
berger Bande.« In wie weit Velthen durch seine Bildung, durch sein
ganzes Auftreten alle anderen Komödiantenführer überragte, das
zeigen auch seine Bittschriften an den Rath Frankfurts, deren Inhalt
im Vergleich zu dem einestheils sklavisch unterwürfigen, anderntheils
prahlerischen Briefstyl der meisten Wanderprinzipale einen interes¬
santen Beitrag zur Charakteristik des grossen Magisters liefert. —
Um ein deutliches Bild von dem Unterschied dieser Supplikationen
zu gewinnen, soll hier ein Schreiben Velthens vom 21. August 1686
118
einer Eingabe jenes Georg Scheurer gegenüber gestellt werden, welcher
in Nürnberg und anderen südlichen Reichsstädten durch die präch¬
tige Ausstattung seiner Stücke das grösste Aufsehen erregt hatte.
»Hochedle, Gestrenge, Yest und Hochgelährte; Wohlfiirsichtige
Hochweise insonders Grossgünstige Gebiethende und Hoch¬
geehrteste Herrn Bürgermeister und Rath etc.
Wiewohl es durch den vielfältigen Missbrauch dahin gekommen
zu sein scheinet, dass der gute gebrauch Comoedien undt Schauspieler
von etlichen in zweifeil gezogen undt dahero öfters viele gute Inten-
tiones behindert worden ; so ist jedennoch hoffentlich niemandt , der
nicht wird gestehen müssen , dass die Comoedien , wo sie in ihren
vorgeschriebenen Schranken und Terminis bleiben , viel gute undt
erbauliche Moralia undt Lehrsätze nach sich führen, dadurch die
jugendt erbauet und sonsten allerhandt Gutes in vita Civili befördert
wird. In solcher absicht ist ein Hochedler Hochlöbl. Rath des Heyl.
Reichs-Stadt Nürnberg veranlaßet worden, mir hochgeneigt zu verstatten,
nachdehme ich durch unverdroßenen Fleiß undt Mühe mich umb
eine qualificirte Compagnie Comoedianten beworben undt zusahmen
gebracht, bev geraumer Zeit hero viele verschriebene Actiones da-
selbsten mit größtem applausu zu repräsentiren und vorzustellen,
allermaßen dan nach ungesparter Sorgfalt auch in diesen stückh mein
Propos dargestalt glücklich reussiret, dass mich mit solchen Leuten
versehen, welche sowohl gantze Actus singend undt rare Balletten
a la francoise als auch mittels gute addresse undt gahr kostbahre
Kleider dergestalt ihre Sache wohl und rümlich verrichtet, dass sie
denen sowohl hohes als niedriges Standts Spectatoribus alle verlangte
Satisfaction getlian.«
Nachdem Scheurer in schwülstiger Weise die Bitte ausge¬
sprochen, »ihm die hohe Gnade und favor zu erzeigen, hier auf¬
genommen zu werden«, fügt er noch hinzu, »dass er nur in dieser
weltberühmten Stadt Vorstellungen allerhand erbaulicher und keines¬
wegs ärgernuss gebender Stuckk, . . . alß mau in der opera zusingen
pfleget, auf dem Theatro representiren wolle.« Dann Unterzeichnete er :
Georg Scheurer der neu aufgerichteten Nümbergischen Bande
Comödianten-Principall und Director.
Wie einfach klingt dagegen Velthens Eingabe vom 21. August
1686. — Nach der wie bei allen Bittgesuchen an den Rath Frank¬
furts ziemlich devoten Einleitung fährt er fort :
»Wann nun großgünstigliche Hochgeehrteste Herrn ich, alß der
vor einigen Jahren die Gnad gehabt, dass allhier meine Comedien
praesentiren dörffen vor wenig Tagen allhier angelanget, der intention
vnd Meinung, wann abermalds Obrigkeitliche gnädige Erlaubnuss
erlangen könnte, einige ganz nur moralische und unärgerliche Co-
roödien zu repraesentiren.
115
erscheint, dass seine schriftlichen Eingaben ohne jegliche Berück¬
sichtigung bei Seite gelegt und später beliebig vernichtet wurden, so
darf man wohl voraussetzen, dass er vielleicht bei seiner Durchreise
eine mündliche Anfrage hielt, aber auf eine wenig günstige Beant¬
wortung direkt mit seiner aus 14 Personen bestehenden Gesellschaft
von Frankfurt nach Leipzig abreiste.
Kurz vor der Herbstmesse 1684 petitionirten die »Wienerischen
Comödianten«, welche vor fünf Jahren hier gewesen waren und damals
unter der Direktion von Andreas Elenson gestanden hatten. Erst nach
wiederholten dringenden Eingaben, in welchen sie auf ihre Nothlage
während der Belagerung Wiens durch die Türken 1683 und auf den
Sieg des polnischen Heldenkönigs Johann Sobieski »durch den Gott
die christlichen Waffen gegen den Erbfeind gesegnet und dem Reich
wieder Ruhe gegeben hat«, in ausführlicher Scliilderuug hingewiesen,
erhielten sie endlich unter denselben Bedingungen wie früher Yelthen
einen willfährigen Bescheid.216
Die »Wienerische Compagnie« muss beinahe acht Wochen im
Krachbein gespielt haben; denn am 18. November 1684 fasste der
Rath den auch auf sie bezüglichen Beschluss: »Solle man den Buss¬
und Betttag also ein stellen lassen, Herrn Dr. Spenern auf die ohn-
längst bestimmte vier Stund zu predigen nicht so genau astringiren,
den Comödianten aber zu agiren allerdings inhibiren«.
Der künstlerische Standpunkt dieser Gesellschaft lässt sich nicht
so genau bestimmen, da über ihre Thätigkeit in Frankfurt nicht die
geringsten Mittheilungen erhalten sind. — Jedenfalls stand Velthen
in einem viel höheren Ansehen beim Rath als die »Wienerische
Compagnie«, die allem Anschein nach mehr der allgemeinen Kate¬
gorie der »Leutbelustiger« zugetheilt wurde. — Diese Schlussfolge¬
rung wird bestätigt durch ihre frühere Wirksamkeit in Frankfurt
unter Elensons Direktion, während welcher ja auch der Schwerpunkt
ihrer Leistungen in komischen und »lächerlichen Actionibus« bestand.
In der Ostermesse 1685 war der Rath vollständig unzugänglich
für alle dringenden Eingaben der fahrenden Künstler. Er wies die
Seiltänzer und Pulcinella-Spieler auf das Entschiedenste ein für alle¬
mal ab und willfahrte ebenso wenig den Gesuchen des schon in
früheren Jahren oft mit einer Vertröstung abgewiesenen Jacob Kuhl-
mann, der jetzt Direktor der Bayrischen Hofkomödianten war. Auch
die in höchst kläglichem Ton abgefassten Bittschriften des in komi¬
schen Rollen berühmten Andreas Elenson, der sich in diesem Jahre
»Principal einer hochdeutschen Compagnie« nannte, erfuhren ein
gleiches Schicksal. Kuhlmann reiste auf den abschlägigen Bescheid
sofort mit seiner Gesellschaft wieder von Frankfurt ab, allein Elenson,
der schon einige Wochen vor dem Beginne der Messe mit seinen
»Zugehörigen« im Krachbein abgestiegen war, suchte gewissermassen
den Rath dadurch zu einer Erlaubniss zu zwingen, dass er seine
8*
116
tägliche Rechnung bei dem Gasthalter im Krachbein nicht bezahlte
und ausserdem noch bei verschiedenen Frankfurter Bürgern nicht
unbedeutende Schulden machte.
Hierauf entschloss sich Elenson, in einer weiteren Bittschrift
den letzten Sturm auf die Herzen der Rathsherren zu unternehmen.
Wenn er aber auch die mehrmalige Versicherung gab, dass er gerne
»als ehrlicher Biedermann von hier ab reisen und seinen Creditoren
gebührliche Satisfaction geben wolle«, so vermochte doch auch dieser
Ausspruch nichts an der abweisenden Haltung der durch geistliche
Ein würfe stark beeinflussten Väter der Stadt zu ändern. Ebensowenig
Eindruck machte auch ein ferneres Versprechen Elensons, nur schöne
geistliche Stücke und solche erbauliche Historien aufführen zu
wollen, »welche der lieben Jugend einen anreytz zu manchen löb¬
lichen Sitten und Tugenden geben können.« — Als alle Pläne und
Hoffnungen scheiterten, als er, je länger er hier weilte, desto tiefer
in Schulden gerieth , reiste Andreas Elenson nach München und
überliess es den fortgesetzten Klagen und Bitten seiner Frau,
das entschiedene Sträuben des Rathes zu überwinden. Diese bot
denn auch Alles auf, um, wie sie sich ausdrückte, »für das Schöpfen
aus der bekannten Segensquelle nach langem Dürsten dennoch den
heftig begehreten Consens zu erlangen.«
Am 26. März 1685 richtete nämlich Maria Margaretha Elenson,
»der hochdeutschen Compagnie Comödianten Principalin« eine kläg¬
liche und dringende Bittschrift an den Rath, worin sie unter anderm
sagte, dass sie sich während ihres Mannes Abwesenheit elendiglich
mit ihren vier armen Kindern habe durchbringen müssen, dass der¬
selbe nur den grossen Weg nach München unternommen habe, um
sich »eine neue wackere Compagnie zu erwerben.« Mit dieser möchten
sie gleich nach den Feiertagen agiren und zum freudigen Dank
sogar zwei Komödien zum Besten der Armen geben. »Sollten wir
aber abermahl so unglücklich sein, eine Fehlbitte zu thun« — schliesst
die Supplikantin, — »so könnten wir unsere Creditoren nicht befrie¬
digen, und ich müsste mit meinen vier armen Kindern hier über
dem Hals liegen bleiben oder gar ins Verderben gerathen. Aber ich
lebe der Hoffnung, dass ich meinem Manne eine erfreuliche Nach¬
richt mit der Post melden kann.«
Maria Margaretha Elenson irrte sich auch diesmal, sie konnte
ihrem Manne keine erfreuliche Nachricht nach München mittheilen.
Der Rath liess sich nicht erweichen, wies ihre letzte Bittschrift ein
für allemal zurück und nahm kein weiteres Memoriale mehr vou
ihr an. Mit wessen Beistand sich die bedrängte Principalin aus ihrer
Nothlage befreite, wer ihr das Geld lieh, damit sie mit ihren Kindern
nach München weiter reisen konnte , ist nicht genau bekannt,
aber so viel steht fest, dass dieser Helfer kein barmherziger Sama¬
riter gewesen wie im Jahre 1679 Velthen es war. Als Elenson zehn
113
Anfangs September kehrte Yelthen auf einen Wink seiner hohen
Fürbitter wieder nach Frankfurt zurück. — An welchem Tage er
seine Vorstellungen begann, lässt sich nicht bestimmt feststellen, aber
da er am 21. September fast 3 Wochen hier gespielt hatte,213 so
dürfte man wohl mit einiger Sicherheit annehmen können , dass es
gerade hundert Jahre vor der Eröffnung des hiesigen Schauspielhauses
gewesen ist.
Der Umstand, dass Velthens Theater von den gebildeteren Frank¬
furtern und den hier anwesenden Gesandtenfamilien sehr eifrig besucht
wurde, veranlasste ihn am 21. September 1682 dem Rath die Bitte
vorzutragen, »seine Actiones noch bis nach der Messe continuiren zu
dürfen«. Auf dies Gesuch erhielt er wieder einen willfährigen Be¬
scheid, aber diesmal mit der Hinzufügung, »dass man nach dem ersten
October seine Spiele unfehlbar einstellen und ihm dann alle weitere
Hoffnungen abschneiden müsse«.214 — Yelthen spielte wie früher
bis zu dem festgesetzten Tage »biblische und anmuthig liebliche
Comödien aus denen Historienbüchern, so keiner fleischlichen Lust und
unziemlicher Begierde Anreitzung und Veranleitung geben können«.
Zwischendurch gab er auch »frembde Comödien und frei erfundene
Hauptactionen aus alter und aus neuer Zeit«, das heisst Stücke, in
denen bedeutende Begebenheiten und Grossthaten aus der Gegenwart
und Vergangenheit nach einem bestimmten Scenarium in improvisirter
Rede dargestellt wurden. Gerade diese Gattung, in der die Sprach¬
gewandtheit und Darstellungskunst der Mitglieder der berühmten
Bande sich am vollkommensten entfalten konnte, erhielt in Frank¬
furt den grössten Beifall. — Wie überall, so war es auch hier nicht
das ächte Kunstbedürfniss, welches durch derartige Leistungen be¬
friedigt wurde, sondern vielmehr das Vergnügen an der Schlagfertig¬
keit und Erfindungskraft der Spieler, die sich im gegenseitigen Wett¬
eifer oft durch einen kühnen Einwurf aus den peinlichsten Verlegen¬
heiten zu erlösen suchten. Auch die früher von den englischen
Komödianten aufgeführten Stücke und die Stoffe aus den biblischen
und den deutschen Helden- und Liebesbüchern erhielten durch ex-
temporirte Einlagen für das Frankfurter Publikum einen neuen und
äusserst fesselnden Reiz.
Die auf alle mögliche Weise sich äussernde Anziehungskraft
der Velthen’schen Truppe gab denn auch die Veranlassung zu einer
Fürbitte, wie sie dem Rathe zuvor noch nie eines wandernden Komö¬
diantenführers wegen vorgetragen worden war. — Als der erste
Oktober 1682 und mit ihm der letzte Termin der Vorstellungen
herannahte, petitionirten »die Frauenzimmer« in die Ausdrucks weise
unsrer Zeit übersetzt, die Gemahlinnen »der allhier anwesenden Herrn
Gesandten und andere ihres Gleichen« für die Fortsetzung der Vel¬
then’schen Komödie. Besonders war es der kaiserliche Gesandte Herr
von Strotmann und seine Gemahlin, welche mit vielen Empfehlungen
8
114
bei dem jüngeren Herrn Bürgermeister durch einen adeligen Caval ier
für Velthen »intercediren« Hessen. Ein so imgewölmliches, die ganze
berühmte Bande hoch ehrendes Gesuch konnte trotz des anfangs
abschlägigen Bescheides nicht ohne jeden Erfolg bleiben. Velthen
durfte nach dem 10. Oktober »der Animation der fürnehmen Frauen¬
zimmer wegen« — noch »einige frembde lehrreiche Comödien,« also
jedenfalls MoHere’sche Werke aufführen und konnte dadurch noch
einen kleinen Ueberschuss für die Abreise mitnehmen. Denn obschon
sein Theater von vornehmen und gebildeten Persönlichkeiten eifrig
besucht wurde, so machte Velthen doch im Allgemeinen keine guten
Geschäfte. — Nicht allein, dass während der Messe, wie Velthen
selbst sagt, »eine sehr geringe Frequenz in Frankfurt war,« das
»Parterre« blieb auch wegen dem anwesenden Pulcinella -Spieler,
dessen lustige Figur das gemeine Volk sehr stark anzuziehen ver¬
stand, fast vollständig leer.
Ueberhaupt waren die Velthenschen Vorstellungen für das
grössere, an die derben Spässe des Pickelhäring nur zu sehr gewöhnte
Frankfurter Publikum im Allgemeinen noch viel zu wenig anziehend.
Dass Velthen dieser durch seine Vorgänger verbreiteten Eiclitung
nicht entsprach, ist ein ebenso ehrendes Zeugniss für ihn als jene
Verwendung hochstehender Frauen, deren Gefühl durch seine Vor¬
stellungen gewiss in keiner Weise verletzt wurde.
Das denkwürdige Theaterjahr 1682, welches den Magister Vel¬
then am längsten in Frankfurt sah, darf nicht ohne eine Erinnerung
an das eigentümliche Zusammentreffen beschlossen werden, welches
in dem Entwickelungsgang der Schauspielkunst in Frankfurt in ver¬
schiedenen Jahrhunderten das Jahr 82 stets so bedeutungsvoU er¬
scheinen lässt. Zur Zeit der Bürgercomödie erlebte dieselbe 1582
einen neuen Aufschwung unter der Leitung Ott Regenbogens, hundert
Jahre später wirkte in Frankfurt beinah sechs Monate der Mann,
welcher durch seine tadellose Führung, sein ächtes Kunststreben der
Schauspielkunst und ihren Vertretern wieder einiges Ansehen errang
und abermals nach Verlauf eines Säculums 1782 wird nach langem
Ausharren in Buden und Ballhäusern der dramatischen Kunst eine
würdige, ihrer hohen Bedeutung entsprechende Wohnstätte zu Tlieil.
II.
Obgleich Magister Velthen in einem kurz vor der Michaelis¬
messe 1683 abgefassten Bittgesuch an den Leipziger Magistrat aus¬
drücklich sagt, dass er mit einem Kostenaufwande von über hundert
Thalern von Frankfurt am Mayn herkomme,215 so liess sich doch
trotz der genauesten Nachforschung in den Akten des Frankfurter
Stadtarchivs keine Notiz über seine hiesige Kunstthätigkeit in diesem
Jahre auffinden. — Da es nun bei der achtungsvollen Behandlung,
die Velthen stets von Seiten des Käthes erfuhr, nicht leicht glaublich
127
mehr Erbauung' könnten zu Wege bringen als die Predigten«.232
Dieser der Geistlichkeit gegenüber etwas kühne Ausspruch, welcher
die künstlerische Wirksamkeit der Yelthin in beiden Messen 1695
kurz, aber zutreffend kennzeichnet, zeigt, dass sie bis zu diesem Jahre
dem strengen Standpunkt ihres Mannes getreu geblieben war, welchen
sie später auf ihren Wanderzügen in der Rivalität mit den gewöhn¬
lichsten Gauklerbanden leider nicht mehr einhalten konnte.
Im Bewusstsein ihrer »guten Intentionen« erbot sie sich sogar
den Herrn Prädikanten alle Morgen das für die Aufführung vor¬
bereitete Stück zur Censur vorzulegen, welches Anerbieten von den
Rathsherrn sofort angenommen wurde.233
Es ist kein einziger Fall bekannt, dass die der Schauspielkunst
gewiss nicht freundlich gesinnten Geistlichen zum Schutze der Sitt¬
lichkeit gegen die Darstellungen der Principalin Katharina Elisabeth
Veitheil einzuschreiten gebraucht hätten. Diese Thatsache verbunden
mit dem grossen Ansehen, in welchem damals die Leistungen ihrer
Truppe bei dem gebildeten Frankfurter Publikum standen, ist ein
um so ehrenvolleres Zeugniss für die Wittwe des berühmten Magisters,
als am Schlüsse des Jahrhunderts gerade das Leben und Denken
der höheren Kreise in Frankfurt von einem streng kirchlichen Geiste
geleitet wurde. — Ueberhaupt zeigt uns ihr erstes hiesiges Auftreten
als Prinzipalin in den mannigfaltigsten Zügen das Bild einer rüstigen
und tüchtigen Frau, die von ihrem Manne viel gelernt hatte und ihr
Regiment bei .weitem sicherer und entschiedener zu führen verstand,
als man gewöhn lieh von ihr annimmt.
Katharina Elisabeth Velthen (nicht Anna Chatarina) verfasste
sogar die meisten ihrer Eingaben selbst und zwar in einer Weise,
welche es leicht glaubwürdig erscheinen lässt, dass sie die Schriften
des theaterfeindlichen Magdeburger Predigers, Johann Joseph Winkler
in einer förmlichen Apologie zu widerlegen verstand.234 — Wenn
die Principalin der Polnischen und Kursächsischen Komödianten ihren
Namen Unterzeichnete, so schrieb sie ihn mit ihrer festen und klaren
Handschrift stets in derselben AVeise wie es auch früher der berühmte
Magister Johann Velthen aus Halle meist getlian. Hiernach sind
alle anderen Formen wie Velthem, Velden und Veltheim willkürliche
Abänderungen, welche sich wahrscheinlich durch die Schreibweise
der Verfasser von Supplikationen und der Schreiber der Rathsproto-
kolle und Bescheide nach und nach gebildet haben mögen.
Nachdem ihre Thätigkeit in Frankfurt ein Ende erreicht hatte,
wollte sich die Wittwe Velthen mit ihrer Truppe nach Mainz bege¬
ben.235 Hier hat Julius Franz Elenson im Herbst 1698 grosses
Aufsehen in komischen Rollen erregt. — Ob er dies als Mitglied der
polnischen und chursächsischen Bande that, oder ob er erst in
Mainz sich zu dieser Truppe gesellte, lässt sich nicht genau ermitteln
128
aber so viel ist gewiss, dass dieser Elenson am Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts mit der Yelthenschen Gesellschaft nach Hamburg kam,
wo er sich alsbald mit Sophie Julie, der schönen Tochter eines
dortigen , nicht näher benannten Bürstenbinders, verheirathete.
Auch yon diesem Aufenthalte der berühmten Bande in Frank¬
furt haben sich keine Anschläge- oder Ausgebezettel erhalten, welcher
Umstand um so mehr zu beklagen ist, weil sich aus denselben sicher
ergeben würde, dass die Wittwe Velthen wenigstens bei den Haupt¬
aktionen die auf Ehrbarkeit und Sitte Rücksicht nehmende fast re¬
ligiöse Kunstrichtung ihres Mannes durchaus beibehielt. — Noch einen
schönen Zug scheint diese Frau, deren störrisches, hie und da weibisch
eigensinniges Wesen später Viele an ihr irre machte, sich von dem
verstorbenen Gatten angeeignet zu haben. Es war dies jene edle
Freigebigkeit, welche auch Velthen stets anspornte, bei guten Ein¬
nahmen den Armen eine erhebliche Spende zukommen zu lassen. Als
sich ihr Theater täglich füllte, erbot sich die Velthin, wöchentlich
entweder noch ein Gewisses für die Armen abzugeben oder an einem
Tag, welcher ihr jedesmal obrigkeitlich anbefohlen werden möchte,
für dieselben zu agiren.236 Der letzte Vorschlag wurde angenommen,
sie spielte wöchentlich ein ernsthaftes Stück zum Besten der Armen
und legte vor ihrem Abzug noch eine besondere Gabe für das
Hospital und die Armen bei. — Die Velthin frischte also das An¬
denken ihres Mannes in einer in jeder Beziehung edlen Weise auf
und rechtfertigte vollkommen das Zeugniss des Königs von Polen,
welcher sie dem Rath Frankfurts als eine ebenso kunstverständige
als rechtschaffene Principalin empfohlen hatte.
Die berühmte Bande schloss den Reigen der fahrenden Ko-
mödiantentruppen , die vom Anfang bis zum Ende des XVII.
Jahrhunderts hier aufgetreten waren und die Stadt mit dem
Entwicklungsgang der deutschen Schauspielkunst bekannt gemacht
hatten. In den beiden Messen des Jahres 1699 fanden keine thea¬
tralischen Vorstellungen in Frankfurt statt, erst mit dem Beginne
des neuen Säculums sollten dieselben hier wieder ihren Anfang
nehmen.
»Niemand glaube die ersten Eindrücke der Jugend verwinden
zu können«, sagt Göthe in Wilhelm Meister. Dieser Ausspruch, der
eigentlich nur in dem Leben und Streben vieler Menschen seine
Bestätigung finden soll, lässt sich auch auf die Jugend der deutschen
Schauspielkunst anwenden, wenn es anders gestattet ist, sie selbst
mit einem reichbeanlagten Kinde und die Schauspieler mit ihren
Vormündern, Pflegern und Erziehern zu vergleichen. Der grosse
Magister hatte trotz der edelsten Absichten die Anlagen des Zöglings
auf Höchste angespannt, seine Nachfolger thaten desgleichen, aber
nicht mit jener weisen Vorsicht, welche ihm neben den unnatür¬
lichen Anstrengungen auch wieder köstlichen Lebensgehalt zuführte.
125
sonstigen fahrenden Künstler wies der Rath mit grösster Entschieden¬
heit zurück. Als eine berühmte Seiltänzerin nicht nachliess, die
Täter der Stadt mit ihren Bitten zu bestürmen, fassten dieselben
endlich den für das Ansehen der Schauspieler bezeichnenden Ent¬
schluss, von den Komödianten und Springern, »so wie als anderen
dergleichen leut, so sich in der nechst melden würden, ein für allc-
malil jedes memorial« zurückzu weisen. 2 25
In den beiden Messen von 1696 nahm der Rath, seinem
Beschluss zufolge, keine Supplicationen von »Komödianten und anderen
dergleichen leut« an, musste jedoch im December desselben Jahres
aus Rücksicht für eine einflussreiche Persönlichkeit auf kurze Zeit
eine Ausnahme gestatten. Seine Excel] enz der Kaiserliche General
von Thiingen liess im Verein mit einigen anderen hohen Standes¬
personen durch den Schöffen Jacob Müller Anfangs December einen
hochedlen Rath inständigst ersuchen, dass er den hier anwesenden
Komödianten, ohne Zweifel der Truppe des Andreas Elenson, einige
wenige Zeit »ihre Comödien zu exhibiren erlauben möge«.226 Dies
geschah denn auch unter gewissen »vorerinnerten Conditionen«, das
heisst nach Festsetzung derselben Bedingungen, welche auch die
früher hier gewesenen Gesellschaften gegen die Hospitals- und Stadt¬
armenkasse zu erfüllen gehabt hatten.
Wie lange die auf Thiingen’s Empfehlung angenommene Truppe
im Saale zum Krachbein Vorstellungen gab, lässt sich auf den Tag
nicht bestimmen, doch so viel steht fest, dass in der Weihnachts-
woche die Bühne bereits wieder abgebrochen worden war. — Es
sei noch erwähnt, dass sich bei dieser Gesellschaft ein ausgezeich¬
neter Lustigmacher befand, der zu dem Principal derselben in nahen
familiären Beziehungen stand.227 — Wenn nicht alle Andeutungen
und sonstige Uebereinstimmungen täuschen, dann muss dies Julius
Franz, der Sohn von Andreas und Marie Margarethe Elenson, ge¬
wesen sein, derselbe, dem der Kurfürst von Cöln nach seinem frühen
Tode im Bade Langenschwalbach 1709 ein Epitaphium aus schwar¬
zem Marmor setzen liess. Die schöne junge Wittwe des Julius
Franz Elenson, Sophia Julie, die nach ihres Mannes Tod die Prin-
cipalschaft übernahm und für die Folge in der Frankfurter Theater¬
geschichte eine so bedeutende Rolle spielen sollte, ist nicht zu ver¬
wechseln mit ihrer oben erwähnten Schwiegermutter, deren Kunst-
thätigkeit mit dem Niedergange des XVII. Jahrhunderts beendet
gewesen sein muss.
Die Akten des Frankfurter Stadtarchivs belegen es zum öftern,
dass zwei Principalinnen, Marie Margarethe und Sophie Julie Elen¬
son, in ziemlich weit auseinander liegenden Zeiträumen hier spielten.
Es steht ferner fest, dass die ältere Elenson schon 1685 zwei durch
die Abweisung des Rathes brodlos gewordene Söhne hatte, während
die jüngere im Jahre 1723 in dritter Ehe als noch ziemlich junge
126
Frau den Schauspieler Hoffmann heiratkete. Aus diesen Thatsaclien
geht zweifellos hervor, dass Maria Margarethe und Sophie Julie
Elenson nicht, wie bisher von verschiedenen Theaterschriftstellern
angenommen worden ist, identisch sind.
In den beiden Messen 1697, wo in den Kirchen Frankfurts
für den glücklichen Friedensabschluss von Rvswick häufiger
Gottesdienst gehalten wurde, duldete der Rath keine Komödianten
oder Freudenspieler. Statt dessen ist in diesem Jahre in Bockenkeim
ein Theater errichtet worden, dessen Besuch von Seiten der Frank¬
furter trotz des vom Rath erlassenen Verbotes sehr zahlreich war.
In Folge dessen wurden am 13. Januar 1697 und 11. Mai 1698
von dem Prediger - Ministerium Frankfurts beschlossen, hei jeder
Gelegenheit gegen den Besuch dieses Theaters zu wirken.228 Jeden¬
falls in Rücksicht auf diesen Beschluss zeigten auch die Väter der
Stadt gegen die Wittwe Katharina Elisabeth Velthen kein entgegen¬
kommendes Verhalten, als dieselbe mit ihrer 25 Mann starken Com¬
pagnie in der Ostermesse 1698 dringend um Aufnahme nachsuchte.229
Obgleich sie sich auf den wiedergewonnenen Frieden , auf die
ankommenden hohen Standespersonen berief, die sich »bei ihren
serieusen Verrichtungen gerne mit erlaubten Veränderungen diver-
tiren wollen«, so erhielt sie doch erst nach mehrmaligen Bittgesuchen
und auf ganz besondere Empfehlung »Seiner hochgräflichen Gnaden
zu Hanau« und verschiedener wegen nachträglicher Verhandlungen
über den Frieden von Ryswik sich hier aufhaltender hoher Standes¬
personen die Erlaubniss, ihre »moralischen, keine skandalösen Dinge
enthaltenden Actiones präsentiren« zu dürfen.230 Vielleicht wirkte
aber bei der endlichen Willfahrung des Rathes noch mehr als dieses
hohe Fürwort das grosse Ansehen des Veltken’scken Namens mit,
der ja auch in Frankfurt stets einen guten Klang gehabt hatte.
Und die Wittwe des berühmten Magisters, die kurz nach dem
Tode »ihres vor mehreren Jahren verstorbenen Mannes das polnische
und chursächsische Privilegium erhielt«, wollte durch ihr eignes
Handeln diesen feinen Ruhm nicht schmälern. Sie versicherte aus¬
drücklich, dass sie es in allen Stücken machen wollte, wie ihr seliger
Mann, »der durch seine Actiones in ehr- und sittsamen Gemütkern
keinen Eckel oder Verachtung erwecket, sondern sich vor Hoch und
Niederen Personen dergestalten auch in Frankfurt aufgeführet, dass
nie eine Klage oder Ungelegenheit erhoben worden.«231
Da die Schaubühne der Veltkin sehr eifrig besucht und am
22. Juni 1698 abermals von Seiten der Geistlichkeit über den »un-
geseheuten Besuch des Theaters« geklagt wurde, so scheint eine sehr
freimüthige Aeusserung eines ungenannten, aber sicher angesehenen
Frankfurters sich direkt auf die Leistungen der berühmten Bande
bezogen zu haben. Er meinte, »es Aväre Schade, dass solche Komödien
nicht in der Barfüsserkircke gehalten worden seien, maassen solche
Hamlet. Es war so, dass ein Bruder den andern im Garten
ermordet.
Principal Carl. So wird es docli diese Materie sein. Giesst
des Königs Bruder nicht dem Könige einen Gift in das Ohr?
Hamlet. Recht, recht, eben dieselbe ist es; könnt ihr wohl
sie diesen Abend noch präsentiren?
Principal Carl. 0 ja, das können wir leicht machen, denn
es kommen wenig Personen dazu. — etc.222
Ein solches Versprechen konnte der Principal nicht kurz vor
der Aufführung geben, wrenn die Darsteller nöthig gehabt hätten,
ihre Rollen noch vorher zu memoriren. Er musste sich somit auf
che Redegewandtheit der Schauspieler verlassen, welche die gegebene
Materie sofort nach einer kurzen Probe und Beschreibung in ein
passendes dramatisches Gewand zu kleiden verstanden.
Von der Vertheidigung der Ansicht, dass Hamlet wirklich und
zwar auch in Frankfurt von Velthen zur Darstellung gebracht wor¬
den sei, kehren wir zu dem berühmten Magister selbst zurück, der
seinen guten Stützpunkt Frankfurt nach der kurzen, aber erfolg¬
reichen Wirksamkeit im Jahre 1686 nie wieder sehen sollte.
Kaum war Velthen nach Sachsen zurückgekehrt, da liess der
»Jupiter Frankreichs«, der König Ludwig XIV., die ersten Vorboten
jenes neuen verheerenden Unwetters emporsteigen, das nicht allein
die Rheinpfalz verwüsten, sondern auch Frankfurt mit den umliegen¬
den Ortschaften in die grösste Gefahr versetzen sollte. Schon 1687,
also ein Jahr vor dem Ausbruch des pfälzischen Erbschaftskrieges,
waren die Zeitumstände so trüb und Besorgniss erregend, dass der
Rath in der Oster- und Herbstmesse weder den Gesuchen der Ko¬
mödianten, noch der Seiltänzer oder sonstiger Künstler einen will¬
fährigen Bescheid ertheilen konnte.
In der Herbstmesse wollte der bereits erwähnte Georg Scheurer,
Principal der Xiirnbergischen Komödianten, seine Aufnahme durch
den Beistand des Landgrafen zu Hessen-Homburg mit aller Gewalt
durchsetzen, aber, obgleich Scheurer eine Supplication nach der
anderen einreichte, obgleich sein fürstlicher Gönner eigens »dero
Cammermeister« mehrmals wegen einer »Recommandation und Uft-
nahme der Komödianten« zu den Herren Bürgermeistern sandte, so
entschloss sich doch der Rath bei den immer ernster werdenden
Zeitumständen zu keiner Abänderung des einmal gefassten Beschlusses.
Ebensowenig wie Scheurer durfte auch der im letzten Viertel des
XVII. Jahrhunderts hochberühmte Seiltänzer Jean Fontaine seine
»kaum glaublichen Actiones« präsentiren, die früher das Volk so sehr
angelockt und ihn und seine »Mitgesellen für die weitesten Reisen
anhero reich entschädigt und belohnet« hatten. Das Einzige, was
124
der Rath mit Rücksicht auf die Messfremden gestattete, war die
»privat Cammer« eines Taschenspielers, dessen Künste jedoch nur
unter grossen Einschränkungen erlaubt wurden.223
Der barbarische Einfall der Franzosen in die Pfalz vertrieb die
meisten Wandertruppen bis zum Frieden von Rvswik (1697) aus
den vom Kriege bedrohten Gegenden. Auch Frankfurt schwebte
bis zu diesem Zeitpunkt in steter Gefahr vor der Wiederkehr der
französischen Mordbrenner, welche 1688 die der Stadt zugehörigen
Dörfer Ober- und Niederrad angezündet und ausserdem noch oft
wilde Streif banden in die Nähe des Frankfurter Weichbildes aus¬
gesandt hatten.
»Doch wo Bellona herrscht, kann keine Muse nahen«, und so
kam es denn auch, dass Yelthen gerade in seinen letzten Lebens¬
jahren von Frankfurt fern bleiben musste, seit ihn der Tod Johann
Georg’s III. von Sachsen aufs Neue mit seiner Bande zu unsicherem
Erwerb in die Ferne hinaus getrieben. — Frankfurt sah dem¬
nach den berühmten Magister nur in der höchsten Blüthe seiner
Wirksamkeit. Als er selbst eine Reform der von ihm in’s Leben
gerufenen Kunstgattung, der Stegreifkomödie, anbahnte, als er nach
verzweifeltem Kampfe gegen die Dämonen, die er einst selbst herauf¬
beschworen, wie ein Held auf seinem eignen Schilde starb: da war
er fern von Frankfurt, das, um sein eignes Wort zu gebrauchen,
»ihm und seiner Kunst gar oft einen gütlichen und segensreichen
Ein- und Ausgang gestattet« hatte. Yelthen, der wahrscheinlich bald
nach 1693 starb, raubte durch sein Ableben der immer mehr ver¬
fallenden Schauspielkunst den letzten Rest edler Widerstandskraft.
Nachdem der grosse Magister, dessen eignes Geschick so fest mit dem
ihren verwachsen war, nicht länger ein starker Führer sein konnte,
verwilderte sie so sehr, dass sie nicht mehr Kunst, sondern nur noch
Profession genannt werden konnte.
III.
Nach einem achtjährigen Stillstand im theatralischen Leben
meldeten sich beim Rathe Frankfurts in der Herbstmesse 1695 wie¬
der die ersten Komödianten an. Es war Andreas Elenson, der
mittelst eines Schreibens ans Regensburg vom 6. Juni 1695 »die
gnädige Obrigkeit der weltberühmten Reichsstadt in tiefster Unter-
thänigkeit« um die Erlaubniss anging, in der Herbstmesse »am all¬
hiesigen orth seine actiones exhibiren zu dörffen«.224 Aber trotzdem
sich der in Frankfurt sehr angesehene Graf Gustav Adolf von Hohen¬
lohe für Elenson bei den Bürgermeistern verwandte, konnten die
Väter der Stadt doch in einer Zeit kein solch’ weltliches Vergnügen
gestatten, in welcher fast noch täglich in allen Kirchen Gottesdienst
wegen Abwendung der Kriegsgefahr gehalten wurde. Auch alle
121
Die Tragödie: »Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet
aus Dänemark« soll ja von der grösstentheils aus Studenten bestehen¬
den Yeltlien 'sehen Truppe schon bald nach deren Gründung in Dres¬
den gegeben und später auf ihren weiteren Wanderzügen durch das
Reich auch in süddeutschen Städten aufgeführt worden sein. Ohne
Zweifel war die von der berühmten Bande dargestellte Tragödie
nach jenem alten Original neu bearbeitet worden, welches die eng¬
lischen Komödianten sechzig Jahre früher bei der Aufführung am
Hofe zu Dresden und später in Frankfurt bei ihrer Abschiedsvorstel¬
lung benutzt hatten.
Der berühmte Schauspieler Konrad Eckhof besass eine im Jahre
1710 in Preetz in Holstein ausgefertigte Abschrift dieses umgearbeite¬
ten Stückes, in welchem besonders eine Scene und verschiedene in
derselben vorkommende theatralische Bezeichnungen der damaligen
Zeit darauf hinweieen, dass die Bearbeitung des alten Originals wahr¬
scheinlich für die berühmte Bande berechnet war. — Da schon im
vorigen Jahrhundert durch den Theaterschriftsteller Christian Hein¬
rich Schmidt, der Eckhof’s Abschrift gewiss nicht kannte, sehr heftig
gegen die mit grosser Sicherheit aufgestellte Behauptung gestritten
wurde, dass Yeltlien den Shakespeare seinem Repertoire einverleibt
habe, da auch in unserer Zeit oft derselbe Zweifel ausgesprochen
wurde, so mag hier in der sicheren Annahme, dass der dänische
Prinz 1686 über die Bretter der Frankfurter Schaubühne im Krach¬
bein ging, ein Theil von einer Scene aus jener Bearbeitung der
Tragödie »Hamlet« Platz finden, welche vielleicht besser die wichtige
Frage zu entscheiden vermag, als alle literarischen Belege und be¬
rechtigten Yermuthungen. Vorausgeschickt werde noch, dass man
diesem Stück bereits den Titel »Haupt- und Staatsaktion« beilegen
kann und dass die vorgeschriebenen Scenerien genau mit der Ein¬
richtung der Bühne zu Velthen’s Zeit übereinstimmen. Die Tragödie
beginnt mit einem in bombastischer Sprache abgefassten Vorspiel, in
welchem die Nacht in einer »gestirnten Maschine« erscheint und ein
bald in Alexandrinern, bald in platter Prosa gegebenes Zwiegespräch
mit den Furien Tisiphone, Megära und Alecto hält. Der Lustig¬
macher tritt ziemlich bescheiden als Hofnarr Phantasmo auf, er treibt
seine Scherze mit der wahnsinnigen Ophelia und bereichert schliess¬
lich durch seinen Tod das Stück um eine Leiche mehr. Die folgende
Scene ist in der Schlegel-Tieck’schen Uebersetzung des Hamlet kaum
wieder zu erkennen.
»Zweiter Akt. Scene VII.
Hamlet, Komödianten, Principal Carl.
(Die Bezeichnung Principal kommt erst in Velthen’s Zeit zum
ersten Mal vor, früher Wessen die Leiter einer Truppe Führer, Mei¬
ster und auch schon hie und da Directores.)
122
Principal Carl. Ihro Hoheiten wollen die Götter allezeit
mit Seegen, Glück und Gesundheit beschenken.
Hamlet. Ich dank euch, mein Freund, was verlanget ihr?
Principal Carl. Ihro Hoheiten wollen uns in Gnaden ver¬
zeihen, wir sind fremde hochteutsche Comödianten, und hätten ge¬
wünscht, das Glück zu haben, auf Ihro Majestät des Königs Bey-
lager zu agiren, allein das Glück hat uns den Rücken, der contraire
Wind aber das Gesichte zugekehret, ersuchen also an Ihro
Hoheiten, ob wir nicht noch eine Historie vorstellen könnten, damit
wir unsere weite Reise nicht gar umsonst möchten gethan haben.
Hamlet. Seyd ihr nicht vor wenig Jahren zu Wittenberg
auf der Universität gewesen? Mich dünkt, ich habe euch da sehn
agiren.
Principal Carl. Ja, Ihro Hoheiten, wir sind von denselben
Comödianten.
Hamlet. Habt ihr dieselbe Compagnie noch ganz bei euch?
Principal Carl. Wir sind zwar nicht so stark, weilen
etliche Studenten in Hamburg Condition genommen, doch seynd wir
zu vielen lustigen Comödien und Tragödien stark genug.
(Hiernach wäre die Mythe vielleicht doch nicht ganz ohne
einen thatsächlichen Anhalt, welche einige studirte Mitglieder der
Yelthen’schen Truppe durch vortheilhafte Verheirathungen in Ham¬
burg von dem Musen- in den Merkursdienst übertreten lässt.)
Hamlet. Könnt ihr uns wohl diese Nacht eine Comödie prä-
sentiren ?
Principal Carl. Ja, Ihro Hoheiten, wir sind stark und
exercirt genug.
Hamlet. Habt ihr noch alle drey Weibspersonen bey euch;
sie agirten sehr wohl?
Principal Carl. Nein, nur zwey, die eine ist mit ihrem
Mann an dem sächsischen Hof geblieben.«
Es folgt nun eine originelle, aber trotzdem verunglückte freie
Bearbeitung der berühmten Rede Hamlot’s über die Schauspielkunst.
Dann versichert Hamlet dem Principal, dass er ein grosser Lieb¬
haber seiner Exercitien sei, und fragt weiter:
»Höret mir nun, ihr agirtet dazumalen eine Materie in Witten¬
berg von dem König Pir — Pir — es pirt sich so.
Principal Carl. Ach, es wird vielleicht von dem grossen
König Pyrro seyn ?
Hamlet. Mich dünkt, doch weiss ich es eigentlich nicht.
Principal Carl. Wenn Ihro Hoheit nur noch etliche Per¬
sonen nennen oder etwas von dem Inhalt melden wollten.
(Es bedurfte also nur eines Leitfadens, um mit Hülfe der ex-
tcmporirten Rede den betreffenden Stoff dramatisch beleben zu
kö nnen!)
129
So kam es, dass die Schauspielkunst ihre ersten Jugendkräfte im
Irrthum zusetzte, dass sie in ihrem eigentlichen Jünglingsalter ein
kümmerliches Wachsthum zeigte, und dass sie erst in der milden
sonnigen Klarheit, mit der Goethes und Schillers Poesie den geistigen
Horizont des deutschen Volkes überstrahlte, wieder vollständig von
den Nachwehen jener wüsten Ausschweifungen genesen konnte.
9
Die dramatische Kunst in Frankfurt von dem
Beginne des XVIII. Jahrhunderts bis zum
ersten Auftreten der Neuherin.
i.
Es war eine erbebende und erfreuliche Aufgabe, von den guten
segensreichen Jahren der Schauspielkunst in Frankfurt berichten
zu können, aber es ist ein ernstes Amt im Dienste der Wahrheit,
auch ihre durch eigne Schuld hervorgerufenen bösen und unfrucht¬
baren Zeiten ans Licht zu ziehen. In eine solche Periode, deren
traurige Physiognomie mit dem Laufe der Jahre immer schärfere
Züge annehmen sollte, treten wir in der Frankfurter Theater¬
geschichte mit dem Beginne des neuen Jahrhunderts. — Dies ist die
Epoche, in der die getreuesten Anhänger der dramatischen Kunst hier,
wie überall, an üirem besseren Selbst verzweifelten, in der ein Un¬
stern über ihr schwebte : die Blüthezeit der tollen Haupt- und Staats¬
aktionen und des verwilderten Kunstvagabundenthums.
Diejenige Wandertruppe, welche diese an traurigen Kapiteln
reiche, an erhebenden Momenten so arme Epoche in Frankfurt ein¬
leiten sollte, war eine französische Opern-Gesellschaft, welche seither
in Metz und Strassburg Vorstellungen gegeben und sich auf den
Wunsch »hochansehnlicher Kayserlicher Ambassadeurs und Gesandten
sowohl auch anderer grosser Fürsten und Herrn, in specie aber Ihrer
hochgräflichen Gnaden von Hanau in die weltberühmte Beichsstadt
verfügt hatte«. Cherrier und Billieu, die Direktoren dieser aus mehr
denn 80 Personen bestehenden Compagnie berufen sich in ihrem Ge¬
such an den Rath auf diese wichtige Einladung und suchen den¬
selben noch ausserdem durch die genaue Darlegung des Punktes
für sich zu gewinnen, »dass es mit den Opern eine ganz andere
Beschaffenheit habe, ' als mit denen Comödias , welche ein Hochedler
Magistrat, wie berichtet worden, ehedessen wegen ärgernuss in ihrer
Stadt nicht habe gestatten wollen«. An diese schlaue Anspielung auf
die Herabgekommenheit des deutschen Schauspiels fügen Cherrier
und Billieu dann noch den kühnen Zusatz ; »dass ihre Opern die
Ehrbarkeit ganz und gar nicht verletzen, sondern in einem unschul¬
digen ehrlichen und edlen divertissement bestehen, dergestalt, dass
131
auch ihre Kayserliche Majestät zu Wien nicht allein solche in ihrer
Kayserlichen Residente zu dulden pflegen, sondern auch mit ihrer
praesentz und hohen protection allergnedigst beehren und ein sonder¬
bares Belieben daran bezeugen«.237 — Diese höchst geschickt und
schlau abgefasste Eingabe blieb denn auch nicht ohne den gewünschten
Erfolg. Cherrier und Billieu erhielten ihre Bitte bewilligt238 und
durften sofort mit dem Aufbau einer grossen Hütte beginnen, welche
verschiedenen Andeutungen zufolge, entweder auf dem Liebfrauen¬
berge oder auf dem Rossmarkt gestanden hat. Die Bühne darin
muss eine ähnliche Einrichtung gehabt haben, wie die der Vorstellung
von Himmel, Erde und Hölle entsprechende französische Mysterien¬
bühne des Mittelalters. Die Entrepreneurs besassen nämlich eine
»mächtige Machina«, welche sie mit grossen Unkosten, wegen dem
Auf- und Abwärtsschweben der Götter und Dämonen von Metz hier¬
her hatten transportiren lassen, um das Himmlische, Irdische und
Finstre in genauer Unterschiedenheit dem Frankfurter Publikum auf
dem Theater vorstellen zu können.
Auch an sonstigem raffinirten Prunk der Dekorationen und
Kostüme fehlte es dieser Gesellschaft nicht, deren hauptsächlichster
Anziehungspunkt neben einigen fürtrefflichen Sängern und Sänge¬
rinnen doch wohl in einem vollständig ausgebildeten Ballet bestanden
zu haben scheint.
Die Nichtachtung, mit welcher die Tagesblätter und die Gebil¬
deten in jener Zeit auch in Frankfurt alle mit dem Theater in Zu¬
sammenhang stehenden Erscheinungen im Allgemeinen zu behandeln
pflegten, hat leider auch das Forschen nach gedruckten Mittheilungen,
besonders nach Theaterzetteln von dieser Gesellschaft gänzlich er¬
folglos bleiben lassen.
Ueber den künstlerischen Standpunkt der beiden Direktoren
Cherrier und Billieu wird man aber einigermassen durch ihre Lei¬
stungen in Metz und Strassburg aufgeklärt, wo sie hauptsächlich Opern
von den bei den Italienern in die Schule gegangenen Robert Cambert
und Jean Baptiste Lully zur Darstellung gebracht hatten. Besonders
waren es die an neuen musikalischen Formen reichen Opern des
letzteren, z. B. »Bellerophon«, »Jsis und Armida«, welche mit ihren
Göttererscheinungen und eingelegten Balletten das Metzer und Strass¬
burger Publikum in Sonderheit aber »dortige hohe Herrschaften sehr
angezogen haben« sollen.239 Was nun in jenen beiden Städten Hoch
und Gering zu fesseln verstand, ist sicher auch in Frankfurt alsbald
zur Aufführung gekommen. Zudem war ja auch das französische
Opernrepertoire, das erst durch Lully ’s Schöpfungen grössere Selbst¬
ständigkeit erlangt hatte, noch nicht so reichhaltig, dass eine mannig¬
faltige Abwechslung desselben möglich gewesen wäre.
Die beiden durch Ballet verschönten Schäferspiele aber, welche
nach späterer Mittheilung des Frankfurter Theaterschriftstellers Jacob
9*
132
Seyfried , hier eine so bedeutende Anziehungskraft ausgeübt haben
sollen, können nur die besten Schöpfungen Robert Cambert’s: »Po¬
mona«, und »Les peines et les plaisirs de l’amour« gewesen sein.
Diese beiden anmuthigen musikalischen Werke erregten auch in Wien
das grösste Aufsehen.
Dass den ernsten Opern wie in Metz und Strassburg auch in
Frankfurt ein lustiges Nachspiel mit gesanglichen Einlagen folgen
musste, lässt sich bei einem Rückblick auf die früheren Abschnitte
der Frankfurter Theatergeschichte, in denen die lustige Figur ja stets
ein so starkes Zugmittel gewesen, leicht denken. In diesen Nach¬
spielen wirkten jedenfalls hauptsächlich italienische Künstler mit,
welcher Umstand viel zur Verbreitung der irrthümlichen Annahme
beigetragen haben mag, dass die Truppe eine italienische und nicht
eine französische Operngesellschaft gewesen sei.
Unter einem Zuspruch von vornehmen Herrschaften und ge¬
wöhnlichem Publikum, wie ihn wohl kaum jemals eine fahrende Truppe
in Frankfurt gehabt hatte, gaben Cherrier und Billieu ungefähr vom
5. August bis Ende September 1700 täglich mit Ausnahme der Sonn¬
tage in ihrer sehr grossen mit ganz ungewöhnlichen Unkosten auf-
gebauten Hütte musikalische Vorstellungen. Ob die Mittheilung ver¬
schiedener Frankfurter Schriftsteller, dass die Juden den Besuch der
französischen Oper mit dem Bann belegt hatten, auf einer traditio¬
nellen -Nachricht oder aktenmässigen Notizen beruht, wagen wir hier
um so weniger zu entscheiden als ungeachtet der gründlichsten
Durchsicht dafür kein Anhalt in den Archivalien zu finden war.
Die Aufführungen in der französischen Opernhütte können aber
nicht mehr, wie zu Velthens und seiner unmittelbaren Nachfolger
Zeit, am hellen Nachmittage stattgefunden haben ; denn die beiden
Direktoren bestellten sechs Aufseher, welche wegen der vielen Lichter
und der damit verbundenen Feuersgefahr des Abends und die Nacht
hindurch in der Hütte Wache halten mussten.240
Die Oper mit ihren mannigfaltigen Dekorationseffekten und
prunkhaften Maschinerien verlangte zur Vervollständigung der künst¬
lerischen Täuschung durchaus den strahlenden Lichterglanz. Wie in
vielen deutschen Städten so wurde ihr auch hier dieses Recht nicht
ohne grosse Schwierigkeiten zugesprochen, aber sie erhielt es doch
und verhalf dadurch auch dem Schauspiel in Zukunft zu einer Spiel¬
zeit, in der Personen aus dem Volke viel leichter einer Vorstellung
beiwohnen konnten als am Nachmittage.
Seit dem Anfang des neuen Jahrhunderts begannen die thea¬
tralischen Vorstellungen in der Herbstmesse meistens um 5 Uhr, in
Ausnahmsfällen durften sie jedoch auch eine Stunde später ihren
Anfang nehmen. Hinsichtlich des Zuhörens und Zusehens hatte das
Publikum eine viel grössere Ausdauer als heutzutage zu entwickeln;
denn die meisten Vorstellungen von Haupt- und Staatsaktionen sowie
133
grossem Opern müssen mindestens drei Stunden in Anspruch ge¬
nommen haben , wobei das lustige Nachspiel noch nicht mit ein¬
gerechnet ist.
Welches Eintrittsgeld der dazu bevollmächtigte jüngere Bürger¬
meister Johann Martin von den Birghden den französischen Operisten
festsetzte, ist nicht genau angegeben, dass es aber ein viel höheres
gewesen sein muss, als Yelthen und seine Nachfolger bis an den
Schluss des XYN. Jahrhunderts fordern durften, geht aus dem Um¬
stand hervor, dass Cherrier und Billieu sich schon nach den ersten
Vorstellungen freiwillig erboten, der Armenkasse Frankfurts die un¬
gewöhnlich hohe Summe von 1000 Francs zu entrichten.241
Selbst der grösste Zuspruch von Seiten des Publikums würde
eine solche Abgabe neben den vielen Unkosten sicher nicht ermög¬
licht haben , wenn das Eintrittsgeld nicht entsprechend hoch ge¬
wesen wäre.
Als die Messe vorüber war und der Schluss der Vorstellungen
herannahte, kamen die französischen Operisten mit Unterstützung der
hohen Gesandten und Geheimen Bäthe, welche sich hier zur Ab-
scliliessung von Friedens Verhandlungen aufhielten, um eine Ver¬
längerung des angesetzten Termins ein. Sie sagten in ihrer Eingabe
vom 23. September 1700, dass die »anwesenden Gesandten, Fürsten,
Herrn und Grafen ein sonderbahres contentement an ihren Opern
bezeuget und abermahls das gnädigste gesinnen an sie ergehen lassen,
sich noch eine Zeit lang zur repräsentirung ein und andrer neuen
piecen hier aufhalten zu wollen«. — Aber obschon sie an die in
Aussicht gestellte hohe Abgabe für die Armen erinnerten , obschon
die angesehensten Person lichkeiten dem Gesuch durch ihre Fürsprache
doppelten Nachdruck verliehen : der Rath verlängerte die früher ge¬
gebene Erlaub niss für keine einzige Vorstellung. — Vielleicht be¬
stimmten die Väter der Stadt zu dieser entschiedenen Zurückweisung
die ersten Anzeichen des spanischen Erbfolgekrieges, welche damals
den politischen Horizont Europas zu verdunkeln begannen, vielleicht
folgten sie aber auch den Warnungen des evangelisch-lutherischen
Predigerministeriums, welches bei den der fremdländischen Oper
zahreich zuströmenden Frankfurtern eine zu grosse Verweltlichung und
Abwendung von ernstem Dingen fürchtete.
Nach dem kaum abgeschlossenen Frieden von Ryswik brach
denn auch im Jahre 1701 der spanische Erbfolgekrieg aus, der wäh¬
rend seiner zwölfjährigen Dauer die Stadt durch Kriegssteuern und
Armeebewegungen fortwährend beunruhigte und in Folge dessen
auch einen hemmenden Einfluss auf den Fortschritt der dramatischen
Kunst in Frankfurt ausübte. Schon im Herbst des Jahres 1701
wirkten die Zeitumstände auf die Entschlüsse, welche der Rath in
Bezug auf theatralische Vorstellungen fasste, höchst ungünstig. Er
nahm die Bittschriften mehrerer, nicht näher benannter Komödianten-
134
banden gar nicht an und wies auch am 9. August die Direktoren
der französischen Oper zu Metz und Strassburg, Cherrier und Billieu,
die, wie im vorigen Jahr, ihr gutes Glück wieder in Frankfurt
suchen wollten, ein für allemal ab.242
Das entschieden unzugängliche Verhalten des Rath es mag mittler¬
weile wohl zur Kenntniss der meisten Wandertruppen gelangt sein;
denn erst von der Zeit vor der Herbstmesse 1705 findet sich nach
mehrjährigem Stillstand im theatralischen Leben Frankfurts wieder
die erste Komödianten-Supplikation in den Akten vor. Es ist dies
ein Gesuch der Velthen’schen Bande, welche sich dicht in der Nähe,
aller Wahrscheinlichkeit nach in Hanau, auf hielt, und in Frankfurt
wie in früheren Jahren einen beträchtlichen Verdienst zu erzielen
gedachte.243 Obschon aber der Name Velthen beim Rath noch
immer einen guten Klang hatte, und wenn sich auch der Herzog von
Weissenfels für die Wittwe des berühmten Magisters verwandte,
wurde dieselbe dennoch im Hinweis auf die bedenklichen Zeiten in
dieser und in der Herbstmesse des Jahres 1706 energisch ab¬
gewiesen.244
Bis zur Kaiserkrönung Karl’s VI. hielt sich die Velthin wegen
dieser wiederholten Zurückweisungen fern von Frankfurt, statt dessen
langte im August 1708 Sophia Julie Elenson mit ihrer Truppe von
Schwalbach hier an, wo ihr Mann, der schon früher erwähnte
Franz Elenson — welcher Principal der Mecklenburgischen Hof-
komödianten und ein ausgezeichneter Pantalondarsteller gewesen
war vor einigen Wochen unverhofft das Zeitliche gesegnet hatte.
In ihrem Bittgesuch vom 28. August 1708 schilderte die Elen¬
son die traurige Lage, in welche sie durch den plötzlichen Tod ihres
Mannes versetzt worden sei. Trotzdem sie sich jedoch auf ihre vier
unerzogenen armen Kinder und auf die gesegneten Umstände berief,
in denen sie sich gerade befände, wurde sie doch erst nach wieder¬
holtem Einkommen und nur auf besonderen Wunsch des damals
in Frankfurt anwesenden Landgrafen zu Hessen - Darmstadt für
die Herbstmesse zugelassen. Bei der gewährten Erlaubniss machte
der Rath zur Bedingung, dass sie ihrer gemachten Offerte gemäss
einen Tag in der Woche für die Armen spielen, sich aller üppigen
Materie enthalten, nicht zu spät in der Nacht, auch am Sonntag nicht
spielen solle.
In der Herbstmesse 1709 fand die Elenson, welche inzwischen
am Hofe zu Darmstadt gespielt haben muss, auf besondere Empfeh¬
lung ihres fürstlichen Gönners ohne Schwierigkeiten wieder die ge¬
wünschte Aufnahme. Der Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darm¬
stadt (1678 — 1739), der ein grosser Theaterfreund war, schickte sogar
seinen Geheimen Rath Persius von Lonsdorff245 schon Mitte Juli
mit einer eigenhändig geschriebenen Fürbitte zu den Herren Bürger¬
meistern, auf welche »aus unterthänigster consideration für Ihro hoch-
135
fürstliche Durchlaucht« sofort "Willfahrung zugesagt wurde, wenn
sich zwischen jetzt und der Herbstmesse die Zeitverhältnisse nicht
verschlimmert haben sollten.
Die politischen Aussichten trübten sich nicht in bedenklicher
Weise und so spielte che Elenson auch diesmal wieder, wie im
vorigen Jahre, in einer sehr grossen Bude auf dem Rossmarkt, die
allabendlich bis auf den letzten Raum von Fremden und Angehöri¬
gen der verschiedensten Klassen der Bevölkerung gefüllt war. Der
grösste Theil der Besucher bestand »aus hohen und geringen männlichen
Herrn Liebhabern«, die, um mit einem Augenzeugen zu reden,
»wegen denen Frauensleutten, besonders aber wegen dem wunder¬
vollen und reizbaren (reizenden) Weibsbild von einer Principalin
stark angelocket wurden«. — Eine Bestätigung erhält dieser Aus¬
spruch gewissermassen durch die Thatsache, dass sich, als die Elen¬
son mehrmals um Yerlängerung ihrer Spielzeit nachgesucht hatte,
sogar »Seine hochfürstliche Durchlaucht der Deutsch-Ordensmeister
durch einen hoch- und teutschmeisterischen Cavalier« eigens, aber
vergeblich, beim Rath für die Hinausschiebung des festgesetzten Ter¬
mins verwandte.
Die Schönheit der Elenson und ihre Gabe, alle Welt, besonders
die Männer, für sich einzunehmen, verschafften ihr denn auch
in der Folge ein Ansehen in Frankfurt, welches sie in Hinsicht auf
ihre Kunstleistuugen und ihre moralische Führung viel weniger ver¬
diente, als ihre Vorgängerin Katharina Elisabeth Yelthen. Denn
obschon die Letztere zum Vortheil ihrer Kasse in den lustigen Nach¬
spielen ebenfalls die italienischen Muster nachalimte, so hielt sie doch
immer noch in den Hauptaktionen die Grenze der Ehrbarkeit inne,
welche die Elenson meistens in kecker Dreistigkeit überschritt.
Ueberhaupt giebt diese neben der Velthen’schen am meisten an¬
gesehene deutsche Wandertruppe trotz der gewiss nicht zu unter¬
schätzenden Mitgliedschaft Kohlhard’s, Hoffmann’s und einer Familie
Lorenz, seitdem sie unter der Direktion dieses ebenso schönen als
verschlagenen und grundsatzlosen Weibes stand, ein deutliches Bild
des inneren Verfalles der dramatischen Kunst, wie er sich von da
an allmählich immer bedenklicher in den theatralischen Vorstellun¬
gen und in dem Leben und Streben der Schauspieler zu äussern
begann.
Die Elenson,246 welche auch im Leben eine gute Actrice war,
mochte wohl eine gewisse handwerksmässige Geschicklichkeit für die
Ausübung ihrer Kunst besitzen, aber dass sie, wie die Velthin, ein
klares Bewusstsein von der hohen Aufgabe derselben gehabt, wider¬
legt ihre Leitung auf’s Entsclüedenste. — Nach ächter Weiberart
verfuhr sie willkürlich und ohne jeglichen Grundsatz bei ihren An¬
ordnungen. Meistens waren dieselben vom Zufall abhängig, den sie
oft ihren guten und freundlichen Leitstern genannt haben soll.
136
In anderen Städten kündigte die Elenson in jener Zeit meistens
»merkwürdige Haupt- und Staatsactionen mit den Arlequin« und
»curiose Burlesken mit Ballet« als Nachspiel an, in Frankfurt, wo
gerade damals eine ernste, streng sittliche Richtung vorherrschte,
wollte sie aber schlauer AVeise »nur modeste und innocente Schau¬
spiele« zur Darstellung bringen, welche freilich in Wirklichkeit lange
nicht so bescheiden und unschuldig waren, als sie auf den Theater¬
zetteln geschildert wurden.
Ehe die Geschichte des Frankfurter Theaters weiter verfolgt
wird, ist es wohl am Platze, jene Gattung von Stücken kurz zu
kennzeichnen, welche unter dem marktschreierischen Titel Haupt-
und Staatsaktionen auch hier in der ersteh Hälfte des XVIII. Jahr¬
hunderts ebenso berühmt als berüchtigt werden sollten. Es waren
dies in dramatische Form gebrachte, meist zu grotesker Zeichnung
drängende Begebenheiten aus der Vergangenheit und Gegenwart,
z. B. seltsame Abenteuer, kriegerische Vorgänge, Erstürmungen und
ungewöhnliche Helden thaten, welche in der trockensten Prosa abge¬
fasst und in höchst realistischer Weise aufgebaut waren. Mit der
ernsten Haupthandlung dieser Stücke war ein meistens völlig un¬
geschickt und geschmacklos eingeflochtenes Zwischenspiel des Ar-
lechino, Arlequin, Harlekin oder Courtisan verbunden, welche Namen
die lustige Person des deutschen Dramas mittlerweile von ihren
italienischen und französischen Vorbildern für Pickelhäring und
Hanswurst eingetauscht hatte. Die Bezeichnung klang zwar ge¬
fälliger und einschmeichelnder, aber der alte derbe deutsche Schalk
hatte nur ein fremdländisches Gewand übergeworfen , in seinem
innersten Wesen war er nach wie vor derselbe geblieben. In den
Haupt- und Staatsaktionen wurde der Inhalt der Harlekinsscenen
nur angedeutet, die Ausführung blieb dem Improvisationstalent des
geschickten Darstellers überlassen. Die ernsten Scenen in diesen
Stücken, welche ein Theaterschriftsteller des vorigen Jahrhunderts,
Christian Heinrich Schmid, mit Recht »ein Mischmasch von Bom¬
bast, Galimathias und pöbelhaften Scherzen« nennt,247 waren zwar
grösstentheils im Dialog ausgeführt, aber manchmal wurde dem be¬
treffenden Schauspieler auch nur der Umriss oder Grundgedanke
seiner Rolle angegeben. Die Haupt- und Staatsaktion war also in
gewissem Sinn eine extemporirte Komödie, deren oft kühn erfundene
Handlung fest stehen blieb, während die Ausführung je nach dem
verschiedenen Talent der Darsteller eine mannigfaltige Veränderung
erfuhr.
Der grösste Theil dieser meist von Theaterprincipalen und
Schauspielern aufgebauten Haupt- und Staatsaktionen ist bald nach
ihrer eigentlichen Bliithezeit verloren gegangen, was seinen Grund
darin haben mag, dass die Autoren und Eigenthümer dieser Stücke
(oder besser gesagt Dirigirbücher) eitrigst bemüht waren, dieselben
137
vor jedem fremden Einblick zu hüten, damit sie nicht auch von
anderen Banden zur Aufführung- gebracht werden könnten. So hatte
jede bedeutendere Wandertruppe, auch die Elenson’sche, ausser den
allgemein verbreiteten Haupt- und Staatsaktionen, deren Inhalt meist
aus nationalen Umbildungen fremder Originale bestand — z. B.
die rasende Medea mit Arlequin nach der Tragödie des Euripides —
ihre eigentümlichen Haupt- und Staatsaktionen, welche bei jeder An¬
kunft in einer anderen Stadt höchst prahlerisch angepriesen und als
einzig in ihrer Art hingestellt wurden.
Auch die schlaue Principalin Sophie Julie Elenson versuchte,
nachdem ihr Anerbieten, in der Ostermesse 1710 nur unschuldige
und modeste Komödien aufführen zu wollen, zurückgewiesen worden
war, sich durch einen Hinweis auf die ihr zugehörigen, eigens für
ihre Truppe verfassten Staatsactionen in der Herbstmesse desselben
Jahres in Frankfurt wieder Eingang zu verschaffen.248 Es gelang
ihr auch; sie spielte wieder in einer Bude auf dem Rossmarkt und
unter einer so allgemeinen Betheiligung der Frankfurter und der Mess¬
fremden, dass der grosse Raum bis zum Schluss der Messe nicht
die Hälfte »von denen zum Schauen bereiten Herrn Liebhabern« zu
fassen vermochte. Trotzdem sie nur unter der ausdrücklichen Be¬
dingung Zulass erhalten hatte , dass sie nach Ablauf der Messe
nicht nochmals um Verlängerung des Termins einkommen solle, so
wagte sie dies dennoch in sehr kühner, entschiedener Weise, aber
freilich erfolglos.
Das Krönungsjahr Kaiser KarTs VT., das in seiner zweiten
Hälfte durch die mit dem feierlichen Akt verbundenen Festlichkeiten
auch ausser den hohen Fürsten und Herren ungemein viel Fremde
nach Frankfurt lockte, ist eines der denkwürdigsten Jahre in der
Frankfurter Theatergeschichte und zugleich der Glanzpunkt in der
hiesigen Kunstthätigkeit der Principalin Sophia Julie Elenson. Ehe
auf ihre Wirksamkeit näher eingegangen wird, muss hier erwähnt
werden, dass sie sich bis zu ihrem letzten Aufenthalte in Frankfurt
in der Herbstmesse 1710 stets als Wittwe des Julius Andreas Elen¬
son Unterzeichnete. Bei ihrer Rückkehr im folgenden Jahre setzt
sie diesem noch den Hamen Haack vor, woraus zu folgern sein
dürfte, dass sie in der Zwischenzeit mit dem trefflichen Harlekin
ihrer Gesellschaft, dem ehemaligen Dresdener Barbiergehülfen Johann
Caspar Haack, ein zweites Ehebündniss eingegangen war.
Schon einige Monate vor dem Beginne der Wahl bestürmten
verschiedene deutsche und französische Wandertruppen den Rath um
die Zusage, »dass sie während der Kayserlichen Solennitäten vor an¬
dern zum Exhibiren ihrer Actiones« zugelassen werden möchten.
Unter den verschiedenen Supplikanten seien hier nur die bedeutend¬
sten deutschen Truppen jener Zeit, die Velthen’sche und die Elen-
son'sche Gesellschaft, erwähnt, welche letztere am 18. Juni durch
138
einflussreiche Verwendung vor allen andern die erbetene Vertröstung
erhielt..249
Um ein gleiches Glück wie ihre junge schöne Rivalin zu ge¬
messen, reichte die Velthin Ende Juni und Anfangs Juli mehrere
Bittschriften ein, in welchen sie den Rath daran erinnerte, dass sie
nicht allein schon vor etlichen zwanzig und mehr Jahren das Glück
und die hohe Gnade gehabt habe, allhier mit ihrem Manne im
Krach b ein zu agiren, sondern auch erst vor drei Jahren mit der
gnädigen Vertröstung entlassen worden sei, dass ihr nächstens in
nur etwas besser anscheinenden Zeiten auf gehorsamstes Anmelden
vor Andern die Spiel .erlaub n iss zu Theil werden solle. Ihr Hinweis
auf den erfolgten Frieden in Ungarn verhalt aber der Velthin ebenso¬
wenig zur Erhöruug ihrer Bitte, wie die Mittheilung, dass sie »mit
einer Bande exacten agenten , mit properen Kleidern und raren
neuen Komödien« auf’s Beste versehen sei. Sie wurde immer und
immer wieder, sogar ohne die geringste Vertröstung, zurückgewiesen ;
denn die Principalin der Mecklenburgischen Compagnie, die, um
eigne Worte der Velthin zu gebrauchen, bereits zweimal in kurzer
Zeit so glücklich war, aus der reichen Segensquelle dieser welt¬
berühmten Stadt schöpfen zu dürfen, stand ihr überall durch ihre
einflussreichen Verbindungen und hohen Gönnerschaften im Wege.
Schon vor der eigentlichen Spielzeit begann also ein Wettstreit
zwischen beiden Principal innen, der von Seiten der Haack-Elenson
unter dem Beistände von solchen Hülfsmitteln geführt Avurde, welche
der alternden Wittwe des berühmten Magisters nothgedr ungen einen
verhängnisvollen Schlag nach dem andern versetzen mussten.
Am 30. Juli 1711 suchte die Haack-Elenson um die end¬
gültige Erlaubnis zum Spielen und gleichzeitig um die Anweisung
eines gut gelegenen Platzes zur Erbauung einer grossen, bequemen
Komödien-Hütte nach. Dies Gesuch wurde durch ihren hohen
Gönner, den Kurfürsten von Mainz, unterstützt, welcher den Kammer¬
rath Nitschki zu dem älteren Herrn Bürgermeister Johann Philipp
Orth mit dem Aufträge absandte, dass er »ad instantiam des fürst¬
lichen Frauenzimmers« — also in Rücksicht auf die schon in Frank¬
furt zur Wahl und Krönung eingetroffenen hohen Damen — gerne
sehen möchte, wenn dem Gesuch der Mecklenburgischen Comödianten
baldmöglichst entsprochen werde. Der Rath, Avelcher die Absicht ge¬
habt zu haben scheint, die Komödianten so lange als möglich
zurückzuweisen, fasste hierauf den Beschluss, dass man dem Herrn
Kammerrath Nitschki »Avegen mancherley dabei besorgten incon-
venienzen, Mord und Todschlag remonstration thun und sich anbey
dahin vernehmen lassen, dass, wehin Ihro Clmrfürstlichen Gnaden
es dennoch gnädigst begehren sollten, man aus unterthänigem re-
spect und consideration für dieselbe denen supplicanten Avillfahren
Avolle«.250
139
Und Seine kurfürstlichen Gnaden begehrten entschieden die
Gewährung Ihres Wunsches, obgleich der Rath bei Nitschki noch¬
mals Vorstellungen machen liess, welche noch weniger als die
obigen geeignet sind, die Leistungen und das Ansehen der Haack-
Elenson in ein günstiges Licht zu stellen. Der Kurfürst von Mainz,
jedenfalls von der schlauen Principalin nicht weiüg mit Bitten be¬
stürmt, verwandte sich darauf nochmals für sie und liess durch
seinen Abgesandten dem Rathe melden, dass allen befürchteten Un¬
annehmlichkeiten schon zur Genüge durch ihn vorgebeugt worden sei.
Nun konnten die Väter der Stadt ihre Entschliessung nicht länger
hinausschieben, sie ertheilten dem Gesuch der Haack-Elenson einen
willfährigen Bescheid und wiesen ihr für eine wohl einzurichtende
Komödien-Hütte den Platz hinter der Hauptwache au. Dabei wurde
ihr aber zur Bedingung gemacht, »dass sie dem Aerario wöchentlich
für diese Vergünstigung 50 tl. geben, in denen drei Messwochen
aber dieses wöchentliche quantum denen löblichen Armenhäusern ent¬
richten, dagegen sie niemanden einige frev Zettel (Freibill et) zu-
kommen lassen und übrigens eines billigmässigen taxes, welchen zu
reguliren denen Herrn Bürgermeistern committiret worden, gewärtig
sein solle«.
In diesem Rathsbeschluss geschieht zum ersten Mal der Frei-
billets Erwähnung, welche Einrichtung aber schon früher bestanden
und nach dem Ausspruch eines später hier auftretenden Theater-Prin-
cipals Sebastiani »von jeher zum nicht geringen Calam (Kalamität)
und Nachtheil der verschiedenen Direkteres in dieser sonst be¬
rühmten Stadt bestanden haben muss«. — - Auch die Festsetzung
einer so hohen Spielabgabe an die Stadt treffen wir in diesem
Krönungsjahre zum ersten Male.
Kaum hatte die Haack-Elenson vom Rathe die Erlaubniss zur
Errichtung eines Komödienhauses erhalten, als ihr ein nicht näher
bezeichneter hoher Gönner eine ebenso grosse, wie für die damalige
Zeit prächtig ausgestattete Hütte erbauen liess. Die Bühne der¬
selben, welche einen vorderen und einen hinteren Schauplatz hatte,
besass auch verschiedene kunstvolle Flugwerke und eine »feinartige
Vordergardine (Vorhang), welche eigens für die kaiserliche Wahl ge¬
nmiet worden.«251 — Nach verschiedenen traditionellen Mittheilungen
befand sich auf dem Vorhang eine auf den wichtigen Vorgang be¬
zügliche allegorische Darstellung.
Die Haack-Elenson hatte bereits mit ihren »eigens für die Wahl¬
zeit verschrieben capabelen subjectis vierzehn Tage vor grossen
Fürsten und Herrn agiret«, als der Velthin erst am 18. August auf
Verwendung »der fürtrefflichen Königlich Polnischen und Chur¬
sächsischen Gesandtschaft« die lang ersehnte Spielerlaubniss zu Theil
wurde. Aber sie erfuhr trotz der hohen Empfehlung in keiner
Weise eine so rücksichtsvolle Behandlung wie ihre glücklichere
140
Nebenbuhlerin. Sie hatte ebensoviel zu zahlen wie diese und musste,
wie es in dem Bescheid hiess, sich selbst einen bequemen Platz für
ihre Hütte ausfindig machen«. —
Nach mühevollem Suchen fand sie ihn denn auch endlich in
der für jene Zeit etwas abgelegenen Behausung des Herrn Hanikel
im sogenannten »Langen Gang« auf der Allerheiligengasse. Bei dem
Erbauen ihrer Hütte begannen jedoch für die Velthin schon die
verschiedensten Kämpfe und Unannehmlichkeiten, die in der Folge
einen immer grösseren Umfang annehmen sollten. Erst machte das
Bauamt Schwierigkeiten wegen der Anweisung des Platzes, dann be¬
schwerten sich die in der Nähe wohnenden Hauseigenthümer, welche
von einer so gefährlichen und unangenehmen Nachbarschaft durchaus
nichts wissen wollten. Als die Hütte endlich doch trotz alles Wider¬
spruches unter Dach und Fach stand und die Vorstellungen ihren An¬
fang genommen hatten, suchten sich die rücksichtslosen Umwohner
auf eine Art an der Principalin der Polnischen und Chursächsischen
Hofkomödianten zu rächen, welche selbst ihren getreuesten An¬
hängern den Besuch des Theaters fast ganz unmöglich machte. So
strömte denn Alles, Hoch und Gering, in den Musentempel der
Haack-Elenson , dessen Sitze schon am Morgen vor der Vorstellung
stets »fluchs wie ein Raub« vergriffen waren.
In welcher bedrängten Lage sich aber während der reichsten
Ernte ihrer Rivalin die arme Velthin befand, das zeigt am besten
die lfier folgende Bittschrift um Ermässigung der wöchentlichen
Abgabe, welche sie schon am 10. October 1711 einreichen musste:
Hochedelgeborene, Hochedel Gestrenge, Vest und Hoch-
gelahrte , Wohlfürsichtig Hoch und Wohl weise, Insonders
grgl. Hochgeehrteste Herrn Schultheiss und Schöffen.
Ob wir gleich die gnade genossen, auff dero gnädig ertheilten
Conseils alliier unser theatrum zu eröffnen, auch mit unsern Theatra¬
lischen auffwartungen, so lange die Solennitoet der Kayserlichen Wahl
dauret, fortzufahren indulgiret worden, so zwinget uns dennoch die
höchste Extremitoet, gegenwärtiges unterthänig-ergebenstes Memorial
zu überliefern. Wir erinnern uns, dass Wir bey der Überreichung
unserer permission befehligt worden, wöchentlich 70 (50) gülden an eines
Hoch eilen und Hochweisen Rahtes Cantzlei alliier zu überli eifern ;
weil uns aber leyder wider alles vermuthen das Unglück getroffen,
dass Wir, thoils weil die Mecklenburgische bande vierzehn Tage eher
zu agiren begnädigt worden, in welcher Zeit sie die beste gelegen-
heit gehabt, sowohl frembte Herrschaften als auch den ganzen Adel
an sich zu zihen, Theils auch ihr der beste Platz zum Bau an¬
gewiesen worden, wir aber nicht nur später nach ihnen erst den Consens
erhalten, sondern auch an allen orten, den auffgeführten Bau be¬
treffen t, wie bewusst mit dem grössten Schaden gehindert worden,
auch ein weit schlechterer Platz als jenen angewiesen worden, welche
141
nicht nur weit hinter den ihrigen gelegen, sondern auch deswegen
die höchste Beschwehrnüs causiret, weil die unhöffliche und sehr grobe
Nachbarschafft sowohl durch unnöthige auffrükrung des gassenun-
flats, welcher allemahl mit fleiss um die Zeit, da wir den anfang zu
agiren machen, geschihet, als auch unnatürlicher überhäuffung salven
Menschen Kohts dergestalt incommodiret, dass ungeacht des täglichen
Yerreucherns weder Cavaliers noch Dames sich, wie gern sie auch
wollten, darinnen aufhalten können ; und wir also kaum manchen
tag die Unkosten erhalten, vill geschweigen die Mittel zur Bezahlung
der gemachten Schult auff bringen können. Als hat uns, wie gedacht,
die höchste nolit obligiret, die Unmöglichkeit der wöchentlichen abzu-
statteten 70 (50) gülden, Eurer Hochetel gebohrnen Hoch-Etel gesträng
Herrlichkeit in aller Submission vorzustellen unterthänigst bittente,
so Evidentes malkeur und Unvermögen in gnädigen regard zu zihen
und uns diesfall dero unmassgebliche gnade gemessen lassen und
nicht zu glauben, als ob unsere agirente Bande nicht so gut bestellt
sey als die Mecklenburgische, noch proestiren könne, was jene zu
tlmn sich rühmet, sindemahl wir davon gar gerne den ausschlag
einem unparteyischen Juditio überlassen wollen, sondern viel mehr
ob angeführten Modiven gnädig zu Consideriren, ohne welche wir
nimmermehr um die sublationem deponeudae pecuniae würden an¬
gehalten haben, leben also der unterthänigsten Hoffnung dessfallss gleich
auf unsere Wenigkeit keine Reflexion gemacht werden solte, man uns
dennoch der intercession einer Hohen Herrschaft gemessen lassen und mit
einer baldigen gnädigen Resolution erfreuen wird, worüber wir verharren
Eurei- Hoch Edlen gebornen-gestrengen und Herrlichkeiten
unterthänig ergebenste
Catharina Elisabetha Veitkeimin,
Georg Hengel,
Christian Spiegelberg,
Prinzipalen der Königlich Pollnischen und Churfürstlich
Sächsischen Hofcomoedianten.
(Die Supplikation ist nicht von der Vefthin selbst unterzeichnet.)
Mit Recht mochte die Velthin in dieser Bittschrift etwas gereizt
aussprechen, dass ihre Bande in keiner Hinsicht der Mecklenburgi¬
schen nachstehe, denn es waren ja nicht höhere Kunstleistungen, die
ihr Unterliegen herbeiführten, sondern vielmehr eine Kette von un¬
glücklichen Zufällen, welche (he kluge Haack-Elenson geschickt zum
Nachtheil ihrer Rivalin auszubeuten wusste. Wenn aber auch ihr
unverschuldetes Missgeschick augenfällig zu Tage trat, so nahmen
die Bürgermeister, denen vom Rath eine Beschlussfassung überlassen
worden war, doch auf ihr und ihrer getreuesten Genossen Gesuch
keine weitere Rücksicht.
In der festen Hoffnung, vielleicht dennoch ihren Verlust wie¬
der ausgleichen und ihren Verpflichtungen nachkommen zu können,
142
bot die Velthin das Aeusserste auf und spielte weiter. Sie gab auch
dem Rath zu Ehren eine Komödie,252 die ihr eine gute Einnahme
verschaffte und plötzlich das Interesse der hohen Herrschaften mehr
auf ihre Torstellungen hinlenkte. — Aber in dem Augenblick, wo
eine günstige Fügung die Yelthin aus dem durch blosses Un¬
glück herbeigeführten elenden Zustand zu erlösen schien, machte ihr
die gefährliche schöne Nebenbuhlerin durch allerlei Intriguen und
Versprechungen che besten Kräfte ihrer Truppe abtrünnig, wodurch
der von allen Seiten bedrängten Frau der letzte Halt in ihrer trost¬
losen Lage entrissen wurde.
Georg Hengel und Christian Spiegelberg, (der Letztere nicht
zu verwechseln mit jenem Principal Johann Spiegelberg, bei dem die
Neuberin und ihr Gatte 1717 ihre Künstlerlaufbahn begannen) hielten
zwar mit ihren Familien treulich bei ihr aus, aber die Hütte wurde
nun von Tag zu Tag leerer, die Unannehmlichkeiten und Schulden
in gleichem Maasse grösser. Am 3. November bat die Yelthin noch
einmal »um moderation des ihr angesetzten wöchentlichen quanti«, der
Rath ging jedoch nicht darauf ein und nahm ihr ohne wenig Um¬
stände die Hütte unter dem Yorwande ab, dass sie zu einem Heu-
und Stroh-Magazin und zu Stallungen für die kaiserlichen Pferde
benutzt werden solle.253 Als dieser Plan dann auch gerade in einem
Moment ausgeführt wurde, wo die zweifelhaften Kunstleistungen der
Mecklenburgischen Compagnie sich beim hohen und niederen Publi¬
kum des grössten Beifalls erfreuten, fasste die Velthin in gerechter
Entrüstung über das unverdiente Glück ihrer Nebenbuhlerin und die
»despektirliche« Verwendung ihres Musentempels einen verzweifelten
Entschluss. Sie wollte den Namen ihres seligen Mannes mit keinem
Makel behaften, wollte den bis jetzt so unglücklich für sie ausge¬
fallenen Wettkampf mit der gefeierten Nebenbuhlerin auf einem und
demselben Schauplatz zu Ende führen. Sie bat deshalb am 1. Dezem¬
ber 1711 den Rath um die Gnade, dass er die Fürstlich Mecklen¬
burgischen Komödianten anweisen möge, sie 3 Tage in der Woche
in ihrer Hütte spielen zu lassen. Da der Rath jedoch durch eine
solche Beschränkung der Haack-Elenson sicher viele ihrer hohen
Gönner beleidigt hätte, so verhinderte er die Fortsetzung dieser künst¬
lerischen Weiberfehde durch einen abschlägigen Bescheid. Diese
letzte Abweisung, deren eigentlichen Grund die kluge Yelthin klar
erkannte, verletzte ihren gekränkten Stolz in solchem Grade, dass sie
es nach ihrer für Frankfurt allerdings wenig schmeichelhaften Aussage
nicht länger in einer Stadt aushalten konnte, worin eine schöne
Larve und wichtige Herrengunst dem rechtschaffensten Thun den
Garaus machen können.
Als die Gläubiger der Wittwe Velthen »vor die Herrn Sckultkeiss
und die Schöffen verwiesen wurden, um solche Credit oder Concurs
Sache pro stylo und more« allda erörtern zu lassen, verkaufte sie, um
143
wenigstens ihren ehrlichen Namen zu erhalten, den grössten Theil
ihrer Requisiten und Garderobe und befriedigte ihre Gläubiger. Dann
räumte sie ihrer ungleichen Gegnerin das Feld, deren mächtige Bundes¬
genossen List, Jugend und Schönheit auch ferner erfolgreich in
Frankfurt für dieselbe wirken sollten.
Nach den bitteren Enttäuschungen und Zurücksetzungen, welche
die Velthin ohne eigenes Verschulden während der Wahl und Krö¬
nungszeit Karls VI. in Frankfurt erleben musste, scheint sie ihre
Principalschaft nicht mehr lange behalten zu haben. Eckhofs Mit¬
theilungen zufolge ist che Wittwe des berühmten Magisters nach
ihrem bewegten Wanderleben in ziemlich guten Umständen und
hohem Älter in Wien gestorben.
Als der Rath der Principal in Velthen ihre letzte Bitte abschlug,
liess er zugleich am 1. Dez. 1711 an die Mecklenburgischen Komö¬
dianten die Verfügung ergehen, dass sie nach Verlluss der lau¬
fenden Woche wegen der heiligen Adventszeit das Spielen bis auf
weitere Verordnung einstellen sollten. Dies geschah denn auch ein
paar Tage lang. Aber die Haack - Elenson vermochte durch ihre
hohen Gönner in diesem Krönungsjahre mehr durchzusetzen, als das
gesammte Prediger-Ministerium Frankfurts, welches vom Rathe die
Einstellung der Komödien verlangt hatte. Konnte ihr geistlicher
Beschützer, der Kurfürst von Mainz, in der heiligsten Zeit des Jahres
nicht für die Fortsetzung der von der Kirche als sündhaft bezeich-
neten Profession eintreten, so fand sich sogleich ein anderer Gönner
in dem Böhmischen Gesandten Grafen von Kinski, der auf den
Wunsch der schönen Principalin sofort seinen Sekretair mit der Bitte
zu den Herrn Bürgermeistern schickte, dass man den Mecklen¬
burgischen Komödianten ferner zu spielen erlauben möge.254
In Ansehung solcher hohen Rekommandation machte der Rath
keine weiteren Einwendungen und gestattete der Haack-Elenson, mit
Ausnahme der Festtage bis an den Jahresschluss zu spielen. Nach
zuverlässigen Mittheilungen von Zeitgenossen soll dieselbe während
der Wahl und Krönung Karls VI. die für damals unerhörte Summe
von mehr als 40,000 Rchsthl. reine Einnahme gehabt haben. Dies
erscheint um so eher glaublich, als sie der Stadt allein für Standgeld,
ohne die Abgaben an die Hospitalskasse, 778 11. entrichtete und ihren
Schauspielern Gehälter zahlte, mit welchen, nach einem Ausspruch
der Velthin, kein ehrlicher Mensch gleichen Schritt halten konnte.
Auch eine Episode aus dem Leben dieser berühmten und berüch¬
tigten Frau spricht für die ungewöhnliche Summe, welche sie 1712
bei ihrer Abreise von Frankfurt nach Danzig mitnehmen durfte. Als
etwa 10 Jahre später der Kaiser Karl VI. sie bei ihrem Aufenthalte
in Wien in leutseliger Herablassung nach ihren Verhältnissen fragte,
antwortete sie mehr aufrichtig als höflich und besonnen »Es geht
mir Gottes erbärmlich, Ihro Majestät, eine Krönung noch, wenn ich
144
die nur erlebte !« — In diesem, das Ableben des Kaisers herbei
sehnenden Geständniss lag viel Wahrheit; denn der vor Jahren zum
grössten Theil mit unlauteren Hülfsmitteln und auf den Trümmern
des Velthen’schen Ansehens errungene Gewinn war durch den Leicht¬
sinn und die Unbesonnenheiten der Haack-Elenson wie gewonnen,
so zerronnen.
Es klingt gleichsam wie ein Hohn auf jedes ächte Kunststreben,
wenn man erfährt, dass diese Frau, die nur zu oft ihren Beruf zum
Deckmantel zweifelhafter Handlungen machte, von verblendeten Zeit¬
genossen eine »Oberpriesterin Thaliens« genannt wurde. Kein Funke
edler Kunstbegeisterung lebte in ihrer berechnenden Seele, sie war
eine Professionistin vom gewöhnlichsten Schlage, die mit der Yelthin
auch nicht im entferntesten einen Vergleich aushalten konnte. Man
hat es oft als ein ehrendes Zeugniss für ihre »mit Fleiss choisirten
Staats-Aktionen und Kapital Bourlesken« angesehen, dass während der
Krönung Kaiser Karls VI. die allerhöchsten Herrschaften denselben
reichen Beifall zollten. Bei dieser Schlussfolgerung jedoch zog man
nicht in Betracht, wie sehr durch das wachsende Regiment des Har¬
lekins oder Hanswurstes selbst das Bühneninteresse des besseren
Publikums immer mehr und mehr in verkehrte Bahnen gelenkt wurde.
Die Schauspielkunst verirrte sich seit dem Beginne des Jahrhunderts
nicht allein vom rechten Wege, die Geschmacksrichtung der Menge,
welche ihr leicht einen Wink zur Umkehr hätte geben können, trat
ohne Bedenken Schritt für Schritt in ihre Fusstapfen. Nach den
heutigen Kunstbegriffen erscheint es kaum glaublich, dass die krei¬
schenden, mit ihren Armen die Lüfte zersägenden Tyrannen und
Helden, welche in den Haupt- und Staatsaktionen neben den süss-
lichen, mit affektirter und abgezirkelter Förmlichkeit auftretenden
Prinzen und Prinzessinnen über die die Welt bedeutenden Bretter
dahintobten, so viel Gnade vor den Augen der allerhöchsten Liebhaber
finden konnten. Wenn man sich zu dieser Unnatur der ernsten
Darstellungsweise nun noch die eingestreuten anstössigen Redensarten
und Plattheiten des Harlekins denkt, dessen Beliebtheit um so höher
stieg, je unnatürlichere Gesichter er zu den Vorgängen auf der
Bühne schneiden konnte, so kann auch der Beifall des in jener Zeit
angesehensten Publikums für ein heutiges Urtheil über die Lei¬
stungen der Mecklenburgischen Compagnie durchaus nicht mehr maass¬
gebend sein.
Bestätigt wird diese Behauptung noch durch den Bericht eines
gebildeten Zeitgenossen , der die Aufführungen dieser Gesellschaft
nicht schön genug zu beschreiben weiss. Ausser »den fürtrefflichen
Schrullen und Schwänken des Harlekin« rühmt er besonders »das
abentheuerliche Geschrey«, welches schon vor dem Beginne der Aktion
hinter dem Vorhang vernommen werde, dann den Lärm der Trom¬
meln und Heerpauken beim Aufziehen der Gardine und schliesslich
145
den Prologanten, der mit fein gepuderter Perücke und glasirten
Handschuhen hin und wieder auf der Bühne spazieren ging, das
Publikum galant grüssen und den Inhalt des Stückes im Y oraus be¬
richten musste.255 Auf die Principalschaft der Haack-Elenson wäh¬
rend der Wahl und Krönung Karls YI. in Frankfurt passte also
in der That der Ausspruch des ehrlichen Philander von Sittewald :
»Ein Scheffel Gunst, ein Löffel Kunst
Ist freilich schlecht gemessen;
Doch macht die Gunst, dass man die Kunst
Gar öfters ganz vergessen.«
Obschon sich auch von der diesjährigen Kunstthätigkeit der
Mecklenburgischen Komödianten keine Theaterzettel auffinden Hessen,
so ist doch die hie und da ausgesprochene Meinung sehr zu bezwei¬
feln, dass auch der »Regulus« des Pradon nach Bressands Uebersetzung
damals in Frankfurt zur Aufführung gekommen wäre. Haack, der
zweite Mann der Elenson, brachte dieses Stück allerdings in späteren
Jahren zur Darstellung, aber während der Zeit der Wahl und Krönung
Karls YI. , in welcher das Theater zur reinsten Belustigungsanstalt
der von den vielen Feierlichkeiten oft sehr ermüdeten hohen Herr¬
schaften herab sank, wäre eine derartige Abwechslung im Repertoire
ein zu gewagtes Unternehmen gewesen.
II.
Nach dem Krönungsjahre 1711, in dem das Theater eine so
grosse Bedeutung gehabt hatte, findet sich für einen Zeitraum von
mehr als drei Jahren keine Komödianteneingabe in den Akten.
Erst vor der Herbstmesse 1715 bittet Heinrich Wilhelm Benecke,
Principal der Kaiserl. Wienerischen und hochfürstlich Bad. Dur-
lachischen Hofkomödianten zweimal um Zulassung, wird aber am
1. August ein für allemal mit dem Bescheid zurückgewiesen, dass man
kein weiteres Memorial mehr von ihm annehmen werde.250 Für die
Ostermesse des folgenden Jahres meldete sich schon im Januar 1716
durch einen gewissen Gerhard Stein Johann Caspar Haack wieder
an, der sich seit seinem letzten Aufenthalt in Frankfurt zu dem
Mecklenburgischen auch noch das Königl. Polnische und Kur-Sächsi¬
sche Privilegium erworben hatte.257 Er erbot sich auch diesesmal, wie
in der Kaiserlichen Wahl- und Krönungszeit geschehen, allwöchent-
Mch an einem Tag für die Armen zu spielen , doch so, dass alle
Unkosten wie Musikanten, Lichter, Buchdrucker und dergleichen
von dem Einkommen dieses Tages bezahlt werden sollten. Haack, der
freilich mit seinem ersten Gesuch zur Geduld verwiesen wurde,
war durch den Einfluss seiner noch immer sehr schönen Frau der
Zusage schon beinah gewiss, als die Geistlichkeit gegen die Wieder¬
abhaltung seiner Komödien energische Einsprache erhob. Als Grund
10
146
hierfür wurde angeführt, »dass weilen nicht allein ein neuer Türken¬
krieg zu befahren, sondern auch sonsten die heutigen conjuncturen
in vielerley Wegen gefährlich und weit ausschauend erscheinen thä-
ten.«258 Es war diesmal kein Krönungsjahr, und deshalb keine
fremden einflussreichen Fürsten und Gesandten anwesend , welche
ihre Wünsche zu Gunsten der Haack-Elenson hätten zum Ausdruck
bringen dürfen, und der Rath konnte im Hinblick auf die wirklich
ernster gewordenen Zeitverhältnisse das Vorbringen des evangelisch-
lutherischen Prediger-Ministeriums nicht unberücksichtigt lassen.
Hatte die Haack-Elenson auch im Januar 1716 ohne die ge¬
wünschte Erlaubniss abziehen müssen, so wusste sie sich doch durch
die Empfehlung des Landgrafen Ernst Ludwig v. Hessen-Darmstadt,
an dessen Hof ihre Truppe ohne Zweifel im Sommer eine Zeit lang
gespielt hatte, für die Herbstmesse sofort Zulassung zu verschaffen.
Aber in dieser Messe war das Ansehen und auch die Einnahme der
Gesellschaft bedeutend geringer als in dem Wahl- und Krönungsjahre
1711. Die Vorstellungen, welche inzwischen ihren Charakter keines¬
wegs verändert hatten, wurden nicht mehr so eifrig besucht; denn
die Principalin war kein neues Zugmittel mehr, und es fehlte auch
das brillante Theater von ehedem.
Dabei war jedoch Haacks Gewinn noch so bedeutend, dass er
das Bestimmte für die Armen gewiss zu entrichten im Stande ge¬
wesen wäre, wenn er diese Schuld nicht hätte zu einer Hinterthüre
benutzen wollen, durch welche er in der Ostermesse 1717 desto
leichter wieder mit seiner Truppe Einlass finden könnte. In dieser
Beziehung hatte er sich aber vollständig verrechnet. — Ungeachtet
der Versicherung, dass er gerne die rückständige Schuld abtragen
wolle, liess sich der Rath in den beiden folgenden Messen auf keine
seiner verschiedenen Bittschriften ein.259
Vom Jahre 1717 ab kommt der Name Haack-Elenson in der
Geschichte des Frankfurter Theaters nicht mehr vor. Die Gesellschaft
hielt sich in der Folge mehr im nördlichen Deutschland z. B. in
Hamburg und zuletzt auch in Sachsen auf, wo Johann Caspar Haack
nach vielen schmerzlichen Erfahrungen in seinem Familien- und
Berufsleben 1723 gestorben ist. Bald nach seinem Tode fand die
immer noch schöne und verführerische Wittwe Ersatz für ihren Ver¬
lust in einem Mitglied ihrer Truppe, dem Schauspieler Hoffmann, der
ein Mann von feinen Sitten und gelehrter Bildung gewesen sein soll.
Mit ihrem dritten Gatten ist die Elenson-Haack-Hoffmann, die schon
1725 starb, nie nach Frankfurt gekommen, statt dessen traten ihre
beiden Söhne erster Ehe, Karl Ferdinand und Friedrich Wilhelm,
sowie ihre älteste, an den Schauspieler Joseph Ferdinand Müller ver-
heirathete Tochter, später oft als Mitglieder von Wandertruppen in
Frankfurt auf.
Das grosse Unglück, von welchem Frankfurt im Jahre 1719
147
durch die furchtbare Feuersbrunst betroffen wurde, die in 24 Stunden
432 Häuser der mittleren Stadt in Asche legte, hielt bis zum Jahre
1725 alle in der Nähe weilenden Wandertruppen von den beiden
Messen fern. Sie ahnten jedenfalls, dass in einer Zeit, in welcher
man in den Kirchen Klag-, Ermahnungs- und Trostpredigten abhielt,
alle ihre Bitten uni Zulassung vergeblich sein würden.
Ein Wanderprincipal wagte es aber trotz der ungünstigen Aus¬
sichten, den Rath um Zulassung für die Herbstmesse 1720 anzu¬
gehen. Es war Johann Heinrich Prunius, Direktor der Kurfürst!.
Bayrischen bestallten Hofkomödianten, »insgemein die teutsch Wie¬
nerische Bande genannt«, der am 20. und 29. August petitionirte und
von dem Landgrafen von Hessen-Rheinfels aufs Wärmste empfohlen
worden war.260 Aber die Rathsherren, durch das furchtbare Unglück
imd die fortgesetzten Warnungen der Geistlichkeit unzugänglich ge¬
macht, wiesen Prunius selbst dann noch ein für allemal zurück, als
er ein zweites Empfehlungsschreiben des in Frankfurt allgemein be¬
liebten und hochangesehenen Kunstmäcen, Landgrafen Ernst Ludwig
von Hessen-Darmstadt, gegeben Bad Ems den 23. August 1720, ein¬
reichte. Beide Rekommandationen wurden alsbald beantwortet und
dem hohen Herrn ausführlich auseinander gesetzt, dass man nach
einer so schweren Heimsuchung unmöglich eine öffentliche Lustbar¬
keit wie das Komödienspielen gestatten könne.
Einige Jahre später siegte aber dennoch der Einfluss des oben¬
genannten Landgrafen über die damaligen misslichen und trübseligen
Zeitumstände. Auf seine Empfehlung wurde in der Herbstmesse
1725 Albert de Fraine, Direktor der Pragischen Komödianten unter
dem Vorbehalt angenommen, dass er wöchentlich einmal zum Besten
des Kastenamts spiele und ausserdem noch den drei Stiftungen
zu Gute eine Komödie vorstelle.261 Obgleich de Fraine’s Komödien¬
haus, das in der Nähe der Hauptwache gestanden haben muss, von
Frankfurtern wenig besucht wurde, hatte er dennoch eine sehr gute
Einnahme. Während der Messe weilte nämlich die zur Statthalterin
der Niederlande erhobene Schwester Kaiser Josephs I., Maria Elisabeth,
auf der Durchreise einige Zeit in Frankfurt, deren Gefolge neben anderen
sich um dieser Ursache willen ebenfalls hier aufhaltenden hohen
Herrschaften die Vorstellungen von de Fraine eifrig besuchte. Albert
de Fraine, dessen Truppe nicht, wie wegen seines Namens mehrmals
vermuthet worden ist, französische, sondern deutsche Stücke mit dem
Harlekin aufführte, stand auf keiner höheren künstlerischen Stufe als
die meisten Komödiantenbanden jener Zeit. Wie alle andern Wander-
principale so strebte auch er nur nach einem guten Gewinn, zu dem
ihm hauptsächlich der buntgekleidete Lockvogel, der Harlekin, ver¬
helfen musste.
Ausser de Fraine suchte sich auch in der Herbstmesse 1725
der als Hanswurst und Zahnbrecher berühmte und berüchtigte Johann
io*
148
Ferdinand Beck die Zulassung zu verschaffen. Er wurde jedoch
ebenso wenig in dieser wie in der folgenden Ostermesse angenommen,
obgleich er am Würzburgischen Hofe mit grossem Beifall gespielt
und ein sehr gewichtiges Zeugniss vom Fürsten von Thum und
Taxis eingereicht hatte.262
Jedenfalls durch eine traditionelle Namensumbildung ist schon
seit dem Anfänge dieses Jahrhunderts, als eine zusammenhängende
Schilderung über »Thaliens Schicksale in Frankfurt« erschien, die
erste künstlerische Wirksamkeit der Neuberin in Frankfurt irrthümlich
in das Jahr 1727 gesetzt worden.
Aber nicht die grosse Reformatorin des deutschen Theaters
hielt sich damals hier auf, sondern ein Marionettenspieler Theobald
Neufzer, der laut dem Rechnungshauptbuche nach der Herbstmesse der
Stadtkasse 126 fl. 8 kr. Standgeld zahlte.263 Neufzer, dessen Puppen¬
spiele sehr beliebt waren, gab schon 1726 und in verschiedenen
folgenden Jahren in einer Bude am Main Vorstellungen. Nachdem
er Anfang der dreissiger Jahre gestorben war, führte seine Frau,
die früher Seiltänzerin gewesen, die Direktion weiter fort. Sie wurde
nacli dem damaligen Sprachgebrauch »Die Neufzerin« genannt, welche
Bezeichnung sicher im Laufe der Zeit ihre Verwechslung mit der
Neuberin verursacht haben mag.
Von der Herbstmesse 1725 bis zur Ostermesse 1731 fand keine
von den vielen Wandertruppen, welche mit dem Flitterkram ihrer
Herrlichkeiten ohne jedes höhere Kunststreben das deutsche Reich nach
allen Himmelsgegenden durchzogen, in Frankfurt Aufnahme. Nur
eine derselben, deren künstlerische Bedeutung und bürgerliche Stel¬
lung allerdings die Allgemeinheit weit überragte, soll hier Erwäh¬
nung linden. — Es war die Truppe des Johann Gottlieb Förster,
Principals der Königl. Grossbritannischen und Kur-Braunschweig-Lüne-
burgischen Bande, die im Sommer 1728 im Bade Schwalbach unter
dem grössten Beifall auch vor hohen Frankfurter Herrschaften ge¬
spielt hatte.264 Förster, auf' dessen Bühne Menschen und Marionetten
in anmuthiger Vereinigung agiren sollten, glaubte sicher Aufnahme
in Frankfurt zu finden, da ja seit- etlichen Jahren keine Komödie
erlaubet worden sei. — Aber er wurde nicht allein diesmal ent¬
täuscht, sondern auch in den beiden Ostermessen von 1729 und
1730, vor welchen er besonders »seine remarquablen eigens erfundnen
Haupt- und Staatsactionen« anpries.265
Für den Entwicklungsgang der Frankfurter Theatergeschichte
ist die mehrmalige Abweisung dieses Wanderprincipals gerade keine
erfreuliche Thatsacho. Förster, der mit Hülfe seiner Schauspieler
Ludovici und Wezell, welche dramatische Autoren waren,266 stets
die Lokalgeschichte der grösseren, von ihm besuchten Städte für eine
Vorstellung ausbeutete, würde sicher Gelegenheit zur Erwähnung
einer besonders interessanten Darstellung gegeben haben.
149
Das höchst unzugängliche Verhalten des Rathes, welches er
gerade in jener Zeit den wandernden Thespisjüngern gegenüber an
den Tag legte, veranlasste eine Gesellschaft Niederländisch-Franzö¬
sischer Komödianten vor ihrem Einkommen um die begehrte Erlaub¬
nis für die Ostermesse 1731 den in Frankfurt lebenden Geheimrath
von Berberich um eine gütige Verwendung bei den Vätern der Stadt
anzugehen. Der einflussreiche Herr that dies auch und erhielt die
Zusage dass, »wenn sie darüber gehörig suppliciren und für jede
milde Stiftung 50 fl. im Voraus erlegen könnten«, ihnen sicher Will¬
fahrung zu Theil werden sollte.267
Ob ehe Niederländisch-Französischen Komödianten diese Be¬
dingungen angenommen haben, oder ob sie in der Ostermesse 1731
ihr Glück anderswo versuchten, liess sich nicht feststellen, weil
weder in den Akten noch in den gedruckten Quellen eine weitere
Spur von ihnen zu finden war. Da jedoch der 1725 und 1726 mehr¬
mals abgewiesene Principal Johann Ferdinand Beck nach einigen
erfolglosen Eingaben endlich am 15. März noch Zulassung fand,268
so scheint es fast, als ob die ihm gewährte Erlaubniss von dem Aus¬
bleiben jener Truppe abhängig gewesen wäre.
Zur Charakteristik dieses Wanderprincipals, der als derber
deutscher Hanswurst und als Zalmbrecher gleich gross war, genüge
die Thatsache, dass er sich schon 1703 als solcher Doppelkünstler
durch einen Kupferstich mit der Unterschrift verherrlichen liess:
»Ein Künstler, der bin ich, wer dies nicht glauben will,
Setz sich auf einen Stuhl und halte mir nur still,
Ich nehm’ die Zähne aus, suptile und behände,
So hat der Schmertz, che Qual auf einmal gleich ein Ende.
Ich bin ein solcher Mann, der noch viel mehr kann machen,
Wer mich agiren sieht, den mache ich zu lachen.« u. s. w.269
»Die mörderlichen und doch ergötzlichen« Haupt- und Staats¬
aktionen Becks, in denen Hans-Wurst nicht italienisirt, sondern wie
ein recht derber deutscher Lümmel auftrat, fanden in Frankfurt den
grössten Beifall. Was seit Jahren nicht vorgekommen war, geschah:
Beck sah sich sogar zur vollkommenen Befriedigung der Theater¬
liebhaber genöthigt, noch um acht Tage Verlängerung des ihm an¬
gesetzten Termines zu bitten, die ihm auch auf sein Anerbieten, zu
der bereits bestimmten Abgabe , die Lösung des letzten Tages
gleichfalls den Armen zuzuwenden, sofort gewährt Avurde.270 Ausser¬
dem musste er aber auch für diese, Avie für die früheren Wochen,
dem Aerario 15 11. Standgeld entrichten. Unerwähnt darf es nicht
bleiben, dass Beck auch seine Vorstellungen in den Zwischenakten
durch ein sehr kunstvolles Schattenspiel anziehend zu machen ver¬
stand. Er und seine manchmal beim Rathe Frankfurts für ihn ein¬
kommende Frau, Johanna Sophie, nennen in zwei Bittschriften das
Schattenspiel sogar ihr »anzügliches Hauptwerk«.
150
Im Juli desselben Jahres richtete Leonhard Andreas Denner
der Aeltere, der bis zum Jahre 1710 mit seiner Familie zur Truppe
der Velthin gehört hatte, von dem kurpfälzischen Hofe zu Heidelberg
aus ein Schreiben an den Rath Frankfurts, woraus zweifellos her¬
vorgeht, dass er und che Seinen, nicht, wie schon oft vermuthet wurde,
in jener Zeit zur Neuber’schen Bande gehören konnten. Als Prin¬
cipal der »Königl. Gross Britannischen auch kurfürstl. Brandenburgi-
schen würklichen Hof-Acteurs« war er nach eigener Mittheilung im
vorigen Jahr mit seiner Suite an den hochfürstlich Württembergischen
und von da an den kurpfälzischen Hof berufen worden, wo er sich
noch aufhielt. Weil er aber nach Hannover zurück will, so möchte
er (auf der Durchreise) moralische Komödien geben, »die nicht ein¬
mal einen Schein von Scandalum involviren, sondern mit recht extra
ordinair galanten musicalischen , sowohl teutschen arien von der
Composition der weit und breit renomirten Virtuosen Monsieur Tele-
mann und Händel vermischt sein sollen. Die ein gemischte erlaubte
Lustbarkeit soll lediglich in einem wohl moralisirenden Arlequin
bestehn.«271
Der Name Telemann, dessen musikalische Thätigkeit in Frank¬
furt von 1711- — 1721 der verstorbene Carl Israel in seiner Frank¬
furter Concert-Chronik (Neujahrs-Blatt des Vereins für Geschichte
und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main für das Jahr 1876) so
eingehend und verständnissvoll geschildert hat, siegte ohne Frage
über einige pietistiscke Bedenken, welche nach Becks zweifelhafter
Kunstthätigkeit entschieden der Wiederaufnahme eines selbst hoch-
privilegirten Wanderprincipals entgegenwirkten. Nach der Erlegung
einer Summe von 100 Reichsthalern und der Entrichtung der auf¬
erlegten Abgabe an das Rechnei-Amt fand also Leonhard Andreas
Denner in der Herbstmesse 1731 die begehrte Aufnahme.
Die Kunstrichtung dieses Wanderdirektors lässt sich deutlich
aus seiner eben erwähnten Eingabe erkennen. — Noch mehr wird
dieselbe beleuchtet durch ein wenige Blätter enthaltendes Heftchen,
welches Denner den Rathsmitgliedern vor der Magistratskomödie
»Le Cid« oder »Roderich und Chimene« (nach Corneilles Trauerspiel)
überreichen liess. Dieses in den Beilagen unter Nr. I veröffentlichte
Heftchen hat um so grösseren Werth als es die älteste aufgefundene
Publikation von hier aufgetretenen Wandertruppen ist und zugleich
die äusserst devote Art und Weise kennzeichnet, in welcher damals
und auch später die Komödianten dem Rathe Frankfurts zu huldigen
pflegten.
Denner wusste den Haupt- und Staatsaktionen dadurch einen
erhöhten Reiz zu verleihen, dass er sie, wie auch die in Roderich
und Chimene vorkommenden Arien bestätigen, mit musikalischen Ein¬
lagen von den bedeutendsten Komponisten seiner Zeit »garnirete« und
den Arlequin, der von seinem Sohn, dem sogenannten jüngeren Denner,
151
vortrefflich dargestellt wurde, die »erlaubten«, aber trotzdem nach
unseren Begriffen oft sehr starken »Lustbarkeiten« nicht mit tölpel¬
hafter Plumpheit, sondern mit geschmeidiger Tänzergrazie vortragen
liess. Bei dieser Truppe befanden sich ausser den beiden Denner,
Vater und Sohn, auch noch eine Demoiselle und Madame Dennerin,
jedenfalls die Tochter des ersteren und che Gattin des letzteren.
Beide besassen bedeutende und gut ausgebildete gesangliche Anlagen,
welche im Verein mit den Spässen des wohl moralisirenden Ar-
lequin das Publikum am meisten in den bretternen Musentempel
auf den Rossmarkt lockten.272 Freilich waren auch die Requisiten
und Maschinerien dieses Wanderprincipals, der wie ein General von
seiner »Suite« spricht, viel prächtiger als die dürftigen Ausrüstungen
Becks, bei welchem die Gallakleider der Prinzen und Prinzessinnen
allabendlich des Glanzes halber »neu gespecket wurden« und oft einige
Bücher Goldpapier ausreichen mussten, um die ganze Garderobe
wieder ein wenig aufzuputzen. — Im Anschluss hieran sei noch
bemerkt, dass sowohl untergeordnete wie bessere Wandertruppen in
Bezug auf die Kleidung der in den Haupt- und Staatsaktionen auf¬
tretenden, den verschiedensten Zeiten und Völkern ungehörigen Könige,
Helden und Tyrannen ähnlich dachten, wie Tieck und Lichtenberg,
die beide sogar den Ausspruch thun konnten; »Wo der Antiquar in
den Köpfen eines Publikums noch schlummert, da soll der Schau¬
spieler nicht der Erste sein, der ihn erweckt«. — Von charakteristi¬
scher Kostümtreue war noch gar keine Rede, obgleich man allmählich
zwischen einer türkischen , einer römischen und mittelalterlichen
Tracht zu unterscheiden begann. Alle Stücke, deren Gegenstand einer
nicht zu fernen Zeit angehörte, wurden in dem letzten Kostüme
dargestellt, das eigentlich nur eine phantastische Umbildung der da¬
mals modernen Kleidung war. — Dieselbe masslose Willkür, welche
sich in dieser Epoche auf dem Gebiete der Schauspielkunst überall
breit machte, kennzeichnete auch ihre Kostümrichtung. In geschmack-
imd sinnlosem Uebertreiben der an und für sich schon überladenen
Rococotracht wurden in den Stücken oft die ungeheuerlichsten Zu¬
sammenstellungen zu Wege gebracht. — Römische, griechische und
mittelalterliche Helden erschienen in Schnallenschuhen, Kniehosen,
im breitschössigen Rock und mit dem glänzenden Schlachtenhelm
auf der gepuderten Allongeperücke. Auch den Darstellerinnen der
Königstöchter und Heldenweiber des Alterthums waren das vom
Reifrock aufgebauschte Gewand, der Federn und Blumenschmuck auf
der hohen Frisur, das zierlich gefältelte Taschentuch unerlässliche
Zeichen ihrer absonderlichen Würde.
Leonhard Andreas Denner, der ungeachtet seiner sich über die
gewöhnliche Komödiengauklerei erhebenden Kunstbestrebungen Aehn-
lichkeit gehabt haben muss mit dem, was man heutzutage einen
Reklamehelden nennt, liess jedenfalls auch hier, wie in Heidelberg, seine
152
Ankündigungen auf ganze Bogen drucken und mit Arabesken und
figürlichen Darstellungen verzieren. Wie schon oft, so muss auch jetzt
leider wieder konstatirt werden, dass trotz eines nicht kleinen Auf¬
gebotes von Mühe und Zeit ebenfalls von dieser und der nachfolgenden
Operisten-Gesellschaft keine Theaterzettel ausfindig zu machen waren.
Der Umstand, dass dadurch auch das Eintrittsgeld der beiden Truppen
nicht festgestellt werden kann, lässt diesen Mangel doppelt fühlbar
erscheinen.
Denner hielt in der Herbstmesse eine gute Ernte und wäre
gerne noch länger in Frankfurt geblieben, wenn er nicht an einem
bestimmten Termin hätte in Hannover eintreffen müssen.
Jedenfalls durch Donners Erfolg erinuthigt, suchte auch der
italienische Operist Anthonius Peruzzi aus Venedig für die Herbst¬
messe um die Erlaubniss nach, »liebliche und arglose Opern« auf¬
führen zu dürfen.273 Er hatte hier im Sommer 1731 ein italienisches
Concert gegeben, welches aber, wie er selbst meint, nur aus dem
Grunde so wenig Zuhörer hatte, weil viele hohe und niedere Personen
gerade damals die Brunnen-Kur gebrauchten. In etwas grossthueri-
scher Weise beruft sich Peruzzi in seiner ersten Bittschrift darauf,
dass er das Glück gehabt habe, geraume Jahre über in Diensten der
Durchlauchtigsten Frau Erzherzogin zu Brüssel, der schon einmal
erwähnten Maria Elisabeth, Statthalterin der Niederlande, zu stehen
und höchstdero und anderer Fürsten Zufriedenheit in jeder Art
und Hinsicht zu erringen. Peruzzi, der schon einen Theil seines
Personals nach Frankfurt berufen hatte, sagt im Anschluss hieran, »dass
die in seinem metier erlangte Wissenschaft allschon gutentheils der
Welt bekannt sei, weshalb er desto eher hoffe, in dieser berühmten
Stadt mit seinen Opern aufwarten zu dürfen«. Bei all seinem stolzen
selbstbewussten Auftreten wurde aber Anthonius Peruzzi doch erst
nach einer nochmaligen Eingabe unter denselben Bedingungen wie
früher die deutschen Komödianten angenommen. Nach eingeholter
Erlaubniss erbaute derselbe eine Hütte in der Nähe des Gasthofs »Zum
wilden Mann«, in welchem er sich selbst mit seiner Gesellschaft ein-
logirt hatte. — • Da dieses Gasthaus in einer Sackgasse (Lit. G Nr.
87) ganz nahe beim Augsburgerhof lag,274 so stand die Hütte des
italienischen Operisten jedenfalls auf dem Trierischen Platz, ungefähr
am Eingang zur heutigen Vogelsgesanggasse.
Peruzzi musste schon vor dem Beginne seiner Thätigkeit mit
mehr Hindernissen kämpfen als Leonhard Andreas Denner. Erst
hatte er beim Aufbau der Hütte viele unnöthige Verdriesslichkeiten
mit der Nachbarschaft des Gasthofs »Zum wilden Mann«, dann traf
auch der grösste Theil der Compagnie erst sehr spät, seiner eignen
Mittheilung zufolge, am letzten September 1731 ein. Alle diese
Hindernisse und den Uebelstand, dass er noch nichts verdient habe
und daher das Standgeld nicht entrichten und seine Gläubiger
153
mclit befriedigen könne, klagte Peruzzi dem Rath in einer Eingabe
anfangs October, in welcher er zugleich um Yerlängerung seines
Termins bis auf die nächsten Weihnachten bittet. Der Rath hatte
ein Einsehen mit der bedrängten Lage Peruzzi’s, er gestattete ihm
trotz der Einwürfe der Geistlichkeit , wofern er in Zeit von 8 Tagen
das schuldige Standgeld entrichtet, bis auf die Betwoche zu agiren.
Diese Bedingung erfüllte Peruzzi sofort, aber die 211 fl. Standgeld
für die folgenden Wochen und seine Gläubiger bezahlte er erst
nach obrigkeitlichem Einschreiten. Allem Anschein nach war hieran
weniger seine schlechte Einnahme, als die leichtfertige Führung der
Geschäfte schuld, da er nach ächter Komödiantenart mit dem erworbe¬
nen Verdienst nicht haushälterisch umzugehen verstand.
Die Mitglieder der Truppe Peruzzi’s, che nicht allein Opern,
sondern auch italienische Komödien aufführte, waren ein leicht¬
lebiges Volk, dessen freie, in scandalöse Vorgänge verwickelte Auf¬
führung dem bürgerlichen Ansehen der Schauspieler in Frankfurt
einen empfindlichen Schlag versetzte. Der Principal der Kurpfälzi¬
schen Hofkomödianten, Sigismund Ferdinand Scultetus, sagt nämlich,
nachdem ihm am 3. März 1733 sein Gesuch nicht bewilligt worden
war, in einer zweiten Bittschrift, dass er jedenfalls deshalb abgewie¬
sen worden sei, Aveil die lfier gewesenen Operisten durch ihre un¬
ordentliche Aufführung und gehäufte Schuldenlast viel Verdruss er¬
weckt hätten. Scultetus mochte sich hierin nicht irren, denn der Rath
blieb bei dem abschlägigen Bescheid, obgleich jener 200 Rchsthlr.
Caution stellen Avollte und wiederholt versicherte, dass seine Com¬
pagnie nicht »von einer solchen Art und auch mit keinem solchen
niedrigen Gesindel von scandalosen Frauensleuten untermischt Aväre.«275
Die Anzeige des Wirthes im Wilden Mann, der am 1. Juli
1732 in den Frag- und Anzeigungs-Nachrichten, dem heutigen
Frankfurter Intelligenzblatt, mittheilte, sein Gasthof sei einige Monate
von Operisten besetzt gewesen, hat jedenfalls die irrige Meinung ver¬
breitet, dass sich auch in diesem Jahre eine italienische Operngesell¬
schaft in Frankfurt aufgehalten habe. Aber dem ist nicht so. Diese
Anzeige bezieht sich auf Peruzzi und Consorten, welche Schulden
halber nicht sogleich nach Schluss ihrer Vorstellungen ab reisen
konnten und noch einige Monate auf ihre Auslösung warten mussten.
Ein Avälscher Tanzmeister und eine wälsche Sängerin, welche
in den ersten Monaten des Jahres 1732 in Frankfurt Unterricht er-
theilten, waren jedenfalls Mitglieder dieser Truppe, die sich auf ehren¬
vollere Weise aus der grossen Misere zu befreien suchten, als der grösste
Theil ihrer Kollegen und Kolleginnen.
Der unmittelbare Vorläufer der Neuber’schen Bande in Frank¬
furt war der unter dem Titel »der starke Mann« gleich berühmte
und berüchtigte Karl von Eckenberg, der nach mehrjähriger Unter¬
brechung der theatralischen Aufführungen in der Herbstmesse 1735
154
fünf Wochen lang zu Frankfurt in einer Hütte auf dem Liebfrauen¬
berg spielte.276 Die Truppe dieses ehemaligen Akrobaten, dessen
Ruhm von Berlin nach Frankfurt gedrungen war, bestand aus einem
bunten Mischmasch von allerlei »lebendigen Künstlern und bossig
anzuschauenden Drahtpuppen«. Auf welcher Stufe Karl von Ecken-
berg’s 277 künstlerische Leistungen standen, lässt sich hieraus zur
Genüge ersehen. Derselbe gab auch bei seinem ersten Aufenthalt
in Frankfurt, wie vorher in Berlin, Haupt- und Staatsaktionen, Har-
lekinaden und Marionettenspiele, welche durch eingeschobene Luft¬
sprünge, »Starkemannskünste« und »feinliche Singestücke« besonders
anziehend gemacht wurden. Für Frankfurt waren derartig zusammen¬
gesetzte Vorstellungen etwas Neues, weshalb sich der grosse Beifall
einigermassen erklären lässt, den, um einen Zeitgenossen reden zu
lassen, »ein Gaukler ärndtete, der durch den Harlekin die grössten
Unflätereien aufs Tapet brachte und Comödie spielen, Seiltanzen
und Luftspringen in ein gezwungen widerliches Bündniss trieb«.
Es ist einer der eigen thiimlichsten Zufälle in der Frankfurter
Theatergeschichte, dass auf den letzten Repräsentanten dieser Art
der dramatischen Kunst eine Truppe folgte, von deren Wirksamkeit
seit mehreren Jahren die Reform und Fortentwicklung der deutschen
Schauspielkunst nicht mehr zu trennen war. Die Extreme berühr¬
ten sich bei diesem Wechsel in der That in einer ebenso auffallen¬
den als interessanten Weise. Fanden doch alle schroffen Gegensätze
der damaligen theatralischen Kunstrichtung : grenzenlose Willkür und
schablonenhafte Dressur, unmässige Rohheit und steife Formalität
gleichsam eine scharfe Charakteristik in den Namen Karl von Ecken-
* berg und Karoline Neuberin.
Die Neuberin zum ersten Male in Frankfurt.
i.
Ehe die Sonne am Morgen aus dunklen Wolken hervortritt,
zeigen sich am östlichen Himmelsbogen feurige Streifen, welche zwar
oft von den letzten nächtlichen Schatten wieder bedeckt werden,
aber trotzdem das Herannahen des allbelebenden Tagesgestirnes ver¬
künden. Dieses Bild aus der Natur lässt sich äusserst bezeichnend
auf die Kunstthätigkeit der Neuberin in Frankfurt anwenden, die,
wie jener verheissungsvolle Schein am düsteren Horizont, der drama¬
tischen Kunst einen neuen sonnigen Tag verkündete. Es fehlte auch
hier an den Schatten nicht, welche das edlere Wirken der grossen
Frau wieder verdunkelten, aber es war doch nicht umsonst gewesen,
es hatte wenigstens das Verständniss für eine bessere Richtung
erschlossen und in empfänglichen Gremüthern die Ahnung von einer
allmählich sich bahnbrechenden, neuen Kunstepoche erweckt.
Das erste Auftreten der Neuber’schen Truppe in Frankfurt wird
durch eine Vermittlung vorbereitet, welche ebenso ehrenvoll wie be¬
zeichnend für die künstlerische Thätigkeit und moralische Führung
dieser berühmten Gesellschaft ist. Am 9. November 1735 richtete
der Chef eines Hamburger Handelshauses an Benjamin Metzler sei.
Söhne dahier folgenden Brief, den wir mit Ausnahme der im Ein¬
gänge desselben stehenden geschäftlichen Mittheilungen wörtlich hier
folgen lassen.
Hochgeehrte Herrn!
.... Sonsten dienet dieses E. E. gantz dienstliche hiermit zu
ersuchen, bev dortigem Magistrat und denen als sonsten beykömmt,
zu vernehmen, ob eine gewisse Bande Comedianten nicht Erlaubniss
bekommen könne, in dortiger Messe zu agiren? und was solchen-
fals die conditiones seyn würden ? E. E. nehmen nicht übel , dass
darmit incommodiren ; diese Comedianten meritiren ihrer guten
Aufführung halber , dass sich feine Leute ihrer annehmen umb
so mehr, als sie zuerst die Teutsche Schaubühne von aller Un-
fläterey gesäubert haben, so dass nunmehr honnete Leute selbige
nicht nur ohne zu erröten frequentiren , sondern sogar auch gute
Sittenlehren daraus ziehen und sich zu nutze machen können. Wie
dann sind ein Jahr, dass sie etwa hier sind unsere ehrbarsten Bür-
156
ger, ja unser gantzer Majistrat ihre Spiele öfters mit ihrer Gegen¬
wart beehren, sogar auch einige unsrer vornehmsten Gelehrten
derer besten französischen Poeten in schöne teutsche Verse über¬
setzet haben. Ihre Weibsbilder sowohl als die Männer halten
sich sehr ehrbar und eingezogen und können die Bürger, worbey sie
logiren, ihre christliche und friedfertige Lebensart nicht genug rühmen.
Sie können hier der opera wegen nicht beständig subsistiren und
darumb mögten sie gerne in Frankfurt in denen Messen spielen. —
Können E. E. nun ihnen darunter behültlich sein, so würden E. E.
uns sehr obligiren; denn wir sind von vornehmen Freunden, woran
uns sehr viel gelegen, darumb ersuchet worden. Bitten E. E. um
eine baldige und umbständliche Antwort und verharren indess nebst
freundlichen Sol. und Empf. Götti. Obhut
E. E. I). W. Diener
Poppe und Kroon.278
Auf diesen wichtigen Empfehlungsbrief muss das Frankfurter
Handelshaus sich in einem Antwortschreiben bereit erklärt haben,
für die von ihren Hamburger Geschäftsfreunden so warm empfohlene
Truppe beim Rathe Frankfurts vermittelnd einzutreten, denn im
Januar des folgenden Jahres stellte der Principal Neuber, der sich
inzwischen mit seiner Bande nach Kiel begeben hatte, der Firma
Benjamin Metzler selig Söhne folgende Vollmacht aus:
»Inhaber dieses ist von mir bevollmächtigt, die Erlaubniss in
Frankfurth am Mayn bevorstehende Ostermesse deutsche Comödien
agiren zu dürfen, zu suchen und einen Platz zu besprechen, wo
man dergleichen vorstellen kann, auch zu behandeln und zu be¬
dingen, was hiezu von nöthen seyn wird.
Kiel, den 25. Januar 1736.
Johann Neuber,
Principal der Königlich Polnischen, Churfürstlich Sächsischen,
auch Hochfürstlich Braunschweigisch -Wolfenbüttel ’schen Hof-
comödianten.«279
Hierauf supplicirten denn auch die Handelsleute Benjamin Metz¬
ler Söhne als Bevollmächtigte Johann Neuber’s um die Erlaubniss,
dass derselbe in der Ostermesse seine moralischen deutschen Komö¬
dien allhier darstellen dürfe. Sie legten ihrer Eingabe das von den
Hamburger »beglaubten Freunden über die Conduite und die Reprä¬
sentationen abgefasste Empfehlungsschreiben bei und sprachen ausser¬
dem noch die Hoffnung aus, »dass sothaner C o mö dien b and e ,
die dahier in loco noch niemahlen agiret, folglich
hochgeneigteste Gewährung der i e z o zum ersten Mal
unterth änigst nachgesuchten Erlaubniss um so mehr
sich getröstet, als die ehedem vorgewallte und be¬
betrübte Zeiten ihre völlige Endtschafft erreicht
haben.«280 Obschon aber Neuber’s Vertreter alle diese Thatsachen
157
zu seinen Gunsten erwähnten und im Anschluss daran noch erklär¬
ten , dass derselbe gerne die pflichtschuldige Abgabe sofort ent¬
richten wolle, wurde die Eingabe doch für diesmal znrückgewiesen.281
Der Rath nahm überhaupt in der Ostermesse 1736 weder Komödian¬
ten noch sonstige fahrende Künstler an.
Am 28. Februar, demselben Tage, an welchem auch Ke über
einen abschlägigen Bescheid erhalten hatte, widerfuhr ein Gleiches
dem hier schon von früher bekannten und allgemein beliebten »starken
Mann«, der wieder seine Künste, »bestehend in ausserordentlicher
Force, Seiltanzen, Luftspringen und Comödienspielen zum Besten geben
wollte«.282
Es scheint seit dem Beginne des achtzehnten Jahrhunderts bei
den vorsichtigen Rathsherren immer mehr Gebrauch geworden zu
sein, keinem Komödianten schon auf sein erstes Gesuch hin Spiel-
erlaubuiss zu ertheilen, es sei denn, dass er von einflussreicher Seite
empfohlen worden wäre. Von diesem Verhalten des Rathes ist
jedenfalls das Ehepaar Neuber von den Inhabern der genannten
Frankfurter Firma unterrichtet worden, denn es liess sich durch die
einmalige Abweisung nicht zurückschrecken und versuchte bei Zeiten
für die Herbstmesse die gewünschte Zulassung zu erhalten.283
Da in der Folge die Principalin Friederica Carolina Neuberin,
geborene Weissenborn, einzig den schriftlichen Verkehr mit den Be¬
vollmächtigten in Frankfurt und mit dem Rathe selbst fortsetzte, da
sie überhaupt bei den verschiedensten Verhandlungen stets als die
eigentliche treibende und ausführende Kraft in den Vordergrund
tritt, so nimmt sie in der Frankfurter wie in der allgemeinen deut¬
schen Theatergeschichte eine höhere Stellung ein als ihr Mann, wozu
ihre stattliche, gewinnende Erscheinung vielleicht auch einen Theil
beigetragen haben mag. Als die Neuberin zum ersten Male nach
Frankfurt kam, stand sie bereits im 39. Lebensjahre; man hätte sie
aber nach dem Urtheil von Zeitgenossen für zehn Jahre jünger hal¬
ten können.
Neuber Unterzeichnete während der Herbstmesse 1736 und der
Ostermesse 1737 nur die Theaterzettel und blieb sonst- in Bezug auf
die Vertretung der Principalschaft in bescheidenem Dunkel. Hiermit
soll aber durchaus nicht gesagt sein, dass der Gatte der berühmten
Frau, welcher sich in seinen Briefen so klar und stylvoll auszu¬
drücken verstand, ihr gegenüber eine untergeordnete Stellung ein¬
genommen hätte. Wenn auch nicht in Hinsicht auf Lebhaftigkeit
des Geistes und kühne Energie, so stand Neuber doch, was Ver¬
ständnis für die dramatische Kunst und allgemeine Bildung betraf,
mit seiner Frau sicher auf gleicher Höhe, wenn er sie nicht etwa
im letzten Falle noch überragte. Die männlichen Charakteranlagen
der Neuberin und das stillere, mehr zur Zurückgezogenheit neigende
Wesen ihres Mannes brachten das umgekehrte Verhältniss hervor,
158
als es sonst meist bei anderen Ehegatten stattfindet. Sie vertrat die
Unternehmungen nach aussen, er wirkte mehr nach innen und wurde
deshalb weniger bekannt und oft gar unterschätzt. Die Neuberin
hatte an ihrem Manne einen starken Halt, denn ihr neben den
genialsten Zügen doch hie und da weiblich eigensinniger Charakter
hätte sie ohne seinen mildernden Einfluss gewiss noch mehr Ueber-
eilungen begehen und in noch weitere Verlegenheiten kommen
lassen, als sie schon ohnedies bei der Fortführung ihrer Principal-
schaft gerieth.
Als die Herbstmesse 1736 herannahte, richtete die Neuberin
unterm 17. Juni 1736 von Lübeck aus ein Bittgesuch an den Rath
Frankfurts, welches von Benjamin Metzler Söhne mitunterzeichnet
und auch vermittelt wurde. Sie legte demselben ein Zeugniss des
kunstsinnigen Herzogs Karl Friedrich von Holstein und eine ge¬
druckte Probe »Von der Unschuld, Reinheit und Nutzen ihrer Co-
müdien« bei, »die sich von andern ohnziemlichen theatralischen re-
präsentationen ganz und gar unterscheiden und in Hamburg von
Gelehrten und Magistrats-Personen mit bester approbation besucht
worden sind«.284 Sie berief sich auch diesmal wieder darauf, dass
sie noch nie hier in Frankfurt gespielt habe und erbot sich im
Falle der Zusage, gerne für die Armen einige Komödien zu agiren.
Das Zeugniss des Herzogs bat sich die Neuberin wieder zurück, die
gedruckte Einlage aber, die scheinbar diesem Gesuch angeheftet war,
muss leider abhanden gekommen sein. Kann aber auch von ihrem
Inhalte nichts Näheres angegeben werden, so ist uns doch durch einen
andern guten Fund Gelegenheit geboten, diesem Mangel wenigstens
einigermassen abzuhelfen.
Ehe die Neuber’sche Bande vor der Herbstmesse 1736 in
Frankfurt eintraf, liess die Principalin durch Benjamin Metzler Söhne
in verschiedenen hiesigen vornehmen Familien zum besseren Ver-
ständniss ihres gereinigten Theaters einen Auszug von der Abhand¬
lung des Magister Joh. Friedrich Mayen »Ueber die Schaubühne« ver¬
breiten, welche derselbe mit seiner Uebersetzung der Rede des be¬
rühmten französischen Paters Porre »Von den Schauspielen, ob sie
eine Schule guter Sitten sind oder sein können« 1734 in Leipzig
herausgegeben und hauptsächlich zur Verherrlichung Gottsched’s
veröffentlicht hatte. Eines dieser von der Neuberin verbreiteten
Exemplare, welches in eine hiesige Patricierfamilie kam, liegt uns
in einem aus vier dicht bedruckten Blättern bestehenden Quartheft¬
chen mit den Bemerkungen seines damaligen Besitzers vor. Da die
Verbreitung dieser Schrift in Frankfurt höchst bezeichnend für die
Bestrebungen der Neuberin und — um eine Randglosse auf jenem
Heftchen zu gebrauchen — »für die berühmte Principalin und
Actrice allhier am Orte wichtiger geworden ist, als das lauteste Ge-
schrey, womit frühere Comödianten ihr eigen unverdient Lob aus-
159
posaunten«, so soll der Anfang und noch einige hauptsächlichen
Stellen der Abhandlung liier Aufnahme finden.
»Die Schaubühne hat sich in Deutschland desjenigen Glückes
noch nicht rühmen können, welches sie braucht, sich aus dem Staube
zu erheben und in der Hochachtung zu stehen, worinnen man sie
bey den gesittesten Völkern jederzeit angetroffen hat. — Wer sich
anmassen will, von der Schaubühne zu urtheilen, muss von allen
Vorurtheilen frei seyn und die Sache anfangs ausser ihren besonde¬
ren Umständen betrachten. Wer nicht weiss, was eine Sache eigent¬
lich ist, wie kann der auch wissen, ob sie ihrem Wesen nach schäd¬
lich oder nützlich sey, ob sie mehr dem Missbrauche oder dem
rechten Gebrauche unterworfen, und ob es nicht möglich, sie also
einzurichten, dass der gute Gebrauch eingeführet und dem Miss¬
brauch gesteuert werden möge. Die Schaubühne ist ein vortreff¬
liches Mittel, die Menschen zu lehren und zu bewegen, ihre Vor¬
stellungen machen den grössten Eindruck in den Gemüthern, weil
sie am fähigsten sind, die so nöthige Aufmerksamkeit zu wirken.«
Nachdem dann ziemlich ausführlich der Nutzen und die segens¬
reiche Einwirkung der Schauspielkunst geschildert ist, wird genau
dargethan, was man eigentlich unter Theater zu verstehen habe, und
nach einem Lob auf die Griechen und Körner, welche den Vortheil
desselben wohl eingesehen hätten, in Bezug auf das Schicksal der
heimischen Darstellungskunst folgende Betrachtung daran geknüpft:
»Die deutsche Schaubühne muss in ihrem Vaterlande, so gut sie
kann, herum wallen. Sie muss sich durch eignen Trieb zur Voll¬
kommenheit selbst bessern. Sie hat keinen Vorschub dazu als den
ungewissen Beytrag der Zuschauer. — Sie findet tausend Hinder¬
nisse, welche sie übersteigen muss, und eine beschwerliche Arbeit,
die Vorurtheile wegzuschaffen, in welchen che Leute durch die Ver¬
derber der deutschen Schaubühne noch beständig erhalten werden.
Wer hier durchdringen will, muss Standhaftigkeit und Lust zur nütz¬
lichen Arbeit haben.«
Nun folgt eine nicht ohne Geist geschriebene ästhetische Ab¬
handlung über che Natur der Tragödie und Komödie, der sich eine
Aufzählung der hervorragendsten Eigenschaften eines guten Komö¬
dianten anschliesst. In der Folge wird dann erörtert, dass jeder
dargestellte Vorgang wahrscheinlich sein müsse, und im Anschluss
hieran die berühmten Haupt- und Staatsaktionen früherer Zeiten
scharf getadelt.
»Die alten deutschen Comödien« — heisst es — »sehen noch
lächerlicher als ihr Harlekins-Kleid aus. Denn an demselben sind
doch zum wenigsten die bunten Eiecken noch in einer gewissen
Ordnung, obgleich ohne Grund gesetzt; hier aber kömmt alles so
buntscheckicht untereinander, dass es weder hinten noch vorne ein
Geschicke hat. Das macht’s aber, die besten davon sind nach dem
160
alten italienischen Leisten zugeschnitten. Weil diese nur auf Er¬
götzung sehen und mit ihren Vorstellungen weiter nichts ausrichten
wollen, als dass sie mit ihren Narrens-Possen den Zuschauern auf
einige Stunden die Vernunft rauben wollen, damit cüese desto un-
gescheuter lachen können, so ist ihnen auch die Wahrscheinlichkeit
mit allen ihren Regeln nichts nütze. Je toller es heraus kömmt,
je besser ist es.«
Der Verfasser giebt darauf bedeutungsvolle Winke, wie die
Schaubühne auf einen ehrbaren Euss gestellt werden könne. Er
schildert die von ihrem Einfluss geförderte philosophische Tugend
und versichert, dass trotz der Anregung zum Guten nicht alle ihre
erquickende Ergötzung aufhören würde. Der Zeitvertreib würde
dessenungeachtet nicht zu ernsthaft werden, — meint er, — »es
würde dennoch auch zu lachen genug geben, ob man gleich dieses
Vergnügen nicht dem Hans-Wurst und Harlekin soll zu danken
haben.«
Es wird sodann nicht allein in feiner Weise der Eindruck ge¬
schildert, den eine glückliche Nachahmung der Natur zu machen im
Stande sei, sondern auch an einem Beispiel erläutert, dass Gefallen
erzeugen, ebensoviel heissen will wie herzlich belustigen. Auf diese
Definition folgt noch eine genaue Schilderung der verschiedenen
Mittel, durch welche die Tragödie und Komödie die Herzen der Zu¬
schauer fesseln könne. Dann kommt der Verfasser nochmals auf
den Punkt zurück, dass das Theater, wofern es vernünftig ein¬
gerichtet und keine Schandbühne sei, eine lebendige Schule der guten
Sitten werden könne. Nach der Warnung, man solle das Theater
nicht geringschätzig ansehen, das so viel zur Glückseligkeit der
Menschen und zur Beförderung des Guten beizutragen vermöchte,
wird nochmals zwischen besseren und niedrigen dramatischen Be¬
strebungen genau unterschieden und mit der Behauptung geschlos¬
sen : »Sobald die Schaubühne aus der Art schlägt, ist sie böse, und
also zu verwerfen. Ja, ich wollte, dass man ihr alsdann nicht weiter
den Namen der Schaubühne zugestehen möchte, sowie man denjeni¬
gen nicht einen Redner nennen soll, der seine Beredsamkeit dem
gemeinen Wesen zum Nachtheil gebraucht.«
Auf diesen Auszug folgte ein Theil der Vorrede Mayen’s zu
seinem gedachten Buche, in welcher zur Verherrlichung Gottsched’s
etwas zu ausführlich gegen die Ansicht gekämpft wird, dass ein Ge¬
lehrter sich viel zu tief erniedrige, wenn er sich um die Schaubühne
bekümmere. Nachdem Gottsched’s Reformbestrebungen zur Hebung
des deutschen Theaters kurz angedeutet und die unglimpflichen
Nachreden, die dieser grosse Mann wegen seiner edlen Bestrebungen
zu erdulden habe, zum Schweigen verwiesen worden sind, folgt dann
noch ein, wie es scheint, eigens in Hinsicht auf das Gottsched’s
Ideen ausführende Neuber’sche Theater abgefasster Satz: »Sonsten
1 61
hat die Schaubühne freylich zur Belustigung des Pöbels dienen
müssen, und wo der Hanswurst und Harlekin regiert, da geschieht
es auch wirklich jetzo noch. Allein, ist denn der Pöbel dazu ver¬
dammt, dass er in seinem unsötigen Wesen bleiben, und niemahls
einen besseren Geschmack bekommen soll ? Ist es nicht die Schuldig¬
keit der Gelehrten, sie davon zu befreyen, da die Mittel dazu in
ihren Händen sind? Sollte man nicht darauf denken, diese Be¬
lustigung so einzurichten, dass sie den Gelehrten und Ungelehrten
angenehm und zuträglich sey? Ich sollte es meynen, und vielleicht
irre ich auch nicht. Freylich ist es vor einen ehrlichen Mann etwas
unanständiges, wenn er vor der Schaubühne seyn und nichts als
Zoten, Saupossen und einfältiges Zeug hören soll. Auf der verderb¬
ten Schaubühne geschieht dieses. Wer vertheidiget diese aber dabey?
Eben der Abscheu vor solchen unerträglichen Vorstellungen und die
Möglichkeit, eine bessere Einrichtung in den Gang zu bringen, sind
die Ursachen, dass man auf allerhand Vorschläge sinnet, das Uebel
abzuschaffen und das Gute einzuführen. Niemahls habe ich gehöret,
dass man dieses hätte verwerfen sollen oder können. Man reinige,
verbessere, und bringe nur die Schaubühne unter den Gehorsam der
Vernunft, es werden sich, bey uns so wenig als in andern Ländern,
auch die bravesten Männer nicht schämen dürfen, Zuschauer eines
Schauspiels abzugeben.«
Und die angesehensten, bravsten Leute in Frankfurt, »die
»sonsten noch niemahlen eine Inclination für das Theater bezeuget«,
scheuten sich nach einer weiteren Bemerkung auf dem bereits er¬
wähnten Heftchen auch nicht, die Neuber’sche Schaubühne »nacli
sothaner Vorbereitung mit einer ganz seltsamlichen Spannung« zu
erwarten.
Die Neuberin scheint ausserdem noch mehrfach versucht zu
haben, die Bedeutung der von ihr angebahnten Reform der Schau¬
bühne ihren Frankfurter Zuschauern so viel als möglich klar zu
machen. Den unter Beilage II und III mitgetheilten Ankündigun¬
gen war der bereits erwähnte, nur etwas veränderte Auszug aus der
Mayen ’schen Abhandlung und eine von Wolf Balthasar Adolph von
Steinwehr am 7. October 1734 in der Deutschen Gesellschaft zu
Leipzig gehaltene Rede beigegeben, welche über den [Ausspruch des
Palingenius handelt:
Si recte aspicias, vita haec est fabula quaedam,
Seena autem mundus versatilis, histrio et actor
Quilibet est hominum : Mortales nam prope cuncti
Sunt personati.
In freier Uebersetzung möchte dieser Ausspruch folgendermassen
lauten :
Blicke du ruhig nur hin, so ist dies Leben ein Schauspiel
Und die Bühne dafür giebt die bewegliche Welt.
11
162
Mime und Spieler kann sein ein jeder unter den Menschen,
Aber mimt er auch nicht, fehlt ihm die Maske doch nie.
Nachdem Benjamin Metzler Söhne mit dem Rath noch ver¬
schiedene Verhandlungen über den Platz gepflogen hatten, wo die
Komödiantin Friederica Carolina Neuberin ihre Hütte aufschlagen
lassen dürfe, ertheilte der Rath nach langem Widerstreben die Er¬
laubnis zur Aufrichtung derselben auf dem Liebfrauenberge.285 In
der letzten Woche des September 1736 kam die Neuber’sche Bande
von Norden, jedenfalls von Lübeck, nach Frankfurt, wo denn auch
alsbald mit den Vorstellungen begonnen wurde. Ehe dieselben
weitere Erörterung finden, soll erst noch der Personalbestand der
Neuber’schen Schaubühne besprochen werden, zu dem gerade damals
die grössten Schauspielcelebritäten jener Zeit gehörten. Nach dem
Principal selbst und seiner Gattin sei hier zuerst Friedrich Kohlhardt
erwähnt, der früher Mitglied der Haack’schen Truppe gewesen und
in tragischen und komischen Rollen gleich gross war. Diesem älteren
Kollegen am nächsten stand Gottfried Heinrich Koch, der nicht allein
ein trefflicher Schauspieler war, sondern auch noch durch andere Künste
der Neuber’schen Schaubühne nützte. Er malte für dieselbe in freien
Stunden Dekorationen, dichtete neue Stücke, übersetzte verschiedene
Dramen und richtete die lustigen Nachspiele ein. In komischen
Bedienteurolien und als Darsteller von launigen und polternden
Alten that sich neben Lorenz, der zwar Könige und Helden spielte,
aber im lustigen Fache ebenso Vorzügliches leistete, auch in Frank¬
furt besonders der junge Fabrizius, ein Predigerssohn aus Cottbus,
hervor. Ausser den eben genannten Darstellern waren seit einigen
Jahren noch Johann Friedrich Schönemann, ehemaliges Mitglied der
Förster’schen Truppe und später Nachfolger der Neuberin, und
Suppig aus Dresden zu dieser Bande gekommen. Der letztere er¬
warb sich besonders als Liebhaber in der Komödie und Tragödie,
sowie als Chevalier einen grossen Ruf. Nach Weisse, Winzinger,
Jacobi, Steinbrecher, Schröter, Antusch, Schubert und Mayer möge
von dem männlichen Personal schliesslich noch Michael Tiirpe ge¬
nannt werden, der ein seltenes Nachahmungstalent besass, aber den
Franzbranntwein ebenso sehr liebte, wie seine Kunst.
Da auf den aus jener Zeit herrührenden Theaterzetteln das
darstellende Personal nicht benannt ist und auch die sonstigen ge¬
druckten Quellen nicht ausführlich genug sind, so war es auch nur
möglich, einen Theil der Namen von den Darstellerinnen der Neuber’¬
schen Truppe zu ermitteln. Nach der Principalin verdient Frau
Gründler, Tochter des ehemaligen Velthen’schen Schauspielers Sasse,
als vorzügliche Liebhaberin die erste Erwähnung. Ihre 1736 kaum
herangeblühte Tochter spielte in Frankfurt Kinder- und ganz jugend¬
liche Rollen, in deren Durchführung sie eine grosse Schauspielerin an¬
gekündigt haben soll. Das Talent der jungen Künstlerin kam aber
1(33
nicht zu seiner vollen Entfaltung, da sie sich schon 1738 bei einem
Aufenthalt der Neuber’schen Truppe in Kiel mit dem einige Zeit bei
derselben wahrscheinlich als Uebersetzer thätigen Notar und franzö¬
sischen Sprachmeister Weisse verheirathete und sammt ihrer Mutter
von der Bühne zurücktrat. Ob die schöne Schauspielerin Philippine
Turnier, die spätere Frau des berühmten Karl Gottlob Heydrich,
schon damals in Frankfurt bei der Truppe war und in den Hora-
tiern die Clelia spielte, lässt sich aus dem oben erwähnten Grunde
nicht bestimmt feststellem Da es aber eine absonderlich schöne
Person war, »welche dies liebliche römische Weibsbild agiren thät«,
so kann es entweder nur sie oder die jugendliche Frau Schönemann’s,
Anna Kachel (Rahel), geborene Weigler, gewesen sein, die 1730 mit
ihrem Manne zur Neuber’schen Truppe gekommen war und später
auch die Alzire und Zaire bei derselben spielte.
Die älteren Königinnen und Heldenmütter gab Frau Stein¬
brecher, geborene Spiegelberg, mit vieler Würde und erhabener De¬
klamation ; die launigen, zärtlichen und heftigen Frauenrollen stellte
die Lorenzin dar, die von Gemüth sehr gut war, aber für solche
»Weibscaliber« das beste Zeug besass. Die Gattin eines Darstellers
der Truppe: Sophie Antusch, hatte eine vorzügliche Bildung und
trat hauptsächlich in sanften tragischen Rollen auf. Ausser der
jungen Frau Koch, einer geborenen Büchner aus Leipzig, die auch
zu zärtlichen Liebhaberinnen, Prinzessinnen und sanften Rollen ver¬
wendet wurde, sind nur noch eine Madame Rischin und eine
Demoiselle Ehlicli, beide früher Mitglieder der Förster’schen Bande,
zu erwähnen, deren Rollenfächer sich aber nicht näher feststellen
lassen.286
Mit einer solchen, durch ihren langen Aufenthalt in Hamburg
(vom 18. April bis 5. December 1735) wohl eingespielten Künstler¬
gesellschaft wagte es die Neuberin, Anfangs October 1736 in Frank¬
furt ihre Vorstellungen vor einem Publikum zu beginnen, dessen
grösserem Theil, um den Ausspruch eines Zeitgenossen zu gebrau¬
chen , »die tollen Haupt- und Staatsaktionen ein Labsal und die
zottenreichen Schlusscomödien stets ein beliebter Nachtisch ge¬
wesen«.
Der Umstand, dass die Principale in jener Zeit ihre Vorstel¬
lungen noch nicht in den Tagesblättern ankündigten, und der Mangel
an Theaterzetteln machen es unmöglich, genau festzustellen, mit
welchem Stück die Neuberin ihre Schaubühne in Frankfurt eröffnete.
Wenn wir aber einer gewiss begründeten Mittheilung aus dem Jahre
1770 vollständig Glauben schenken dürfen, so war es »Timoleon,
der Raths- und Bürgerfreund«, dieselbe Tragödie, welche sie von
dem Verfasser derselben, G. Behrmann, im Manuscript erhalten und
am 28. November 1735 zu Ehren des Hamburger Magistrats auf¬
geführt hatte.
ll *
164
Der Neuberin, die oft in so feinfühliger Weise auf das Interesse
ihres Publikums Rücksicht zu nehmen verstand, wäre es schon zu¬
zutrauen, dass sie sich und ihre Truppe durch die Vorstellung eines
Stückes einführte, welches für die Denkungsart und politische An¬
sicht der Frankfurter, als freie Bürger einer kleinen, gesegneten Re¬
publik, wie geschaffen erschien. Wäre dem aber auch nicht so,
Timoleon kam nach der Mittheilung eines Zeitgenossen jedenfalls
1736 in Frankfurt zur Aufführung und erregte grösseres Aufsehen
als ein Jahr früher in Hamburg. Dass die Frankfurter mit den
Ideen des Dichters sympathisirten und bei ihrer freiheitlichen Ge¬
sinnung besonders einige Scenen des Stückes begeistert aufnahmen,
wird ein Ausspruch Timoleon’s, I. Handlung, III. Auftritt, hinreichend
erklären :
»Die Freiheit ist gewis der Bürger grösster Schatz,
Ist die einmahl dahin, so ist sie stets verlohren.
Zur Knechtschaft sind wir nicht, nein, wir sind frei geboren;
Wir kennen keinen Herrn als Pflicht und Vaterland,
Als Rath und Bürgerschaft, als Weisheit imd Verstand,
Als Recht und Billigkeit, als Redlichkeit und Treue.
Wer uns die Freiheit raubt, der stirbt mit Furcht und Reue.«287
Ausser dieser Tragödie lässt sich mit Gewissheit nach leider
nur stückweise erhaltenen Theaterzetteln die während der Herbst¬
messe 1736 und in der Ostermesse 1737 erfolgte Aufführung folgen¬
der Stücke feststellen: »Der sterbende Cato« nach den Originalien
des Addison und Deschamps von Gottsched, in welcher Tragödie
Kohlhardt die Titelrolle spielte ; »Brutus« von V oltaire und »Britanni-
cus« von Racine, beide Stücke von Stüven übersetzt; Racine’s »Iphi¬
genie in Aulis« von Gottsched, und »Berenize«, ein dramatisches Werk
desselben Poeten, von Pantke in’s Deutsche übertragen. Ferner »Die
Horatier« von dem Verfasser des »Timoleon«, »Regulus« von Pradon
und »Alexander« von Bressand. An Komödien kamen — so weit
es sich nachweisen lässt — während der gleichen Zeit zur1 Darstel¬
lung: »Die verliebte Verwandlung« und »Der Läufer« von Le Grand,
»Der Zerstreute« und »Die unverhoffte Wiederkunft« von Regnard,
»Der Geizige« von Moliere, »Der verheirathete Philosoph, der sich
des Ehestandes schämt« von Destouches, »Die beiderseitige Unbestän¬
digkeit« von Marivaux, »Die Herbstfreude« von Carolina Friederica
Neuberin und »Der sich selbst betrauernde Ehemann«.
Bei der Unvollständigkeit jener Theaterzettel lassen sich die
lustigen Nachspiele nicht angeben, welche auf der Neuber’schen
Schaubühne auch in Frankfurt den Tragödien und Komödien folgten.
Da aber die Namen der hier aufgeführten Stücke in dem Hambur¬
ger und Lübecker Repertoire der Neuberin von 1735 und 1736
ebenfalls enthalten sind,288 so dürfte kaum ein Zweifel darüber ob¬
walten können, dass auch in Frankfurt die beliebten Nachspiele:
165
»Harlekin, die lebendige Uhr und verstellte Mumie«, »Die vier ver¬
liebten Geister«, »Das bärtige Frauenzimmer«, »Alte Jungfern jung
zu machen«, »Harlekin der Schuhflicker ein Advokat« und »der Mann
mit zwei Köpfen« in dem Neuber’schen Theater auf dem Liebfrauen¬
berge zur Darstellung gekommen sind.
Wie in Hamburg, so wurden auch hier von der Neuberin, um
das Verständniss der Zuschauer zu erleichtern , bei besonders wich¬
tigen Vorstellungen neben den Theaterzetteln noch kleine Heftchen
in Quartform ausgegeben, die auf der ersten Seite die Widmung,
auf den folgenden eine poetische Anrede, dann den Titel und die
Personen des Stückes und eine beigefügte Erläuterung desselben,
»Kurzer Vorbericht« genannt, enthielten. Von allen diesen Heftchen
Hessen sich nur zwei ausfindig machen, deren Abdrücke diesem Buche
als Beilage Nr. II und Nr. III zugegeben sind. Das Erstere der¬
selben, welches vor der sogenannten Magistratskomödie allen Mit-
ghedern des Raths zugeschickt wurde, enthält einen Prolog, der mit
Ausnahme einiger abgeänderten Stellen und der Verwandlung des
Namens Hamburg in Frankfurt mit der poetischen Anrede an die
Väter der nordischen freien Reichsstadt in der dortigen Magistrats¬
komödie vom 28. November 1735 vollständig übereinstimmt.
Das von der Neuberin verfasste Vorspiel »Die Herbstfreude« ist
aber nicht zu verwechseln mit ihrem nach Calderons »das Leben ein
Traum« bearbeiteten Schäferspiel gleichen Namens. (Enthalten in der
Wiener Schaubühne fünfter Tlieil.) Die Handlung ist zwar in dem
genannten Schäferspiel sehr dürftig, allein der Alexandrinervers
ist mit weit mehr Glück behandelt als in vielen Dramen aus jener
Zeit. Gottsched urtheilte über dieses Stück sehr günstig, auch Lessing
ging später nicht gerade mit Geringschätzung darüber hinweg. »Alle
Schauspiele«, sagt er von den dramatischen Arbeiten der Neuberin,
»sind voller Verkleidung, voller Festivitäten, wunderbar und schim¬
mernd. VieHeicht zwar kannte sie ihre Herrn Leipziger und das
war vielleicht eine List von ihr, was ich für Schwachheit halte«.
Durch die genaue Schilderung der Scenerie und kurze Inhalts¬
andeutung des in Frankfurt aufgeführten Schäferspiels gewinnt man
einigermassen Einbhck in dieses sicher mit allem für die damalige
Zeit denkbaren Prunke ausgestattete Stück.
Derartige allegorische Darstellungen, die man gewissermassen
mit den Widmungsblättern bedeutender damals erscheinender Schrift¬
werke vergleichen könnte, waren beim Publikum sehr behebt. Wie
der Maler in einem solchen Widmungsblatt seine Kunst in der figür¬
lichen Darstellung abstrakter Begriffe zeigen konnte, so gab eine
allegorische Vorstellung dem Principal einer Wandertruppe Gelegenheit,
nicht nur die sogenannte höhere Repräsentationsart seines Personals
zur Geltung zu bringen, sondern auch seinen Geschmack in der An-
166
Ordnung der Scenerie und der sonstigen dekorativen Ausstattung zu
bekunden.
Die Neuberin eröffnete in der Herbstmesse 1736, in der Oster¬
messe 1737 und auch bei ihrem späteren Aufenthalt in Frankfurt
regelmässig ihre Schaubühne mit einem derartigen allegorischen Vor¬
spiel. In dem zweiten Heftchen (Beilage Nr. III) wird die Auffüh¬
rung eines solchen »Die Umstände der Schauspielkunst in allen vier
Jahreszeiten« angekündigt. Dieses Stückchen, das gleichfalls von der
Neuberin verfasst war, kam sicherlich später in Hamburg mit kleinen
Veränderungen unter dem Titel »Die Verbindung der vier Jahres¬
zeiten«289 zur Darstellung. Auch hier trat die Hochachtung, in
welche sich die Ergebenheit der Neuber’schen Bande gegenüber dem
Katli Frankfurts einkleidete, als eine jugendliche Schäferin und Mer-
curius als ein schöner Jüngling auf, von dem, — eine feine Anspie¬
lung auf die Bedeutung Frankfurts als Handelsstadt — das Schicksal
der ernsten Göttin Melpomene vielfach abhing. Den Schutz, welchen
ihr der Frühling, ein junger Gärtner, der Sommer und der Herbst,
zwei Schäfer, und der Winter, ein alter selbst hülfsbedürftiger Mann,
nicht immer angedeihen lassen können, den gewährt ihr in allen vier
Jahreszeiten der Bote der Himmlischen und Gott des Handels. In
unserem Abdruck der besprochenen Heftchen ist die Rollenbesetzung
der Stücke »die Horatier, Britannicus und der Lauffer« angefügt, wie
sie sich mit einiger Sicherheit nach dem damaligen Personalbestand
der Neuber’schen Bühne in Frankfurt feststellen lassen dürfte.
Bei der Besprechung der Erklärungshefte darf nicht ausser Acht
gelassen werden, dass die Beschreibung der Scenerie in dem Vor¬
spiel »die Herbst-Freude« ganz entschieden auf die durch die Oper
in Gebrauch gekommene Eintheilung der Bühne in einen äusseren
und inneren Schauplatz hindeutet. Der Satz : »Es öffnet sich die
hintere Wand in der Hütte, allwo man im Prospekte auf beiden
Seiten Weingärten, in der Mitten aber den Tempel der Vernunft siehet,
welcher durch eine Sonne beleuchtet wird«, lässt keinen Zweifel hie¬
ran aufkommen. Die Bemerkung, dass über dem Theater zwei
fliegende Kinder schweben, die das Frankfurter Wappen halten, weist
auf die auch bei der Neuber’schen Bühne gebräuchliche Anwendung
eines sogenannten Flugwerks hin, Avelches die schwebenden Kinder
jedenfalls stützte. Dieses in den allegorischen Stücken die Verbin¬
dung zwischen Himmel und Erde vermittelnde Flugwerk wurde von
der Neuberin in einer Supplikation an den Rath »eine excellente
Götter-Maehina« genannt.
Welchen Fortschritt die Dekorationen und sonstigen Auszie¬
rungen des Theaters durch den Einfluss der Oper selbst bei Wander¬
bühnen gemacht hatten, geht ebenfalls aus der Erklärung zur Herbst¬
freude hinreichend hervor. Im Anschluss hieran sei auch noch er¬
wähnt, dass die Neuberin dem Kostüm eine viel grössere Sorgfalt
167
widmete als ihre Vorgänger und zeitgenössischen Collegen. Sie schied
den übermässigen Flitterkram, die geschmacklose Ueberladung mit
allerlei goldpapierenen Verzierungen aus, sie schaffte manche, die Tracht
eines Volkes entstellende Zuthat ah, z. B. die der Antike nachge¬
bildeten nicht unkleidsamen Perlendiademe bei den Türkinnen, aber sie
hielt an den drei Klassen der römischen, türkischen und modernen
Tracht unerschütterlich fest und rüttelte auch nicht an der konven¬
tionellen, schon früher geschilderten Anwendung der Perücke, der
Sammethosen und Schnallenschuhe bei den Männern, des Bcifrocks
und der gepuderten Frisur hei den Frauen.
Nach den sonstigen Bestrebungen der Neuberin, über die selbst
ein Lessing den Ausspruch that, dass sie »eine vollkommene Kennt-
niss ihrer Kunst besässe«, würde ein derartiges Verharren bei solchen
Verstössen ganz imbegreitlich erscheinen, wenn man nicht in Be¬
tracht ziehen müsste, dass damals die Kleidertrachten anderer Zeiten
und Völker noch lange nicht so bekannt waren wie heut zu Tage,
und die der Neuberin zu Gebote stehenden Geldmittel im Verhältniss
viel zu gering, um eine vollständige Umgestaltung auf dem Gebiet des
Kostüms unternehmen zu können.
So kam es, dass trotz aller, die Kostümtreue betreffenden un¬
ermüdlichen Ermahnungen ihres damaligen Gönners Gottsched, die
griechischen und römischen Helden, — z. B. Timoleon, Horatius und
Britannicus mit Perücke und Zwickelstrümpfen erschienen, und die
Frauengestalten der alten Sage und Geschichte: Jphigenia, Camilla,
Clelia, Agrippina, Junia und Berenize in vom Beifrock aufgebauschtem
Kleide, mit wehendem Spitzentaschentuch und hochgepuderter Frisur
über die Neubersche Schaubühne auf dem Liebfrauenberge dahin¬
schwebten. Diesem Theaterkostüme entsprach denn auch die outrirte
Spielweise. Der gereimte Alexandriner, das von den Franzosen an¬
genommene tonangebende Versmass der Tragödie, wurde in gesangs¬
artiger Deklamation und mit einem Pathos vorgetragen, der diese
einer freien Behandlung so viele Schwierigkeiten bereitende poetische
Form noch weit unnatürlicher erscheinen liess. — Die plastischen
Darstellungen waren ebenfalls von einem gewissen rythmischen Gesetz
abhängig. Jeder Schritt musste taktmässig, alle Bewegungen sollten
wellenförmig, der ganze Anstand musste erhaben, abgezirkelt und
von einer tänzerhaften Grazie unterstützt sein. Ein recht klares Bild
von dieser Spielweise giebt Schütze in seiner Hamburger Theater¬
geschichte290 bei Gelegenheit einer Besprechung von Kochs Spiel.
Er schreibt: »Steif gestikulirte er in allen ernsten halb-tragischen
und tragischen Rollen und sprach sie schlecht. Er konnte damals
z. B. seine Hand nicht in die Westenöffnung am Busen leiten, ohne
vorher einen Halbzirkel zu beschreiben, und mit eben der steifen
halbzirkelnden Gestikulation nahm diese Hand erforderlichen Falls
ihren Rückzug in die Rocktasche.«
168
Dass dieser von der Neuberin unter Gottsched’scbem Einfluss
festgestellte Styl nichts weniger als eine musterhafte Darstellungsweise
genannt werden kann, ist selbstverständlich, aber nach der ausschwei¬
fenden Willkür und marionettenhaften Förmlichkeit der Manier der
Haupt- und Staatsaktionen war er doch eine Vorstufe zum Besseren,
ein Uebergang, welcher manche Keime zur weiteren Vervollkomm¬
nung der Schauspielkunst in sich trug. Ebenso wie die Spielart sind
auch jene mattherzigen , von Gottsched und seinen Schildknappen
nach französischen Originalien übersetzten regelmässigen Tragödien
und Komödien und auch die wenigen nachgebildeten dramatischen
Dichterwerke wie »die Horatier« und »Timoleon« von Behrmann, »Ulysses
von Ithaka« von Ludwig und Elias Schlegel’s Tragödien und Komö¬
dien aufzufassen, denen, wenn man jene Epoche überblickt, nur die
Bestimmung zugefallen zu sein scheint, unter Gottsched’s Beistand
Bühne und Literatur wieder in innige Wechselbeziehungen zu ein¬
ander zu bringen und der Darstellungskunst eine bessere Nahrung zu
reichen, wie ihr seither ihre eignen Vertreter in improvisirten, von
der augenblicklichen Stimmung abhängenden Gedanken dargeboten
hatten.
Das durch Gottsched eingeführte französische Renaissancedrama
verknöcherte zwar bald zu mattherzigem geistlosem Formalismus, aber
es darf dessenungeachtet nicht vergessen werden, dass es eine Zeit
gegeben hat, in welcher die verwahrloste darbende Schauspielkunst
gerade in diesen regelmässigen Uebersetzungen und Nachahmungen
ihren letzten Rettungsanker finden durfte. Gottsched ist wegen der
Einführung der dramatischen Renaissancepoesie oft und scharf ge¬
tadelt worden, aber in einem Augenblick der Noth ist »dies Herüber¬
hohlen« doch wohl eine verdienstliche That gewesen. Dem deutschen
Drama neuen Lebensgehalt zu geben, die erkünstelte Idealität wieder
in die Schranken der Natur zurückzuweisen, stand nicht in seiner
Macht. — Einem Lessing war es Vorbehalten, der Retter des deut¬
schen Dramas zu werden und die grosse Aufgabe der Versöhnung
des künstlerisch Idealen und eigenartig Volkstümlichen glücklich
durchzuführen.
n.
Von der Schilderung der Neuberschen und Gottsched'schen
Kunstbestrebungen kommen wir nun auf die Vorstellungen der be¬
rühmten Gesellschaft in Frankfurt zurück. Trotzdem die Haupt- und
Staatsaktionen mit dem Harlekin hier stets so viele dankbare Zu¬
schauer gefunden hatten, so gelang es doch der Neuberin viel leichter
als in Hamburg, das Publikum für das französisch-klassische Drama
und die neue Spielart zu gewinnen. — Der Besuch ihrer »gereinigten
Schaubühne« war, wie sie sich selbst in einer Eingabe an den Rath
169
ausdrückt, »bei jeder Action so stark , dass es eine wahrhafte Lust
und Freudigkeit zu agiren war«. Und was für Frankfurts Theater¬
geschichte von ganz besonderer Bedeutung ist, ihre Vorstellungen
wurden znm grössten Theil von einem Publikum besucht, das wegen
der rohen Zoten des Harlekin bisher das Theater nur für eine Be-
lustignngsanstalt des Pöbels angesehen hatte. Es geschah seit Vel-
thens Zeit zum ersten Male wieder, dass hochgebildete und selbst
streng kirchlich gesinnte Personen ihr freundliches Interesse dem
Theater zuwandten.
»Was noch nie hierorts beschehen«, schreibt eine der höheren
Gesellschaft angehörige Dame an ihren in Marburg studirenden Sohn,
Ende October 1736 »Alles strömet in das Theater auf dem Lieb¬
frauenberge. Man erblicket nicht nur die fürnehmlichsten sondern
auch Leuthe da, che sonsten nur in der Kirchen sitzen und oft schon
ein gar los Maul über derartige Kurzweil hatten. Das macht aber
auch die Comödianten werfen sich nicht weg, wie ehemalen zu häufig
geschehen, sie führen allesambt einen stillen ehrsamen Wandel und
agiren gar ausnehmend schön und mit Respekt und Sitte. — Vor
zottigten Redensarten braucht man keine Angst mehr zu empfindeD,
der Hans-Wurst, kommt in der ernsthaften Actiou meinst gar nicht
vor, erst zuletzt in dem Beschluss und dann ist er sehr manierlich
und ohne Unfläterey. Es heisst die Comödianten thäten den Britan¬
niens noch einmal agiren, wovon ich L. schon viel schönes schrieb,
bis dato bist Du wills Gott zur Taufen hier und kannst selbst alles
erschauen«.
Diesem Briefe nach zu urtheilen, der ein ebenso ehrenhaftes
Zeugniss für die Führung der Neuber’schen Bande in Frankfurt wie
das Schreiben des Handelshauses Poppe und Kroon an Benjamin
Metzler sei. Söhne für ihr Verhalten und ihre Kunstthätigkeit in
Hamburg ist, muss das Schauspiel »Britanniens« am 9. November
1736 nicht zum erstenmal aufgeführt worden sein. Der Umstand,
dass auf einem stückweise erhaltenen Theaterzettel vor dem eben¬
genannten Drama ein Vorspiel angezeigt ist, in dem die Weisheit,
die Demuth, Apollo und ein Tadler, also nicht dieselben Personen
wie in dem in dem Heftchen angegebenen Vorspiel auftreten, lässt
keinen Zweifel mehr an jener brieflichen Mittheilung aufkommen.
Da dies Stück nun wegen seiner doppelten Aufführung für die thea¬
tralische Wirksamkeit der Neuberin in Frankfurt bedeutungsvoll ge¬
worden ist, soll ein Auszug aus einer Scene und eine kurze Inhalts¬
gabe desselben folgen, welche der Uebersetzer, Herr von Stüven,
zum besseren Verständniss des Publikums selbst für die auf den
Zetteln gedruckten Vorberichte der Wandertruppen verfasste.
»Britanniens, ein Sohn des Kaisers Claudius und der Stiefbruder
des Nero, hatte ein Liebesbündniss mit der Junia aufgerichtet, welches
auch seine Stiefmutter, die Agrippine, für genehm gehalten. Nero,
170
welchen dieses sehr verdross, dass er, als Kaiser, nicht um die Ein¬
willigung in dieses Bündniss gefragt worden, Hess die Junia gefangen
setzen. Als er sie nun, von der Wacht begleitet, daher führen sähe,
wurde er selbst in heftiger Liebe gegen sie entzündet, und also ein
mächtiger und gefährlicher Neben-Buhler des Britanniens; zumal da
Nero keine Hoffnung einiger Gegen-Liebe von der Junia erhielte.
Die herrschsüchtige Agrippine nimmt dieses Verfahren ihres Sohnes für
eine grosse Beleidigung auf, und giebt ihren Zorn durch harte Droh¬
worte zu erkennen. Narcissus hingegen stellet sich gegen den Britanni-
cus, als wann er seine Parthey hielte; giebt aber indessen dem Kaiser
allerhand ^boshafte Anschläge; dass Burrhus mit seinen klugen Vor¬
stellungen bey ihm so wenig, als bey der Agrippine, auszurichten
vermögend war. Britannicus wird auch sogar auf Befehl des Kaisers
gefangen gesetzt. Zwar hatte Burrhus durch vieles beweghehes Bitten
und Zureden den Kaiser schon auf bessere Gedanken gebracht, dass
er das der Agrippine in einer kurz vorhin gepflogenen Unterredung
gegebene Wort, sich mit dem Britannicus auf das neue auszusöhnen,
und die Junia frey zu lassen, zu erfüllen geneigt war; als Narcissus
ihn auf das neue anreizte, den Brudermord auszuführen. Welchem
auch Nero endlich folgte, und den Britannicus mit einem Giftbecher
hinrichtete. Als Junia dieses kaum erfahren hatte, eilete sie zu dem
Tempel der Göttin Vesta, in der jungfräulichen Keuschheit daselbst
ihr Leben zu beschüessen. Narcissus aber, welcher sie mit Gewalt
davon abhalten wollte, wurde von dem Volke, welches die Junia
beschützet, im Gedränge ermordet«.291
Und nun denke man sich Suppig und Steinbrecher, die jeden¬
falls den Nero und Narcissus spielten in der oben geschilderten
Manier und den konventionellen Kostümen den zweiten Auftritt im
zweiten Aufzug, eine der besten Steffen im ganzen Stücke, spielen.
Narcissus kommt auf Neros Befehl und spricht nach einigen auf die
vorige Scene bezüglichen Versen:
»Mein Kaiser! aber wie? was kann denn so ein Schrecken
Und solche Bangigkeit in Aug und Brust erwecken?
Was macht dich so betrübt? Dein ganz entstellter Blick,
Sieht mich in Furcht, und zeugt von einem Ungelück.
Doch, lacht das Glück dir nicht, du hast ihm zu befehlen.
Nero.
Narciss ! ich bin verliebt ; dir kann ich’s nicht verhehlen.
Narcissus.
Mein Kaiser ! Du ?
Nero.
Ja wohl ! Jetzt ist die Stunde da,
Und meine Göttin ist die schöne Junia.
Narcissus.
Die liebst du?
171
Nero.
Diese Nacht, von Neubegier getrieben,
Bin ich, da man sie bracht, am Fenster stehen blieben.
Ich sah ihr schönes Aug, das sie gen Himmel schlug,
Und Noth und Thränenvoll, ihm ihre Quaal vortrug.
Wie schöne war sie nicht; aus Ruh und Schlaf genommen,
War sie ganz ohne Schmuck der Kleidung hergekommen.
Was sag ich, weiss ich selbst, ob etwan diese Tracht,
Die Fackeln, das Geschrey, die Dunkelheit der Nacht,
Der Anblick voller Grimm, der, die sie zu mir brachten,
Die Augen doppelt schön, und doppelt zärtlich, machten?
Das weiss ich, wie ich sie von ungefähr gesehn,
Narciss! da war ’s um mich und um mein Herz geschehn.
Es schien: als wiird’ ich gar Sprach und Gefühl verlieren;
Ich stund erstaunt, und liess sie in ihr Zimmer führen,
Und ich verschloss mich drauf in meinem ganz allein,
Und wollte wieder frey von diesem Vorwurf sevn.
Umsonst, sie war zu fest in diese Brust gedrücket,
Durch ihre Thränen selbst schien ich noch mehr entzücket;
Ich glaubt, ich bäte sie, sie möchte mir verzeihn,
Bald bat und fleht ich nur, bald schien ich ihr zu dräun,
Mich flöhe Ruh und Schlaf ; von ihr ganz eingenommen,
Sah mein verliebtes Aug die Morgenröthe kommen.
Doch kommt sie mir vielleicht nur so vollkommen für,
Ist sie denn würklich schön ? was meinest du von dir ?
Narciss! was glaubest du?
Narciss us.
Mein Herr! du wirst vergönnen;
Dass du sie nie gekannt, wird keiner glauben können.«292
u. s. w.
Mit welchen wellenförmigen Armbewegungen Nero sein Geständ¬
nis begleitet, mit welch lang vibrirendem Pathos er Junias Quaal
und Thränen geschildert haben mag, deutet die Aeusserung des
Verfassers einer Abhandlung »Ueber die deutsche Schaubühne« an, der
es als etwas ungewöhnlich Schönes in der Deklamation bezeichnete,
dass die Acteurs und Actricen der Neuber’schen Bande die besten
Stellen in den römischen Tragödien lang dehnten und durch eine
schwunghafte Bewegung den Vortrag unterstützten. Die neue Kunst¬
richtung der Neuberin siegte also wenigstens bei den Gebildeten
Frankfurts ohne grosse Schwierigkeiten über den verderbten theatra¬
lischen Geschmack, der eine Hauptaktion ohne Harlekin seither für
unmöglich gehalten hatte.
In der Herbstmesse 1736 und in der Ostermesse des folgenden
Jahres machte die Neuberin dem Bedtirfniss des Publikums nach
einer komischen Zugabe noch in sofern Koncessionen , als sie dem
regelmässigen Hauptstück eine lustige Nachkomödie folgen liess. Aber
der in derselben auftretende Harlekin war, wie wir bereits aus dem
mitgetheilten Briefe wissen, nicht mehr der alte unverschämte Patron,
dessen zweideutige Witze und schmutzige Zoten jedes feinere Gefühl
verletzen mussten. Gegen Melpomenens Scepter und Dolch konnte
seine Pritsche auf der Neuber’schen Bühne nicht viel ausrichten, er
war nur eine aus Rücksicht auf die Zuschauer geduldete Figur, die
man sobald als möglich aus der noblen Gesellschaft entfernte.
Bei ihrer ersten Wirksamkeit gefiel die Neubersche Bande
derartig in Frankfurt, dass die Principalin den Rath noch um zwei
Wochen Verlängerung ihrer Spielzeit bat, was ihr auch sofort ge¬
währt, wurde. Der nach dem Geldwerthe jener Zeit ziemlich hohe
Eintrittspreis zu ihrem Theater ist in den abgedruckten Heftchen
angegeben; ihre Abgabe an die Stadt steht zu demselben in ent¬
sprechendem Verhältniss. Die Neuberin zahlte nämlich für die Mess¬
zeit 150 tl. und für zwei Wochen nach derselben 60 tl.
Entweder am 16. oder 17. November begab sich die Principalin
mit ihrer Bande nach Strassburg, in welcher Stadt ihr das auch dort
angesehene Handelshaus Benjamin Metzler Söhne in freundlichster
Weise viele Verbindungen angebahnt hatte.293 Aus einem Briefe
Johann Neuber’s an Gottsched,294 geschrieben in Strassburg den 24.
Dezember 1736, geht hervor, dass seine Truppe an diesem Tage vier
Wochen daselbst gespielt hatte, welches Datum nach Abrechnung
der Reisezeit und der Aufrichtung des dortigen Theaters mit der
obigen Angabe ihres Abzugs von Frankfurt genau übereinstimmen
möchte.
Die Briefe Gottsched’s an das Neuber’sche Ehepaar, sowie alle
sonstigen Zusendungen wurden demselben durch Benjamin Metzler
Söhne in Frankfurt vermittelt. Auch in dem oben erwähnten Schreiben
an Gottsched fügt Neuber hinzu, dass derselbe die für ihn und seine
Frau bestimmten Briefe an dieses Handelshaus zur weiteren Ueber-
mittlung senden möge.
Im April 1737 kehrte die Neuberin mit ihrer Truppe wieder
nach Frankfurt zurück. Ob sie sich in der Zwischenzeit nur in
Strassburg aufgehalten, oder ob sie, wie eine traditionelle Mittheilung
behauptet, auch einige Wochen in Metz gespielt hat, kann hier um
so weniger entschieden werden, als selbst der verdienstvolle Biograph
der Neuberin, Freiherr Joh. Fried, v. Reden-Esbeck dieses Aufent¬
haltes mit keinem Worte gedenkt.
In der Ostermesse 1737 spielte die Neuber’sche Gesellschaft
nicht, wie vermuthet worden, zwei sondern ungeführ vier Wochen,
beinah bis Ende Mai in Frankfurt. Die Rechenbücher der Stadt, in
die wieder ihre 150 fl. Standgeld eingetragen sind, liefern im Verein
mit den Rathsprotokollen einen untrüglichen Beweis dafür.295
Das Repertoire der Truppe war inzwischen noch um zwei neue
173
Stücke bereichert worden : »Mitliridates«, übersetzt vom Professor
Witter und »Polyeuct« übersetzt von Frau Dr. Link, welche beide
in Strassburg lebten. Jedenfalls sind diese Werke in der Ostermesse
1737 auch in Frankfurt aufgeführt worden; denn die Erwerbung
eines neuen regelrechten Stückes war für die Neuberin von zu
grosser Bedeutung, als dass sie nicht bemüht gewesen sein sollte,
auch das hiesige Publikum bald mit denselben bekannt zu machen.
Die Principalin und ihr Gatte befanden sich nämlich in Bezug
auf dramatische Dichtungen gerade in der umgekehrten Lage, wie
die heutigen Bühnenleiter, die sich vor dem productiven Geiste un¬
serer Zeit kaum zu retten vermögen. Heutzutage pflegt man in den
Intendanzen der Theater nicht ohne Grund mit einem gewissen
Grauen die Packetpost zu erwarten, welche die massenhaften Kinder
der Muse aus allen Himmelsgegenden auf die heissersehnte Wahl¬
statt bringen muss. Damals hingegen öffnete man »jeden beschwereten
dicklichen Brief mit fürnemblichem Plaisir« und gab sich gerne zu¬
frieden, wenn das Stück aufzugs- oder gar auftrittsweise von dem
Verfasser oder Uebersetzer nach und nach eingeschickt wurde. —
Auch in dem mehrfach erwähnten Briefe an Gottsched findet sich
wieder die bezeichnende Bitte: »Ist etwann in Leipzig eine übersetzte
Tragödie zu haben, so bitte sehr darum«. — Ehe die Neuberin in
der Ostermesse 1737 Frankfurt verliess, um wieder nach Sachsen
zurückzukehren, wurde ihr auf Ansuchen schon im Voraus die Wie¬
dereröffnung ihrer Schaubühne zur Herbstmesse gestattet.296 Aber
sie machte von dieser Erlaubniss keinen Gebrauch; denn sie spielte
zu jener Zeit in Leipzig und verbannte dort im Oktober in einer
feierlich theatralischen Demonstration, die Lessing »die grösste Har-
lekinade« genannt hat, den buntscheckigen Schalk für immer von
ihrer Bühne.
Als sie in der Herbstmesse 1737 ausgeblieben war, suchte sich
ein anderer Wanderpiincipal Gerwaldi von Wallerotty, auch: Belle-
rotti, Bellerotty und Waldrodi genannt, Frankfurt zu einem dauernden
Anhaltspunkt zu erwählen. Wallerotty, der damals Principal der König!.
Preussischen Hofkomödianten war, berief sich auf ein Zeugniss Sr.
Majestät des Königs von Preussen und berichtete, dass er mit seiner
»Suite zu Linz sowohl sinnreiche, als auch moralische und wohl com-
ponirte Extra-Comödien und Aktionen mit vortrefflichen musikalischen
Sängerinnen und Tänzerinnen« aufgefühlt habe. Trotz dieser ver¬
lockenden Anpreisung seiner Künste und der weiteren Versicherung,
dass die Neuber’sche Bande, welche in der vorigen Herbstmesse die
ihr im Voraus gewährte Erlaubniss unberücksichtigt gelassen, auch
in der Ostermesse nicht hierherkommen könne, wurden seine Gesuche
vom Rathe zweimal abgewiesen.297
Statt dessen nahm der Rath merkwürdigerweise den Anti¬
poden der Neuberin, den als »starken Mann« bekannten Carl von
174
Eckenberg in der Ostermesse 1738 an, der wieder seine »Exercitia
und Uebriges« in einer Bade auf dem Liebfrauenberge präsentiren
wollte.298 Auf demselben Boden also, auf welchem die Neuberin eine
neue Kunstära für Frankfurt eingeleitet hatte, wurden jetzt wieder
unter dem grössten Beifall des gewöhnlicheren Publikums »Prozedu¬
ren tractiret«, die am allerletzten den Titel Komödien verdient hatten.
Auch in der Herbstmesse 1738 gab der »starke Mann« auf
dem vorigen Schauplatz wieder seine mannichfaltigen Künste zum
Besten. Er wusste sich bei Zeiten die Zulassung zu verschaffen,
indem er am 10. Juni in einem Mitleid erregenden Schreiben den
Rath von dem schweren Schicksal unterrichtete, welches ihn gleich
nach Schluss der vorigen Messe betroffen habe. Nachdem er den
Rathsherren für die letzte gütige Erlaubniss gedankt, fährt Ecken¬
berg fort : »Gleich wie ich nun eben selbiger Zeit die betrübnissvolle
Nachricht erhalten, wie zu Faischendorf, eine Stunde von Wien,
meine ganze Meyerei mit Hauss, Scheuer, Stallung, Früchten und
allem dergestallt abgebrannt, dass mir nur ein einziges auf der Weydte
gewesenes Pferd übrig geblieben, solcherlialben auch der dermahlen
liier gewesene Kayserliche Gesandte, Herr Graf von Colloredo, Ex-
cellenz, mich als einen ohnehin Kavserlichen unterthan auf’s kräftigste
für die Herbstmesse recomandiret.« Dann berief sich Eckenberg auf
seine und seiner Bande tadellose Führung (die hauptsächlich in der
pünktlichen Entrichtung des Standgeldes sich äusserte), theilte mit,
dass er jetzt in Mainz sei, Cöln und Mannheim bis zur Herbstmesse
besuchen wolle und auf Verlangen noch eine zweite Rekommanda-
tion von Colloredo einbringen könne. »Auch der Serieuseste«, schliesst.
Eckenberg kühn, »kann über meine sinnreichen, mit erlaubten Scherz-
Reden (?) untermischte künstliche und sehenswürdige Repräsentation
nichts sagen.«299
Auf dieses Schreiben und eine nochmalige Fürsprache des
Grafen Colloredo erhielt denn der »starke Mann« auch sofort einen
zusagenden Bescheid.300
Am 2. October 1738 gab der vielseitige Künstler zu Ehren
des Rathes die Haupt- und Staatsaktion Aemilius Paulus Papinianus,
vor welcher er an alle Mitglieder des Senates ebensolche Quartheft¬
chen wie ehedem die Neuberin sandte. Neben der ausführlichen
Angabe des Stückes enthielten dieselben auch den Text eines drama¬
tisch-musikalischen Prologes. Eines jener Exemplare liegt uns vor,
und fügen wir diesem Buche unter Beilage IV hauptsächlich darum
einen Abdruck desselben an, weil dadurch der Unterschied zwischen
den Vorstellungen Eckenberg’s und denen der Neuberin desto schärfer
gekennzeichnet wird.
Als im folgenden Jahre die Neuberin wieder nicht nach Frank¬
furt kam und auch Ecken berg ausblieb, wusste sich Wallerotty nach
mehreren vergeblichen Versuchen durch eine Empfehlung des theater-
175
liebenden Gesandten Grafen von Colloredo endlich die Zulassung' zu
verschaffen.301 Er spielte in einer Hütte auf dem Rossmarkt, hatte
aber — nach seiner Ansicht, weil dieselbe sehr abgelegen war, —
nicht den gewünschten Erfolg. Gegen das Ende der Messe muss er
mehr Zuspruch bekommen haben, denn er petitionirte am 24. Sep¬
tember um vierzehntägige Verlängerung der Spiel erlaubniss und gab
dabei ausdrücklich zu bedenken, dass eine Versagung dieser Bitte
seinen Ruin herbeiführen würde. Wallerotty zahlte nur 57 fl.
Standgeld für die Messzeit und ein solches von 20 fl. für die ge¬
währte Verlängerung, aus welchen Ziffern sich besser als aus man¬
chen andern Thatsachen schliessen lässt, dass er mit der Neuberin,
die mehr als das Doppelte für die gleiche Zeit hatte entrichten müs¬
sen, nicht auf eine Stufe gestellt wurde.
Wallerotty, dessen mit Gesang und Ballet ausgestattete Haupt-
und Staatsaktionen in der Folge den Eindruck fast gänzlich wieder
verwischen sollten, den die gereinigte Schaubühne der Neuberin bei
einem grossen Theil des Publikums zurückgelassen hatte: Wallerotty
konnte auch in keiner Weise mit der aufopferungsfähigen Reforma¬
torin der deutschen Schauspielkunst einen Vergleich aushalten. Er
huldigte des Verdienens halber dem Geschmack des niedrigsten
Pöbels, führte die tolle Stegreif burleske wieder ein und liess den
Harlekin und seine meist sehr schamlose Genossin Colombine oder
Harlekin a mit der alten Dreistigkeit auftreten.
Die von diesem Aufenthalte Wallerotty ’s erhaltenen Theater¬
zettel sind solche zerfetzten Fragmente, dass sich der Titel der Stücke
nicht ganz sicher bestimmen lässt. Da nun Wallerotty diesen Kunst¬
standpunkt nicht änderte und von seinem Aufenthalt in den Jahren
1741 und 1742 ein fast vollständiges Repertoire erhalten ist, so mag
hier eine Wiedergabe jener Fragmente unterbleiben und statt dessen
der gelindeste Vers aus einer Arie in der etwas modernisirten alten
Hans-Wurst-Komödie »Die durchleichtige Schäferin« folgen, die der
Wallerotty’sche Harlekin jedenfalls nur mit etwas mehr Geschmeidig¬
keit als die noch nicht in der italienischen Schule gewesenen früheren
Lustigmacher vorgetragen haben mag.
Harlekin zur Colombine.
Sag’, alte Runkunkel, was fallt dir doch ein,
Als sollte mein Herze verliebt in dich sein ?
Zwei Augen, als wie ein Stroh-Wäschel so schön,
Eine tröpfelnde Nasen, Mist-krampene Zähn,
Pfui Deixel, die machen a Grausen bey mir.
Pasquelle, Pasquelle!
Du alte Schabelle,
Geh pack dich von hier!302
Derartige unästhetische und anstössige Einlagen im Verein mit
den wieder emporkommenden regellosen Haupt- und Staatsaktionen
176
und wilden Stegreifkomödien waren die Schatten, welche das edlere
Kunststreben der Neuberin in Frankfurt wieder verdunkelten und in
der Folge hier, gleich finstern Wolken, den hellen Schein des herein-
gebrochenen Morgens wieder mit trüben Schleiern umhüllten. Es
folgte nach kurzer Unterbrechung ein neuer Abschnitt in der Frank¬
furter Theatergeschichte, worin, um mit Schiller zu reden, die Phan¬
tasie ihr wildes Reich entfaltete und in dem heiligen Bezirk der
Scene das Niedrigste mit dem Höchsten vermengte. Dabei blieb
der Kern der damaligen Aufführungen zwar gut deutsch, aber wie
gross war im Vergleich zu dieser nationalen Treue die That der
Neuberin, die im Hinblick auf ein hohes Ziel: »die Reinigung der
oft entweihten Scene« — den Franken sich als einen Führer zum
Bessern auserkor.
Frankfurter Bühnenleben während der Krönung
Karl’s VII. 1742 und Franz I. 1745.
i.
»Die Schauspielkunst hat eine vielgestaltige Proteusnatur, Licht
und Schatten liegen in ihr dicht neben einander.« Dieser Ausspruch,
welchen man dem geistreichen und witzigen Vorkämpfer für religiöse
Gedankenfreiheit, Charles de Saint-Denis, Seigneur de Saint-Evremont,
zuschreibt, findet in der Entwicklungsgeschichte des Frankfurter
Theaters vielfache Bestätigung.
Besonders ist dies in den dreissiger und vierziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts der Fall, in welchen einestheils durch die
Neuberin, anderntheils durch Wallerotty Kunstrichtungen Vertretung
fanden, welche wie zwei feindselige Elemente von einander ver¬
schieden waren.
Das Jahr 1742 erscheint beim Ueberblicken jenes Zeitraums
wie eine kurze Erholungspause für die nun kommenden mannig¬
fachen theatralischen Genüsse, welche während der Wahl und Krönung
Karl’s VIT. nicht allein auf den bretternen Schaubühnen Frankfurts,
sondern auch — um mit von Loen zu reden — auf dem ebenso beweg¬
lichen Theatro muudi dargeboten werden sollten.
Kaum war Kaiser Karl VI. zur Ruhe bestattet, kaum der Ter¬
min der Wahl und Krönung seines Nachfolgers festgesetzt, als sich
auch Wallerotty schon Mitte Januar 1741 die Zulassung für die Zeit
der Feierlichkeiten durch wichtige Fürsprache zu verschaffen wusste.303
Aber er sollte nicht allein Berücksichtigung finden. Ende Januar
meldete sich auch der berühmte französische Wanderprincipal Jean
Baptiste Gherardi, der seither in der Schweiz, im Eisass und in
Lothringen herumgereist war und die besten Zeugnisse vom Mar¬
schall von Broglio in Strassburg und dem einflussreichen königlichen
Rath Hanns in Nancy verlegen konnte.304 Das Bittgesuch Gherardi’s
enthält einen Satz, dessen Inhalt für die Geschmacksrichtung der
damaligen vornehmen Welt : französische Sprache, Sitte und Kunst
deutscher Art und deutschem Streben in jeder Weise vorzuziehen,
äusserst bezeichnend ist.
12
178
»Und dann ich zwar äusserlich vernommen«, schreibt Gherardi,
»dass ein Trupp teutscher Komödianten die Erlaubnis zum Spielen
wirklich erhalten, einestheils jedoch manche Personen lieber franzö¬
sisch als teutsche Comödien sehen und hören, anderntheils nicht
wenige, sonderlich von denen so mit der ansehnlich Königlich fran¬
zösischen und anderen fremden Gesandschaften anhero kommen, die
teutsche Sprache gar nicht verstehen.«
Diese Gründe und die beigelegten Zeugnisse verschafften der
fünfzig Mitglieder zählenden Compagnie des Gherardi sofort Eingang.
War dem Wallerotty der Platz auf der grossen Bockenheimer Gasse
vor der heutigen Gastwirthschaft zum Taunus, die sogenannte Säu-
Allee, angewiesen worden, so erhielt Gherardi die Erlaubniss, seine
Hütte im »Langen Gang« an der Judenmauer, wo bei der Krönung
Karl’s VI. die Velthin gespielt hatte, aufzurichten. Kaum aber wurde
mit der Erbauung der Hütte auf dem Grund und Boden des Gast-
wirths Engel zum »Römischen König«, heute »Goldene Luft«, be¬
gonnen, als, wie einst bei der Wittwe des berühmten Magisters, mit
der etwaige Eeuersgefahr befürchtenden Nachbarschaft die grössten
Streitigkeiten entstanden.
Besonders waren es die Juden, welche in der Erinnerung an
die schreckliche Eeuersbruust im Jahre 1721 alles aufboten, um die
Errichtung der französischen Komödienhütte im Langen Gang zu
verhindern. Ja, es blieb bei den Supplikationen an den Rath, bei
den gegenseitigen Reibereien und Drohungen nicht allein, es kam
auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, bei denen die Juden
im Kampfe mit den Bauarbeitern den Kürzeren zogen.
Nach diesen Thätlichkeiten verbot dann der Rath am 2. Mai
1741 den Weiterbau der Hütte und ertheilte zugleich dem Bauamt
den Bescheid, den französischen Komödianten einen anderen Platz
anzuweisen. Diese müssen aber nach den langen amtlichen Ver¬
handlungen endlich versucht haben, die gesammte Judenschaft auf
gütlichem Wege für sich zu gewinnen. Am 16. Mai 1741 kamen
nämlich die Principale der Compagnie Gherardi und Seriny um
Aufhebung des Bauverbotes ein und theilten zugleich mit, dass
nunmehr die Vertreter der gesammte n Judenschaft, der Handelsmann
Beer Löb und der Handelsmann Isaac Goldschmid, sich unter folgen¬
den Bedingungen mit der Fortführung des Baues einverstanden er¬
klärt hätten :
»1) Dass, sobald die Komödie anginge, zwei Soldaten beständig
um selbige herum patrouillirten, dass von aussen nichts geschehen
könnte, und sodann die ganze Nacht hindurch damit fleissig con-
tinuirten, zwei andere hingegen inwendig die Nacht durch in selbi¬
ger blieben und wacheten.
2) Wenn des dasigen Quartiers Erbieten gemäss, eine oder
zwo tägliche Spritzen in den Hof gestehet würden, und endlich wenn
179
3) die conditio mit einverleibt würde, dass solches ihrer errichte¬
ten Convention mit denen Possessoribus des Langen Gangs (worunter
Gastwirth Engel) nicht prajudicrrlich seye, auch nachhero die Hütte,
wenn man sie nicht mehr brauche, gleich wieder weggenomuien wer¬
den sollte.«305
Unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Erfüllung obiger Be¬
dingungen wurde dann das Verbot aufgehoben, welcher Umstand
den Wirtk Engel seines voraussichtlichen Gewinnes wegen derartig
beglückte, dass er ein »höchst freudevolles Dankschreiben« an den
Rath richtete.306
Nach so viel Misshelligkeiten und der Ueberwindung verschie¬
dener Hindernisse konnten dann endlich < lie französischen Komö¬
dianten bei Vollendung der grossen Hütte am 13. Juni den Rath um
die Erlaubniss angehen, ihre Schaubühne am Samstag den 17. Juni
eröffnen zu dürfen.
Es wurde ihnen auf diese Bitte sofort ein zusagender Bescheid,
aber mit der Einschränkung zu Tlieil, dass sie sich nicht unterstehen
sollten, an einem Sonn- oder Feiertage zu agiren. Dieses Verbot
wurde jedoch alsbald wieder aufgehoben. An dem festgesetzten Da¬
tum fand denn auch unter Betheiligung vieler hoher Herrschaften
und eines sonstigen zahlreichen Publikums die Eröffnung der fran¬
zösischen Schaubühne mit Corneille’s Trauerspiel »Le c.omte d’Essex«
und einem nachfolgenden Lustspiel, genannt »Le Galant Coureur«, mit
dem Schlage 5 Uhr Nachmittags statt.
War bei fast allen seither in Frankfurt aufgetretenen Wander¬
truppen über den grossen Mangel an erhaltenen Theaterzetteln zu
klagen, so sind wir diesmal in der erfreulichen Lage, ein fast voll¬
ständiges Repertoire der französischen und deutschen Komödianten
vom 24. April resp. 16. Juni 1741 bis zum 18. bezw. 25. Mai des
folgenden Jahres in Beilage V und VI geben zu können. Ein Frank¬
furter Bühnenliebhaber aus den höheren Ständen, der sowohl die
Vorstellungen Wallerotty’s als auch die der französischen Principale
Gherardi und Seriny eifrig besuchte, hob mit Ausnahme von wenigen
sämmtliche Zettel und noch manche andere in Bezug auf das
Theaterleben während der Wahl- und Krönungszeit Karl’s VII.
wichtige Ankündigungen auf.
Der Gebrauch, welcher sowohl bei den deutschen wie französi¬
schen Komödianten üblich war, auf jeden Theaterzettel die Ein¬
leitung setzen zu lassen : »Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-
Edlen und Hoch-Weisen Magistrats werden ihre Schaubühne heute
eröffnen etc.«, hat vielfach zu den verschiedensten Irrthümern über
den eigentlichen Anfang der während der Wahl und Krönung
Karl’s VII. hier abgehaltenen französischen und deutschen Komödien
Veranlassung gegeben. Es ist aber nicht allein aus den Akten,
sondern auch aus dem ersten in Beilage V vollständig abgedruckten
12*
180
Theaterzettel zweifellos zu ersehen, dass der 17. Juni der wirkliche
Anfangstermin der französischen Komödie gewesen ist.
Die gedruckten Programme der deutschen Komödianten, die
gar keine Rücksicht auf den Tag der Vorstellung nehmen und nur
stets von »heute« sprechen, versah der Sammler mit den betreffenden
Daten und, wie die französischen, hie und da mit kurzen Rand¬
bemerkungen. — Diese Sammlung ist besonders in Hinsicht auf
Wallerotty’s Vorstellungen um so werthvoller und interessanter, als
sich wohl schwerlich noch einmal ein so zahlreiches Repertoire der
abenteuerlichen Gattung Haupt- und Staatsaktionen finden wird.
Alle die originellen Vorberichte jener Theaterzettel, in denen der In¬
halt der bezüglichen Aktion skizzenhaft erzählt wird, hier wiederzu¬
geben, würde zu weit führen, nur einige sind in Beilage VI buch¬
stabengetreu aufgenommen, während die übrigen kürzere Erwähnung
gefunden haben.
Ehe Wallerotty’s Leistungen ausführlicher erörtert werden,
möge erst eine Schilderung des Kunststandpunktes und der sonsti¬
gen Verhältnisse der französischen Truppe vorhergehen. Wie ver¬
schiedene Zeitgenossen mittheilen, war das Theater derselben ja doch
das einzige, in welchem man während der Wahl- und Krönungszeit
eine regelrechte Komödie und Tragödie gemessen und sich an den
zierlichen Spässen des Harlekin ergötzen konnte.
Ein Blick auf das Repertoire dieser Gesellschaft zeigt, dass
dieselbe bei jeder Vorstellung als Hauptstück irgend ein Werk eines
bedeutenden französischen Dichters gab, dem stets ein mit Ballet-
und Gesang untermischtes lustiges Nachspiel oder eine Parodie der
vorangegangenen Tragödie oder Komödie folgte. Es fanden sich aus
dem Gebiete des Trauerspiels die besten Werke eines Corneille, Ra¬
cine, Voltaire, Crebillon, de la Motte, Chaillot, und aus dem Genre
des Lustspiels die berühmtesten Stücke von Moliere, Regnard, le
Grand, Destouches, Marivaux, du Fresne, le Sage, Mont-Fleury, Dan-
court, Alain, Champitron, Polaprat und de Bourseault vertreten. Zur
Abwechslung gab die französische Truppe hie und da einmal eine
Stegreifkomödie nach italienischem Muster, z. B. »Die Liebe des
Arlequin und seiner Cloe« am 21. November 1741, welche Stücke
wegen der lustigen Einwürfe des Harlekin und wegen des vortrefflich
geschulten Zusammenspiels der Gesellschaft stets den grössten Beifall
ernteten.
Trotz des eigentlich klassischen Repertoires kamen aber auch
zeitweise Stücke zur Aufführung, in denen sich der Harlekin gerade
nicht zur Freude der Kenner in die dargestellte Aktion einmischte.
Der geistreiche Johann Michael von Loen kritisirt in seinen »Kleinen
Schriften« die französische Schaubühne des Gherardi und drückt
dabei gleichzeitig sein Missfallen über die Zudringlichkeit des bur¬
lesken Elements in einer ernsten Handlung aus. Der Umstand, dass
181
Loen’s Mittheilung die einzige erhaltene Kritik eines gebildeten, fein¬
fühligen Zeitgenossen über das französische Theater während der
Wahl und Krönung Karl’s YII. ist, lässt sie doppelt werthvoll,
doppelt einer Wiedergabe würdig erscheinen.
»Unter verschiedenen elenden und abgeschmackten Schau¬
spielen« — schreibt er — »siebet man auch hier eine französische
Komödie: sie ist ziemlich gut. Cherardi [Glierardi], das Haupt
dieser Bande, erwirbt sich bei Kennern vielen Beyfall. Er verstehet
die Regeln der Schauspielkunst und weiss Alles wold anzugeben.
Her vornehmste unter den Spielenden ist einer Hamens le Cocq. Er
hat ein sehr gutes Ansehen und ist zu dem Trauerspiel gebohren.
In dem Lustspiel hat er lange nicht dieselbe Stärke. Yerwichenen
Sonnabend stellte er den Simson vor. [Gerade der Zettel dieser Vor¬
stellung ist leider nicht erhalten.] Jedermann bewunderte dessen
Geschicklichkeit. Er machte dadurch, dass man kaum beobachtete,
wie dieses Stück ebenso viel Fehler Avider die Regeln der Schauspiel¬
kunst, als Schönheiten hatte. Die Einheit des Orts, die Verwick¬
lung, die Zeit der Begebenheit, die Wahrscheinlichkeit, besonders
aber die Ehrerbietung, welche man den Geschichten der heiligen
Bücher schuldig ist; alles dieses ist fast gar nicht darinnen wahr¬
genommen worden. Es ist eine Tragikomödie, wie man solche
nennet; das ist lustig und traurig untereinander Avie der Peter
Squenz [von Gryphius]. Der Harlekin erscheint dabey sehr zur
Unzeit, um die Heldenthaten des Simson lächerlich zu machen, der
unterdessen die heissesten Gebeter zu dem Gotte des Volkes Israel
auf der Schaubühne ausschüttet. Dieses scheint mir allerdings so
ungeziemend als ärgerlich zu seyn.«307
Dies auch am 23. September 1741 und am 17. Februar 1742
aufgeführte Stück war also eine ächte Haupt- und Staatsaktion in
französischer Sprache, die, wie ihre wiederholte Darstellung zeigt,
doch unter dem die französischen Vorstellungen besuchenden vor¬
nehmen fremden und einheimischen Publikum noch viele Zuschauer
gefunden hatte.
Eigentliche Opern führte die französische Gesellschaft nicht auf,
obgleich sie hie und da diese Bezeichnung in ihrem Repertoire an-
Avendet. Es waren meistens lustige Singspiele, in denen ein grosser
Theil des Dialogs gesprochen und die Hauptwirkung durch einige
von der ersten Sängerin vorgetragene Arien erzielt wurde. Diese
Stücke waren auch stets durch Ballet und pantomimische Einlagen,
sowie durch das Auftreten der Darsteller und Darstellerinnen in
lustigen Charaktermasken mit einem ganz eigenartigen Reiz aus¬
gestattet.
Alle Mitglieder der Gherardi-Seriny’schen Truppe waren nach
Mittheilungen der beiden Principale an den Rath Frankfurts ebenso-
Avohl im Agiren als im Tanzen und Singen geübt.308 Wenn auch die
angegebene grosse Fertigkeit in der letztgenannten Kunst etwas über¬
trieben ist, so steht doch fest, dass die erste Behauptung auf zweifelloser
Wahrheit beruhte. Die ersten Solotänzer und Tänzerinnen der Truppe
Monsieur Gherardi tils, Monsieur Bevuremont, Mademoiselle de l’Isle
und Mademoiselle Lyonais wurden auch in der Komödie und in dem
burlesken Schlussstück verwendet, welche Anordnung sehr viel zu
einem graziösen gefälligen Zusammenspiel beigetragen haben soll.
Monsieur Gherardi fils leistete im komischen Genre besonders
Vorzügliches als Harlekin (Arlequin) Scaramuz und Pierrot. Die je
nach Belieben des betreffenden Darstellers oft veränderte bunt¬
scheckige Maske des ersteren ist hinreichend bekannt, bei den beiden
anderen dürfte eine knappe Schilderung wohl nicht ganz überflüssig
erscheinen.
Scaramuz, diese von dem berühmten italienischen Schauspieler
Benozzi geschaffene komische Figur, besass einen ebenso pedantischen
als zurückstossenden und rechthaberischen Charakter. Er war ge¬
wöhnlich der verschmähte gefoppte Liebhaber, der seine Angebetete
mit allerlei Redensarten und Citaten langweilte und welchen Har¬
lekin und Scapin zum Besten hielten. Das Kostüm desselben bestand
in einem schwarzen Wamms, das ein enganliegender Ledergürtel
umschloss, und in einem langen Mantel mit Aermeln, der nebst einem
ungeheuren, mit seinem Hintertheil fast den ganzen Rücken bedecken¬
den Hut beim Tanzen zu mannigfaltiger komischer Draperie in den
verschiedenen Stellungen verwandt wurde.
Der Charakter des Pierrot, eine 1684 von Giuseppe Giaraton,
einem Schauspieler des italienischen Theaters in Paris, erfundne
Maske, ist insofern dem schon in einem früheren Abschnitt geschil¬
derten Pulcinella ähnlich, als seine Grundzüge ebenfalls Leichtgläu¬
bigkeit, Dummheit und Schwerfälligkeit sind. Das Kostüm dieser in
Frankreich sehr beliebten Figur war ganz weiss, sehr weit, mit kolos¬
salen Knöpfen besetzt und hinderte scheinbar die freie Bewegung des
Körpers. Unter einem ungeheuren Hut trug er ein den Kopf engum-
schliessendes Käppchen. Sein Gesicht war stark weiss geschminkt, seine
Backen und der Mund brennend rotli bemalt. Ausser diesen meist
in den lustigen Nachkomödien und pantomimischen Tänzen vorkom¬
menden Charaktermasken, stellte Gherardi fils auch hier wie in Strass¬
burg und in der Schweiz die Scapins, Mascarilles und Sganarelles in
den Moliereschcn Komödien mit gleicher Trefflichkeit dar.
Monsieur Bevuremont, der zweite Solotänzer, gab hauptsächlich
eine Art Harlekin, welcher sich wie z. B. in der Tragi-Komödie
»Simson« durch Stegreifwitze in die ernste Aktion zur Unzeit ein¬
mischte. Sich über Alles lustig machen, Nasen drehen, Schläge mit
der Pritsche austheilen und mit der grössten Gewandheit jeder Er¬
widerung ausweichen, war neben den witzigen Einwürfen der Schwer¬
punkt von Bevureinonts Leistungen.
183
Mademoiselle de l’Isle besass ein ganz besonderes Talent, in
pantomimischen Tänzen die den ebengescliilderten Männerrollen ent¬
sprechenden komischen Frauenmasken wirkungsvoll darzustellen. Sie
war ebenso trefflich als Arlequinetta, Scaramuzia und Colombine,
wie als Darstellerin von solchen jugendlichen Hosenrollen, zu denen
eine grosse körperliche Gewandtheit erforderlich war.
Demoiselle Lyonais, ihre nächste Kollegin auf dem Gebiete
Terpsichorens, spielte in der Komödie die neckischen , schalkhaften
Kammerjungfern und naiven Landmädchen mit vielem Glück, haupt¬
sächlich aber verhalf ihr, wie Loen mittheilt, ihre schöne Persönlich¬
keit zu diesem Siege.
Ausser diesen beiden ersten Künstlerinnen tanzten zuweilen
auch noch eine Mademoiselle Bandeau und Mad. le Cocq; deren
hauptsächlichste Thätigkeit jedoch in gesanglichen und schauspiele¬
rischen Leistungen bestand. Durch eine Theatermisere, welche den
ziemlich tragischen Abschluss der französischen Vorstellungen in Frank¬
furt bildete, erfahren wir auch noch den Kamen der jugendlichen
Tragödin der Truppe: Genevieve Baudaie, welche die Alzire, die Zaire
und sonstige grosse Rollen schon an bedeutenden Pariser Theatern
gespielt hatte. Sie scheint in Liebesbeziehungen zu dem jüngeren
Gherardi gestanden und Theil an dem Unternehmen der Priucipale
gehabt zu haben ; denn ihre Kostüme und Pretiosen wurden bei der
späteren, trotz aller guten Einnahmen eingetretenen Verschuldung
auch mit Beschlag belegt-.309
In älteren Frauenrollen traten die Gattinnen der beiden Prin-
cipale, eine Madame Gaussin und die Mutter der Mademoiselle Bau¬
daie auf, deren Fächer sich jedoch nicht näher bestimmen lassen.
Ausser der Frau des von Loen so sehr anerkannten Heldendarstellers
le Cocq müssen noch mehrere durch verwandtschaftliche Beziehungen
zusammengehörige Acteurs und Actricen bei der Truppe gewesen
sein, deren Namen und Rollenfächer sich aber wegen des Theater¬
gebrauchs jener Zeit, nur das ganz besonders Hervorragende auf den
gedruckten Ankündigungen anzugeben , nicht nachweisen lassen.
Ueberhaupt macht die Truppe, deren Mitglieder, wie gesagt, vielfach
durch Familienbande miteinander verknüpft waren, den Eindruck, als
habe sie ein recht patriarchalisches Leben geführt. Die meisten Mit¬
glieder wohnten im Langen Gang, wurden in ihrer moralischen Füh¬
rung überwacht und auf Rechnung der Principale verköstigt.
Gherardi pere, der in seiner Jugend Mitglied einer Pariser
Bühne gewesen war, legte gegenüber dem Rathe Frankfurts ein grosses
Gewicht darauf, dass sowohl das artistische als das moralische Regi¬
ment über seine Suite nach den strengen Regeln der Pariser Bühne
geführt werde.
Gherardi hatte auch ein vollkommenes Verständniss für seine
Kunst, er gab sich in Frankfurt, wo sein Theater, um seinen eignen
184
Ausdruck zu gebrauchen, der Sammelpunkt der galanten Welt war,
ganz der künstlerischen Leitung desselben hin, weshalb er nur wenig
auftreten konnte. Geschah es aber einmal, dann spielte er stets ernste
oder heitere Charakterrollen in einer Weise, dass ihm keiner seiner
Schauspieler darin gleich kam.
Der erst in zweiter Linie kommende Principal Seriny war
hauptsächlich in der Tragödie beschäftigt, während ein älteres Mit¬
glied, George Nevard, ein ausgezeichneter Darsteller für Pantalons-
Rollen, also für polternde, ehrliche und betrogene Alten, war.
Was die moralische Führung dieser Gesellschaft anbelangt, so
scheint Gherardi in seinem Bericht an den Rath doch wohl eine
etwas zu kühne Behauptung aufgestellt zu haben. Die Truppe war
ein ächt französisches leichtlebiges Wandervölkchen, das unter sich
fest zusammenhielt, aber auf deutsche Tugendbegriffe wenig Rück¬
sicht nahm.
In den letzten Monaten des Jahres 1741 und in den beiden
ersten des folgenden wurden oft auf Befehl des Kurfürsten von Cöln,
der verschiedenen Gesandten und des Fürsten von Thurn und Taxis
Redouten und Maskenbälle in der französischen Komödienhütte ab¬
gehalten, bei denen es mitunter gerade nicht dem Ansehen der hohen
Würdenträger entsprechend hergegangen sein mag. Besonders die
Maskenbälle, zu denen sich dann und wann auch die Damen der
hochgräflichen Excellenzen vermummt hin begaben, scheinen ein Frei¬
platz der tollsten Ausgelassenheiten und galantesten Abenteuer, ein
Orbis pictus der damaligen vornehmen Welt gewesen zu sein. Dass
die von den hier weilenden Gesandten und sonstigen hohen Herrn
angebeteten Actricen Gherardis hierbei nicht die letzte Rolle spielten,
geht aus den verschiedensten Mittheilungen von Zeitgenossen hervor.
Trotzdem französischer Anstand, französische Eleganz diesen
Maskenbällen einen äusserlich feinen Anstrich gaben, so scheint es
doch oft hinter den Coulissen zu bedenklichen Ruhestörungen ge¬
kommen zu sein. Wahrscheinlich um solchen Konflikten vorzubeugen,
schickte am 2. Januar 1742 der Fürst von Thurn und Taxis seinen
Hofmeister Weigel mit den besten Empfehlungen zu dem jüngeren
Herrn Bürgermeister, Jacob Mentzel, und liess ihn um 20 Mann
Wache für die französische Komödienhütte ersuchen, in welcher er
heute Abend einen Maskenball geben würde. Er bat ferner um eine
Verstärkung der Konstabler- Wache und liess die wichtige Anzeige
machen, dass seine Kurfürstl. Gnaden von Cöln, die er eigens ein¬
geladen, diesen Ball mit ihrer Gegenwart beehren wollten.310
Der jüngere Bürgermeister theilte dem Rath dies Begehren mit,
worauf derselbe aus Rücksicht für die hohen Herrn zwar diesmal
keine abschlägige Antwort ertheilte, aber den Zusatz machte, dass
man künftighin die Abhaltung der Redouten in der französischen
Komödienhüttc wegen Feuersgefahr nicht mehr dulden könne. Zur
185
Verhütung von unangenehmen Vorfällen, wie solche oft vorgekommen
waren, wurde auch noch ein Offizier zur Oberaufsicht in den Langen
Gang kommandirt. — Um aber nur einem möglichst feinen Publikum die
Gelegenheit zu einem interessanten Rendez-vous zu geben, wurde bei
den von Gherardi arrangirten Maskenbällen das sehr hohe Eintritts¬
geld von einem Ducaten zu den ersten und von zwei Gulden zu
den zweiten Logen für die Person festgesetzt.
Der eben erwähnte Kurfürst von Cöln, der auch die Abhaltung
der Maskenbälle beim Rath befürwortet hatte, scheint, wenigstens
während der Wahl und Krönungszeit Karls VII., ein sehr kunst¬
sinniger und lebenslustiger Prälat gewesen zu sein. Er beehrte das
französische Theater sehr oft, hauptsächlich im Februar 1742, mit
seiner Gegenwart und liess auch häufig an die bei den verschiedenen
Gesandtschaften angestellten Beamten Freikarten austheilen.
In dieser Freigebigkeit wurde er noch überboten durch den
französischen Marschall von Belle-Isle und den spanischen Gesandten
Grafen von Montijo , welche beide Freikomödien zum allgemeinen
Besten geben Hessen. — - Besonders reichlich belohnte der Letztere
die französischen Komödianten für ihr Spiel; denn er liess sich auch
in diesem Falle von dem Grundsatz leiten, jeder der ihm in Frankfurt
einen Dienst erwiesen, müsse auch ein Andenken daran haben, dass
ein spanischer Gesandter bei der Krönung Karls VII. gegenwärtig
gewesen sei.
Die Herzogin v. Belle-Isle, die nach der Kaiserin während
der Wahl- und Krönungszeit die erste Rolle spielte, wandte, gleich
den meisten vornehmen Damen, der französischen Komödie das grösste
Interesse zu. Sie wohnte nicht allein mehreren Vorstellungen bei,
sondern gestattete auch den Principalen, dass sie ihren angekündigten
Besuch vorher auf den Theaterzetteln anmelden dürften. Bei dieser
Gelegenheit versäumte es denn die elegante Welt, Frankfurts nie, im
grössten Pomp in der französischen Komödienhütte zu erscheinen.
Es gab dann ein Schauspiel im Schauspiel, dessen einzelne Auftritte,
wie ein leider ungenannter Zeitgenosse treffend bemerkt, hinreichen¬
den Stoff zu einer Komödie darboten.311 Die hohen Herrschaften
besuchten in den Zwischenakten einander in den mit rothem Tuch
und Quasten garnirten Logen, die eifrigsten Kunstliebhaber begaben
sich hinter die Coulissen um mit den Actricen zu plaudern und die
von den mit der Kaiserwahl verbundenen ernsten Verrichtungen er¬
müdeten Herrn Gesandten ergötzten und erquickten sich ruhig von
ihren Sitzen aus an der köstlichsten Augenweide.
Der Sitte der Pariser Theater in jener Zeit folgend , gaben die
Principale der französischen Komödie während des Carnevals vom
3. bis 6. Februar 1742 drei Vorstellungen, in welchen das Publikum
auf die ersten Plätze nur in Verkleidungen zugelassen wurde. Un¬
geachtet des hohen bereits erwähnten Eintrittspreises, zahlten dennoch
186
Personen denselben, die dem Ausspruch eines Herrn Kölbele zufolge
viel besser ihre Gläubiger befriedigt hätten.
Diese Schauspiele, die mit einem Anschein von Berechtigung
die schönste Gelegenheit zu pikanten Abenteuern darboten , übten
nicht allein auf die fremden hohen Herrschaften, sondern auch auf
solche vergnügungssüchtige Frankfurter den grössten Reiz aus, die
aus mannigfaltigen Gründen das französische Theater nur unter der
Maske besuchen konnten. So kam es, dass die Vorstellungen wäh¬
rend des Karnevals den Höhepunkt der interessanten und pikanten
Zusammenkünfte bildeten, zu welchen der Besuch der französischen
Komödie der eleganten Welt Frankfurts mit Hülfe der Kunst die
beste Gelegenheit verschaffte.
Da derartige Vergnügungen, in einer Komödienhütte abgehalten,
Ihr die damalige Einwohnerschaft Frankfurts etwas ganz Absonder¬
liches und Unerhörtes waren, so kann man in ihnen leicht die Quelle
der verschiedensten und abenteuerlichsten Erzählungen auffinden, welche
die Tradition an den ungenirten Verkehr in dem französischen
Theater überhaupt, besonders aber an die sogenannten »Masken Vorstel¬
lungen« geknüpft hat. Aber wenn man auch der Phantasie des
Volkes eine vergrössernde Ausarbeitung gewisser Vorfälle zuschreiben
muss, so lässt es sich doch nicht leugnen, dass auch manch Körnlein
Wahrheit in die bunten Erfindungen eingemischt war.
Der Kulturhistoriker, der das bewegte Leben in Frankfurt vor,
während und nach der Wahl und Krönung Karls VII., der sich be¬
kanntlich bis 1744 hier aufhielt, zutreffend schildern will, der darf
vor Allem die Zusammenkünfte in der französischen Komödienhütte
nicht vergessen, die in der Timt bis in die verborgensten Vorgänge
ein Spiegelbild jenes theatralisch - festlichen Ereignisses gewesen
sind. — Der bekannte, schon einmal erwähnte Ausspruch des Palin-
genius passt nicht allein auf die vielen in der französischen Komö¬
dienhütte vorgefallenen Abenteuer, er lässt sich auch auf die bei der
Wahl und Krönung Karls VII. anwesenden hohen Würdenträger
anwenden, die wohl nur im Geheimen Politik trieben und allem An¬
schein nach mehr zu ihrer Belustigung als zu ernsten Verrichtungen
1 1 ierh ergek om m en waren .
Obgleich nun die Principale der französischen Komödianten,
Gherardi und Seriny, glänzende Einnahmen hatten, so bezahlten sie
doch weder ihre auswärtigen Schulden, noch ihre Abgaben an das
hiesige Rechneiamt, In Folge dessen legte der Bevollmächtigte
zweier Gläubiger, des Grafen von Almenstadt in Nancy und des
Banquier Vieutebach in Bern: der hiesige Kaufmann Wuppermann,
Anfangs März Beschlag auf die tägliche Einnahme der Komödianten,
die sich aber ein solches Vorgehen nicht gefallen Hessen und eine
Beschwerdeschrift beim Rathe einreichten. In dieser wiesen sie noch¬
mals auf die den Aufbau ihrer Hütte verlängernden Unannehmlich-
187
keiten hin, erinnerten daran, wie theuer es während der Wahl- und
Krönungszeit hier zu leben gewesen sei, und suchten sogar eine
frühere Mittheilung, dass sie stets sehr gute Geschäfte gemacht hätten,
zu widerlegen. Dann folgte ein kurzer Ueberschlag ihrer hauptsäch¬
lichsten Ausgaben, der hier deshalb Wiedergabe findet, weil er einiger-
massen einen Einblick in die Unkosten der besseren Wanderprin-
cipale jener Zeit gewährt. — Ausserdem, was sie an das Rechneiamt.
zu zahlen hatten, schuldeten sie noch:
an den Banquier Ohlenschlager . 1200 fl.
an den Wirth Engel im Langen Gang . . 200 „
An Herrn Yarrentrapp . 150 „
für Salarium und Kostgeld der Komödianten 2500 „
Kleineren Schulden hatten sie circa . . . 500 „
folglich zusammen 4550 fl.312
Die kluge Versicherung der beiden Principale, dass sie erst die
hiesigen Schulden tilgen wollten und dann sofort die auswärtigen
Gläubiger zu bezahlen versprachen, verschaffte ihnen denn auch am
5. März 1742 ein Rathsdecret, durch welches dem Handelsmann
Wuppermann befohlen wurde, sich des thätlichen und eigen¬
mächtigen Verfahrens sofort zu enthalten. Nun spielten die franzö¬
sischen Komödianten ungehindert bis zum 17. März, an welchem
Tage sie ihre Vorstellungen wegen der immer noch nicht entrichteten
Abgabe an das Rechneiamt auf Rathsbefehl einstellen mussten.
Als sie sich aber auch dann noch nicht beeilten ihre Schuld zu be¬
zahlen, wurde die Hütte sammt allen darin befindlichen Requisiten
und Kostümen amtlich versiegelt. Wenige Tage später, am 22. März
1742, kamen nun die beiden Principale sowohl wegen Milderung der
rückständigen 344 fl. Standgeld als auch wegen Zurückgabe ihrer
versiegelten Effekten ein. Obgleich sie nun dem Rath in geschickter
Weise vorzuspiegeln suchten, dass sie nur durch das Weglaufen eines
treulosen Kassierers in diesen beklagenswerthen Zustand gekommen
seien, so hatten doch die inzwischen über ihr flottes Leben und ihre
gar nicht so schlechten Verhältnisse besser unterrichteten Rathsherren
diesmal keine Nachsicht mit den beiden Direktoren der französischen
Komödie. Es wurde ihnen der Bescheid zu Theil, dass man nur,
wenn sie 100 Thlr. auf Abschlag bezahlen und den Rest mit den
laufenden neu hinzukommenden Abgaben an bestimmten Terminen
entrichten würden, ihrem Gesuch entsprechen und auch die Komö¬
dienhütte wieder öffnen wolle.313
Wie aus dem Bürgermeisterbuche von 1742 hervorgeht, baten
Gherardi und Seriny am 3. April nochmals aus den in ihrer Vor¬
stellung angeführten Gründen um Freigabe der Pfänder, deren Be¬
willigung dem jüngeren Bürgermeister überlassen wurde.
Wegen des Pehlens dieser Eingabe lassen sich die Gründe nicht
angeben, welche den Bürgermeister zu einer schnellen Entschliessung
188
bestimmt haben mögen. Jedenfalls aber war es die Rücksicht auf
eine theaterliebende hohe Persönlichkeit; denn schon am 4. April
wurden den Komödianten ihre Effekten zurückgegeben, die Hütte
wieder geöffnet, und die Fortsetzung der Vorstellungen gestattet. Am
7. April begannen dieselben denn auch wieder, worauf nach einer
abermaligen Spielzeit von fast zwei Monaten, Anfangs Juni 1742,
endlich die Schliessung der französischen Schaubühne erfolgte.
Ha Cfherardi und Seriny in dieser Zeit sehr gute Einnahmen
gehabt hatten, reichte Wuppermann als Bevollmächtiger der auswär¬
tigen 0 laubiger beim Rathe eine Vorstellung gegen die Direktoren der
französischen Komödianten ein, in welcher die früher vorgebrachten
Entschuldigungsgründe derselben falsche Vorspiegelungen und leere
Ausflüchte genannt wurden. Ueberhaupt wirft diese Eingabe, deren
steifen und langathmigen Inhalt wir dem Leser gerne erlassen möchten,
kein günstiges Licht auf die beiden Schuldner, die an verschiedenen
Stellen mit anderen Ausdrücken wortbrüchige Schwindler genannt
werden.314 Es wurde nun der Beschluss gefasst, dass die beiden
Direktoren über ihre Schulden vernommen werden sollten; — wie
die Angelegenheit aber eigentlich beendet wurde, lässt sich nicht
mit Gewissheit feststellen. Gherardi und Seriny scheinen sich mit
ihren auswärtigen Gläubigern und dem hiesigen Rechneiamt abge¬
funden und unter schriftlich festgesetzten Bedingungen die Erlaubniss
für einen ungehinderden Abzug mit allen ihren Sachen erhalten zu
haben. Im Jahre 1743 zahlten sie von Strassburg aus noch einen
Rest von 47 Gld. Mit Einschluss desselben stellt sich ihre Gesammt-
abgabe an die Stadt während eines Aufenthaltes von beinah einem
Jahre auf nur 300 Gulden 47 Kreuzer.
II.
In demselben Verhältniss wie heut zu Tage ein Vaudeville-
Theater zu einer Bühne ersten Ranges, standen damals die Hoch¬
deutschen Komödianten unter Direktion von Wallerotty zu ihren
französischen Kollegen im Langen Gang. Schon der auf den Thea¬
terzetteln angegebene, bedeutend von einander abweichende Eintritts¬
preis weist auf einen grossen Unterschied im künstlerischen Ansehen
der beiden Theater hin. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die
fremden hohen Herrschaften und vornehmen Frankfurter den franzö¬
sischen Musentempel allein mit ihrer Gegenwart beehrt hätten, im
Gegentheil, sie unterhielten sich in der grossen Komödienhütte auf
der Bockenheimer-Gasse, in welcher kein so steifer formeller Ton
herrschte, oft viel zwangloser und ohne lästige Beobachtung. Wie
die Principale der französischen Truppe, so hatte auch Wallerotty
auf den Theater selbst, das heisst in der unmittelbaren Nähe der
Coulissen, den vornehmsten Gönnern sogenannte Prosceniumsplätze
189
einri eilten lassen, welche das übrige Publikum nicht wenig störten.
Diese von Goethe in »Wahrheit und Dichtung« scharf gegeisselte Un¬
sitte soll in einem späteren Abschnitt dieses Buches noch ausführ¬
licher besprochen werden.
Da mit dem Beginne des Jahres 1741 schon ausserordentlich
viele Fremde und hohe Herrschaften in Frankfurt eingetroffen waren,
sah sich der RatlP zur Aufhebung seines Beschlusses genöthigt, nach
welchem die Komödien erst in der eigentlichen Wahlzeit ihren An¬
fang nehmen sollten. Wallerottv, der mit keiner bösen Nachbar¬
schaft zu thun hatte, konnte deshalb seine Schaubühne schon am
17. April unter grossem Andrang des Publikums eröffnen. — Dieser
Beifall blieb auch dem deutschen Theater trotz der gefährlichen
Nebenbuhlerschaft des französischen ungeschwächt bis zu seiner nach
Verlauf eines Jahres erfolgenden Schliessung. Und doch brachte
Wallerottv, wie sein beigegebenes Repertoire bezeugt, das Un¬
geheuerlichste auf die Bühne, was jemals in Frankfurt an Haupt-
und Staatsaktionen und lustigen Stegreifkomödien dargestellt wor¬
den war.
Die Geschichte und Sage der Griechen, Römer und der anderen
alten Völker, die Helden-, Liebes- und Historienbücher der Deut¬
schen, die Moderomane und die bedeutendsten neueren Ereignisse,
die abenteuerlichsten Vorgänge, phantastischsten Zaubergeschichten und
Dichterwerke aller Nationen mussten bei Wallerotty herhalten, um
zu flüchtigen Scenarien ausgebeutet zu werden. Die Anordnung
und der Aufbau dieser Stoffe wurde dann stets derartig eingerichtet,
dass dem in allen möglichen Gestalten auftretenden Harlekin hin¬
reichend Gelegenheit blieb, den ernsteren Inhalt mit lustigen Zwischen¬
scene n unterbrechen zu können.
Es würde einen zu grossen Raum in Anspruch nehmen, sollten
alle die höchst originellen und interessanten Vorberichte Wieder¬
gabe linden, durch welche Wallerotty auf den Theaterzetteln das Publi¬
kum mit einer kurzen Inhaltsangabe der Haupt- und Staatsaktionen
und lustigen Harlekinaden vorzubereiten und anzulocken beabsich¬
tigte. — Hier mag nur gesagt sein, dass sich wohl selten eine so
vollständige und deshalb so werthvolle Sammlung von Theater¬
zetteln dieser absonderlichen Gattung der dramatischen Dichtkunst
erhalten haben mag, wie es die bereits erwähnte in Beilage VI nach
der Zeitfolge der Aufführung mitgetheilte ist.
Der erste dieser Zettel gibt genügenden Aufschluss über die
Zustutzung des Shakespeare’schen Stückes »Der Kaufmann von
Venedig.« Der eigentliche Grundgedanke des Drama’s ist in das
Gebiet der Komik übertragen und die edle Porzia in ein »char¬
mantes und intrigantes Frauenzimmer« verwandelt. Jessica, Shylock’s
Tochter und Lorenzo, ihr Liebhaber, erscheinen in diesem »galanten«
mit vielen Tänzen, Arien und unterschiedlichen Auszierungen mög-
190
liehst ausgeschmückten Stück als italienische Servetta und mehrfach
verkleideter Harlekin. Mit derselben Freiheit wie dieses Dichterwerk
sind auch andere poetische, sagenhafte geschichtliche und politische
Stoffe, um einen recht zutreffenden Ausdruck Gutzkow’s zu ge¬
brauchen, »für haupt- und staaisaktionelle Zwecke zurecht gehauep
worden.«
Mitunter macht einem Wallerotty ’s Verstumm fiungstal ent gerade
denselben Eindruck wie der Vandalismus jenes gothischen Häupt¬
lings, der den geraubten Göttergestalten die Glieder abschlagen liess.
damit sie in den Nischen seines Hauses besser Platz finden konnten.
Denn dass Wallerotty eine grosse Anzahl dieser ungeheuerlichen
Stücke selbst componirt hat, geht aus vielen Theaterzetteln und aus
einer Eingabe an den Rath Frankfurts deutlich hervor, in welcher
er ausdrücklich sagt, dass er selbst viele neue Aktiones zusammen¬
gestellt und hierin noch au einem Akteur seiner Bande eine gute
Unterstützung erhalten habe. Dieser Helfer war Franz Anton Nutli,
der unter andern auch als Einrichter der Haupt- und Staats¬
aktion »Der von seiner eignen Mutter vor den grössten Feind ge-
haltne Sohn oder die gestürzte Regierungs-Sucht« besonders auf dem
bezüglichen Zettel angeführt wird.
Wallerotty bot Alles auf. um durch ein interessantes Reper¬
toire das Publikum in sein Theater zu ziehen und sich »neben den
Franzosen auf einer annehmblichten Höhe zu erhalten«. Er verfasste
sogar ein Lokalstück : »Die lustige Spazierfahrt nach dem Sau-Steg«
(Schweinstiege), welches, nach dem Personal zu urtheilen, ein Vor¬
läufer der Malss’schen Hampelmanniaden gewesen zu sein scheint.
Bei der vielseitigen und, wie Wallerotty zu sagen pflegte, nieder¬
reissenden Thätigkeit eines Theaterprincipals wäre es nun eine Un¬
möglichkeit gewesen, so viele neue Stücke zu komponiren. wenn der
Inhalt derselben hätte vollständig niedergeschrieben werden sollen.
Aber es wurde nur der Text der bedeutendsten und das Skelett der
anderen Scenen aufgestellt, die Wechselrede jedoch der E ihn dungs¬
gab e der Schauspieler überlassen.
Bevor nun auf die Umstände näher eingegangen wird, welche
gerade zu einer so vollkommenen Darstellung dieser Stücke auf der
Wallerotty ’schen Bühne ausserordentlich viel beitrugen, soll hier erst
noch die nöthige Erläuterung zu den drei andern in Beilage VI voll¬
ständig abgedruckten Theaterzetteln folgen. Der zweite derselben,
die Ankündigung einer ächten Harlekinade, zeigt klarer, als es jede
andere Schilderung vermöchte, durch welche tollen Mittel man auf
die Lachmuskeln des Publikums zu wirken suchte. Ein Haupt¬
anziehungspunkt für dasselbe bildeten die auf den Zetteln angekün¬
digten mannichfaltigen Verkleidungen und Verwandlungen des Hans-
wurst, worin auf dem Wallerotty ’schen Theater das Unglaublichste
geleistet wurde. — Der Sammler jener Theaterzettel, der neben den
191
klassischen Stücken in der französischen Komödie gerade diese
komischen Piecen besonders gern besucht zu haben scheint, kritisirte
ihre Aufführung oft mit einem kurzen Schlagworte höchst günstig.
Hie und da findet sich auf den Programmen die Randbemerkung :
Gut, Schön, Sehr gelungen.
Der dritte Zettel bringt die Anzeige von einer alten, berühm¬
ten Haupt- und Staatsaktion, welche von Wallerotty sicher ganz
genau nach einem bereits vorhandenen Scenarium zur Aufführung
gebracht wurde. Wenigstens stimmt der kurze Bericht im Avertisse¬
ment des Zettels vollständig mit dem Inhalt der aus Anhalt-Zerbst
stammenden Handschrift der Haupt- und Staatsaktion Carolus XII.
überein, welche die kriegerischen Unternehmungen und den Tod
dieses seiner Zeit überaus populären Schwedenkönigs in derselben
Aufeinanderfolge schildert. Wie in der Handschrift angegeben, so
macht auch in der Frankfurter Darstellung ein den todten König
auf dem Paradebett zeigendes Tableau deu Schluss des Stückes.
Bellona, Mercur, Mars und Fama umstehen eine Weile sein
Lager in tiefster Trauer, dann singt die letztere eine »lamentable
Aria« und die beiden ersteren sprechen den Epilog. Da nun durch diese
Scene die Aufführung des Stückes nach der gedachten Handschrift
erfolgt sein wird, so möge hier nach deren Wortlaut zur Charakteristik
der trockenen Sprache der Haupt- und Staatsaktionen ein Theil des
Monologs folgen, mit welchem Karl XII. das Stück eröffnet:
»Mächtigster Beherrscher dieser unumschränkten Erde : Hand !
von welcher Glück und Unglück an den Zügel deines Gutachtens
geführet wird, welches die Anschläge derer Sterblichen temperiret!
Wer bin ich? Herr: dein Knecht. Dass du mich durch die Wellen
meines rasenden Schicksahls glücklich bis hieher gebracht hast. Er¬
laube mir doch, unpartheyisches Europa, dass ich iu dieser stillen
Einsamkeit meinen bishero mit Blut und Leichen, Glück und Un¬
glück geführten Lebenslauf in etwas entwerffen möge. Carl der Xlte,
ein Sohn Carl Gustav’s (welchen der Schwedische Thron von der
Welt-bekannten Königin Christina cediret worden), war mein Vater
und meine Mama Ulrica Eleonora, König Friedrich’s des dritten von
Dänemark Tochter, die er mit Sophia Amalia , einer Prinzessin von
Braunschweig-Lüneburg erzeuget, von welcher ich Anno 1682 den
19. Juny des Morgens zwischen 7 und 8 Uhr zu allgemeiner Freude
des Schwedischen Reichs gebohren worden. Meine Education war
sehr sorgfältig . «315
In dieser Weise entwirft der Held seine Selbstbiographie noch eine
geraume Zeit lang fort. Dann folgen die verschiedenen Handlungen,
wie sie im Avertissement angegeben sind. Auch die Reden anderer
in dem Stück auftretender Personen, z. B. des Herzogs von Holstein-
Gottorp und des Prinzen Friedrich von Hessen-Cassel, sind in glei¬
cher Weise langathmig und äusserst ermüdend für die Zuschauer.
192
Nichts ist deshalb leichter zu begreifen, als der Beifall, mit welchem
die in die »serieuse Materie« eingeschobenen Harlekinscenen vom da¬
maligen Publikum aufgenommen wurden. Sie waren gleichsam eine
Belohnung für die harte Geduldsprobe, eine belustigende Entschädi¬
gung für die langweiligen Auseinandersetzungen und die endlosen
Lamentationen und Todesklagen an der Leiche des Königs.
Wie in den meisten Haupt- und Staatsaktionen, so waren auch
in dieser die Z wisch enscenen des Harlekins nur in allgemeinen Um¬
rissen angegeben. In welcher Art dies geschah, mag hier durch
ein paar Proben aus der Anhalt-Zerbster Handschrift klar gemacht
werden. Am Schluss des ersten Aktes bildet sich folgende An¬
weisung :
»Seena 4. Arlequin will die Plapperliese heirathen. Lieutnant
will nicht, es würde sich schön schicken; sie reissen ihn beide
herum; endlich beüehlt der Lieutnant, er solle sich Marsch fertig
machen ; alle ab.«
Nachdem sich im dritten Akte die drei ersten Scenen politi¬
schen Inhalts abgespielt haben, kommt die folgende Anordnung für
das Zwischenspiel:
»Mittel auf; (das heisst die den äusseren Schauplatz abschliessende
Gardine wird in die Höhe gezogen) Markedänerin ; es wird von Sol¬
daten gegessen und getrunken dazu.
Seena 5. Arlequin als Dragoner gekleidet, prudalisiret, will
nichts bezahlen, es stünde mit in seiner Capitulation, Markedänerin
will bezahlt sein, giebt ihm eine Ohrfeige. Arlequin zieht den Degen,
Markedänerin schreit. Arlequin erschrickt, lässt ihn fallen, sie nimmt
den Degen und will Arlequin erstechen, solcher schreit, sie erschrickt
und lässt den Degen ebenfalls fallen; endlich schmeisst Arlequin
Töpfe und Alles in Stücken. Ab.«
Im letzten Akte lautet die Vorschrift für die »Seena 9. Arle¬
quin am Spiess, Plapperliese hängt, Arlequin nimmt von Bier und
Brandtewein haussen Abschied. Mittel-Gardine zu.«316
Diese Anweisung deutet auf die damals gebräuchliche Ein-
theilung der Bühne in einen äusseren und inneren Schauplatz, wie
das häuhge Erscheinen allegorischer und Göttergestalten in den
Wolken aut' die alte Anwendung einer Flugmaschine hin, die aber
auch sehr liäuüg beim plötzlichen Verschwinden des Harlekin dien¬
lich sein musste.
Der vierte Zettel, ebenfalls die Ankündigung einer Haupt- und
Staatsaktion, fand besonders Avegen des Vorberichts hier Aufnahme,
welcher von Wallerotty für die Ankündigungen stets sehr ausführlich
und originell ausgearbeitet wurde.
Wallerotty brachte nur Avenige Stücke, wie er sagte, »nach den
wahren theatralischen Regeln« auf seine Bühne. Geschah es aber
einmal, Avie bei der Vorstellung von »Cato«, von »Roderich und
193
Cliimene« und dem »Poetischen Dorfjunker«, dann bemerkte er stets
als etwas ganz Absonderliches auf dem Zettel, dass »diese regel¬
mässigen Materien Wort für Wort, wie vorgeschrieben, produciret
werden sollten«.
Der Harlekin, der ein paar Jahre früher von der Ne uh er in nur
noch aus gewissen Rücksichten auf der Frankfurter Schaubühne ge¬
duldet worden war, er spielte jetzt mit seinen tollen Genossen und
Genossinnen wieder die grösste Rolle auf derselben. Scaramuz und
Scaramuza, Crispin und Crispina, Hanswurst und Colombine, Scapin
und Scapina, Pantalon und Harlekin etta, alle erschienen in seinem
Gefolge und entzückten das Publikum im Wallerotty 'sehen Musen¬
tempel ebenso sehr durch ihre komischen Masken, als durch ihre
lustigen und derben Schwänke.
Einer der Schauspieler Wallerotty ’s hatte sich sogar einen eig¬
nen komischen Charakter geschaffen, mit dessen Darstellung er, wie
ein Jahr früher in Wien, auch in Frankfurt die grössten Erfolge
erzielte. Es war der unter seinem Theaternamen Monsieur Bernardon
verschieden tlich auf den Programmen erwähnte Joseph Kurz, der
ein Vierteljahrhundert später als angesehener Wanderprincipal für die
Geschichte des Frankfurter Theaters eine grosse Bedeutung gewinnen
sollte. Die von diesem jugendlichen Schauspieler dargestellte komi¬
sche Figur »Bernardon« war eine Art Scapin, ein liederlicher, dummer,
tölpischer Bursche, der trotz dieser schlechten Eigenschaften sich über¬
all mittelst einer gewissen Verschmitztheit durchhalf. Im Verein mit
der jugendlichen Frau Nuth, der ersten Darstellerin der Gesellschaft,
und deren bereits genanntem Gatten, dem Harlekin Franz Anton Nuth,
leistete Kurz-Bernardon in den komischen Zwischenspielen der Haupt-
und Staatsaktionen und in der Stegreifkomödie ganz Vortreffliches.
Das Glück der Wallerotty 'sehen Bühne beruhte hauptsächlich auf
dem komischen Talent dieser drei Künstler, deren Zusammenspiel
den Unwerth der Stücke gänzlich vergessen machte.
Die Befähigung der Frau Nuth war durch die Darstellung
lustiger Rollen nicht erschöpft, sie besass auch neben einer gut ge¬
schulten schönen Stimme vollkommene Kenntniss der italienischen
Sprache, welche ihr den Vortrag der vielfach eingelegten italienischen
Arien möglich machte. Ausser den genannten Mitgliedern stellte
die Familie Wallerotty ein ziemlich starkes Kontingent zu dem En¬
semble der Truppe. Der Principal spricht einmal von fünf dieser
Familie angehörenden Personen, die auf dem Theater in der Bocken-
heimergasse tüchtig mitwirkten.317 Dies war jedenfalls er selbst,
seine Frau, zwei Töchter — Demoiselle Wallerotty die ältere und die
jüngere — und eine Schwester der Principalin, die das Fach der tragi¬
schen Liebhaberinnen inne gehabt zu haben scheint.
Durch die Klage eines hiesigen Gastwirths wegen einer ihm
versprochenen, aber nicht geleisteten Zahlung erfahren wir auch noch
13
194
die Namen von einigen andern Mitgliedern des Wallerotty’schen
Theaters, deren mehr untergeordnete künstlerische Bedeutung das
Aufzeichnen nicht nöthig macht. Hier werde nur der Ballet¬
meister der Truppe, ein Monsieur le Breun, und die »premiere
Agentin im Danz«, eine gewisse Mademoiselle Amely, erwähnt, die
im Schuldenmachen grösser gewesen zu sein scheint, wie in ihrer
Kunst.
Ueberhaupt standen die hochdeutschen Komödianten in Hin¬
sicht auf ein flottes Leben und sorgloses Borgen ihren französischen
Kollegen nicht im geringsten nach. Auch Waller otty musste oft
wegen seines Standgeldes gemahnt werden, obschon er, wie ein Mit¬
glied des Raths in einer Sitzung äusserte, »die fürtrefflichsten Ein¬
nahmen von der Welt hatte«.
Der freigebige Graf von Montijo, der am Vorabend des Namens¬
tages der Königin Elisabeth von Spanien (18. November 1741) zum
allgemeinen Besten auch für freien Eintritt in die deutsche Komödie
gesorgt hatte, bezahlte diese allerdings mit Illuminationen und vielen
Ausschmückungen bereicherte Festvorstellung derartig, dass die ge¬
summte Gesellschaft schon davon hätte eine Zeitlang leben können.
Aber ungeachtet der besten Einnahmen war Wallerotty, gleich
den beiden Leitern der französischen Truppe, stets in Geldverlegen¬
heit. »Die herrschenden Tagesstimmungen theilen sich allen Ständen
mit« ; dieser Ausspruch Goethe’s passt auch auf das Frankfurter
Komödiantenleben vor, während und nach der Wahl und Krönung
Karl’s Vn.; denn das allgemein heitere und flotte Leben steckte
auch die Schauspieler an, so dass die besten Einnahmen nicht aus¬
reichten, um die zalilreichen Tages Vergnügungen ohne bittere Nach¬
wehen gemessen zu können.
Maskenbälle hielt man in der deutschen Komödienhütte nicht
ab, aber statt deren müssen in den Wintermonaten nach dem Schluss
des Theaters mitunter gesellige Zusammenkünfte stattgefunden haben,
die jungen Leuten Gelegenheit zu Liebeshändeln boten. Bei einer
solchen verliebte sich nämlich auch der Sohn einer hiesigen an¬
gesehenen Familie derartig in eine bereits mit einem ihrer Kollegen
verlobte Wallerotty ’sche Schauspielerin, dass sich auf dem lustigen
Schauplatze des Harlekins fast eine wirkliche tragische Hauptaktion
ohne heitere Zwischenscenen abgespielt hätte.318
Solche Vorgänge und noch manche andere von den beiden
Bühnen ausgehende sittengefährdende Einflüsse waren gerade nicht
geeignet, die alte Abneigung der Geistlichkeit gegen das Theater als
unberechtigt erscheinen zu lassen. Wie in vielen andern deutschen
Städten, so war es auch in Frankfurt in dieser Epoche das Schicksal
der dramatischen Kunst, wegen der unedlen Nebenzwecke ihrer Ver¬
treter in ihrer hohen idealen Aufgabe gänzlich verkannt zu werden.
Wenn man nun dabei noch den niedrigen Kunststandpunkt der
195 -
meisten deutschen Wandertruppen in’s Auge fasst, so kann man die
häufigen Warnungen des Frankfurter Prediger-Ministeriums vor dem
Besuch des Theaters in der That nicht zelotische Ereiferungen oder
pietistisch-engherzige Angriffe nennen. Aber weder das bessere noch
das geringere Publikum kehrte sich an diese fortgesetzten Ermah¬
nungen, es strömte nach wie vor in die beiden bretternen Musen¬
tempel.
Da weder Wallerotty noch Gherardi trotz der einflussreichsten
Fürsprache wegen der Feuergefährlichkeit Erlaubniss bekommen hat¬
ten, in den Hütten Oefen zu errichten,319 so nahmen die Zuschauer
sich heisse Krüge, Wärmsteine und sonstige Hülfsmittel zum Schutz
gegen che Kälte in die beiden Bretterbuden mit. Denn wenn die¬
selben auch vermittelst Böhrenleitungen von ausserhalb stehenden
Maschinen durchwärmt werden sollten, so war die Heizung doch so
mangelhaft, dass man sich, wie ein Graf Pappenheim zum jüngeren
Bürgermeister sagte, »zu Tod erkeisen konnte«. Als nun das städti¬
sche Bauamt das Setzen von Oefen durchaus nicht gestattete, er¬
laubte der Bath wenigstens einem Gastwirth Truschet (Truchet), an das
bretterne Komödienhaus der hochdeutschen Komödianten eine Neben¬
hütte aufzubauen und darin allerlei warme Getränke feilzuhalten.
Diese Einrichtung zog so viel Zuschauer in das deutsche Theater,
dass Wallerotty den im März anbefohlenen Abbruch dieser Hütte
mit allen möglichen Einwendungen zu verhindern suchte.320
Nach Entrichtung des rückständigen Standgeldes wurde Walle¬
rotty ohue weiteres gestattet, seine Schauspiele bis Ende Mai 1742
fortsetzen zu dürfen. Als dieser Zeitpunkt herannahte, suchte es der
Principal der hochdeutschen Komödianten durch die Fürsprache seiner
Gönner so weit zu bringen, dass er nicht allein im Voraus die Zu¬
lassung für die Herbstmesse, sondern auch die Vergünstigung er¬
hielt, seine Hütte bis dahin stehen zu lassen.321 Wenn er aber
auch eine Supplikation nach der andern einreichte und sein Stand¬
geld pünktlicher als je bezahlte, so befahl dennoch der Bath den
Abbruch der Hütte und Hess alle seine weiteren Eingaben unberück¬
sichtigt. Diese Hartnäckigkeit scheint dem Wallerotty wenig Bürg¬
schaft für eine spätere Wiederannahme geboten zu haben, denn er
blieb nicht, wie beabsichtigt, den Sommer über mit seiner Truppe
in Frankfurt und kehrte auch in der Herbstmesse nicht hierher
zurück.
Wallerotty zahlte während seines mehr als einjährigen Aufent¬
haltes der Stadt Frankfurt im Ganzen 808 Gulden Standgeld.
Ausser den Einnahmen von der deutschen und französischen
Komödie hatte die Stadt aber auch noch anderen Vortheil von
beiden Theatern. Es wurde das eingenommene Geld grösstentheils
wieder umgesetzt und eine Menge reicher Fremden herbeigezogen,
die nach der Meinung eines Senatsmitgliedes ohne den Genuss der
13*
196
Komödie auch in jeder anderen Stadt ihr Vergnügen hätten finden
können.
Ehe der Bericht über das Frankfurter Bühnenleben dieses
wichtigen Jahres geschlossen wird, soll noch eine Mittheilung Walle¬
rotty ’s aus einer seiner Supplikationen Erwähnung finden, welche
einigermassen Aufschluss über den Gagenetat eines damaligen be¬
deutenden Wanderprincipals giebt. Wallerotty zahlte dem »Premier
Agenten und der Premiere Agentin« seiner Truppe wöchentlich die
nach seiner Meinung ausserordentlich hohe Summe von beinahe
6 Thalern, wonach sich einigermassen die geringeren Gehalte für das
übrige Personal und die ausserordentliche Monatsausgabe eines der¬
zeitigen Bühnenleiters berechnen lassen.
Das französische Theater, als eigentlicher Kunsttempel der
höchsten und allerhöchsten Herrschaften, zahlte selbstverständlich
seinen Mitgliedern noch viel höhere Gagen. Auch hatten Gherardi
und Seriny mehr Ausgaben für das Kostüm, das jedesmal der Zeit
und Nationalität der dargestellten Personen entsprechend sein musste.
Bei Wallerotty traten die Helden des Alterthums, der mittleren und
neueren Geschichte in dem pomphaftesten Flitterkram und den un¬
geheuerlichsten Anzügen auf. — »Es war ein Gottesglück«, schrieb
ein Augenzeuge, der sicher Gottsched’s Ansichten über die Kostüm¬
reformen theilte, »dass die hohen abgeschiedenen Geister ihre auf¬
getakelten Zerrbilder nicht sehen konnten ; sie wären sonst noch
einmal vor Schrecken über sich selbst verschieden und hätten sicher
den Teufel hinter einen Poeten gehetzet, wenn er incliniret gewesen
wäre, sie in einer Comödia oder Tragödia auf dem Theatro zu ver¬
ewigen.«322
HI.
Von einem öfters vermutheten Aufenthalt der Neuberin in
Frankfurt im November 1742 liess sich in den Akten keine Spur
auffinden. Auch die Bechenbücher der alten Keichsstadt, die un¬
trüglichen Beweismittel bei derartigen zweifelhaften Angaben, haben
aus dieser Zeit keine Zahlung der Neuberin aufzuweisen. Geringe
finanzielle Erfolge in Frankfurt können also nicht, wie man an nimmt,
den tiefen Unmuth und Theaterüberdruss noch gesteigert haben, der
sich der Neuberin über ihre schlechten Einnahmen in der Oster¬
messe und im Sommer 1742 in Leipzig bemächtigte und so viel
zur Auflösung ihrer Truppe im folgenden Jahre beitrug. Die
mittlerweile durch das Fehlschlagen vieler schöner Hoffnungen ver¬
zweifelnde Frau hatte an der letzten traurigen Erfahrung in Leipzig
genug, wo die mannichfaltigsten bitteren Erlebnisse höchst nieder¬
drückend auf sie eingewirkt hatten. Besonders war dies durch das
Erscheinen eines ihr ganzes Leben und Streben in den Schmutz
197
der gemeinsten Verläumdung hinabziehendes »Heldengedicht« von
F. S. Mayer geschehen.323
Erst im Herbste 1745, als sie ein Jahr früher die Principal-
schaft aufs Neue übernommen hatte, kam die Neuberin wieder nach
Frankfurt, nachdem sie sich schon im Juli mit Hülfe ihrer uneigen¬
nützigen Förderer, Benjamin Metzler Söhne, vom Bathe die Zulassung
für die Wahl- und Krönungszeit Franz I. verschafft hatte. Schon
einige Monate früher hatte aber auch ihr eifrigster Gegner, der Kur-
sächsische Hofkomödiant Joseph Ferdinand Müller, Schwiegersohn
der Elenson-Haack-Hoffmann, Aufnahme gefunden,324 dessen Theater
vorweg den gelegensten Platz auf dem Iiebfrauenberge bekam.
Fast gleichzeitig mit der Neuberin wurde durch den sächsischen
Gesandten Grafen von Schönberg brieflich und mit den besten Em¬
pfehlungen die italienische Operistengesellschaft von Petrus Migotti
(Mingotti) angemeldet, welche in der Ostermesse 1745 mit grossem
Erfolge in Leipzig gespielt hatte.325 Ferner erhielten auf allerhöchste
Fürbitte für die Wahl- und Krönungszeit auch noch der berühmte
italienische Pantomimenspieler Nicolini mit seiner grösstentheils aus
Kindern imd kaum Erwachsenen bestehenden Truppe, dann der
kühne pantomimische Seiltänzer Hyacinthe Riccio mit seinen
Acteurs und Actricen und endlich die Marionettenspieler Eberhard
Mayer, Jacob Salier und Matthäus Buschmann die gewünschte Spiel-
erlaubniss.
Auf die in den Annalen des Frankfurter Theaters leer geblie¬
benen Blätter der Jahre 1743 und 1744 folgte also durch die Wahl
und Krönung Franz I. ein an mancherlei Bühnen erlebnissen reiches
Kapitel.
Die Wirksamkeit der Neuberin, deren Stern auch unter »den
Strahlen der neu aufgehenden Reichssonne« seinen alten Glanz nicht
wieder erhalten konnte, sollte durch das Zusammentreffen der ver¬
schiedensten hinderlichen Umstände und die gefährliche Konkurrenz
mit Müller und Nicolini nur von sehr geringem Erfolg begleitet
sein. Die schon oft enttäuschte Frau schien nur zu neuen bitteren
Erfahrungen, zur Bestätigung der abermaligen, schon früher erkann¬
ten Wahrheit nach Frankfurt gekommen zu sein, dass ihre Zeit vor¬
über, dass sie zu alt geworden sei, um für ihre geläuterte Kunst¬
richtung mit Aussicht auf Erfolg gegen den grossen Anhang des
Harlekin weiter kämpfen zu können. Das Schicksal, das ihr schon
einmal das Banner aus den Händen genommen hatte, wollte ihr
nicht mehr durch freudige Erlebnisse in Frankfurt den Glauben an
eine bessere Zukunft erwecken.
Einigen Aufschluss über den diesjährigen Aufenthalt der Neu¬
berin, sowie über die hiesigen Bühnen Verhältnisse während der Wahl
und Krönung Franz I. überhaupt erhalten wir aus folgendem Briefe
des später berühmt gewordenen geistreichen Schriftstellers Friedrich
198
Melchior Freiherrn von Grimm, der sich im Gefolge des sächsischen
Gesandten Grafen von Schönberg befand und am 11. October 1745
von Frankfurt aus an Gottsched berichtete:
»Die Frau Neuberin fängt ihre Sachen allezeit sehr listig an.
Sie sitzt bereits volle drey Wochen mit ihrer ganzen Bande liier
und hat noch kein Stück aufgeführet. Heute, höre ich, wird sie ihre
Bühne mit dem Britannicus eröffnen, und in 6 Tagen sind der Hof
und alle Gesandtschaft ichen Gefolge weg, aldan ist Geld zu ver¬
dienen. Sie hat sich eine Bude gebauet, welche sie nicht eher hat
können zu Stande bringen, obgleich ihr Herr Gemahl einige Wochen
vorher hier war, Anstalten vorzukehren. Ich befürchte, dass sie
grossen Schaden haben wird. Der Pöbel läuft zur Müller’schen
Bande. Was aber vornehm ist, geht in die Pantomime (des Nicolini).
Diese wird von lauter Kindern von 12 — 16 Jahren aufgeführt und
ist sehr artig, die Verzierungen aber vom Theater prächtig und viel¬
fältig. Diese Leute ziehen auch den grössten Gewinnst.
Ueherdies sind die Operisten hier, welche an der letzten Oster¬
messe zu Leipzig gewesen. Unsere Gräfin von Schönberg ist vorige
Woche krank geworden. Auch das thut der Neuberin Schaden und
benimmt mir die Hoffnung, dass wir ihr Favorit-Stück, die Haus¬
französin, werden zu sehen bekommen.«326
Als Grimm diesen Brief schrieb, hatte er keine Ahnung von
den Schwierigkeiten, mit welchen das Ehepaar Neuber beim Auf¬
richten seiner Hütte kämpfen musste. Anfangs wurde ihm von dem
Bauamt gestattet, die Bude in der hintersten Allee (heutiger Goethe¬
platz) aufzubauen, als aber der Riss derselben übergeben worden
war, machte das Bauamt den Rath darauf aufmerksam, dass doch
wohl durch die Aufrichtung der Hütte ein in vielen Jahren nicht
zu ersetzender Schaden verursacht werden könne.327 Es wurden
nun verschiedene andere Orte in’s Auge gefasst, da aber überall die
Umwohner eine Komödienhütte nicht dulden wollten, nach vielen
Verhandlungen endlich ein Platz unweit der Konstabler Wache dicht
neben dem Zeughause festgesetzt.
Ueber alle diese Hindernisse war aber der Neuberin die beste
Zeit verloren gegangen. Müller, dessen Bühne während der Wahl
und Krönung Franz I. ungefähr dieselbe Stellung einnahm, wie
früher Wallerotty’s Theater, hatte schon das gewöhnliche Publikum
durch seine Harlekinaden und niedrigen Possenspiele für sich ge¬
wonnen, Nicolini war bereits mit seinen prächtig ausgestatteten Panto¬
mimen der Liebling der hohen Herrschaften, und Petrus Migotti
(Mingotti) der Begünstigte der Musikfreunde geworden, als die Neu¬
berin nach beendigter Wahl und Krönung (13. September und
4. October) am 11. October ihre mit vielen prächtigen Verzierungen
und guten Einrichtungen aufgebaute Hütte mit dem in Frankfurt
früher sehr beliebten Drama »Britannicus« und einem vorauf gehen-
- 199
den Schäferspiel eröffnete. Schon am ersten Abend aber sollte sie
das fast gänzlich leer gebliebene Haus darüber aufklären, dass sie
neben solchen, dem allgemeinen Tagesgeschmack huldigenden Rivalen
in Frankfurt für ihre gereinigte Schaubühne keinen festen Boden
mehr gewinnen konnte.
Auch beim Fortgang der Vorstellungen steigerte sich der Be¬
such des Theaters nur in sehr geringem Maasse. Ihre Anhänger
förderten zwar die Neuberin so viel sie vermochten, aber was war
das verhältnissmässig kleine Häuflein der Getreuen und Kunstver¬
ständigen gegen die Menge des Publikums, welche sich bei Nicolini
an den Pantomimen und Kinderballetten und bei Müller an den
derben Spässen des Harlekins und seines lustigen Gefolges ergötzte?
Was half es der Neuberin, dass sie — um ihr Theater populärer
und anziehender zu machen — meistens Lustspiele von Moliere,
Regnard, Destouches und Mariveaux zur Aufführung brachte? Was
nützte es ihr, dass sie ihr poetisches Talent zu Hülfe nahm und fast
für jede zur Darstellung kommende Tragödie ein neues allegorisches
Festspiel zusammenstellte? Sie spielte ja meistens doch vor leeren
Bänken und konnte im ungleichen Kampfe mit solchen Rivalen nur
herabstimmende Niederlagen, jedoch keinen erhebenden Sieg erleben.
Aber gerade dieses Missgeschick reizte ihren kühnen, energi¬
schen Geist zu hartnäckigem Widerstreben. Sie wollte ihren Gegnern
das Feld nicht räumen, wollte in Frankfurt, wo sie vor fast einem
Decennium einer edleren Kunstrichtung Eingang verschafft hatte, die
Erinnerung an ihr früher so beifällig aufgenommenes Spiel nicht
durch elende Possen und fremden Flitterkram wieder auslöschen
lassen. In welcher gereizten Stimmung sich die vom verschieden¬
sten Missgeschick verfolgte Frau damals in Frankfurt befand, geht
aus verschiedenen Eingaben an den Rath hervor, in welchen sie
denselben um Herabsetzung ihres Standgeldes angeht. Man fühlt den
bitteren Groll und die heftige Erregung heraus, welche diese Ge¬
suche begleiteten, man nimmt unwillkürlich Antheil an dem gekränk¬
ten Stolz, der sich nach der letzten bitteren Enttäuschung wild in
ihrer Seele aufbäumte. In ihrer traurigen, unverschuldeten Lage
verzeiht man es der Neuberin auch gern, dass sie nicht ganz sach¬
lich blieb, dass sie zuweilen Seitenhiebe auf den hiesigen verdorbe¬
nen Geschmack austheilte und nach ächt frauenhafter Art den Rath
in die Mitwissenschaft von Dingen zog, die er eigentlich gar nicht
hätte zu wissen brauchen.
Wenn sich auch die Neuberin in einzelnen ihrer Eingaben ent¬
rüstet und aufgebracht zeigte, so strömte ihr Herz in anderen wieder
voll Dankbarkeit für ihre unermüdlichen Gönner, besonders für die
Vertreter des Handelshauses Benjamin Metzler Söhne über, die ihr
und ihrem Manne nicht allein mit gutem, werthvollem Rath, sondern
200
auch mit grossmüthiger That iu gar manchen Nöthen beigesprungen
wären.
Die eingelegten poetischen Dankreden, welche die Neuberin in
den damals hier aufgeführten allegorischen Spielen Melpomene und
Thalia stets an ihren Beschützer Mercur halten liess, sind gewiss als
eine verblümte Huldigung für das Handelshaus Benjamin Metzler
Söhne anzusehen, ohne dessen grossmüthige Unterstützungen sie nach
eigenem Geständniss mit bestem Willen und Vermögen während dieses
Aufenthaltes in Frankfurt nicht hätte bestehen können.
Aber bei aller freundlichen Unterstützung trug die Neuberin
doch noch auf doppelten Schultern ! — Sie hatte durch das Einrücken
der Preussen in Sachsen (im zweiten schlesischen Krieg 1744—1745)
als eine Bewohnerin der Stadt Leipzig nicht nur einen grossen Schaden
erlitten, es war ihr auch für den Schluss dieses und den Anfang
des folgenden Jahres jede Gelegenheit zur Wiederkehr abgeschnitten
worden.328 Auch ihre Komödianten, über die Misserfolge ebenfalls
gekränkt und entmuthigt, sehnten sich von Frankfurt fort, wo die
meisten bei ihrer ersten Anwesenheit sich so heimisch und glücklich
gefühlt hatten. Wie die Principalin, so konnten auch sie es kaum
ertragen, dass ihnen die fremden Pantomimenspieler, die Operisten
und »das Müller’sche Komödiengesindlein« fast alles Interesse hinweg¬
gehascht hatten.
Und doch zählte die Neuber’sche Bande damals noch einen
grossen Theil der bedeutendsten deutschen Darsteller und Darstelle¬
rinnen zu ihren Mitgliedern. Kohlhardt war zwar vor einigen Jahren
gestorben, Schönemann hatte eine eigne Gesellschaft gegründet und
Heydrich mit seiner Frau Philippine geh. Tummler unter der Prin-
cipalschaft der Frau Schröder in Hamburg sein Glück versucht, aber
sonst war der alte Stamm der Truppe bei der vor einem Jahre er¬
folgten Wiedererichtung zu gemeinsamem Schaffen aufs Neue zu¬
sammen getreten.
Die Neuberin hatte auch inzwischen für die gestorbenen und
abgegangenen Mitglieder einen einigermassen guten Ersatz gefunden.
Unter dem männlichen Personal sei nur Bruck, früher erstes Mit¬
glied der Müller’schen Gesellschaft, ein junger talentvoller Mann aus
Mühlberg Namens Klotsch und der Studiosus Wolffram erwähnt, der¬
selbe, der später in Lessings erstem Stück, »Der junge Gelehrte« die
Titelrolle mit all dem Pedantismus und der zutreffendsten indivi¬
duellen Beziehung auf Leipzig so erfolgreich darzustellen verstan¬
den hat.
Wichtiger als der Beitritt dieser Mitglieder erscheint die Ge¬
winnung von zwei jungen Künstlerinnen, deren bedeutende Talente
durch die Anleitung der Neuberin zur schönsten Entfaltung kommen
sollten. Die eine war die kaum dem Kindesalter entwachsene Tochter
des schon früher erwähnten Ehepaares Lorenz, die andere die schöne
201
Katharina Magdalene Kleefelder, welche sich in der Folge mit Klotsch
und, nachdem sie diesen 1754 in Breslau durch den Tod verloren
hatte, mit dem berühmten Schauspieler Brückner verheirathete.
In einer Vorstellung, der zärtlichen Schwestern von Geliert,
welches Stück jedenfalls seines Verfassers wegen in Frankfurt vor einem
zahlreicheren Publikum als gewöhnlich gespielt und später wiederholt
werden musste, thaten sich Demoiselle Kleefelder und Demoiselle Lorenz
in den Titelrollen ganz besonders hervor. — Wie ein Jahr früher in
Leipzig werden die beiden Künstlerinnen auch Mer dem langweiligen
moralisirenden Ton des Stückes durch ihr gewandtes Spiel und frisches
Wesen eine belebende Kraft verliehen haben.
Ob die Neuberin in jener Zeit auch Gellerts Betschwester auf
che Frankfurter Bühne brachte, lässt sich bei den Mangel an erhal¬
tenen Theaterzetteln nicht feststellen. Da aber das Stück vielfach
geistliche Anfeindungen zu ertragen hatte, und der grösste Theil ihrer
damaligen Frankfurter Gönner, wie sie selbst sagte, aus wahrhaft
frommen Leuten bestand, so möchte man fast, glauben, dass sie, um
keine Missverständnisse zu erregen, von der Aufführung des genannten
Lustspiels Abstand genommen hat.
Die Spielart und das Kostüm der Ke ober 'sehen Bande waren
sich gleich geblieben, ihr Repertoire hatte aber durch die während
des letzten Jahrzehnts in der dramatischen Literatur erwachte Be¬
wegung vielfache Bereicherung erfahren. Vor Allem waren es die
Tragödien und Komödien Elias Schlegels: »Die Trojanerinnen«, »Kanut«,
»Hermann«, »Der geschäfftige Müsiggänger« und »Der Triumph der
guten Frauen«, die zwar nach den Regeln der französischen Drama¬
turgie abgefasst waren, aber an ächtem Dichtergehalt, an wirksamem
Aufbau der Sceuen, die zeitgenössischen Werke eines Krüger, Martin,
Uhlich u. m. a. weit überragten. Wäre die Phantasie Elias Schlegels
nicht in französische Fesseln geschlagen worden, sie hätte noch sicher
in sich die Kraft zu bedeutenderen literarischen Werken gefunden.
Nach einer glaubwürdigen Ueberlieferung sind »Kanut«, »Her¬
mann« und »Der geschäfftige Müsiggänger«" von Elias Schlegel wäh¬
rend dieses letzten Aufenthaltes der Neuberin in Frankfurt von ihr
zur Aufführung gebracht worden. Auf Grund von stückweise er¬
haltenen Theaterzetteln steht aber die Darstellung des schon früher
hier aufgeführten »Mithritades« und des »Polyeuct«, zu welchen beiden
Stücken der Komponist und Schriftsteller Joh. Adolph Scheibe eine
passende Musik für die Zwischenakte geschrieben hatte, zweifellos
fest. Scheibe ging von dem Grundsatz aus, dass die vor und zwi¬
schen den Stücken zu spielende Musik dem Inhalt derselben ent¬
sprechen, und dass jedes dramatische Werk eine eigenartige musika¬
lische Begleitung haben müsse.
Die für jede edle Kunstunterstützung begeisterte Neuberin för¬
derte diese Idee, was ihr aber hier ebenso wenig als in anderen
202
Städten zum besonderen Vortheil gereichen sollte. Sie konnte den
Harlekin nicht vergessen machen, konnte mit dem besten Willen eine
Strömung nicht bemeistern, die Wallerotty in Frankfurt wieder in
Fluss gebracht und welche an Müller einen so grossen Förderer ge¬
funden hatte.
Es liegt etwas Grossartiges, etwas ßewundernswerthes in dem
Widerstand, mit welchem die Neuberin trotz aller Enttäuschungen
auch in Frankfurt gegen ihr immer näher kommendes Schicksal an¬
kämpfte. — In ihrer Notli richtete sie sich zwar in sofern nach den
Neigungen der Menge, als sie meistens beliebte Komödien, wie den
»Tartütfe« von Moliere, mit recht lustigen Nachspielen aufführte, aber
ihrem Kunststandpunkt wurde sie nicht um Haaresbreite untreu; der
Harlekin in seiner eigentlichen buntscheckigen Gestalt wurde von ihr
auf den Brettern der Frankfurter Schaubühne nicht mehr geduldet.
Bald sah die Neuberin ein, dass, so lange Müller, Nicolini und
Migotti die Lieblinge des Publikums waren, für ihr bestes Wollen
und Vermögen kein Sternlein mehr zum Leuchten kommen konnte.
Sie baute deshalb ihre ganze Hoffnung auf Müller ’s und Nicolini’s
Weggehen, welche sich beide verpflichtet hatten, nach Ablauf der
Wahl- und Krönungszeit an anderen Orten zu spielen. Nachdem Müller
vom 24. September bis 23. October unter dem grössten Beifall des
Publikums Harlekinaden gegeben und der Stadt eine Abgabe von
150 Gld. gezahlt hatte, zog er, wie Nicolini, mit gefüllter Kasse von
Frankfurt fort. Der Letztere hatte eine solche Einnahme, dass er
ohne den geringsten Widerspruch für jede Vorstellung 10 fl., zusam¬
men 250 fl. Standgeld entrichtete.
Petrus Migotti, der bald nach Eröffnung der Neuber’schen
Schaubühne, einer »hohen Ordre« folgend, von liier fortging, gab
nur zwölf Vorstellungen im Schärfischen Saale auf dem Liebfrauen¬
berge, die aber von Kennern als vortreffliche musikalisch-dramatische
Leistungen hingestellt wurden. Es Hess sich nicht ermitteln, ob seine
später sehr berühmt gewordne Gattin, Katharina Regine, geb. 1728
zu Neapel, sich schon im Jahre 1745 in Frankfurt hören liess, aber
so viel steht fest, dass er zwei sehr vortreffliche Sängerinnen und
einen mit grossem Ruhm genannten Sänger in seiner Truppe hatte,
deren Namen aber wegen der mangelhaften Quellennachrichten nicht
ausfindig zu machen waren.
Ende October 1745 waren alle Komödianten mit Ausnahme
der Neuberin wieder abgereist, und nun suchte diese sich in der festen
Hoffnung, das Publikum in Frankfurt wieder für sich gewinnen und
die gehabten Verluste decken zu können, am 2. November die Er¬
laubnis zu erwirken, den ganzen Winter über ihre Komödien auf¬
führen zu dürfen. Aber welche eindringlichen Gründe sie auch für
ihre Bitte vorbrachte, wie überzeugend sie auch die Noth wendigkeit
203
eines so grossen Begehrens dahinzustellen suchte, der Rath verlän¬
gerte ihre Spielzeit dennoch nur um vier Wochen.329
Es war eine neue Zeit voll Sorgen und bitteren Enttäuschungen,
ein wahres Martyrium in niederdrückenden Verhältnissen, welche
die merkwürdige Frau durch die Hinausschiebung ihres festgesetzten
Termins zu ertragen hatte. Vom Publikum im Stich gelassen, vom
Unmuth ihrer Darsteller gequält, von ihren Gläubigern in die Enge
getrieben, stand sie da wie ein gegen gewaltige Mächte vergebens
ankämpfender Streiter. Es ist die Art wahrhaft edler und grosser
Naturen, durch Widerstand und Verfolgung zu erhöhter Kampfes¬
lust für ihre Bestrebungen angespornt, zu werden, — so erging es
auch der Neuberin in Frankfurt. — Sie folgte dem Rathe verschie¬
dener Freunde und Gönner nicht, die ihr, des besseren Erwerbes
willen, zur Wiederaufnahme des Harlekins riethen, sie behielt ihre
oppositionelle Stellung gegen den Geschmack des Publikums bei und
blieb mit einer reckenhaften Standhaftigkeit ihrer besseren Ueber-
zeugung treu. Die Sorgen und traurigen Erlebnisse, die nun wie
ein Unwetter auf sie einstürmten, sind deshalb als das ganz natür¬
liche Ergebniss dieses edlen Starrsinns anzusehn. Gedrängt von ihren
Gläubigern, besonders von dem hiesigen Holzhändler Tabor, dem
Zimmermeister Koch und der Wittwe des Gastwirths Rngel, bei der
sie selbst nebst verschiedenen ihrer Mitglieder wohnte, trug die Neu¬
berin am 2. December 1745 dem Rath die Bitte vor, noch einige
Zeit und auch die nächste Ostermesse hier spielen zu dürfen. Sie
erinnert wieder an ihr Missgeschick, dass während der Wahl und
Krönung Franz I. andere den Profit, sie aber den Schaden gehabt,
sie giebt dem Rath zu bedenken, dass sie auch fernerhin »trotz der
betrüblichsten Aussicht keine Zotten oder Possen, sondern moralische
Stücke aufzuführen willens sei«. — Unterstützt wurde ihr letztes
Gesuch durch eine besondere Eingabe der genannten Gläubiger, die
vom Rathe dringend Beistand zur Erlangung ihres nöthigen Eigen¬
thums begehrten.330
Aber es waren nur noch wenige hohe Herrschaften in Frank¬
furt, so dass der Rath in Rücksicht auf die Abmahnungen der Geist¬
lichkeit wenige Wochen vor Weihnachten die Fortführung einer
Schaubühne nicht gestatten konnte. Die beiden Gesuche wurden des¬
halb abgeschlagen und der Neuberin anbefohlen, Montags den 6.
December unfehlbar den Anfang mit Abbrechung ihrer Hütte zu
machen. Mit ihrer Bitte um die Spielerlaubniss für die Ostermesse
wurde sie einstweilen zur Geduld verwiesen.331
Auf diesen für sie in ihrer traurigen Lage furchtbar nieder¬
schmetternden Bescheid erhob die Neuberin zwar Widerspruch, der
aber nicht die geringste Berücksichtigung fand.
Sie reichte deshalb den Bürgermeistern Frankfurts noch eine
Bittschrift ein, worin sie sagte, dass ihr auf ihr »vorgestern verlesenes
— 204 —
Memoriale nicht die mindeste gnädige Reflexion gemacht worden,
weshalb sie in den disconabelsten Zustand versetzet worden sei«.
Dann spricht sie von dem traurigen Befehl, zur Abreissung ihrer
Hütte, schildert ihre unverschuldete Bedrängniss und fährt fort : »Da
aber die Kürze der Zeit nicht gestattet, bei einem hochpreisslichen
ganzen Rath meine fernere weitere Noth dürft vorstellig zumachen, so
nehme ich in hoc frangenti zu Er. Hochedelgeborenen meine gehor¬
samste Zuflucht und erkühne mich, hochdenenselben in unterthänigem
respect zur hoch erlauchten Einsicht und milder Beherzigung Mancher-
ley zu Gemüth zu führen«.332
Es folgt nun eine Auseinandersetzung über die verschiedenen
Kostenpunkte, welche ihr — die doch die Aussicht habe, künftige
Ostern wieder spielen zu dürfen — durch den Transport der Hütte
auf einen andern Platz und die Beschädigung der Bretter verursacht
würde. Dann erwähnt sie noch einmal ihre schlechten, kaum die
Kosten deckenden Einnahmen und erinnert an ihre Schulden, beson¬
ders an die 311 Thlr. bei Tabor, die sie nun immer tiefer in die
grösste Bedrängniss hineinbringen würden. Wenn man sie von hier
abweise, meint die Neuberin, habe sie bei den traurigen Aussichten
in Sachsen nicht die geringste Gelegenheit, mit ihrer Gesellschaft ein
Stück Brod verdienen und ihre hiesigen Gläubiger befriedigen zu
können. Hierauf kommt sie nochmals auf das Stehenbleiben der
Hütte zurück, die doch niemand hinderlich falle und in Hinsicht
auf die Nähe der Konstabler- Wache durch das Herumpatrouilliren
der Soldaten vor jeglicher Eeuersgefahr geschützt werden könne. —
Sie erbietet sich auch, zur vollkommenen Sicherheit Nachts einen
Arbeiter in der Hütte wachen zu lassen, offerirt. dem Rath am 6.
December, als dem Geburtstage des Kaisers Franz I., eine Komödie
zu geben und schliesst in der festen Hoffnung, dass man ihre ge¬
rechten Bitten nicht unerhört lassen möge.
Auf diese Eingabe und die nachdrücklichste mündliche Fürsprache
von Benjamin Metzler Söhne hin, that nun der Rath sein Möglichstes :
er gestattete ihr nicht allein noch einige Vorstellungen zu geben,
sondern ertheilte ihr auch schon die Spielerlaubniss für die nächste
Ostermesse.333 Aber seinen einmal gefassten Beschluss wegen Ab¬
bruch der Hütte änderte er auch diesmal nicht. Er befahl, dass
dieselbe sofort nach den verwilligten Vorstellungen abgebrochen und
ohne Weiteres auf einen passenden Platz geschafft werden solle.
Trotzdem nun der Rath die Ausführung dieses Befehls bei Strafe
geboten hatte, machte die Neuberin, die das Stehenbleiben der Hütte
wie früher manches Andere schliesslich doch durchsetzen wollte, an
dem bestimmten Tage keine ernstliche Anstalten zum Niederreissen
derselben. Statt dessen reichte sie am 8. December 1745 eine aber¬
malige Bittschrift wegen des Wiederbeginns ihrer Komödien nach den
Neujahrs-Ferien und hauptsächlich wegen des Stehenbleibens ihrer
205
Hütte ein, die von Neuber geschrieben, aber von ihr unterzeichnet
ist und hier als ein klares Bild ihrer damaligen Lage buchstaben¬
getreu Aufnahme finden soll.
Wohl- und Hochedelgebohrne, Gestrenge, Hochedle Yest
und Hochgelahrte; Wohlfürsichtige, Hoch und Wohlweisse p.p.
Insonders Grossgünstige Hochgebiethende und Hochgeehrteste
Herren, Herren Bürgermeistern und Rath.
Ew. Wold- und Hochedelgeb. Gestreng und Herrl. auch Wohl-
fürsicht. und Hochweissht. habe zuförderst unterthänigen Bank ab¬
zustatten, dass Höchstdieselben nach meinem Demüthigsten Bitten
mir bisher nicht alleine willfahren sondern auch künftige Ostern die
Erlaubniss wiederum Comödien vorzustellen gnädig ertheilen wollen,
dabey auch zu geruhen beliebet, dass die Comödien-Hütte abgebrochen
und auf einen anderen Platz transportiret werde.
Bieses alles erkenne mit Bank vor eine grosse Gnade, und
würde dabey gerne stille stehen, wenn nur das letztere in meinen
mögl. Kräften zu thun bestünde. Hiebey darff wohl nicht schmerz¬
lich wiederhohlen, weil es weltkundig, wie und wes wegen Sachsen,
und darinnen Leipzig insolchen Zustand gesetzet worden, dass ich
itzo mit meiner Gesellschafft unmöglich dahin zurück kehren kann
und darff, um mich biss zu Ostern daselbst aufzuhalten. Baher sehe
mich bey geänderten Umständen genöthiget unterthänig zu bitten,
mir zu vergönnen, dass wir hier verbleiben, und nach geendigten
Christ-Ferien wieder anfangen dürffen Comödien aufzuführen, damit
wir, wo möglich Lebens-Unterhalt erwerben möchten. Wie nun an
gnädiger Gewehrung dieser meiner demüthigsten Bitte nicht zweifle,
so würde doch dabey höchst unglücklich werden müssen, wenn ich
die Comödien-Hütte vorher auf einen andern Platz transportiren solte.
Verschiedene Uhrsachen machen diesen Transport unmöglich, und
wenn Höchstdieselben geruhen sich nur die ersten vortragen zulassen,
so werden sich die übrigen selbst zeigen. Bie gründlichsten davon
sind: Erstlich die kurze Zeit. Bie kurzen Tage. Bie langsamen und
th euren Arbeiter, und endlich mein gänzliches Unvermögen. Ber
Erdboden ist gefrohren, dass man die Hölzer nicht tüchtig genug
eingraben kan. Alles kan der Kälte wegen nicht so gut gebauet
werden, dass es hernach bey Veränderung des Wetters im früh Jahre
sicher stünde. Zwischen hier und Neu- Jahr ists nach hiesiger Bau-
Leuthe Vermögen nicht möglich bey diesem Wetter und kurzen
Tagen eine dergl. Hütte zu transportiren. Ich bin nicht in den Um¬
ständen itzo die Hütte völlig zu bezahlen, weil ich den Verdienst
nicht dazu gehabt habe, vielweniger aber bin ich bey Vermögen so
vielen Arbeits-Leuthen, als bey dieser Jahreszeit nöthig, das Arbeits
und Tagelohn zu bezahlen. Vor hundert Gulden Nagel gehen wenig¬
stens verlohren. Beym Frost springt das Bau-Holz und die Biehlen
in stücken , dass kaum die Helfte brauchbar bleibt. 90 biss 100 fl.
206
wird dass Fuhrlohn ohne die Zimmermans Arbeit betragen. Was
wird nicht dabey an Holtz und Diehlen von abhanden kommen, oder
auf gut deutsch gestohlen werden, welches man alles durch Geld er¬
setzen soll, welches Geld ich eben so wenig als das erste dazu habe,
und mit einer Gesellschafft von 20 Personen unter der Zeit dennoch
leben, und ich cüeselben alle Wochen, eben als zur agir Zeit, wie
auch sonst Jedermann bezahlen muss.
Hiebey will nicht anführen wie die Nachbarn an dem Orthe,
wo man die Hütte bey itzigen kurzen Tagen und stiller Zeit hin-
transportiren wolte über das Bauen und klopfen kreischen und
schreyen würden, wenn ich auch das Geld dazu hätte.
Ew. Wohl- und Hochedelgeb. Gestreng, und Herrlichkt. auch
Wohlfürsicht. und Hochweissht. können nun diesen Geld-Kosten,
Arbeiten, Klagen, Schwierigkeiten, und meinem gänzlichen Untergänge
mit einem gnädigen Entschlüsse abhelffen, wenn Höchstdieselben
gnädig erlauben und geschehen lassen, dass die Hütte stehen bleiben,
und wir nach den Weyhnacht- und Neujahr-Ferien wieder Comödien
agiren dürfen. Ist durch Gottes Gnade und unsere versorgende An¬
stalt Zeithero kein Schade geschehen, so wird auch eben dieser Gott
ferner Stadt, Zeughauss, Bürgerschaft und Fremdlinge auch unser
armes Vermögen dabei gnädiglich durch seine heil. Wächter behüten,
und wir werden Gott und Ew. Wohl- und Hochedelgeb. Gestreng
und Herrlich p. p. vor sothane gnädige Willfahrung loben und
danken. Denn wiedrigenfals, wenn man auf dem Transport der
Hütte bestünde, wäre nicht allein die ganze Hütte verlohren, durch
die angeführten Unkosten, und unser Haab und Vermögen müsten
wir mit Stillschweigen dabey verliehren, ja wir würden hier unter
dero gnädigen Schutz, als itzo aus unsern Vaterlande zu Ihnen ge-
tlüchtete, so gewiss um alles kommen, als wenn wir- in Sachsen von
Feinden mit Gewalt um Haab und Guth gebracht würden, zudem
stehet daselbst noch vieles von unsern Vermögen der Gefahr aus¬
gesetzt geraubet zu werden, dass wir also noch zu fürchten genug
haben.
Wie mich nun also höchstweisester Einsicht in Deferirung
meiner Demüthigsten Bitte versehe, so verharre in tiefster Veneration
und Respect
Ew. Wohl- und Hochedelgeb. Gestreng, und Herrl. auch
Wohlfürsicht. und Hochweissheiten
Demüthig gehorsamste Magd
Friderica Carolina Neuberin.
Obgleich jedoch ihre Gründe ebenso dringend als begreiflich
waren, empörten sich jetzt die meisten Rathsmitgiieder über den
hartnäckigen Widerstand der Principalin und fassten den Beschluss,
es beim vorigen Bescheid bewenden zu lassen und künftighin gar
keine Bittschrift mehr von ihr anzunehmen.
207
Nun sah die Neuberin nach den langen aufreibenden Verhand¬
lungen endlich ein, dass sie gegen diesen Befehl nichts ausrichten könnte.
Sie begann sofort mit dem Abbruch der Hütte, benachrichtigte den
Rath davon und bat in wahrhaft erschütternder Weise, man möge
sie doch vor ihrem gänzlichen Ruin erretten und wenigstens gestatten,
dass sie, nur um ihren Lebensunterhalt gewinnen zu können, nach
dem neuen Jahre im König von England spielen dürfe.
Aber sie hatte die Gunst des Rathes verscherzt; dieser nahm
weder Rücksicht auf sie noch auf ihre drängenden Gläubiger. In
diesem hoffnungslosesten Zustand von der Welt kam der Geist des
Widerspruchs über die Neuberin, sie stellte den Abbruch ihrer Hütte
ein und klagte dem Rath in kühnen Worten, dass sie, »die gerne
jedermann redlich bezahle, mit einem Himmelschrey enden Ach ! und
Gott rührenden Seufzern als eine unschuldige um Hab und Gut ge¬
brachte Frau mit dem Bettelstab aus Frankfurt beschimpft iu ihr
Y aterland z urückgetrieben w erde«. 3 3 4
Der Rath Hess sich jedoch von einer fahrenden Komödiantin
derartige verblümte Vorwürfe und sonstige verletzende Anspielungen
nicht bieten. Er berücksichtigte ihre Eingabe gar nicht weiter und
ertheilte statt aller Antwort am 6. Januar dem Bauamt den Auftrag,
dafür zu sorgen, dass noch selbigen Tages und zwar auf Kosten der
Neuberin die Hütte vollends abgebrochen werde.335
Nun erreichte die Noth während ihres diesmaligen Frankfurter
Aufenthaltes alsbald den Höhepunkt. Die arme Frau konnte weder die
Gagen ihrer Mitglieder, die sich doch auf mehr denn 20 Rchsthr. die
Woche beliefen, noch ihre mitleidlosen Gläubiger bezahlen, welche
am 20. Januar 174G noch einmal gemeinsam mit ihr wegen interi¬
mistischer Vorstellungen bis zur Ostermesse eingekommen waren.
»Ihr Acker und Pflug stand still«, sie konnte es einigen brauchbaren
Mitgliedern ihrer Truppe nicht »für ungut nehmen, dass sie solchem
Elend Valet sagten, dass sie einem erhaltnen Wink auf der Spur
nachzufolgen trachteten und ihr Glück unter einem besseren Gestirn
wieder aufsuchen wollten«.
Um wenigstens diese abgehenden Mitglieder befriedigen zu können,
muss die Neuberin gerade im Begriff gewesen sein zu dem Verkauf
ihrer Kostüme und Requisiten zu schreiten, als ihr, »aus oftmals mil¬
den fürsorglichen Händen« wieder im Stillen eine bedeutende Unter¬
stützung zufloss. — Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieser Helfer
aus grosser Noth das Handelshaus Benjamin Metzler Söhue war, ohne
dessen Beistand, wie die Neuberin später an einer anderen Stelle
aufrichtig bekannte, »die Wasser der Trübsal schier über ihrem Haupte
oft zusammen geflossen wären«.
Kann es nun als eine keineswegs erfreuliche Aufgabe bezeichnet
werden, die schwergeprüfte Neuberin der Wahrheit gemäss durch
das dunkle Kapitel zu begleiten, zu welchem die traurigen Erlebnisse
208
ihres letzten Frankfurter Aufenthaltes den Stoff liefern sollten, so ist
es doch auch wieder etwas Erhebendes, feststellen zu können, dass
im Augenblick der grössten Noth sich auch in Frankfurt edle Wohl-
thäter ihrer ann ahmen.
Beinah fünfunddreissig Jahre früher hatte die arme Velthin in
Frankfurt keinen kunstsinnigen Erretter aus ihrer traurigen Lage ge¬
funden. Mittlerweile war doch die Achtung vor den besseren Jüngern
der dramatischen Kunst hier schon so weit gestiegen, dass wenigstens
die Neuberin durch uneigennützigen Beistand sich über ihre hiesigen
Misserfolge einigermassen trösten konnte.
Nachdem sie einige Monate in Frankfurt mit ihrer Bande un-
thätig zugebracht hatte, liess die Neuberin im April 1746 ihre Bude
auf dem Liebfrauenberge wieder aufrichten und begann ihre Vor¬
stellungen mit dem Anfang der Ostermesse. Sie spielte noch nach
dem Schluss derselben bis Ende Mai, aber dass ihre Einnahmen auch
dieses Mal viel geringer waren als bei ihrem ersten Aufenthalt, be¬
weist das für eine längere Spielzeit verhältnissmässig unbedeutende
Standgeld von 40 Gulden.
Das Publikum, welches bei ihrem hiesigen Aufenthalt in den
Jahren 1736 und 1737 für ihre Vorstellungen als für etwas Neues
besonderes Interesse gezeigt hatte : es war noch nicht reif genug, um
für die Dauer von der edleren Kunstrichtung dieser grossen Frau
vollständig befriedigt werden zu können. So kam es, dass sie auch
diesmal nur vor einem kleinen auserwählten Kreise spielte, dass sie
wieder ihre Unkosten nicht decken, ja kaum die Unschlittkerzen zur
Beleuchtung von ihrem Gewinn bezahlen konnte. Es war eine
verzweifelte Lage, aus der sie sich endlich, müde und gebrochen, durch
eine schnelle Abreise zu befreien suchte. Sie hinterliess eine Menge
Schulden, dieselben sind aber, wie aus den Akten hervorgeht, schon
im Laufe des Sommers von auswärts meistens abgetragen worden ;
wenigstens stand der Wiederkehr der Neuberin in der Herbstmesse
1746 nichts im Wege.
Während die Künstler der Neuber’schen Truppe vor leeren
Logen und unbesetzten Bänken spielen mussten, fanden in der Oster-
messe 1746 die Marionetten eines Frankfurter Bürgersohns, Seeger
Weinla, ein ebenso dankbares als zahlreiches Publikum. Und doch
war der Eintrittspreis in diese Bude nicht viel geringer als bei der
Neuberin, die immer noch für den ersten Platz nur 2 Kopfstück
oder 10 Batzen, für den zweiten nur 6 und für den dritten nur 4
Batzen nahm. Diese Bevorzugung einer oberflächlichen Belustigung
ist gewiss als das beachten swerthe Zeichen eines Zeitabschnittes an¬
zusehen, in dem man sich auch in Frankfurt zum erstenmal nach
so vielen beunruhigenden Ereignissen und trüben Aussichten dem
harmlosen Genüsse eines gedeihlichen, Handel und Wandel fördernden
Friedens hingab.
209
Grollenden Herzens war die Ne uberin von ihrer hiesigen Schau¬
bühne abgetreten; mit dem festen Vorsatz, nie wiederzukehren, hatte
sie wie eine Flüchtige bei Nacht und Nebel der Stadt Frankfurt für
immer Lebewohl gesagt. — In ihrer unglücklichen Stimmung glaubte
sie die Spuren ihres hiesigen Wirkens für alle Zeiten ausgelöscht,
ihre edelsten Bestrebungen missverstanden und ihr Andenken durch
die letzten Misserfolge und die verschiedenen Zwistigkeiten mit dem
Rath mit einem bedenklichen Makel behaftet. — Aber die kühne
Reformatorin der deutschen Schauspielkunst irrte in dieser Annahme.
Die Nachwelt, welche von den kleinlichen Anhängseln grosser Be¬
strebungen in ihrem Urtheil nicht mehr beeinträchtigt wird, die einzig
den Kern eines redlichen Wollens ins Auge fasst: sie ehrt jene
Niederlage wie einen unsterblichen Sieg, verneint das Dichterwort:
dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, und legt der Neuberin
für ihr hiesiges Wirken im Geiste einen vollen frischen Lorbeerzweig
auf jenes Denkmal in Laubegast, welches spätere Verehrer ihrem An¬
denken im Jahre 1852 daselbst neu errichten Hessen.
14
Franziskus Schnell und seine unmittelbaren
Nachfolger.
i.
Es ist eine eigenthiimliche Erscheinung in dem Entwicklungs¬
gang der Frankfurter Theatergeschichte, dass von dem ersten Wirken
der Berufskomödianten an jede bessere der hier auftretenden Wander¬
truppen eine eigene Kunstepoche gebildet hat. Innerhalb dieses ihr zu¬
gehörigen Zeitraums lässt sich deutlich ein Höhepunkt der Wirksam¬
keit erkennen, nach dessen Erreichung das Interesse an der betreffen¬
den Truppe allmählich abnimmt, um schliesslich vollständig auf andre
neu auftauchende Vertreter der dramatischen Kunst überzugehen, die
sich bei ihren Bestrebungen vielfach von entgegengesetzten Gesichts¬
punkten leiten liessen. So kann man von der Zeit Robert Brownes
und Sakvilles, des Jollifous, Yelthens, der seiner Wittwe, der
Elenson, Eckenbergs, Wallerotty’s und schliesslich der Neuberin
reden, in welcher jedesmal das Wirken der Genannten zuerst eine
Zeit lang für die Theilnahme des Publikums maassgebend und sodann
dem unerbittlichen Gesetze des Yeraltens unterworfen war.
Yiel mehr als auf dem Gebiete andrer Künste tritt in dem
Bereich der dramatischen die Macht des schonungslosen Schicksals
hervor, welches den Individuen nur auf dem Höhepunkt ihres Lebens
und Strebens eine kurze Glanzzeit vergönnt, sie dann wie ein des¬
potischer Fürst beseitigt und seine volle Gunst neu aufgehenden
Sternen zuwendet.
Die Epoche der Neuberin hatte kaum ihren tragischen Abschluss
gefunden, als die dramatische Kunst in Frankfurt in dem berühmten
Wanderprincipal Franziskus Schuch um die Mitte des XVIII. Jahr¬
hunderts einen neuen Führer erhielt. Am 14. März 1748 meldete
sich Schuch, der damals Königl. Polnischer und Kurfürstl. Sächsischer
Hofkomödiant war, zum ersten Male an und wurde, wie es in den
Rathsprotokollen heisst, in Rücksicht auf die ausgezeichnete Empfeh¬
lung des Kaiserlichen Gesandten, Grafen von Cobentzel, sofort an¬
genommen.336
Aber auch ohne diese einflussreiche Fürsprache würde Schuch
ganz sicher die Zulassung für die Ostermesse erhalten haben. War
er doch von verschiedenen Mitgliedern des Rathes und andern hohen
211
Frankfurter Herrschaften, die ihn vor mehreren Jahren im Bade
Schwalbach mit seiner Bande hatten spielen sehen, ausdrücklich zum
Kommen aufgefordert und im Voraus einer günstigen Aufnahme ver¬
sichert worden.
Der Eath, der noch immer mit den fortwährenden Einsprachen
der Geistlichkeit rechnen musste, gebrauchte auch in der Folge die
Befürwortung hoher einflussreicher Persönlichkeiten gleichsam als
Hülfsmittel, um der Aufnahme der Komödianten eine gewisse Be¬
rechtigung zu verschaffen. - — Wurden auch die Thespisjünger mit
wenig Ausnahmen noch immer auf eine Stufe mit dem »fahrenden
gottverderbten Gesindlein« gestellt, so hatte doch der fortschreitende
Zeitgeist während der Mitte des vorigen Jahrhunderts wenigstens in
den Kreisen der Gebildeten schon manches gegen sie bestandene
Vorurtheil beseitigt und an die Stelle der überkommenen Gering¬
schätzung und Verachtung allmählich neue Ansichten gerückt.
Hatten die wandernden Principale vor Schuch’s Auftreten, um
ihre Aufnahme zu erlangen, meistens noch eines hochtönenden Privi¬
legiums oder der nachdrücklichen Empfehlung einer hohen Persön¬
lichkeit bedurft, deren Gunst che Väter der Stadt aus triftigen Gründen
bei der Entschliessung mit in die Wagschale legen mussten, so sassen
doch um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts schon manche hochge¬
bildete Männer mit humanen Ansichten im Eathe Frankfurts, welche
die ständigen Einsprachen der Geistlichkeit gegen die Gestattung
theatralischer Vorstellungen nicht berücksichtigten und durch den
Hinweis auf die Thatsachen zu widerlegen suchten, dass bedeutende
Männer der literarischen Welt, ja selbst der fromme Geliert, für die
Schaubühne dichteten, und dass auch die Kaiserin Maria Theresia
der aufstrebenden Schauspielkunst ihren hohen Schutz angedeihen üess.
Zu dieser veränderten Gesinnung kam noch ein anderer Um¬
stand, der die frühere Abneigung gegen die Komödianten allmählich
in ein freundliches Entgegenkommen umwandelte. Man war im
Eath mittlerweile zu der Ansicht gelangt, dass man jenen Zufluss
von Fremden nicht unberücksicht lassen dürfe , den die Ab¬
haltung von theatralischen Vorstellungen zum Vortheil des allge¬
meinen Erwerbs veranlasste. Hierzu trat noch die weitere Erwä¬
gung, dass die Abgaben, welche die Wandertruppen einestheils in
runden Summen, anderntheils durch einige zum Besten der Armen
und Kranken gegebene Aufführungen leisten mussten, nicht zu unter¬
schätzen seien.
Franziskus Schuch, der sich sofort nach seiner Aufnahme zu
einer bedeutenden Abgabe an die Stadt und zur Abhaltung von zwei
Komödien zum Besten der Armen verpflichtete, bekam zur Erbauung
seiner Hütte den von früheren uud späteren Principalen am passend¬
sten gehaltenen Platz auf dem Liefrauenberge angewiesen. In dieser
trotz den heftigsten Eeklamationen der Nachbarschaft erbauten grossen
14*
212
Hütte spielte Schuch in der Oster- und Herbstmesse 1748 unter
solchem Beifall, dass er jedesmal um zwei Wochen Verlängerung
seiner Spielzeit einkommen musste.
Vor 1748 begünstigte Schuch in seinem Repertoire am meisten
die extemporirte Komödie, zu Anfang dieses Jahres trat er jedoch
mit Gottsched in Verbindung und bat sich die Unterstützung des
mächtigen literarischen Diktators für sein neues und grösstes Be¬
streben aus : regelmässige Komödien und Tragödien auf seiner Schau¬
bühne aufzuführen. Wie ernst und eifrig er damals dieses Vorhaben zu
verwirklichen gedachte, beweist sein Frankfurter Repertoire im Jahre
1748, in welchem regelrechte Stücke wie »Canut« und »Hermann«
von Elias Schlegel, wie die Tragödien Gottsched’s und die seiner An¬
hänger, nebst den übersetzten Werken der französischen Klassiker,
besonders »Alzire« und »Merope« von Voltaire, den Stegreifkomödien
gegenüber den ersten Rang einnahmen.
Aber gerade an den Letzteren und an den lustigen, durch ein¬
gelegte Ballette verschönten Nachspielen gewannen, wie Schuch selbst
sagt, »nicht nur das niedrigere Publikum, sondern auch die meisten
hohen Herrschaften ein so erhebliches und anreitzendes Wohlgefallen,«
dass er fortan auf die Aufführung dieser Stücke ein ganz besonderes
Gewicht legen musste.
Das Frankfurter Publikum drängte also durch seine grosse An¬
hänglichkeit an den Harlekin und dessen Gefolge den Principal Fran¬
ziskus Schuch auf den früheren Standpunkt zurück und veranlasste
ihn, der besseren Einnahmen wegen künftighin den Schwerpunkt
seiner Thätigkeit auf das Gebiet der Stegreifkomödie und Burleske
zurück zu verlegen. Das Interesse der gebildeten Frankfurter an
diesen untergeordneten Kunstgattungen würde bei den damaligen
literarischen Einflüssen kaum begreiflich erscheinen, wenn Schuch
nicht als Hanswurst in der Stegreifkomödie das Unglaublichste ge¬
leistet und diese komische Volksfigur mit einem unwiderstehlichen
Humor ausgestattet hätte.
Ueberhaupt herrschten in Frankfurt wie in den meisten bedeu¬
tenden Stationen der deutschen Wandertruppen getheilte Meinungen
über das Erscheinen und Ausbleiben dieser lustigen Figur auf der
deutschen Schaubühne. Ein grosser Theil des besseren Publikums
dachte wie Gottsched, der den Hanswurst, Harlekin, Scaramuz u. s. w.
garstige Fratzen nannte, die einzig dazu vorhanden seien, den Pöbel
zum Gelächter zu reizen, eine noch zahlreichere Menge aber verth ei-
digte die Berechtigung des alten Spassmachers, dessen Witze und
heitere Einfälle , um den Ausdruck des Frankfurter Schriftstellers
Seyfried zu gebrauchen — »nach trüben Stimmungen und harten
Stunden wieder einigermassen Sonnenschein in das beschwerte Ge¬
rn üth zurückbringen mussten«.
Noch mehr als zehn Jahre später standen sich ja die Gegner
213
und Anhänger des Hanswurstes in zwei grossen Parteien gegenüber.
Der in allen seinen Anschauungen volksthümliche Geschichtsschrei¬
ber Justus Möser veröffentlichte 1761 die Schrift »Harlekin oder
Yertheidigung des Grotesk-Komischen« und selbst Lessing in seiner
»Hamburger Dramaturgie« stellt die Wirksamkeit des Hanswurstes
keineswegs als etwas Gefährliches hin. Der grosse Reformator des
deutschen Dramas sucht hauptsächlich die Berechtigung des Hans¬
wurstes dadurch darzuthun, dass er ihn nicht als eine Persön¬
lichkeit, sondern als eine ganze Gattung betrachtet wissen will.
Hm so weniger kann es hier unsere Aufgabe sein, für die eine
oder andere Ansicht einzutreten, als die Nachwelt ihr Yerdammungs-
urtheil über den buntscheckigen Schelm bereits gesprochen hat, und
die Meinungen über die komischen Yolksfiguren auf der deutschen
Schaubühne stets getheilt und von individuellen Ansichten abhängig
bleiben werden. Begreiflicher jedoch und weniger ungewöhnlich wird
uns von dem heutigen Standpunkte aus diese Geschmacksrichtung
in Frankfurt erscheinen, wenn wir die merkwürdige Persönlichkeit
näher in’s Auge fassen, deren eigenthümliches und grosses Talent
das Interesse für den Harlekin in so ungewöhnlicher Weise wieder
erwecken sollte.
Franziscus Schuch,337 der in der Folge unter allen Principalen
die Herrschaft des Harlekin oder Hanswurst am längsten gelten
liess, ist eine der eigenartigsten und interessantesten Erscheinungen
in der Frankfurter Theatergeschichte. Im Leben ein in sich gekehr¬
ter, finsterer Mann, der oft Tage lang ausser dem Nöthigsten kein
Wort über die Lippen brachte, verwandelte er sich auf der Bühne
in das gerade Gegen th eil. Auf den die Welt bedeutenden Brettern
besass er, was ihm im wirklichen Leben Niemand zutraute, eine
ausserordentlich erfinderische Phantasie, ein hinreissendes Feuer und
im komischen Ausdruck eine Natürlichkeit, welche überall das Pu¬
blikum bezauberte und ihm später selbst das Lob eines Lessing
eintrug. Schuch pflegte von sich selbst zu sagen: »Wenn ich schon
die Hanswurstjacke anziehe, so ist es, als wenn der Teufel in mich
führe.«
Er, seine Frau, eine geborne Raderaännin, welche die Colom-
bine spielte, und Stenzei, das erste Mitglied der Bande, bildeten eine
Künstlertrias, die durch die Gewohnheit eines langen Zusammen¬
lebens und Wirkens in der Stegreif komödie das bewunderungs¬
würdigste Einverständnis zeigte. Das lebhafte Zusammenspiel dieser
drei Genossen, welches durch die drolligsten Einfälle und eine komische
Begeisterung noch mehr gehoben wurde, übte auch auf die Frank¬
furter und viele Messfremde im Jahre 1748 den grössten Reiz aus.
Die Bude auf dem Liebfrauenberge war bei den extemporirten Ko¬
mödien stets zum Erdrücken voll, und die Geistlichkeit Frankfurts
214
hatte wieder ihre liebe Noth, um von den Kanzeln herab gegen diese
»Pestbeul der Verweltlichung« gehörig wirken zu können.
Aber Franziscus Schuch war nicht allein in Frankfurt beliebt,
sondern auch an anderen Orten erregte er das grösste Aufsehen.
Ueberall gab er, wie er selbst einmal in einer Eingabe dem Eath
versichert, den kranken Herzen einen guten Labetrank. Hören wir,
was ein Augenzeuge seiner Leistungen, der Schauspieler und Sänger
Flögel, in seiner Geschichte des Grotesk-Komischen über Schuch
urtheilt: »Unter den letzten Darstellern des Hanswurst in Deutsch¬
land hat sich Franziscus Schuch vielen Beifall erworben. Ich habe
ihn zur Zeit des siebenjährigen Krieges in Breslau oft spielen sehen,
wo er bei Hohen und Niedrigen allgemein beliebt war. Er hatte in
dieser Bolle ein nicht gemeines Talent und war im Extemporiren
mit dem sehr geschickten Schauspieler Stenzei, der gemeiniglich den
Anselmo vorstellte, ein Meister. Er durfte nur sich auf dem Theater
sehen lassen, so fing Alles an zu lachen. Ausser der Bühne war er
ein finsterer, ernsthafter Mensch, der wenig sprach.«
Neben Schuch, seiner Frau und Stenzei sind aus dem Jahre
1748 von dem Personal der Gesellschaft nur noch der Helden¬
darsteller Mayer, die jugendliche Demoiselle Schleissner — eine Bectors-
Tochter aus Gera — eine aus Vater, Mutter und Tochter bestehende
Familie Köhler und schliesslich der Balletmeister Mecour namhaft zu
machen, der ein Liebesverhältniss mit einer schönen Frankfurter
Bürgerstochter, Johanna Preisler, anknüpfte und nach seiner Ver-
heirathung dies bedeutende Talent der Bühne zuführte.
Im Frühling des Jahres 1750, als das letzte Unternehmen der
Neuberin in Zerbst vollständig gescheitert war, kamen Bruck, Wolffram
und das Ehepaar Klotsch zu der Schuch’schen Gesellschaft,338 welche
sie aber nach Schluss der Herbstmesse wieder gemeinschaftlich ver¬
bessern Es hielt es eben Niemand bei dem finsteren, wortkargen
und abstossenden Principal so lange aus, als wie sein Schicksals¬
genosse, der Komiker Stenzei, der gleich Schuch in seiner Jugend
zum Mönch bestimmt gewesen und mit ihm gemeinsam aus einem
österreichischen Kloster entwichen war. Auch Stenzei war ein.
stiller, trockener Mann, der seinen Genossen so verstand, dass er
ihn nur anzublicken brauchte, um von seinen Gedanken unterrichtet
zu sein.
Zum Entsetzen der ganzen Bande verabredeten sie die Scenarien
zu den Stegreifkomödien meist durch Zeichensprache. — Sie sahen
dann nach der Mittheilung des weiter unten näher erwähnten Schau¬
spielers Uhbch so stib und feierlich wie zwei geheimnissvobe Magier
aus, deren wunderbare Zaubergewalt sich aber erst voll und ganz
beim Lichte der Unschlittkerzen entfalten konnte.
Stenzei hielt auch bis zuletzt mit wahrer Jonathanstreue bei
seinem Kameraden aus ; er, dem das Eeisen beschwerlich fiel, ertrug
215
Schlichs unseligen Hang zum ruhelosen Wandern mit wahrhaft
rührender Geduld und war ihm ein treuer Helfer, wenn ihn sein
eigen thümli eh abstossendes Wesen mit seiner Truppe oder sonstigen
Personen in Unannehmlichkeiten verwickelt hatte.
Kurz vor der Herbstmesse 1748 kam auch der als fruchtbarer
dramatischer Dichter bekannte üblich nebst seiner jungen Frau,
einer gebornen Rudolplii, -wieder zu der Gesellschaft, welcher sie
schon früher einmal angehört hatten. 339 Aus Uhlich’s Feder,
welchen Schuch »den Autor seiner Truppe« nannte, stammen deshalb
auch die verschiedenen allegorischen Festspiele, welche in der Folge
von Schuch bei den sogenannten Rathskomödien mit grossem Glanz
und »einem abscheulichen (dieser Ausdruck wird von den Wander-
principalen oft für grossartig gebraucht) Aufwand von feinen Ge¬
wändern und stolzen Zierrathen« zur Aufführung gebracht wurden.
Eines dieser sämmtlich erhaltenen Vorspiele, das in der Ostermesse
1751 zur Darstellung kam, ist als Beilage Nr. VII angefügt.
Mit Ausnahme der genannten Schauspieler und Schauspielerinnen
bestand die Truppe Schuch’s grösstentheils aus zusammengelaufenen
Leuten, welche ebensowenig von Standesbewusstsein als von Standes¬
ehre eine Ahnung hatten. Sie erwählten sich die theatralische Lauf¬
bahn nur, weil sie für keine andere passten und ein freies, un¬
gebundenes Leben einer regelmässigen Pflichterfüllung vorzogen.
Dass unter solchen Umständen die Truppe trotz ihrer allgemeinen
künstlerischen Beliebtheit kein bürgerliches Ansehen genoss, ist leicht
begreiflich. Von keinem Angehörigen derselben wird, wie später
von Mitgliedern der Ackermann’schen, Kurz’schen, Marschand’schen
und Seyler’schen Gesellschaft, erzählt, dass er in einer Familie der
höheren oder mittleren Stände Frankfurts eingeführt gewesen wäre.
Aber wenn auch selbst der originelle Principal von den gesell¬
schaftlichen Kreisen ausgeschlossen blieb, er verstand es dennoch,
sich von Anfang an in der Gnade des Hochedlen und Hochweisen
Frankfurter Rathes festzusetzen. Er liess keine Gelegenheit unbe¬
nutzt, um den hohen Gönnern zu huldigen, und richtete sein Re¬
pertoire ganz nach dem Wunsche einiger Rathsmitglieder ein. In
der Donnerstag, den 3. October 1748 abgehaltenen Rathskomödie
deren charakteristischer, den Vätern der Stadt überreichter Zettel
diesem Buche unter Beilage Nr. VIII nebst den aus verschiedenen
Jahren erhaltenen Schuch’schen Theaterzetteln angefügt ist, hielt die
Principalin »vor einer ansehnlichen, von durchreisenden hohen Herr¬
schaften rühm lieh st bereicherten Versammlung« eine schmeichelhafte
Dankrede in Versen, welche nicht verfehlte, den beabsichtigten Ein¬
druck hervorzubringen. Schuch erhielt am anderen Tage nicht allein
die Erlaubniss, noch zwei Wochen spielen zu dürfen, sondern auch
das sehr erfreuliche Versprechen, dass er im nächsten Jahre vor
216
allen andern Wanderprincipalen in beiden Messen Zulassung finden
solle. Nach dieser in Aussicht gestellten Vergünstigung verpflichtete
er sich im Voraus, für die Messzeit wieder 75 fl. und für jede Woche
nachher 15 fl. zahlen zu wollen.
Als Schuch im Jahre 1748 seine letzte Vorstellung gab, wurde
dem versammelten Publikum ein Gedicht als Abschiedsgruss verab¬
reicht, welches der Principal selbst verfasst hatte und am Schlüsse
des lustigen Nachspiels in der Hanswurst-Kleidung vortrug. Dieser
in Versen abgefasste Abschiedsgruss hegt uns vor und soll hier
keineswegs seiner poetischen Bedeutung, sondern nur des origmellen
Inhalts wegen Aufnahme finden:
Der mit vielen Thränen benetzte
Abschied | Welchen |
Bey der Abreise | Von | Frankfurt j zu |
Einem Hochgeneigten Angedenken |
in aller unterthänigstem Bespect | hinterlassen wollen |
Ein unterthänigst gehorsamer Knecht
Franciscus Schuch
Principalis, in Theatro dictus
Hans Wurst.
Anno 1748.
Soll ich, o Gönner Ihr, auf einmahl von Euch scheiden,
Soll ich so plötzlich fort? 0 hart und strenger Schluss!
Soll denn die arme Wurst eylend Frankfurt meiden?
Wann ich daran gedenk, so mehrt sich der Verdruss.
Dann hier sass ich dem Glück wahrhaftig in dem Schoss,
Weil ich stäts Eure Huld und hohe Gnad genoss.
Jedoch was soll ich thun? ich weiss mich nicht zu fassen,
Mein Schicksal ruft mir zu, pack dich von hinnen forth ;
Der schwartze Barth wird weiss und will vor Gram erblassen,
Dass ich nun reisen muss, von dem vergnügten Orth.
Ich soll von Frankfurt ziehn, wohin ? Das weiss ich nicht,
Vielleicht nach Osten hin, woselbst der Tag anbricht.
Doch nein, in Ost da seynd der Finsternisse Sorgen,
Hanns-Wurst braucht hellen Schein : ich weiss, was ich versteh.
Drum blieb ich lieber hier, bei Euch, Hoch Gnädige,
Wenn nicht der harte Schluss ergangen über mich,
Dass mein Glück gehen soll, wie Krebse hinter sich.
So komm mein Röckgen her, Brustlatz und du Halss-Kragen,
Ihr Hosen, Schuh und Hut, auch du mein Pistoles,
Das manchen Kerl schon hat so tapfer rum geschlagen
Und mich bewahret stäts vor allen Hieb und Stöss,
Euch packet nun Hannswurst auf eine Zeitlang ein,
Biss ihm die Zeit vergönnt, dass er darf lustig sein.
217
Weil nun der Schluss gemacht, dass ich von hier muss reisen,
So bleibt es denn dabey: jedoch Geehrteste,
Erlaubt die letzte Ptlicht anheut Euch zu erweisen,
Damit Hans- Wurst bei Euch in hohen Gnaden stell !
Es soll zu aller Zeit davor der treue Geist,
Die Dankbarkeit selbst sein, ob er von hier gleich reisst.
Obgleich Schuch bei seinem Abgang im Jahre 1748 die Ver¬
sicherung erhalten hatte, dass seine Bittschrift in der nächsten Oster¬
messe zuerst Berücksichtigung finden sollte, machte er sich wegen
eines erhaltenen Rufes an den Hof des Fürsten von Thurn und
Taxis in Regensburg diese Vergünstigung doch nicht weiter zu
Nutzen. Statt dessen meldete sich schon im Januar Johann Fried¬
rich Darmstädter, Principal der Königlich Schwedischen und Däni¬
schen Hofkomödianten, an,340 der bereits im vorigen Jahre vom
Kaiserlichen Gesandten, Grafen von Cobentzel, in Mainz einigen
Rathsmitgliedern bestens empfohlen worden war. Jedenfalls aus Rück¬
sicht für Schuch wurde Darmstädter’s erstes Gesuch abgewiesen.
Erst als jener sich bis kurz vor der Ostermesse 1749 noch nicht
gemeldet hatte, erhielt der auch von dem Grafen von Schönborn,
Vicedom zu Aschaffenburg, mit einem guten Zeugniss ausgestattete
Darmstädter am 6. März die nochmals begehrte Zulassung.
Nach einer Ankündigung in den Frag- und Anzeigungsnach¬
richten eröffnete er sein grosses bretternes Theater auf dem Ross¬
markte mit dem Trauerspiel »Mahomed IV.«, vor dessen Beginn der
berühmte Luftspringer Mr. Maffon, welcher noch niemals in Frank¬
furt gesehen worden war, verschiedene »bewunderungswürdige Exer-
citia« vorstellen sollte. Diese an die englischen Komödianten und
an Eckenberg erinnernde Vereinigung der dramatischen Kunst mit
Luftspringen und sonstigen akrobatischen Fertigkeiten scheint ein
eigenthümliehes Merkmal dieser Wandertruppe gewesen zu sein.
Es befand sich bei derselben auch noch eine berühmte Luft-
und Schwebekünstlerin und ein als Hanswurst auftretender Springer,
deren beiderseitige Leistungen das Publikum mehr anzogen als die
theatralischen Vorstellungen. Diese Bevorzugung der Akrobaten von
Seiten des Frankfurter Publikums erscheint um so berechtigter, als
jene Künstler in ihrer Art wirklich Vortreffliches leisteten, das
übrige meistens aus herabgekommenen Leuten bestehende Personal
Darmstädter’s hingegen in seinem Zusammenspiel nicht im entfern¬
testen mit der Schuch’schen Gesellschaft zu vergleichen war.
Wenn aber auch Darmstädter dem Rathe gegenüber ein be¬
sonderes Gewicht darauf legte, dass er schon 23 Jahre in den ver¬
schiedensten Residenzen und Reichsstädten gespielt und auch kürz¬
lich wieder zu Aschaffenburg und Werthheim zu aller höheren und
geringen Zuschauer Ergötzen Stücke zur Darstellung gebracht habe,
218
welche die Ehrbarkeit in keiner Weise verletzten,341 so gehörte
seine Truppe in Hinsicht auf ihre Kunstleistlingen doch nicht zu den¬
jenigen, deren Euhrn mit, dem immer mehr emporkommenden Fort¬
schritt der Schauspielkunst in Frankfurt identisch war.
Darmstädter’s Kunststandpunkt richtete sich hauptsächlich nach
der Stimmung seines jeweiligen Publikums. Er gab Haupt- und
Staatsaktionen, regelrechte Trauer-, Schau- und Lustspiele mit lusti¬
gen Nachkomödien und zwar in einer Anordnung, zu welcher er
gerade durch die lebhafte Theilnahme des Publikums und die Aus¬
sicht auf guten Gewinnst am meisten angeregt wurde. Trotz dieser
ganz vom Zufall abhängigen Bühnenleitung wusste aber Darmstädter
bei jeder Gelegenheit viel Gutes und Schönes über die hohe Auf¬
gabe der dramatischen Kunst zu sagen, deren Bedeutung ihm ohne
Zweifel vollständig klar war. Auch in dem Erklärungsheftchen zu
der am 25. April 1749 abgehaltenen Magistratskomödie finden wir
unter dem Titel »Vorbericht« eine von ihm verfasste kurze Ab¬
handlung über den Zustand des Theaters und speciell der Frank¬
furter Schaubühne, die von einem klaren Verständniss und einem
ausgebildeten Urtheil zeugt.
»Der gute Geschmack«, schreibt Darmstädter, »welcher seit
einigen Jahren der deutschen Schaubühne ein ganz neues Ansehen
gegeben, ist auch in Frankfurt gestiegen. Die nichts würdigen Possen-
reisser, welche nur den Pöbel belustigen, verschwinden gleichsam,
weil sie sich nicht mehr wie sonst brüsten können. Man will itzo
keine Zoten, sondern vernünftige Scherze hören; man verbannet das
Unnatürliche vom Schauplatz und siehet blos auf die Natur und
Vernunft. Sollte nun eine nach den Kegeln eingerichtete Bühne
einer Republik nicht mehr heilsam als schädlich seyn? Eine gründ¬
liche Einsicht kann am besten davon urtheilen.«
Nun kommt Darmstädter auf das von ihm aufgeführte allego¬
rische Festspiel, »Das von der Weisheit vereinigte Trauer- und Lust¬
spiel«, zu sprechen, das er mit Recht »eine ungeschickte Anfangs¬
arbeit und nichts weniger als ein Meisterstück« nennt. Wir unter¬
lassen es, den Inhalt dieser sehr schwachen dramatisch-poetischen
Leistung wiederzugeben und bemerken .nur noch, dass wegen der
nicht vollständigen Erhaltung des Erklärungsheftchens der Titel des
eigentlichen Hauptstückes nicht angegeben werden kann.
Von der Gesellschaft Darmstädter’s, deren Kunstthätigkeit keine
merklichen Spuren in Frankfurt zurückliess , wäre nur noch die
Hinterlassung von nicht unbedeutenden Schulden zu erwähnen,
durch welche sie sich für immer eine Wiederkehr nach Frankfurt
unmöglich machte. Auch in sonstiger Beziehung war die morali¬
sche Führung der Truppe keineswegs so tadellos, als dass sie den
Widerwillen der Geistlichkeit und das alte Vorurtheil sittenstrenger
219
Personen gegen die Komödianten nur ein klein wenig hätte mildern
können.
Vielleicht hängt mit der wenig sittlichen Führung der Darm-
städter’schen Gesellschaft die verhängnissvolle Härte einer hiesigen
Dame aus den höheren Ständen zusammen, die einer schönen, ehr¬
baren Schauspielerin in Mainz im Mai 1749 ihr junges Leben kosten
sollte. Ein ungenannter Schriftsteller aus dem vorigen Jahrhundert
erzählt nämlich in einer Broschüre »Von verschiedenen Personen, so
ihr Leben in dem Rheinstrom endigten« (Mainz 1760): »Diese junge,
unbescholtene Schauspielerin, die sie an einem schönen Mayensonntag
1749 aus dem grünlichen Wasser zogen, hatte sich in einen reichen
Jüngling vom Frankfurter Kaufmannsstande derartig verliebet, dass
sie, als desselbigen fürnehme Mutter geäussert, sie wolle ihn lieber
todt dahintragen, als mit einem solchen Weibsbild verheurathet sehen,
ihre Kirnst nicht länger continuirte und nach Verwünschung ihrer
Eltern, die sie solch schandbar Handwerk gelehret, in ihrem desperaten
Schmerz in ein feucht Grab ging.«
Nach beinahe siebenjähriger Abwesenheit kam Franz Gerwaldi
von Wallerotty am 10. Juli 1749 um die Zulassung in der Herbst¬
messe ein.342 Er hielt sich damals in Mainz auf, wo er mit seiner
Bande von dem schon mehrmals genannten Grafen von Cobentzel
den Sommer über engagirt gewesen war. Das Gesuch Wallerotty ’s
wurde von einem Empfehlungsbriefe seines kunstsinnigen Gönners
an den Schöffen von Lersner unterstützt, der dasselbe der nächsten
Rathsversammlung vorlegte. Um wenigstens eines jener vielen Schrei¬
ben von hohen Herren mitzutheilen, welche den Wanderprincipalen
oft wie Zauberschlüssel das hartnäckige Einlassthor zur Stadt Frank¬
furt eröffnen mussten, soll hier der in französischer Sprache ab¬
gefasste Brief des Grafen Cobentzel wortgetreue Aufnahme finden.
A Monsieur de Lersner, Echevin de la ville imperiale de
Frankfort.
Monsieur, Je viens d’aprendre que mon recommande de l’annee
passee, Darmstädter, n’est plus en etat de reparoitre ä votre pro-
chaine foire; je suis bien mortifie d’avoir mal reussi dans rna re-
commandation et pour retablir ma reputation, je vous pris de pro-
curer au Porteur de la presente la permission d’ouvrir son thoätre
ä la prochaine foire. Sa troupe est fort bonne, ses habits seroient
assez beaux pour une opera, et comme il est assez bien en fond il
est sur, qu’il ne laissera pas de dettes comme son Devancier, vous
etes accoutume d’etre tourmente, c’est pourquoi je vous prie d’augmen-
ter ä cette occasion les obligations que je vous ai.
Je suis tres parfaitement
Monsieur
Mayence, Votre tres humble et obeissant serviteur
le 5 de juillet 1749. C. de Cobentzel.343
- 220
Ungeachtet dieses vom Rath höflichst beantworteten Empfeh¬
lungsschreibens machte derselbe dem ehemaligen Liebling des Frank-
turter Publikums vor seiner erst Ende Juli erfolgten Aufnahme344 grosse
Schwierigkeiten. Es half Wallerotty nichts, dass er kühn behauptete,
es seien seit seinem Weggang keine solchen Schauspiele in Frankfurt
aufgeführt worden, dass er einen für sich sehr günstigen Vergleich
zwischen seiner »woldsituirten moralischen und artistischen suite«
und der schlechten, herabgekommenen Bande des Darmstädter zog.
Er musste auf Schuck’s Ausbleiben warten, musste sich von dem
Wandel der theatralischen Verhältnisse überzeugen, der mittler¬
weile in Frankfurt einem Andern seine ehemalige Aufgabe zu-
ertheilt hatte.
Wenige Tage nachdem che Musen und alle Geister des Schönen
und Grossen dem neugebornen Johann Wolfgang Goethe ihre wunder¬
baren, unvergänglichen Gaben in die Wiege legten, wenige Tage
nach jenem denkwürdigen 28. August 1749 eröffnete Wallerotty
seinen bretternen Musentempel auf dem Rossmarkte. Eigentlich hatte
er die Absicht, die Hütte auf dem gelegeneren Liebfrauenberge auf¬
zurichten, allein die Nachbarschaft auf demselben reichte sofort ein
Abwehrungsschreiben wegen Verbauung des Prospektes, Störung ihrer
Handlungen, möglicher Feuersgefahr und sonstiger Unannehmlich¬
keiten ein,343 welches Wallerotty von dem gelegeneren Orte an einen
ihm in keiner Weise angenehmen Platz hintrieb.
Es haben sich von dieser Kunstthätigkeit Wallerotty’s keine
Theaterzettel ausfindig machen lassen; da er aber selbst einmal in
einer Eingabe ausspricht, dass er, wie in den Krönungszeiten, wie¬
der »merkwürdige Actiones mit allerlei Ballet und Singesang repre-
sentiren wolle«, so ist kein Zweifel darüber, dass er seinem früheren
Standpunkt in jeder Weise getreu blieb.
Es ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass in derselben
Zeit, in welcher der künftige Heros der deutschen Poesie nicht weit
von der Hütte Wallerotty’s in den ersten Lebenswochen die beglück¬
ten Eltern durch seine kräftigen Tonleistungen entzückte, sich in
Frankfurt noch einmal jene masslose Kunstgattung breit machte, die
Goethe später sehr zutreffend »das erste laute Kindergeschrei der
deutsch-dramatischen Poesie« zu nennen pflegte.
Obgleich Wallerotty’s erste Sängerin durch die Folgen eines
Falles nicht auftreten konnte, machte er doch so gute Geschäfte,
dass er noch vierzehn Tage nach dem Schluss der Messe Vor¬
stellungen gab. Er zahlte wie Schuch für die vier ersten Wochen
75 fl. Abgabe und für die beiden letzten nur 30 fl. Da Wallerotty
in einem im Jahre 1751 eingereichten Gesuch berichtet, dass seine
1749 unpässlich gewesene erste Sängerin, che von jeher wegen ihrer
ausserordentlich angenehmen Stimme und ihres trefflichen Spieles in
Frankfurt sehr viele Bewunderer gefunden habe, wieder vollkommen
221
hergestellt sei, so kann man wohl mit einiger Bestimmtheit annehmen,
dass zu jener Zeit noch immer die berühmte Frau Nuth die erste
Darstellerin seiner Gesellschaft war. Ihr Gatte Franz Anton Nuth
gehörte ganz sicher noch derselben an, aber das dritte ehedem all¬
gemein beliebte komische Talent der Wallerotty’schen Truppe, Mon¬
sieur Bernardon, hatte seit mehreren Jahren in Wien sein Glück
anderweitig versucht.
In der Ostermesse 1750 fand der vom Hofe des Fürsten von
Thum und Taxis kommende Franziskus Schuch sofort die begehrte
Zulassung. 346 Nach seiner eignen Aussage wollte er von nun an
eine Tour durchs Reich machen »und die weltberühmte Handels-
Reichs- und Krönungsstadt Frankfurt zum Ein- und Ausgangspunkt
derselben erwählen«. Schuch spielte diesmal in einer ungewöhnlich
grossen Hütte auf dem Rossmarkte und zwar unter solchem Beifall
der Frankfurter und der Messfremden, dass die Rathsschreiber ihre
Freibillets selbst zu höheren Preisen leicht verkaufen konnten. Und
doch forderte Schuch kein geringes Eintrittsgeld; er nahm wie im
Jahre 1748 für einen Sitz in den Logen 1 fl., auf dem Parterre 8
Batzen, auf dem zweiten Platz 4 und auf dem letzten 2 Batzen.
Schuch, welcher den in Frankfurt herrschenden Theatergeschmack
schon ganz genau kannte, gab auch in dieser Messe dann und wann
regelrechte Trauer- und Lustspiele, unter andern auch in mehrfachen
Wiederholungen die dramatische Satire »Die Pietisterei im Fischbein¬
rocke«, welches Stück von der Frau Professor Gottsched nach Bou-
geants »Femme Docteur« bearbeitet worden war. Diese Satire ver¬
dient insofern eine besondere Erwähnung, als sie die einzige auf die
Anregung Gottscheds entstandene Komödie ist, welche vor der Heraus¬
gabe der »deutschen Schaubühne« im Druck erschien. Das Stück ist
eine offenbare Nachbildung der »Fennnes savantes« von Moliere, es
geisselt das Treiben der Jansenisten, welche namentlich durch ihren
an Gräbern vorgenommnen Wunderschwindel die Herzen der Frauen
für sich zu gewinnen suchten. Wie in dem Moliere’schen Stück so
kommen auch in dieser Komödie zwei Schwestern vor, von denen
die freisinnige jüngere auf Wunsch der Mutter und der älteren
Schwester einen Jansenisten heirathen soll, aber mit Hülfe eines
Oheims im letzten Augenblick von demselben befreit und dem Er¬
wählten ihres Herzens erhalten wird.347
Ausser diesem auch auf das pietistische Cliquenwesen in Deutsch¬
land passenden Stück, gab Schuch jedoch hauptsächlich Stegreif¬
komödien und lustige Hanstwurstiaden, in denen er selbst den Faden
des Ganzen meisterhaft zu leiten und die Zuschauer fieberhaft zu
erregen vermochte. So lange Schuch als Leiter einer Schaubühne
in Frankfurt auftrat, enthüllte Melpomene nur selten ihr ernstes Ant¬
litz, es beherrschte vielmehr die lachende Muse durch ihren mäch¬
tigen und geschickten Vasallen das Gebiet der dramatischen Kunst.
222
Schuchs Burlesken und Stegreifkomödien waren aber auch, wie
ein Augenzeuge berichtet, einer guten Medizin gleich, die einen
schlecht verdauenden Magen durch ein herzliches Lachen wieder in
Bewegung setzten und den matten Lebensgeistern eine neue Schwung¬
kraft verleihen konnten.
Zur Herbstmesse 1750 kam der berühmte Hanswurst nicht mit
seiner Bande nach Frankfurt ; überhaupt lässt sich aus dieser Zeit
an theatralischen Leistungen nur eine von dem Italiener Jiordani
am 10. September im Schärfischen Saale aufgeführte komische Oper
genannt »La Camilla« namhaft machen. — Jiordani, der eigentlich
ein reisender italienischer Konzertmeister war, zahlte für diese sehr
stark besuchte Vorstellung an die Stadt eine Abgabe von 9 Gulden.
Schuch gab während seines mehrjährigen Aufenthaltes in bei¬
den Messen in Frankfurt so viel Burlesken und lustige Nachspiele,
dass er oft nur den Titel eines Stückes auf den Zettel setzte, aber
am Abend selbst noch keine Ahnung von der scenischen Ausführung
desselben hatte. Durch die Umstände gedrängt, spielte er also oft
förmlich Hazard, wobei er sich stets auf seine und Stenzeis ausser¬
ordentliche Erfindungsgabe verliess, die im Extemporiren schon die
härtesten Feuerproben bestanden hatte. Trauten sie sich und dem
übrigen Personal dann auch einmal etwas zuviel zu, was nach der
Aussage des Frankfurter Schriftstellers Phillipp Jacob Rühl mitunter
vorgekommen sein soll, so amüsirte sich das Publikum doppelt über
die Verlegenheit der Schauspieler und zeigte durch seinen anhalten¬
den Beifall, dass es gegen ein derartiges Vorkommniss gar nichts
einzuwenden habe. Wie in unsrer Zeit so war auch damals bei
Vielen das Amüsement die Hauptsache, und Schuch als gewandter
Principal beutete dieses an und für sich ja auch gerechtfertigte Be-
dürfniss zu seinem Vortheil aus.
Das gewagte Verfahren Schuchs, oft erst Abends vor dem Be¬
ginne der Vorstellung das Scenarium zu einer lustigen Nachkomödie
aufzustellen oder den bereits gegebenen Leitfaden im Spiel durch
einen tollen Einwurf zu zerreissen, war auch zur Kenntniss des
Frankfurter Publikums gekommen und hatte hier, wie in verschie¬
denen anderen Städten, zu einer Menge von Anekdoten Stoff gegeben.
Eine derselben, die am meisten den Schein der Wahrheit für
sich haben möchte, soll hier zur besseren Charakteristik dieses merk¬
würdigen Principals kurze Erwähnung finden.
Schuch, dessen künstlerisch bedeutende Frau ihm um eines
Grafen willen untreu geworden war, hatte durch die leidenschaftliche
Liebe jener bereits erwähnten Demoiselle Schleissner reichen Ersatz
für die vielen bitteren Erfahrungen in seinem Ehestande gefunden.
So kam es, dass er seine Rechte nicht geltend machte, der treu¬
losen Frau volle Freiheit liess, aber dafür sein ganzes Herz an die
junge Darstellerin hing, die ihm die grössten Beweise ihrer Liebe
223
gegeben, ja sogar seinetwegen für immer von ihrer Familie verstossen
worden war. Da wurde der schon oft getäuschte und deshalb zum Miss¬
trauen neigende Mann durch böse Einflüsterungen plötzlich an der Ge¬
liebten irre. Er glaubte sich zum zweiten Male betrogen und sie in
ein geheimes Liebesverhältniss mit einem jungen Schauspieler seiner
Bande verwickelt, der eine schöne Gestalt besass und durch sein ein¬
schmeichelndes Wesen den meisten Frauen gefährlich wurde.
Es war in der Herbstmesse 1751 vor der Vorstellung der
Stegreifkomödie »Die geschmähte, aber doch endlich triumphirende
Liebestreue mit Hanswurst, einem lustigen und schlauen Diener«, als
Schuch, finster vor sich hinstarrend, in seinem buntscheckigen Ge¬
wand hinter den Coulissen sass. Vergeblich waren alle an ihn ge¬
richteten Fragen, ob das schon mehrmals auf verschiedene Weise
hier und an anderen Orten aufgeführte Stück nach diesem oder
jenem Scenarium abgespielt werden sollte. Schuch, der auf dem
Zettel das in Frankfurt beliebte Stück »Alzire« angekündigt und
kaum vor einer Stunde diese Abänderung getroffen hatte, schien
taub oder irrsinnig geworden zu sein ; denn er gab Niemand, selbst
nicht der Schleissnerin, irgend welche Antwort und starrte nach wie
vor mit finsterer Gleichgültigkeit vor sich hin.
Was ihn so furchtbar still gemacht, wusste nur die Schau¬
spielerin, welche ihm das Gift der Eifersucht in ’s Herz geträufelt,
aber doch solche Wirkung desselben nicht vorausgesetzt hatte.
In Schuch kochte und gährte es unter der äusseren Ruhe, er
betrachtete von Zeit zu Zeit mit einem höhnischen Lächeln sein Hans¬
wurstgewand und schien sich in einen rasenden Tyrannenagenten zu
verwandeln, wenn die Schleissnerin ihm nahte und zärtlich ihren Arm
um seine Schultern legen wollte. Gutzkow lässt den Moliere im
»Urbild des Tartuffe« einen Ausspruch tlmn, der auch den damaligen
Seelenzustand Schuchs in zutreffender Weise schildern möchte: »Nein,
nein, ich mag nicht daran denken — Lachen müssen bei Herzeleid,
imter Thränen Spässe machen, das gehört auch zu jenen Kunstlei¬
stungen, für welche man an der Kasse kein Entree bezahlt und zu
jenen Geheimnissen der Schauspielkunst, die noch kein Kritiker er¬
gründet hat«.
Kurz vor dem Beginne der Vorstellung, entlockte endlich Sten-
zel’s herzliches Zureden dem Freunde den Ausspruch: »Nur anfangen,
nur anfangen wie’s letzte Mal, das Weitere wird sich schon finden«.
In dem angegebenen Stücke spielte Demoiselle Schleissner: die ver-
läumdete Liebhaberin Amande, der ebenfalls verdächtigte junge Schau¬
spieler: deren Verlobten Leander, der Komiker Stenzei: Amandens
Vater, Schuch als Hanswurst: den Diener Leanders und die Erfin¬
derin der nichtigen Verläumdung und Darstellerin der Colombinen-
Rollen : das verschlagene Kammermädchen Amandens. Der den
Schauspielern von früher bekannte Aufbau des Stückes ordnete an,
224
dass die Ehre der durch eine böse Nachbarin verdächtigten Amanda
durch einen guten Einfall ihres Taters gerettet werde, aber Schuch
warf zum grössten Entsetzen der Mitwirkenden gleich im ersten Akte
das ganze Scenarium um. In fieberhafter Erregung lenkte er durch
seine witzigen Einwürfe alsbald den Gang der Handlung so, dass nicht
eine Nachbarin, sondern Colombine das Unheil anrichtete und ihm
selbst die Aufgabe zu Tlieil wurde, durch seine List die Unschuld
der beschimpften Amanda an den Tag zu bringen. — Im letzten
Akt gerieth er denn auch derartig mit der Colombine zusammen,
dass sein allzu natürliches Spiel die Darstellerin dieser Rolle in die
grösste Angst versetzte und unter dem allgemeinen Beifall des nichts
ahnenden Publikums zu Geständnissen trieb, deren volle Bedeutung
nur einer im ganzen Theater, der beglückte und plötzlich wie um¬
gewandelte Hanswurst selbst, begreifen konnte.
So gut wie an diesem Abend hatte Schuch noch nie mit, seiner
Partnerin gespielt, darüber waren alle Zuschauer einig. Hinter den
Coulissen hatte man freilich die Komödie in der Komödie schliesslich
doch durchschaut und damit den Schlüssel für das räthselhafte Be¬
nehmen des Principals gefunden. Am meisten beglückt über dies
originelle Hülfsmittel zur Entdeckung der Wahrheit war die Schleiss-
nerin, die nicht nur in ihrer Rolle, sondern auch in Wirklichkeit als
triumphirende Unschuld dastand.
Nach dem Schluss der Vorstellung soll hinter den Coulissen
eine rührende Scene stattgefunden haben, deren Einzelheiten, wie
überhaupt der ganze Vorfall, durch einige Mitglieder der Truppe zur
Kenntniss des Publikums gelangten. So wurde Schuch auf der Bühne
und im Leben für viele Frankfurter eine interessante Person, die,
wie Dr. H. WagDer, Herausgeber des Frankfurter Musenalmanachs
auf das Jahr 1781, später berichtet, noch viele Jahre nach ihrem
Weggang von Frankfurt den Stoff zu manchem interessanten Ge¬
sprächsthema abgeben musste.
Mitte April 1750 richtete Schuch ein sehr schmeichelhaftes
Dankschreiben an den Rath und lud denselben zugleich zu der für
diesen Tag vorbereiteten Magistratskomödie ein.348 Er führte »den
Geizigen« von Moliere und vorher ein allegorisches Vorspiel »der Sieg
der Schauspielkunst« auf, in welchem Apollo, die neun Musen, die
Schauspielkunst, die Schmähsucht, die Heuchelei, die Dummheit und
der Undank in sehr eigen thümlichen Personifikationen auftreten. So
erscheint der Letztere als ein Stutzer, die Heuchelei aber in Gestalt
eines Schulmeisters. Die Vorstellung, besonders das gedachte Fest¬
spiel, wurde sehr günstig ausgenommen und Schuch erhielt wahr¬
scheinlich in Folge dessen sofort die erbetene Zulassung für die
Herbstmesse.
Aber der berühmte Hanswurst konnte von dieser Erlaubniss
keinen Gebrauch machen. Er erhielt einen Ruf vom Herzog von
225
Sachsen-Coburg-Gotha, den gerade damals zu Altenburg tagenden
Landtag mit seinen Schauspielen zu belustigen und durfte diesem
allerhöchsten Befehl um so weniger ausweichen, als er ein Sächsisches
Privilegium besass und von dem Herzog schon oft in seinen Bestre¬
bungen gefördert worden war.349
Um sich che ihm bisher zu Theil gewordene Gunst des Frank¬
furter Eathes zu erhalten, entschuldigte er in einem geschickt abge¬
fassten Schreiben sein Ausbleiben und erklärte sich in demselben
sogar bereit, wie er für billig halte, die Abgabe an das Rechneiamt
gerade so zu entrichten, als ob er wirklich während der Messe hier
gespielt hätte.
Der Rath lehnte begreiflicherweise dies Anerbieten ab, bewahrte
aber dem Principal Schuch sein Wohlwollen; denn er zog ihn am
12. Januar 1751 dem Wallerotty vor, der ebenfalls am selben Tage
um Zulassung für ehe Ostermesse eiugekommen war.350 Schuch
schrieb von Cassel aus, wo er den Winter über unter grossem Bei¬
fall gespielt hatte, der mittlerweile zum Königl. Polnischen und Kur-
Sächsischen wie auch Kur-Bayrischen Hof-Acteur ernannte Walle¬
rotty dagegen von München, wo er schon seit mehreren Monaten
zum grössten Gefallen der allerhöchsten Herrschaften seine beliebten
Stücke aufführte. W allerotty, der in Frankfurt keine Schulden zurück¬
gelassen hatte, scheint an seiner Aufnahme nicht im Geringsten
gezweifelt zu haben; denn er richtete später ein Schreiben an den
Rath, in welchem er in ziemlich erregtem Ton bedauerte, dass
ihm ein anderer Principal vorgezogen worden sei.
Durch den ausserordentlich starken Besuch seiues Theaters in
der Ostermesse 1751 ermuthigt, kam Schuch zu einem Entschluss,
dessen weitgehende Bedeutung ihm ein unauslöschliches Andenken
in den Annalen des Frankfurter Theaters sichern wird. Er war
es, der zuerst beim Senate den Antrag auf Erbauung eines ständigen
Schauspielhauses stellte und diese Angelegenheit mit einem Eifer
betrieb, welcher die günstige Yermuthung aufkomm en lässt, als habe er
hierbei nicht allein in seinem eignen Interesse, sondern auch in der
Absicht gehandelt, der durch den ambulanten Zustand der Truppen
schwer leidenden Schauspielkunst ein festes Heim zu schaffen. Zu¬
gleich begehrte er für sich und seine Erben ein ausschliessliches
Privilegium für 10 Jahre und erbot sich als Entgelt eine entspre¬
chende Abgabe zu entrichten.351 Der Rath fasste den Antrag mit
Lebhaftigkeit auf und beauftragte am 11. Mai 1751 das städtische
Bauamt, einen Uebersclilag zu machen, wie viel die Einrichtung des
Komödienbaues in dem weissen Haus oder im Marstall (ersteres
stand auf der Stelle des heutigen Schauspielhauses, letzterer ungefähr
auf dem jetzigen Börsenplatz) etwa kosten würde. Dieser Auffor¬
derung gemäss reichte nun das städtische Bauamt einige Tage später
einen Anschlag ein, nach welchem der Bau eines vollständigen Ko¬
lo
226
mödienkauses, das am Marstall in Holzfachwerk aufgerichtet werden
könne, 1000 Tklr. kosten würde. Dieses Theater sollte Logen, Parterre,
Amphitheater und Paradies besitzen, seine sonstige innere Einrichtung,
die Dekorationen, die Verzierung der Logen und die Beleuchtung
aber von Schuch gestellt werden. Gegen eine regelmässige Abgabe
von 400 fl. für die Messzeit und etwa noch 14 Tage nach derselben
wollte man ihm und seinen Erben dann ein Privilegium auf 10 Jahre
erth eilen.
Das geringe Baukapital von 1000 Rtkl. liefert einen hinläng¬
lichen Beweis, dass es kein prächtiger Tempel werden konnte, in
welchem Thalia und Melpomene nach langem Aufenthalte in Bretter¬
buden ihre neue bessere Heimstätte finden sollten.
Nur ein den einfachsten Bedürfnissen entsprechendes Komödien¬
haus hätte für diese Summe hingestellt werden können, welches auch
nicht im entferntesten den am Ende des XVII. Jahrhunderts ur¬
sprünglich für die Oper errichteten und später vom Schauspiel ein¬
genommenen Gebäuden in Hamburg, Leipzig, Nürnberg und Augsburg-
gleich gekommen wäre.
Aber der Plan gelangte leider gar nicht zur Ausführung. Es
erhob sich alsbald eine durch einen grossen Theil der Bürgerschaft
unterstützte Opposition von Seiten des evangelisch-lutherischen Pre¬
digerministeriums, welche in einer von den 14 Geistlichen Unter¬
zeichneten Eingabe ihren beredten Ausdruck fand.
In dieser allerunterthänigsten Vorstellung erklärten die Geist¬
lichen, dass das Aufführen von Komödien Gott missfällig und dem
thätigen Christenthum schädlich sei. Man könne es ihnen daher
nicht missdeuten, wenn sie als geistliche von Gott eingesetzte W ächter
den Rath aus Pflicht gegen Gott und die weltliche Obrigkeit
der Stadt um Ablehnung des Gesuchs der Komödianten wegen Er¬
bauung eines ständigen Schauspielhauses ersuchten. Unter andern
ward auch ein lokaler Grund als Hülfsmittel zur Abwendung benutzt.
Man hob hervor, dass es dem Rath zu einem besonderen Vorwurf
gereichen werde, wenn man den Komödianten zu ihren Eitelkeiten
ein Versammlungshaus erbaue, während man den Reformirten schlech¬
terdings keine Kirche gestatten wolle und könne.
Schliesslich beantragte die Geistlichkeit, »ein Hochedler Rath
wolle für die Ehre Jesu und zum Besten des wahren Christenthums
den festen und beständigen Schluss fassen, künftighin auf keine Weise
einige Komödien- Arten hier mehr zu erlauben, und das zuversichtliche
Vertrauen zu Gott zu haben, dass, wenn auch hohe Vorbitten grosser
Pürsten und Herrn deswegen zu depreciren wären, dennoch Gott
solches nicht zum Schaden, sondern vielmehr zum Nutzen unserer
Stadt werde gereichen lassen«.352
Aber diese geistliche Philippica fand vorerst nicht die gewünschte
Berücksichtigung. Der Rath ertheilte dem Gesuch keineswegs einen
227
günstigen Bescheid, er verschob aber die Sache und zeigte dadurch
allerdings, dass er es mit den frommen Wächtern nicht gerne ver¬
derben wollte. Auch Franziskus Schuch betrieb die Angelegenheit
nicht weiter; jedenfalls hatte ihu die sehr bedeutende Messabgabe
und die sonstigen Bedingungen doch ein wenig zurückgeschreckt.
Die Bitte in dem Gesuch der Geistlichkeit, der Rath möge gar
keine Komödien-Arten in Frankfurt mehr gestatten, wurde von Seiten
desselben nicht weiter beachtet. Schuch spielte auch in den beiden
Messen 1752 in einer grossen Bude auf dem Rossmarkte und zwar
nach den Berichten der Oberpostamtszeitung und des Frankfurter
Journals unter einem solchen Zulauf von hohen Herrschaften und
geringem Publikum, dass sein Theater die Zuschauer kaum zu fassen
vermochte.
Um sich für das Wohlwollen des Rathes so viel als möglich
dankbar zu beweisen, führte Schuch am 20. April 1751 auf beson¬
deres Verlangen als Magistratskomödie das Trauerspiel »Mithridates«
mit einer nachfolgenden Hanswurstiade und einem vorangehenden
allegorischen Festspiel »Die vereinigte Tragödie und Comödie« von
Uhlich auf. Der Umstand, dass in dieser dramatischen Allegorie im
Streite der Tragödie mit der Comödie fast sämmtliche regelrechten
Trauerspiele und Komödien aufgezählt sind, die Schuch während
seiner in sieben Messen ausgeübten Kunstthätigkeit in Frankfurt zur
Darstellung brachte, veranlasst hier den Abdruck der ersten Scene
dieses von ihm sehr prächtig ausgestatteten Festspiels.
Seena I
Tragödie, Comödie.
Tragödie.
Schweig und erheb dich nicht, mir kömmt der Vorzug zu,
Ich nütz, erbau, belehr ; was aber fruchtest du ?
Comödie.
Frag nur die kluge Welt, die wird dir Antwort geben,
Denn in mir sieht der Mensch ein Bild' von seinem Leben.
Die Laster deck ich auf und mach sie lächerlich,
Die Thoren trifft mein Spott, sie bessern sich durch mich.
Tragödie.
Du strafst die itz’ge Welt und ich die vor’gen Zeiten;
Ich zeig der Alten Wuth, der Helden Muth im Streiten,
Der Untreu Schimpf und Lohn, der Fürsten Pflicht und Noth,
Der Bürger Schuld und Treu, der Frevler Fall und Tod.
Comödie.
Mein heller Spiegel zeigt den Menschen ihre Flecken,
Sie- sehn sie so genau, dass sie für sich erschrocken;
Ich strafe Stolz, Betrug, Hass, Dummheit, Sclnneicheley,
Gewinnsucht, Eigensinn, Geitz, Wahn und Heucheley.
15*
228
Tragödie.
Mein Cato weisst, wie man kann wahren Ruhm erwerben,
Denn, eh er schimpflich lebt, eh will er rühmlich sterben,
Was zeigt Alzire nicht für zärtlichen Bestand?
Wie rührt ihr Glaube nicht und ihr unglücklich Band !
Was kann Zayre nicht für gute Lehren geben,
Die bey der Zärtlichkeit das Christenthum erheben ?
Zeigt Iphigenia nicht von Gehorsam voll,
Wie seiner Eltern Wink ein Kind verehren soll.
Weisst nicht Cornelia, dass wir des Himmels Schlüssen,
Stets unterworfen sind und ihnen folgen müssen?
Wer sieht wohl unbewegt Chi menen s Leiden an.
Die den geliebten Feind nicht gnug bestrafen kann ?
Entwickelt Polyeuct nicht seines Herzens Triebe,
In dem so harten Kampf des Glaubens und der Liebe?
Was Mutter-Liebe kann, beweisst Meropens Muth,
Aus Neigung für den Sohn schont sie nicht Gunst noch Blut.
Muss man die Bürgertreu Timoleons nicht loben?
Er straft des Bruders Wutli und sein tyrannisch Toben.
Wer rühmt nicht im Canut desselben Gütigkeit,
Der, da er strafen kann, doch grossmuthsvoll verzeiht.
Wer wird Orestens Angst, Electerns Grimm nicht fühlen?
Wer siehet ungerührt den Tod des Cesars spielen?
Sind die Horazier, Banise, Mithridat
Und Brutus es nicht werth, dass man sie gerne hat ?
Kurz : jedes Trauerspiel zeigt eine grosse Tugend,
Und es beleidiget kein Alter, keine Jugend.
C o m ö d i e.
Stellt mein Ruhmrediger der eitlen Welt nicht klar,
Ein lächerliches Bild des grössten Thoren dar?
Wie mancher, der nichts ist, und dennoch viel will heissen,
Wird, wenn er ihn gesehn, zu bessern sich befleissen?
Wenn der Vorwitzige, die Unbesonnenheit,
Nach der verlohrnen Braut sehr, doch zu spät, bereut;
Lernt mancher sich daraus der strafbarn Neigung schämen,
Dass er gern eine Frau wird unprobiret nehmen.
Die Männerschule zeigt, dass man nicht allemal
Den Schönen trauen darf; indem der Guten Zahl
Sehr sparsam, leider! ist; sie suchen ihr Vergnügen
Oft in der schnöden Kunst, die Männer zu betrügen.
Sieht mancher Knicker nicht im Geitzigen sein Bild,
Dass er, wenn man sein lacht, auch auf sich selber schilt?
Dass er den Trieb verflucht, des Nächsten Glück zu stören,
Sein überflüssigs Gut dadurch nur zu vermehren?
229
Wenn ein verliebt Gespenst sich mit der Trommel zeigt,
Sieht man den Liebenden, sey jedes Wagstück leicht.
Wie lächerlich es steht, wenn Bürger sich erfrechen,
Und auf der Bierbank frev von Staat und Obern sprechen,
Weisst Hollberg’s Satir uns im Kannengiesser schön.
Kein Bürger kann so weit, als Hermann Breme gehn.
Dass in den Witwen oft kein Trieb zum Trauern wohne,
Zeigt die gleich wankende ephesische Matrone;
Zu schweigen, wie das Hertz ein Schäferspiel erfreut,
Das jene Welt uns weisst, in der nur Zärtlichkeit,
Kur Treu und Unschuld galt.
Tragödie.
Lass dir die Lust vergehen,
Dass du dich über mich willst prahlerisch erhöhen,
Mein Alter spricht bereits für mich und meinen Werth,
Ich habe schon das Yolk in Griechenland belehrt.
Comödie.
Gut ; aber bin wohl ich ihm unbekannt gewesen ?
Wird nicht Aristophan von Kennern noch gelesen?
Er und Men an der wies das Lustspiel in Atheen;
War nicht gantz Latien Terenz und Plautus schön?
Wie glücklich dämpften sie die schnöden Yorurtheile,
Der Schauplatz diene nicht zu eines Yolk es Heile?
Tragödie.
Was Aeschil, Sophocles, Euripides verricht,
Was Seneca gethan, vergisst man ewig nicht,
Wie manchen grossen Geist sah man in neuern Zeiten
In Frankreichs Schutz und Schoos mir Lied und Krantz bereiten.
Corneillens Stärk und Feur, Racinens Zärtlichkeit,
Yoltairens reicher Witz bey der Erhabenheit
Wird noch che späte Welt zu Keyd und Beyfall reitzen,
Koch tausend werden einst nach ihrem Ruhme geitzen.
Comödie.
Stellt mir die neure Zeit nicht auch Herolde dar?
Was mir mein Moliere für eine Zierde war,
Was Regnard, was Destouches, was Boisy geschrieben,
Hat dich schon oftermals zu Keid und Scham getrieben.
Tragödie.
Zeig mir in Deutschland wen, der was für dich gethan !
Doch Dichter, die durch mich berühmt sind, trift man an.
Timoleon, Canut und andre gute Stücke
Yerdienen, dass ich mich damit in Deutschland schmücke.
Comödie.
Was thut denn nicht für mich des fleiss’gen Gottsched Kiel,
Und mancher, dessen Werck auf Bühnen oft gefiel?
230
Mir hat auch Dänemark den grössten Geist gezeuget,
Und Hollberg weiss die Kunst, wie man die Laster beuget.
Tragödie.
Sieh, dort kömmt der Verstand; lass mit mir unsern Streit
Auf seinem Spruch beruhn.
Comödie.
Ich bin dazu bereit.353
In der zweiten Scene kommen der Verstand und die Unschuld
hinzu, welche den Zwist weder zu Gunsten der Komödie noch der
Tragödie entscheiden. Nachdem beide gegangen, tritt die falsche Staats¬
kunst auf, welche sich das Vertrauen von Tragödie und Komödie zu
erwerben sucht. Sie wird aber zurückgewiesen und bald darauf von
der wahren Staatskunst mit strafenden Worten als eine Feindin alles
Edlen zum Weggehen gedrängt. Diese rühmt nun in schmeichel¬
haften Worten das weise Regiment des Frankfurter Käthes und preist
die beiden Schwestern glücklich, die unter einem solchen »Ruder«
Schutz und Glück gefunden haben. Dann unternehmen noch
Schmeichelei und Wollust eine Versuchungsprobe, aber sie werden
von Tragödie und Komödie mit Hülfe des Verstandes, der Wahr¬
heit und der Unschuld glücklich besiegt und für immer aus dem
Gebiete Frankfurts verbannt.
Das Festspiel schliesst mit einem Glückwunsch auf die theuren
Gönner und macht durch eine Bemerkung noch auf eine weitere
Danksagungsrede aufmerksam, die eine Schauspielerin der Gesellschaft
am Schluss desselben zu halten beabsichtige.
Aehnliche allegorische Festspiele : »Der Tempel der schönen
Wissenschaften« und »Die Freyen Künste« wurden in den Magistrats¬
komödien während der Oster- und der Herbstmesse 1752 unter all¬
gemeinem Beifall der Zuschauer im Schuch 'sehen Theater auf dem
Rossmarkt zur Darstellung gebracht.
Unter den sieben vorliegenden Festspielen ist dasjenige vom
12. Mai 1751 hauptsächlich deshalb zum vollständigen Abdruck in
der Beilage VII ausgewählt, weil es speciell für Frankfurt geschrie¬
ben wurde und merklich auf die Erbauung eines Schauspielhauses
anspielt. Oder sollten die Verse keine tiefere Bedeutung haben:
»Drum helft der Bühne in hohen Gnaden,
Die auch ein Zweig vom Stamm der freyen Künste ist;
Sie bringt nie einem Staate Schaden,
Wenn man aus ihrem Thun nur stets das Beste liesst.«
Schuch kam vor der Ostermesse 1752 von Düsseldorf nach
Frankfurt,354 wo hauptsächlich seine Kinder in kleineren Stücken
und Balletten sehr gefallen hatten. Er führte sie in diesen Leistun¬
gen auch dem Frankfurter Publikum vor, dessen Sympathieen sich
die graziösen Kinder, drei Knaben und zwei Mädchen im Alter von
sieben bis vierzehn Jahren, im Fluge eroberten. Besonders gefielen
231
die kleinen Künstler in den beiden Stücken »Der Herr von Habe¬
nix« und »Die Geburt des Harlekin«. Ein Zettel dieser tollen, mehr¬
mals hier aufgeführten Harlekinade ist in dem in Beilage VIII
wiedergegebenen Schuch 'sehen Repertoire wortgetreu abgedruckt zu
finden.
Schuch hatte nach Schluss der drei letzten Messen jedesmal
noch zwei Wochen gespielt, diesmal, in der Herbstmesse 1752, dehnte
er seinen Aufenthalt noch um eine Woche länger aus. Er zahlte
während seiner siebenmaligen Kunstthätigkeit in Frankfurt messent-
lich 75 fl. und für jede Woche nach der Messe 15 fl. Diese Abgabe
blieb bis zum Ende der fünfziger Jahre auch für jede bessere Wander¬
truppe bestehen.
Ehe Schuch 1752 von Frankfurt abreiste, verschaffte er sich
noch die Erlaubniss für die Ostermesse des folgenden Jahres, machte
aber merkwürdigerweise keinen Gebrauch von derselben und ent¬
schuldigte auch nicht beim Rath sein Ausbleiben, was er, wie an einer
anderen Stelle erwähnt wurde, früher in gleichem Falle gethan hatte.
Ob der sonst so beliebte Principal hierdurch die Gunst
seiner ehemaligen Gönner verscherzt hatte oder ob es die immer
drohenderen Gewitterwolken am politischen Horizont waren, die
den Rath ernst stimmen mussten : Schuch, der 1756 von Hamburg
aus um Zulassung für die Herbstmesse bat, erhielt einen abschlägi¬
gen Bescheid, und zwar mit dem unangenehmen Zusatz, dass man
gar kein weiteres Memoriale von ihm annehmen werde.355
Seit diesem strengen Rathsbeschluss taucht der Name Franzis-
cus Schuch nur noch einmal in den auf die Geschichte der Frank¬
furter Schaubühne bezüglichen Akten auf. Es war dies vor der
Herbstmesse 1758, in welchem kriegerischen Jahre die Väter der
Stadt überhaupt keine Komödianten annahmen. Gestützt auf seinen
guten Namen und künstlerischen Ruhm in Frankfurt, hoffte Schuch,
dass man trotz des ausgebrochenen Krieges an keine Zurückweisung
denken und eine Ausnahme mit ihm machen werde. Er irrte sich
jedoch, der Rath nahm keine Rücksicht darauf, dass er Frankfurt
allen andern Orten vorziehen wollte, die ihm Anerbietungen gemacht
hatten, blieb vielmehr bei dem einmal gefassten Beschluss und
theilte ihm zu dem abschlägigen Bescheid noch mit, dass man in
Zukunft seine Eingaben nicht mehr berücksichtigen könne und
wolle. 356
Wie so mancher seiner Vorgänger und Nachfolger, so musste
auch Schuch neuen Kräften weichen und den Schutz der lachenden
Muse in Frankfurt einem anderen fahrenden Wanderprincipal über¬
lassen. Auf dem Höhepunkt seines Lebens und Strebens hatte
Schuch erfolgreich in Frankfurt gewirkt; nachher trat er nur
noch in Norddeutschland, hauptsächlich in Berlin, auf, wo er seit
232
1754 mit kurzen Unterbrechungen ausschliesslich spielte und mit
Hülfe des berühmten Tanzmeisters Carioni in seinen Vorstellungen
die Ballette mit den Komödien verband.
II.
Die unmittelbaren Nachfolger Schuch’s in Frankfurt waren in
der Ostermesse 1753 zwei berühmte und berüchtigte Italiener: Do-
minico Bassi und Gervasio Sillani, welche durch ein höchst günsti¬
ges Zeugniss des Kurfürsten von der Pfalz nach mehrmaligem
Petitioniren schliesslich vom Rathe angenommen wurden. 35 7 Die
Hauptfertigkeit dieser fremden Principale bestand, um ihre eignen
Bezeichnungen zu gebrauchen, »in kleinen Bourletteh a uso Panto¬
mime, Operetten in Musica und köstlichem Feuerwerk«. Sie gaben
an, dass sie durch die vollkommene Ausführung dieser Künste sich
den reichsten Beifall der Kaiserlichen Majestäten in Wien, des
Königs von Preussen und vor ihrer Ankunft in Frankfurt auch des
Kurfürsten von der Pfalz erworben, an dessen Hof sie sieben
Monate lang »unter allerhöchstem und starken applause aufgewartet«
hätten.358
Trotzdem ihre Burlesken in einer dem grössten Theile des
hiesigen Publikums unbekannten Sprache gegeben wurden und ihre
dargestellten Pantomimen oft nichts weniger als eine unschuldige
Bedeutung hatten, erfreuten sich die Vorstellungen der Italiener
gerade von Seiten der vornehmen Frankfurter und vieler hier an¬
wesender Fremden eines so starken Besuches , dass Bassi und
Sillani nach dem Schlüsse der Oster- und der Herbstmesse jedesmal
für gut fanden, noch um zwei Wochen Verlängerung einzukommen.
Die besondere Vorliebe der höheren Kreise für derartige Künste
der südlichen Wandervögel ist ein eigenthtimlieher, aber verhängnis¬
voller Zug des sogenannten philosophischen Jahrhunderts gewesen.
Man begeisterte sich nicht allein in einer uns jetzt unbegreiflichen
Weise für die noch in anderen, gefährlicheren Künsten erfahrenen
Italiener, man verkleidete sich sogar selbst, um scenische Tänze auf-
zuführen und im Gewände arkadischer Schäfer desto leichter galante
Abenteuer bestehen zu können.
Italienische Abenteurer, Magiker, Goldköche, Astrologen, Nekro¬
manten, W undärzte und Schwarzkünstler waren es nicht allein, welche
seit dem Beginne des X VIII. Jahrhunderts glänzende Rollen diesseits
der Alpen spielten, auch die südlichen Jiingerinnen Terpsichorens
wussten sich Bedeutung zu verschaffen und der verhängnisvollen
Maitressenwirthschaft des vorigen Jahrhunderts einen neuen Auf¬
schwung zu verleihen.
Fast die meisten deutschen Höfe wissen von dem despotischen
Regiment einer solchen künstlerischen Dirne ein trauriges Kapitel
933 —
zu erzählen, deren mächtiger Einfluss sich nicht auf die Zerstörung
des Herzensglückes mancher edlen Fürstin und ihrer Familie be¬
schränkte. Von den Höhen des Lebens, von den Höfen der Fürsten,
brach sich der Strom der Entsittlichung Bahn in die Niederungen
der bürgerlichen Kreise und vernichtete manche guten Grundsätze alt¬
deutscher Sitte und patriarchalischer Ehrbarkeit.
Mit Recht sind deshalb die Wandertruppen jener italienischen
Principale in Deutschland von vielen Kulturhistorikern das Spiegel¬
bild der höheren geselligen Kreise des vorigen Jahrhunderts genannt
worden. Und dieser Spiegel war nicht derartig geschliffen, dass er
nur verzerrte Fratzen und wunderliche Uebertreib ungen sehen liess,
er war in der Tliat ein getreues Abbild des Lebens, ein Widerschein
alles dessen, was unter äusserlich schimmerndem Kleide seine niedri¬
gen, selbstsüchtigen Absichten verbarg.
Auch die Mitglieder der Truppe des Dominico Bassi und Ger-
vasio Siflani standen auf keiner höheren moralischen Stufe, als ihre
meisten zeitgenössischen Kollegen. Der berühmte Sittenmaler und
Abenteurer Jacob Casanova von Seingalt entwirft in seinen Denk¬
würdigkeiten 359 ein zutreffendes Bild von dem sittlichen Zustand
der Gesellschaft des Dominico Bassi in Augsburg im Jahre 1762,
welches auch ihre moralische und künstlerische Verfassung in den
beiden Frankfurter Messen des Jahres 1753 mit wahrhaft photo¬
graphischer Treue wiedergiebt.
Insoweit es möglich war, ist unter Beilage IX ein Auszug
aus dem Repertoire dieser Truppe veröffentlicht, welcher, Avie das
ebenfalls angeführte, vor der Magistratskomödie in der Ostermesse
1753 abgehaltene musikalische Vorspiel, weiteres Zeugniss ablegt für
den von den beiden italienischen Principalen selbst näher bezeich¬
nten Kunststandpunkt.
Da Dominico Bassi und Gervasio Sillani als italienische Panto¬
mimen und Harlekinadenspieler keine weitere Bedeutung für den
Entwicklungsgang der Schauspielkunst in Frankfurt haben konnten,
so mag hier die Wiedergabe der auf sie bezüglichen Schilderung
Casanova’s aus dem fahrenden Komödiantenleben des vorigen Jahr¬
hunderts unterbleiben, deren naturgetreue Malerei — die cynischen
Zuthaten natürlich ausgenommen — nur von Goethe in »Wilhelm
Meister« übertroffen wurde.
Die künstlerische Thätigkeit dieser italienischen Gesellschaft
und ihren demoralisirenden Einfluss in Frankfurt hatte die Tradition
schon am Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in ein
Gewebe von absichtlichen und unfreiwilligen Dichtungen verwickelt.
Mangelhafte Nachrichten jedoch gestatten es nicht, diese verschleier¬
ten Verhältnisse vollständig klarzustellen und verschiedene abenteuer¬
liche Berichte entschieden zu widerlegen, welche die Skandalchronik
234
der Stadt damals mit reichem Stoff versorgt und in verschiedenen
hiesigen Familien bedenkliche Zerwürfnisse herbeigeführt haben sollen.
Das Theaterjahr 1753 werde nicht ohne die Erwähnung eines
Ereignisses abgeschlossen, das den gewiss durch manche skandalösen
Vorfälle genährten Widerwillen der Geistlichkeit gegen die Komö¬
dianten in die grellste Beleuchtung zu stellen vermag. In kümmer¬
lichen Verhältnissen und geistesgestört starb in diesem Jahre der
früher zur Schuch'schen Gesellschaft gehörige Theaterdichter Adam
Gottfried Uldich in Frankfurt, nachdem er zuvor mit den Predigern
der Stadt, besonders mit dem Senior Starke, wegen Verweigerung
des heiligen Abendmahles in einen heftigen Streit gerathen war. Bei
dieser Gelegenheit schrieb er »Die Beichte eines christlichen Komö¬
dianten an Gott«, die zwar augenscheinlich nicht beachtet wurde,
aber doch kein geringes Theil dazu beigetragen haben mag, dass in
Zukunft, wenigstens nachweislich, keine Sakramentsverweigerung in
Frankfurt bei Komödianten oder sonstigen fahrenden Leuten mehr
vorkam. — Wie hatten sich die Zeiten für die bürgerliche Stellung
der Bühnenkünstler geändert, als Klinger seine ersten Dramen
schrieb, der ein Jahr vor dem Tode Uhlich’s in Frankfurt das Licht
der Welt erblickte !
In der Ostermesse 1754 waren nur Marionettenspieler hier, in
der Herbstmesse hingegen kam »auf Wunsch des Fürsten von Thurn
und Taxis sowie der gesammten gesandtschaftlichen Noblesse« eine
italienische Operisten-Gesellschaft unter Direktion von Girolami Boni,
auch Hieronymus Bony und Monsieur Bon genannt, von Regensburg
nach Frankfurt. 360
Die Sänger und Sängerinnen dieses ausländischen Wander-
principals standen auf einer bei weitem höheren künstlerischen und
sittlichen Stufe, als ihre meisten herum schweifen den Kollegen und
Kolleginnen. Boni selbst war ein trefflicher Virtuos und seine Frau
Carlotta eine in der neapolitanischen Schule des Alessandro Scarlatti
gebildete Sängerin, welche eine schöne Mezzosopran-Stimme besass
und die Partien der berühmten Faustina Hasse in Dresden sang.
Girolami Boni führte, wie sein unter Beilage X nicht ganz voll¬
ständig wiedergegebenes Repertoire bezeugt, hauptsächlich Opern von
den hervorragendsten Trägern der italienischen Musik in Deutsch¬
land, von Johann Adolf Hasse, dem Gatten der grossen Sängerin
und Lieblingsschüler Scarlatti’s, in Frankfurt auf.
In der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als die deutsche
Dichtung kaum die ersten Kinderlaute stammelte, als die bildende
Kunst mehr denn je in den Fesseln des französischen Zopfstyls lag,
hatte die Musik bereits durch das Dreigestirn Hasse, Bach und
Händel eine Höhe erreicht, welche ihre beiden Schwestern erst nach
harten Kämpfen erklimmen sollten. Vertraten die beiden letzteren
die urdeutsche, keinem fremden Einfluss unterliegende Richtung, so
235
war Hasse ein nationaler Nachbildner der italienischen Oper, der
seine fremden Muster nicht allein erreichte, sondern in vieler Hinsicht
sogar tibertraf. Die Kenner tadeln an den Hasse’schen Opern zwar
den Mangel an dramatischem Leben, an Tiefe und innerer Einheit,
aber sie rühmen noch vielmehr den Reichthum von sinnigen Melo¬
dien, die treffliche Instrumentirung und die einfache, aber fest durch¬
geführte Charakteristik, durch welche der grosse Dresdner Kapell¬
meister allen seinen dramatischen Schöpfungen ein fesselndes und
eigenartiges Gepräge zu geben verstand.
Die Aufführung Hasse’scher Opern war für die Frankfurter
Musikfreunde kein geringes Ereigniss. Trotz des hohen Eintritts¬
geldes (siehe den in Beilage Nr. X abgedruckten Zettel vom 10.
September 1754) strömte Alles in die Operistenhütte auf dem Ross¬
markte, deren leichter Aufbau gerade nicht für die Aufnahme so
vieler Menschen berechnet war.
Am 5. October 1754, als Boni sich kaum die Erlaubniss er¬
wirkt hatte, noch 3 Wochen spielen zu dürfen, stürzte während der
Aufführung der Oper »II Negligente« oder »Der gedankenlose Mensch«
ein Theil der Gallerie auf die Logen herab, wodurch verschiedene
Personen zwar nicht lebensgefährlich, aber doch nicht unerheblich
verletzt wurden.361
Heinrich Sebastian Hüsgen, geb. 1746, derselbe, der mit Göthe
zusammen Schreibunterricht nahm, berichtet über dieses Ereigniss in
seinem Buch, »Artistisches Magazin« - — bei Gelegenheit einer Beschrei¬
bung des neu errichteten Komödienhauses — im Jahre 1790 folgender-
massen :
»Aus den Zeiten meiner Jugend entsinne ich mich gar wohl
noch, dass an einem Samstag als man just spielete »Der Teufel ist
los« einige Logen einer solch bretternen Hütte eingestürzet, jüdische
Damens und christliche Herrn übereinander geporzelt, und dabei
allerlei Unglück und Spektakel vorgefallen sind. Meine abgelebten
Eltern wohnten gleich dabei, wir hörten das Geschrey und den Ler-
men, vermutheten aber, ehe wir näher unterrichtet waren, es gehöre
dieses zum Stück und lobten den Teufel vielmehr, dass er seine Rolle
so meisterhaft spielete.«
Dieser Yorfall soll recht zutreffend von Hüsgen geschildert
worden sein, nur irrte er sich in der Angabe des Stückes, dessen
Titel er wohl in der langen Zwischenzeit verwechselt haben mochte.
Die Operette, »Der Teufel ist los«, deren Text vom Dichter Weise
nach einem englischen Original bearbeitet und von Hiller in Musik
gesetzt wurde, ist später oft von anderen Wandertruppen, aber nicht
von dieser italienischen Künstlergesellschaft zur Darstellung gebracht
worden.
Boni, der seine Aufführungen wegen des Unglücksfalls sofort
einstellen und mit dem Abbruch der Hütte beginnen musste, suchte
236
sich dadurch einen Ersatz für deu gehabten Schaden zu verschaffen,
dass er um Erlaubniss zur Fortsetzung seiner Opern in einem be¬
liebigen Saal nachsuchte. Aber der Rath entsprach dieser Eingabe
nicht, er erliess hingegen dem Boni, und jedenfalls in Rücksicht auf
seinen Verlust, einen Theil des Standgeldes, so dass er für die Mess¬
zeit nur 45 fl. und für die 12 Tage nachher 15 fl. zu bezahlen
brauchte.
Wenn auch der unangenehme Vorfall höchst störend in seine
Wirksamkeit in Frankfurt eingriff, so war doch Boni mit dem Er-
gebniss dieses ersten hiesigen Aufenthaltes sehr zufrieden. Er erklärte
dies dem Rathe in einem Dankschreiben vom 8. October 1754, in
welchem er zugleich versicherte, dass er nach seiner Rückkunft in
Regensburg dem Fürsten von Thurn und Taxis sogleich rühmlichst
anmelden wolle, wie wohl er von dem hochedlen Rath und hiesigen
Publikum aufgenommen worden sei.362
Anfangs März 1755 kam Boni von Regensburg aus wieder um
die Zulassung für die Ostermesse ein. Er erbot sich in seinem
Schreiben, zur Verhütung aller störenden Unfälle anstatt in einer
bretternen Hütte in einem Saal spielen zu wollen und rühmte gleich¬
zeitig wieder die eingehende Kenntniss und den guten Geschmack
der Frankfurter, welche »seinen musikalisch-dramatischen Vorstellun¬
gen stets einen besonderen Sporn zur Vervollkommung gegeben
hätten.«363
Boni erhielt in Bezug auf seine Hauptbitte einen günstigen
Bescheid, aber in einem Saal durfte er sein Theater nicht aufschlagen.
Er musste wieder in einer Hütte auf dem Rossmarkt spielen und
dieselbe zur Verhütung von Unglück unter Aufsicht des städtischen
Bauamts errichten lassen.364 Trotz dieser Vorsich tsmassregel fehlte
dem Publikum doch am Beginne der Vorstellungen der rechte Muth,
sich in dem bretternen Musentempel Boni’s einer Lebensgefahr aus¬
zusetzen. Erst nach und nach überwanden die vortrefflichen musi¬
kalischen Leistungen der italienischen Operisten die geheime Furcht
vor der Wiederholung eines störenden Vorfalls wie im vergangenen
Jahre. Allmählich bezeigten die hohen Herrschaften wieder ihre alte
Theilnahme, die Logen füllten sich bis auf den letzten Raum und
auch die volle Besetzung der übrigen Plätze zeugte für die ausser¬
ordentliche Theilnahme, welche auch das geringere Frankfurter Pu¬
blikum für musikalische Meisterwerke an den Tag legte.
Um die italienische Oper leichter besuchen zu können, wünschte
der Kaiserliche Gesandte, Graf von Pergen, dass dieselbe im Saale
des Gasthofs zum König von England abgehalten werden möchte.
Der Besitzer dieser Lokalität, ein Rittmeister Breitenbach, kam des¬
halb unter Zusicherung aller Vorsichtsmassregeln am 20. März 1755
um Gewährung dieses Wunsches ein, erhielt aber wegen der mit
den Vorstellungen verbundenen Feuersgefahr einen abschläglichen Be-
237
scheid.365 Ein anderer von dem Grafen von Pergen von Bassenheim
selbst gestellter Antrag, auf achttägige Verlängerung des Termins der
Operisten und Herabsetzung des bestimmten Standgeldes, wurde vom
Rathe am ersten Mai 1755 ohne weiteres bewilligt. Der gleichzeitig
aus denselben Gründen petitionirende Boni durfte noch acht Tage
länger spielen und brauchte mit Einschluss der Messzeit der Stadt
im Ganzen nur 87 J/2 fl. Abgabe dafür zu entrichten.366
Eigentümlich ist es, dass Boni, dessen musikalische Kräfte
doch so Vortreffliches leisteten, noch Equilibristenkünste mit. seinen
musikalisch-dramatischen Vorstellungen verband. Er huldigte damit
wohl einem mehrere Jahrhunderte alten Bedürfniss des gewöhnlicheren
Publikums, für welches derartige akrobatische Künste seit den Zeiten
der englischen Komödianten in Frankfurt stets eine lockende Zuthat
gewesen waren.
Zur Truppe Boni’s gehörte ein berühmter englischer Jongleur,
der in seiner Art ebenso bewundernswerth war, wie die Sänger und
Sängerinnen, deren Leistungen nach der Meinung des Rittmeisters
Breitenbach noch niemals ihres Gleichen in Frankfurt gefunden hatten.
Ein gutes Zeugniss für die moralische Haltung der Truppe
Boni’s ist wohl der Umstand, dass die Tradition mit ihrem Aufent¬
halt in Frankfurt keine pikanten und scandalösen Vorgänge in Ver¬
bindung brachte. Bei Gelegenheit einer späteren Besprechung über
Frankfurter Schaubühnen in früherem Jahren36 7 geschieht nur ein¬
mal der Principalin der italienischen Operisten von 1755, also der
Signora Carlotta Boni, Erwähnung, die, wie ihre berühmtere Kollegin
Faustina Hasse, nicht nur durch ihre Kunstleistungen, sondern auch
durch ihre majestätische und schöne Erscheinung die zahlreichen
hiesigen Liebhaber der Opern des Kapellmeisters Hasse zu entzücken
wusste.
Neben den musikalisch dramatischen Werken dieses hochange¬
sehenen Meisters gefiel in Frankfurt noch besonders Pergoleses Inter¬
mezzo »La serva padrona«, welches wegen seiner allgemeinen Beliebt¬
heit auch im Jahre 1756 von einem durchreisenden Direktor musi¬
kalisch-italienischer Schauspiele, Vignany, am 12. September im
Schärfischen Saal auf dem Liebfrauenberge gegeben wurde.
Anfangs Juli 1755 wurden vom Ratli für die Herbstmesse
Dominico Bassi und Gervasio Sillani und der in Frankfurt durch
seine öftere Wirksamkeit bekannte Direktor der Kurbayrischen Hof¬
akteurs Franz Gervaldi von Wallerotty angenommen.368 Der Letz¬
tere petitionirte von Nürnberg aus, wo, wie er sich ausdrückte, seine
»onärgerlichen mit Ballet und Sängereien ausgarnirten Haupt- und
Staatsaktionen mit noch nie dagewesenem plaisir angeschaut worden
waren«.
Als die Herbstmesse herannahte, forderte der Rath den Walle¬
rotty auf, dass er sich mit den Italienern vereinigen und abwechs-
238
lungsweise mit ihnen in einer vor allem etwaigen Einsturz zu be¬
wahrenden Hütte spielen möge. — Gegen die Ausführung dieses
Vorschlags legte aber Wallerotty dem Rath sofort eine von den
schlagendsten Gründen unterstützte Einsprache vor.369 Er erinnerte
daran, dass jede Nation, geschweige denn jede Schauspielertruppe,
eine von der anderen sehr abweichende Eigenart besitze, dass es schon
durch die verschiedenen Sprachen bei dem öfters nöthigen Ausräu¬
men der Bühne zu Thätlichkeiten zwischen den sich nicht verstehen¬
den beiderseitigen Schauspielern und Bedienten kommen könne.
Hierauf spricht er von der Eeuersgefahr, welche trotz der Vorsicht
der Principale durch die ganz verschiedenen Aufsehern anvertraute
Obhut über die vielen Lichter leicht entstehen könne und giebt die zu
geringe Einnahme von drei wöchentlichen Vorstellungen zu bedenken,
mit der er unmöglich bei einer so zahlreichen, eigens für den Frank¬
furter Aufenthalt verstärkten Compagnie ehrlich durchzukommen
vermöge. Schliesslich hebt er noch den Hauptgrund zu seinen
Gunsten hervor, dass es nämlich den Italienern gar nicht ernst mit
dem Kommen sei, da ihn deren Vertreter aufgesucht habe, um mit
ihm wegen etwaigen Verkaufs der vom Frankfurter Bathe für die
Herbstmesse erhaltenen Erlaubniss zu unterhandeln. Er sei aber in
Ansehung der grossen Gnade, die ihm ein Hochedler Rath stets er¬
wiesen hätte, keineswegs auf einen solchen ungebührlichen Vorschlag
eingegangen, habe vielmehr den Vertreter der italienischen Principale
zurückgewiesen und lieber, um auf alle Fälle in keine Schulden zu
gerathen, einem Wink des Kurfürsten von Mainz Folge geleistet, der
ihn von Nürnberg aus Ende Juni an seinen Hof nach Mainz berufen
hätte. Auf die schliesslich nochmals ausgesprochene Bitte Wallerotty ’s,
keine Theilung der Bühne mit den Italienern eingehen zu müssen,
wurde ihm denn ein günstiger Bescheid nach Mainz mit der Weisung
zu Theil, sein Theater auf dem Rossmarkt aufrichten zu lassen.
Den Italienern Bassi und Sillani scheint es aber in der That
kein Ernst mit ihrem Kommen gewesen zu sein. Sie blieben ohne
Entschuldigung von der Herbstmesse fort, und füllten, wie Walle¬
rotty sagte, »ihre Kasse gehörig an einem anderen Orte, wo für der¬
artige welsche Künste und welsche Art ein besserer Acker -wie in
der weltberühmten moralischen Stadt Frankfurt war«.
Dass Wallerotty in dieser und in der Herbstmesse des folgen¬
den Jahres seine Direktion in der alten bekannten Weise fortführte,
bezeugen die als Beilage Nr. XI mitgetheilten Theaterzettel und ver¬
schiedene sonstige Quellennachrichten. Sein hauptsächlichstes Genre
war und blieb die Haupt- und Staatsaktion, in deren tollen Darstel¬
lungen er, um seine eignen Worte zu gebrauchen, »von keinem Vor¬
gänger und, wie sicher und bestimmt, auch von keinem späteren
Nachfolger übertroffen werden konnte«.
Welcher grossen Beliebtheit sich aber in jener Zeit noch diese
239
Stücke bei Hoch und Niedrig- erfreuten, das geht aus den Thatsachen
hervor, dass Wallerotty 1755 noch 4 Wochen nach dem Schluss der
Messe spielte und selbst im folgenden Jahre, in welchem der Rath
wegen Ausbruchs des siebenjährigen Krieges »alle sonstigen Spec-
takel« für die Messen zurückwies, auf mehrmalige Fürsprache der
damals hier weilenden Herzogin von Meiningen am 1. September
1756 zugelassen wurde.37 0 Wallerotty spielte wieder noch zwei
Wochen nach dem Schluss der Messe und kam dann nochmals um
Hinausschiebung des Termins ein, welches Begehren ihm aber trotz
der Verwendung des sich zu jener Zeit in Frankfurt aufhaltenden
Landgrafen von Hessen-Rothenburg-Rheinfels diesmal wegen der
kriegerischen Zeitverhältnisse abgeschlagen werden musste.371
Während dieser beiden letzten Aufenthalte in Frankfurt spielten
hauptsächlich Wallerotty ’s zweite Frau und seine jüngste Tochter
erster Ehe die hervorragen sten Rollen und genossen deshalb beim
Publikum das grösste Ansehen. Die Erstere glänzte als Sängerin
und als tragische Heldin, die Andere als Colombine und lustige Har-
lekinetta. Ein Theil der Truppe bestand auch diesmal wieder aus
Ballettänzern und Ballettänzerinnen, deren Kunstleistungen, wie früher
»in der ernsten Handlung eine angenehme Abwechslung bieten mussten.«
Das Ehepaar Ruth gehörte nicht mehr zu Wallerotty ’s Truppe,
statt dessen hatte dieser einen »neuen vortrefflichen Monsieur Scapin«
und ausser seiner Frau »noch eine andre Premiere Agentin, die eben¬
falls mit italienischen Arien aufwarten konnte«.
Der siebenjährige Krieg brachte andere dramatische Elemente
nach Frankfurt, so dass Wallerotty, der im folgenden Jahre wieder
am Hofe des Kurfürsten von Bayern in München spielte, zunächst
keine Aussicht hatte, in dieser früher von ihm so gerne besuchten
Stadt auftreten zu können. Als das kriegerische Unwetter wieder
vorübergezogen war, tauchten neue Sterne am Kunsthimmel Frank¬
furts auf, die durch ihren Glanz die alten verdunkelten und die Auf¬
merksamkeit der Theaterfreunde auf ihr Erscheinen hinlenkten.
Unter den in der Herbstmesse 1756 abgewiesenen besseren
Wanderprincipalen befand sich ausser Schuch auch der berühmte
Pantomimenspieler Sebastiani, der von Strassburg aus mit seiner aus
18 Kindern und 24 Balletpersonen bestehenden Gesellschaft nach
Frankfurt kommen wollte.37 2 Es ist mehrmals bestimmt berichtet
worden, dass Sebastiani in dieser und in der folgenden Herbstmesse
hier gespielt habe, welche Mittheilung nur in so fern nicht ganz un¬
richtig zu nennen ist, als ein Theil seiner Kinder (Siehe die der Bei¬
lage Nr. XII zugetheilten Theaterzettel) in der Herbstmesse 1757
einigemal im Ackermännischen Theater auf dem Rossmarkte panto¬
mimische Darstellungen gab.
Ehe die französische Schauspielkunst während eines Zeitraums
von mehreren Jahren mit Hülfe der politischen Zustände die Allein-
240
herrschaft über die Frankfurter Bühnen zu erlangen wusste, fand
im März 1757 eine deutsche Truppe hier Aufnahme,373 deren Wirk¬
samkeit in den beiden Messen dieses Jahres als ein Glanzpunkt in
der Frankfurter Theatergeschichte zu verzeichnen ist. Es war dies
die Ackermann’sche Gesellschaft, die wegen der in Sachsen herrschen¬
den kriegerischen Unruhen nicht länger in Leipzig spielen konnte
und, wie der Principal sicli ausdrückt, »nach Frankfurt ihre Zuflucht
nahm, wo stets die Schauspielkunst und alle schönen Wissenschaften
gütlichen Schutz und eine gesegnete Heimat gefunden hatten«.
Ackermann wurde aufs Beste durch den Herzog von Sachsen-
Meiningen empfohlen, der zuerst ein eigenhändiges Schreiben an den
Eath richtete und darauf noch einen in Frankfurt weilenden sächsi¬
schen Cavalier mit der abermaligen Fürbitte an den Herrn Bürger¬
meister Erasmus Karl Schlosser abschickte, dass man diesen treff¬
lichen Principal doch keinesfalls unerhört von Frankfurt wieder
abziehen lassen möge.
Nun erst erhielt Ackermann Erlaubniss, worauf er mit seiner
Truppe per Extrapost von Halle kam, wo der Beifall der dortigen
Musensöhne ihm eine grosse Einnahme verschafft hatte. Mit Bewilli¬
gung des städtischen Bauamtes errichtete er sofort eine grosse
Bude auf dem Eossmarkte und eröffnete am 12. April 1757 daselbst
seine Schaubühne mit der »Alzire«, dem »Scheeren schieifer« und einem
nachfolgenden Amerikanerballet.374 Eine der nächsten Vorstellungen
war »Der Kaufmann von London« von Georg Lillo, jenes unbedeu¬
tende, an dichterischem Gehalte arme Stück, das dennoch nicht
allein in der englischen, nein, auch in der deutschen Literatur’ ein
Bahnbrecher neuer dramatischer Eichtungen werden sollte.
Der jugendliche Lessing, durch che Lektüre dieses Werkes an¬
geregt, verfasste das bürgerliche Trauerspiel »Miss Sara Sampson«, in
welchem er kühn die verknöcherten konventionellen Eegeln der
französischen Eenaissancepoesie durchbrach und den ersten Schritt
auf jener ruhmreichen Bahn that, auf welcher er der Befreier von
fremdem Formenzwang und der Begründer der eigentlichen deutsch¬
dramatischen Poesie werden sollte.
Wenige Tage nach der Vorstellung des Dramas »Der Kauf¬
mann von London« wurde dem Frankfurter Publikum Gelegenheit
geboten, das verwandte englische Stück mit dem deutschen Trauer¬
spiel zu vergleichen. Ackermann führte am 27. April 1759 »Miss
Sara Sampson« zum ersten Mal in Frankfurt auf, welche Vorstellung
einen derartigen Erfolg erzielte, dass sie am 4. Mai wiederholt wer¬
den musste.
Ein feiner Kenner des Schauspiels, der die denkwürdigen Vor¬
stellungen des »Kaufmanns von London« und der »Miss Sara Samp¬
son« in dem bretternen Theater der Ackermann ’schen Gesellschaft
mitansah, musste sofort die Entdeckung machen, dass das deutsche
241
Trauerspiel sein englisches Vorbild bei weitem überragte. Hier die
nüchterne Geschichte eines jungen Kaufmanns, der in die Schlingen
einer Buhlerin fällt und auf ihr Anstiften nach verschiedenen anderen
Missethaten seinen Oheim ermordet, dort ein lebenswahres, an feinen
psychologischen Zügen reiches Familiengemälde, desseu weniger ge¬
lungene Stellen gegenüber der principiellen Bedeutung des Werkes
und der charaktervollen Bestimmtheit der Zeichnung gar nicht mehr
in Betracht kommen.
Hätte der Principal Konrad Ackermann nichts weiter in Frank¬
furt gethan, als dieses erste bedeutende dramatische Werk Lessing’s
zur Aufführung gebracht, sein Name würde dadurch schon eine
bleibende und rühmliche Stätte in der Entwicklungsgeschichte des Frank¬
furter Theaters gefunden haben. Aber Ackermann that mehr ; er führte
auch Lessing’s Erstlingswerke »Der junge Gelehrte« und »Der Frei¬
geist«, ferner von Geliert »Die Scheinheiligen« und »Die Betschwester«
auf und hielt unter den auf seiner Bühne darzustellenden Werken
der französischen Dramatiker eine sorgfältige Auslese. Der heimi¬
schen Literatur gönnte er, so weit es möglich war, den hervor¬
ragendsten Platz in seinem Repertoire; erst in zweiter Linie kamen
die französischen Tragödien und Komödien, welche er stets in der für
die beste bekannten Uebersetzung zur Darstellung brachte.
Ackermann verschaffte sich nach dem Schluss der Ostermesse
die Erlaubniss, noch zwei Wochen länger Vorstellungen geben zu
dürfen ; er spielte also vom 12. April bis zum 25. Mai, während
welcher Zeit er sechsunddreissig Aufführungen veranstaltete, für
die er eine Summe von 1725 Thalern einnahm.375 Nach Abzug-
aller Unkosten war dies ein finanzielles Resultat, welches auch nicht
im entferntesten den Einnahmen Schuch’s gleichkam, aber es setzte
Ackermann doch wenigstens in den Stand, seine Gläubiger befriedi¬
gen und als ehrlicher Mann von hier nach Strassburg reisen zu
können.
Wie eine feine Anspielung auf den mässigen Besuch seines
Theaters in der reichen Handelsstadt Frankfurt erscheint in der
Schlussvorstellung die Aufführung des Vorspiels »Der täuschende
Vertumnus«, in welchem dieser Gott der Gartenfrüchte die harrenden
Schäfer über eine erwartete gute Ernte täuscht.
Aber Ackermann kehrte trotz der mässigen Einnahmen zur
Herbstmesse nach Frankfurt zurück. Er spielte diesmal vom 2. Sep¬
tember bis 15. October, also wieder noch zwei Wochen nach Schluss
der Messe, nahm aber für dreissig Vorstellungen nur 1345 Tlialer
ein. Er begann mit »Zaire« und einem nachfolgenden Türkenballet
und schloss mit dem von der Frau Professor Gottsched in Leipzig
übersetzten Stück »Der poetische Dorfjunker« und einem darauf
folgenden Kinderballet.
Da das von der Frau Professor Gottsched in Leipzig übersetzte,
IG
242
in der That sehr gelungene Lustspiel des Destouches zu den Lieb¬
lingsstücken des hiesigen Publikums gehörte und deshalb später von
fast allen in Frankfurt spielenden Wandertruppen gegeben wurde,
so dürfte hier eine kurze Inhaltsangabe desselben nicht ganz über¬
flüssig erscheinen.
Henriette, die älteste Tochter eines Herrn von Altholz, war
bei ihrer Tante in einer Residenz am Hofe erzogen worden und an
den Umgang der feingebildetsten und scharfsinnigsten Hofleute ge¬
wöhnt. Ehe man Henriette wieder nach Hause zurückberief, hatte
sie sich bereits mit einem angesehenen Obristen von Treuendorf ver¬
lobt, welches Bündniss aber von ihren Eltern nicht gebilligt wurde,
weil dieselben ihre Tochter bereits einem Herrn von Masuren fest
zugesagt hatten. Dieser bestimmte Bräutigam besass nicht die ge¬
ringste Lebensart, er konnte nur einigermassen Yerse machen, worauf
er sich aber nicht wenig einbildete.
Da der Yermählungstag schon festgesetzt war, wusste sich
Henriette aus ihrer Noth nicht anders zu erretten, als entweder ihre
Person dem poetischen Dorfjunker recht verhasst zu machen oder,
falls dieses Vorhaben nicht gelingen würde, sich in ein Kloster zu
begeben. Allein so weit sollte es nicht kommen; denn mit Hülfe
von ein wenig Verstellungskunst gelang es ihr alsbald, den zuerst
gefassten Vorsatz glänzend durchzuführen. Henriette liess sich gleich
nach seiner Ankunft mit ihrem zugedachten Verlobten, dem poeti¬
schen Dorfjunker, in ein Gespräch ein, während dessen Verlauf sie
sich so dumm und unbeholfen anstellte, dass Masuren in der ersten
Entrüstung über ihre Albernheit den Ehekontrakt sofort auflöste.
Als dies geschehen war, zeigte sich Henriette wieder in ihrer
wahren Gestalt. Sie erhielt nun die Einwilligung ihrer Eltern zur
Vermählung mit dem Obristen von Treuendorf, der ihr bei der Abreise
aus der Residenz in einer Verkleidung nachgefolgt war und sich von
dem Herrn von Altholz als Gärtner hatte anstellen lassen. Masuren
aber musste zu spät erkennen, dass sein poetischer Witz doch nicht
hinreichte, um ihm ein ebenso schönes als liebenswürdiges junges
Mädchen zur Gattin zu gewinnen.
Der Umstand, dass Ackermann den poetischen Dorfjunker Ma¬
suren und die jugendliche, talentvolle Mad. Hensel die Henriette
spielte, hat gewiss viel dazu beigetragen, die Vorstellung dieses
heiteren Stückes gerade auf der Ackermann ’schen Bühne besonders
gelungen ausfallen zu lassen.376
Am 7. October 1757 gab Ackermann eine Komödie zu Ehren
des Raths, in welcher ein allegorisches Vorspiel und »Merope« von
Voltaire aufgeführt und die folgende, von der Principalin Sophie
Charlotte Ackermann verfasste Dankrede von der bereits erwähnten
Frau Hensel gesprochen wurde:
243
Yater und Stützen des Staats, der sich seit Seiden erhalten
Und bis an’s Ende der Welten wird blüh’n,
Wo das geheiligte Recht die würdigsten Männer verwalten,
Die sich um’s Glücke des Staates bemüh’n:
Allhier erkennet man den Werth einer gereinigten Bühne,
Wo sich bald Schrecken, bald Mitleid erregt,
Wo man das Sittliche lehrt und oft mit lachender Miene
Laster verspottet, sie züchtigt und schlägt.
Griechenland schätzte sie schon, Rom brachte sie vollends zum Flore
Frankreich erhob sie durch Aufwand und Fleiss,
Selbst der Chineser neigt sich zu ihr mit willigem Ohre,
Folgt ihren Lehren und singt ihren Preis.
Teutschland, das sich mit Muth Wahne und Dünkel entzogen,
D’rein es che Blindheit der Zeiten gebracht,
Yon dem gewaltigen Zuge kluger Exempel bewogen,
Zog sie nach solchen aus Tollsinn und Nacht.
Aber was braucht es hier Schauspiel und Bühne zu preisen,
Wo man sie schätzet, dieweil sie erfreu'n,
Und den verdorbensten oft Wege voll Sicherheit zeigen,
Glücklich und ruhig im Leben zu sein.
Statt ihres Preises soll heut, — Yäter! — nur Euer erschallen,
Freude und Dankbegier füllen sie an ;
Da auch ihr lernender Fleiss gütig und huldreich gefallen,
Weil er vor Eifer sein Bestes gethan.
Lebet für Eure Huld, die ihr auch Fremden gewehret,
Allzeit in Segen, Ruh’ und Gedeih’n,
Tausende flehen dafür, was sonst das Glück verzehret,
Müsse in Frankfurt zur Kümmerniss sein !
Wenn sich der schreckliche Krieg anderwärts grausam bezeiget,
Sei hier des Friedens befestigter Platz.
Wird uns in Zukunft die Gunst von Euch noch zugeneiget,
Ist uns dieselbe der kostbarste Schatz.
Ist diese poetische Dankrede auch nichts weniger als schwung¬
voll zu nennen, zeigt sie auch manche Inkorrektheiten im rythmi¬
schen Aufbau, so giebt sie doch einestheils ein Zeugniss für das
klare Kunstverständnis der Verfasserin und anderntheils einen neuen
Beleg für die mannigfaltigen Huldigungen, durch welche die Komö¬
dianten sich die Gunst des Frankfurter Ratlies zu erwerben und
auch dauernd zu erhalten suchten.
Obgleich die Ackermann’sche Gesellschaft sich 1757 noch nicht auf
der Hohe befand, wie kaum ein Decennium später in Hamburg, wo
]6*
244
sie einen Eckhof, den genialen Borchers und die gerade auf dem
Gipfel ihres künstlerischen Wirkens stehende Hensel zu Mitgliedern
zählte, so ist sie doch wegen ihrer Förderung der deutsch-dramati¬
schen Literatur und dem Anstreben besserer Ziele bei weitem die
bedeutendste Wandertruppe, die seit dem Abzug der Neuberin ihre
Bühne in Frankfurt aufschlagen durfte.
Ackermann, welcher dem Ballet noch eine besondere Pflege
widmete und keine Vorstellung — selbst die der »Miss Sara Sampson«
nicht — ohne eine Pantomime oder einen scenischen Tanz vorüber¬
gehen Hess , Ackermann befolgte also keineswegs das ausschliessliche
strenge Prinzip der Neuberin, aber dem Harlekin gestattete auch er
nur sehr beschränkte Beeilte. Er trat wohl noch hie und da einmal,
hauptsächlich in den Balleten, in dem bekannten, mit bunten Lappen
besetzten Gewand auf, seine unzeitige Einmischung jedoch in die
ernsten oder heiteren Stücke war auch für das Ackermann ’sche
Theater ein längst überwundener Standpunkt.
Der Umstand, dass im Jahre 1757 »Miss Sara Sampson«, »Al-
zire«, »Melanide«, »Cenie« und alle jugendlich dramatischen Partien
von der genialen Frau Hensel, späteren Seyler, dargestellt wurden,
verschaffte den genannten Stücken in Frankfurt eine ganz besondere
Bedeutung. Ueberhaupt war die Besetzung der Bollen bei hervor¬
ragenden Trauer-, Schau- und Lustspielen gerade während des hiesi¬
gen Aufenthalts der Truppe eine so vortreffliche, dass selbst der
strengste Kritiker nur UnwesentUches daran zu tadeln gefunden hätte.
In dem als Beilage XII insoweit als möglich mitgetheilten Be-
pertoire Ackermann’s aus den beiden Messen 1757 ist der Zettel
zur Vorstellung der »Miss Sara Sampson« vom 4. Mai 1757 nach
dem damaligen Personalbestand der Ackermann ’schen Gesellschaft
und nach sonstigen literarhistorischen Belegen mit der Namensangabe
der verschiedenen Bollenvertreter versehen worden.
Dass Frau Ackermann hier nicht, wie in anderen Städten,
Mellefont’s Liebste, die Marvood, spielte, hatte seinen Grund in ihrer
unmittelbar bevorstehenden Niederkunft. Während des Aufenthaltes
der Gesellschaft in Strassburg, wohin sie sich bekanntlich von Frank¬
furt aus begab, wurde die spätere Zierde des Hamburger Theaters,
die viel bewunderte Charlotte Ackermann, geboren, deren früher
Tod ihre kurze künstlerische Wirksamkeit mit einem verklärenden
Schimmer umkleidet hat.
Frau Ackermann kehrte nicht Anfangs September mit der
kaum zwölf Tage alten Charlotte zur Herbstmesse von Strassburg
nach Frankfurt zurück. Sie hielt sich noch einige Wochen im
Hause eines Doctor Belir auf und kam jedenfalls erst Anfangs Octo-
ber nach Frankfurt. Aus diesem Grunde kann sie unmögKck, wie
einige Male angenommen wurde, bei der dritten Aufführung von
245
»Miss Sara Sampson« den 23. September 1757 die Marvood gespielt
haben.
Auch Äckermann's genialer Stiefsohn Friedrich Ludwig Schrö¬
der, den irrthümliche Vermuthungen als Knaben bei der Truppe seiner
Eltern in Frankfurt thätig glaubten, gehörte damals ihrem Yerbande
noch nicht an. Als das Ehepaar Ackermann wegen der kriegerischen
Ereignisse das neu erbaute Komödienhaus in Königsberg verliess, war
Friedrich Ludwig Schröder daselbst zurückgeblieben und nach einem
kurzen Aufenthalt auf dem Collegium Friedericianum zu einer Seil¬
tänzergesellschaft übergetreten, bei der er sich während der Kunst-
thätigkeit der Ackermann’schen Gesellschaft in Frankfurt in den ersten
grotesken Sprüngen übte.377
Nachdem Frau Hensel am 12. September 1757 die Titelrolle in
der »Zaire« vor einem ausgewählten Publikum mit grossem Beifall
gespielt hatte, verliess sie che Ackermann’sche Truppe, um, wie es
in einem aus jener Zeit stammenden Bericht heisst, unter dem Scep-
ter der Frau Yenus einem neuen und erheblichen Glück entgegen
zu gehen.
Welche Anerkennung das Wirken der Ackermann’schen Truppe
in Frankfurt fand, lässt sich aus den angegebenen Thatsachen wohl
mit einiger Sicherheit schliessen, aber doch nicht mit Bestimmtheit
feststellen. Man hielt damals auch hier die Schaubühne noch nicht
für wichtig genug, um che verschiedenen Stücke und Leistungen
der einzelnen Darsteller einer öffentlichen Besprechung zu wür¬
digen. Auch hatten die Zeitungen gerade im Jahre 1757 so viele
Nachlichten vom Kriegsschauplätze, besonders von dem grossen
Preussenkönig, zu melden, dass der Schauspielkunst nur bei ganz
besonderen Anlässen und dann stets nur mit wenig Worten gedacht
werden konnte.
Was aber die Tagesblätter unterdessen, das suchten die Wander-
principale durch ihre oft mit ornamentalen Yerzierungen versehenen
Theaterzettel wieder auszugleichen. Ackermann verschmähte zwar
die Ausgabe grosser Plakate, aber er gab seinen Ankündigungen
eine besondere Bedeutung durch die interessanten Nachrichten über
che darzustellenden Stücke, auf welche wir bei den in der Beilage
Nr. XII abgedruckten Theaterzetteln besonders aufmerksam machen.
Ackermann stattete seine Yorstellungen nach dem Begriffe der
damaligen Zeit sehr prächtig aus, aber für die Kostümtreue fehlte
ihm der rechte Sinn. Wie die Neuberin, so hielt auch er noch immer
den Rokokostandpunkt fest, dessen Richtung ihm die meiste Gelegen¬
heit zu phantastischem Aufputz und zur Verwendung prunkhafter
Zuthaten bot. In der Inscenirung wurde er durch den in Frankfurt
später als Tanzlehrer thätigen Balletmeister Finsinger unterstützt,
welcher mit seiner Frau bis Ende des Jahres 1757 ebenfalls der
Ackermann’schen Gesellschaft angehörte.
246
Ein Jahr vor dem ersten Auftreten dieser berühmten Truppe
in Frankfurt erbaute der holländische Oberst Bender von Bienenthal
auf seinem Besitzthum zum Junghof einen für die damalige Zeit
ziemlich geräumigen Koncertsaal. Der weniger kunstsinnige als
spekulative Holländer ahnte bei diesem Unternehmen noch nicht,
dass sich derselbe einige Jahre später durch den Wechsel der Ver¬
hältnisse in einen Tempel Thaliens um wandeln würde. Im Vergleich
zu den roh gezimmerten Bretterbuden war dieser Saal allerdings eine
herrliche Lokalität. Er befand sich in dem etwas erhöhten Erdgeschoss
eines einstöckigen, länglich viereckigen Hauses, hatte dieselbe Form
und ringsum in einem Halbkreise eine Reihe einfacher Logen, zu
denen man über einige Stufen gelangen konnte. Vor den Logen war
das Parterre und über denselben eine der Breite der Logen ent¬
sprechende Gallerie. 3 7 8
In der Ackermann ’schen Bude auf dem Rossmarkte hatte sich
also das theaterliebende Publikum Frankfurts wenigstens für den
Verlauf der nächsten Jahre zum letzten Male dem Wind und Wetter
ausgesetzt und an den kalten Octobertagen des Jahres 1757 durch
alle möglichen Hülfsmittel, wie heisse Steine, Krüge und Wärm¬
flaschen, gegen den Zug der schneidenden Herbststürme geschützt.
Von den Höfen und öffentlichen Plätzen zog die Schauspielkunst
nun in geschützte Räume, in welchen sie aber noch nicht eigner
Herr war und ihr Gastrecht oft theuer erkaufen musste.
Die französische und deutsche Komödie von 1759
bis 1763 und ihr Einfluss auf den jungen Goethe.
i.
Wenn schon in der Entwicklung gewöhnlicher Menschen sich
die ursprünglichen Anlagen mit den mannigfaltigsten Eindrücken
und Einflüssen von aussen so innig verschmelzen, dass seihst der
Scharfblick des grössten Menschenkenners ihren beiderseitigen An-
theil an der Fortentwicklung eines Individuums nicht von einander
zu trennen vermag, wie viel mehr ist dies der Fall bei genialen
Geistern, deren Entfaltungsgeschichte oft die wunderbarsten Ver¬
schlingungen von angeborenem Verständniss und fördernden oder
hindernden Einwirkungen aufzuweisen hat.
Goethe erkannte sich gern, Avie Gervinus bezeichnend sagt, in
dem Wechselverhältniss der Einflüsse, in welchem sich mehr oder
minder jeder Mensch zu seiner Zeit und Umgebung befindet. Bis
in’s Endlose glaubte er die Quellen seiner Bildung verfolgen zu
können, so dass, wenn er alles zu sagen vermöchte, was er grossen
Vorgängern und Mitlebenden schuldig geworden, nicht viel Eignes
übrig bleiben würde. Mit dieser Behauptung ist Goethe freilich wohl
etwas zu weit gegangen, wenn es auch feststeht, dass seine glück¬
liche und durch die mannigfaltigsten Erlebnisse angeregte Jugendzeit
das Fundament seiner gesammten geistigen Entwicklung und dich¬
terischen Weltanschauung geworden ist.
Wir sind jetzt in der Geschichte des Frankfurter Theaters bei
einer Epoche angelangt, die in den planmässigen Unterricht des
noch nicht ganz zehnjährigen Goethe zwar eine bedeutende Störung
bringen, aber auf anderem Wege seinem Geiste eine Menge neuer
Begriffe und Anschauungen zuführen sollte. Den französischen Ko¬
mödianten war es Vorbehalten, die von der Grossmutter durch das
geschenkte Puppenspiel angeregte Neigung für das Theater in dem
Knaben Wolfgang nicht nur zu nähren, sondern auch zu steigern,
sein Verständniss für die Bühne zu erweitern und seine Erfindungs¬
und Darstellungsgabe im höchsten Grade anzuregen.
Kurz nachdem die Ackermann’sche Gesellschaft Frankfurt wie¬
der verlassen hatte, änderten sich die allgemeinen Verhältnisse nach
248
den Schlachten von Zorndorf, Hochkirch und Crefeld in auffallender
Weise. Die Nähe des Kriegsschauplatzes verscheuchte den patriarcha¬
lischen Frieden, in welchem sich die Stadt Frankfurt seit vielen
Jahren bis zum Ausbruch des siebenjährigen Krieges befand, und
beunruhigende Vorkomnisse aller Art Hessen den Wunsch nicht zur
Verwirklichung kommen, den Frau Ackermann in dem bereits er¬
wähnten, an den Rath gerichteten Abschiedsgedicht zum Ausdruck
gebracht hatte.
Teopliilus Döbbelin, derselbe, dessen Truppe noch nicht zehn
Jahre später durch die ersten und vortrefflichen Aufführungen von
Lessings »Minna von Barnhelm« eine hohe Bedeutung in der Ge¬
schichte des deutschen Theaters erlangen sollte, bewarb sich als Direktor
der Weimarischen Hofbiilme im Jahre 1758 mehrmals, aber vergebhch
um die Spielerlaubniss. Der um die Zukunft Frankfurts besorgte
Rath wollte eben in den Kriegszeiten keine Komödie gestatten, er
hatte sich mit, ernsteren Fragen zu beschäftigen und wies DöbbeKn
entschieden zurück, als dieser glaubte, durch wiederholte und drin¬
gende Bittschriften sein Begehren doch durchsetzen zu können.
Was viele Mitglieder des Rathes nach den letzten kriegerischen
Ereignissen des Jahres 1758 vorausgesehen hatten, das erfüllte sich
noch am Schlüsse dieses und am Beginne des folgenden Jahres. Es
gab fast täglich Durchmärsche von der Reichsarmee und den ver¬
bündeten Franzosen, welche Letzteren schon am 2. Januar 1759 die
Stadt besetzten.
Johann Wolfgang Goethe, der durch dieses Ereigniss so viel
anregenden Stoff für seine lebhafte Phantasie erhielt, schilderte später
im dritten Buche von Wahrheit und Dichtung die ersten Folgen des
Einzugs der Franzosen folgendermassen :
»Nun fehlte es von dem ersten Tage der Besitznehmung unsrer
Stadt, zumal Kindern und jungen lauten, nicht an immerwährender
Zerstreuung. Theater und Bälle, Paraden und Durchmärsche zogen
unsere Aufmerksamkeit hin und her. Die letztem besonders nahmen
immer zu, und das Soldatenleben schien uns ganz lustig und ver¬
gnüglich«.
Aber nicht durch die bunten Bilder des Kriegslebens sollte der
jugendliche Dichtergeist am meisten gefördert werden: die dramati¬
sche Kunst — wenn auch im fremden Gewände, erhielt — wie schon
gesagt, die Aufgabe, in jener Zeit diejenigen Saiten in seinem Gemüthe
anzuschlagen, die in seinem späteren Leben voller und immer voller
erklingen sollten.
Als die Franzosen in Frankfurt eingerückt waren, musste trotz
der kriegerischen Zeitverhältnisse für Amüsement, besonders für Thea¬
ter gesorgt werden. Die verschiedenen Mitglieder der französischen
Generalität wollten diesen Kunstgenuss nicht länger entbehren, und
249
vor allen war es der Prinz de Rohan, welcher sich beim Rathe um
die Zulassung einer Komödiantentruppe verwandte. Am 2. April
1759 richtete er, durch die Bitten des von ihm begünstigten Direk¬
tors einer italienischen Operettengesellschaft bestürmt, folgendes
Schreiben an den Rath :
»Yous m’obligerez, monsieur, de vouloir bien donner la per-
mission et accorder un en droit au nomme Garrigny, directeur de
Lopera Italien Bouffon; pour donner le spectacle pendant la foire;
je vous prie de m’accorder ce plaisir, moyennant qu’ils payeront
ce que vous jugerez ä propos. Soyez persuade de toute la consido-
ration possible avec laquelle je suis pour vous monsieur
Jules Hercules le Prince de Rohan.
ä Monsieur
Monsieur le Magistrat
de la ville libre et imperiale de Frankfort
ä Frankfort.« 3 9 7
Aber der Rath bewilligte das Gesuch des einflussreichen Prinzen
nicht, er besass vielmehr trotz des damaligen Ueberge wichts der Fran¬
zosen den Muth, unter einem Yorwande sein Begehren höflich ab¬
zulehnen. Gleich nachdem man den Brief des Prinzen in der Senats¬
sitzung verlesen hatte, wurde folgendes Antwortschreiben abgefasst
und durch den Kanzleiboten Kaiser in die Kanzlei des Prinzen
Rohan abgeschickt :
Memoire :
»Malgro le desir sincere que nous avons de temoigner ä s.
A. Mr. le Prince de Rohan l’attention, que nous avons pour ses
recommandations, la Situation dans laquelle nous nous trouvons, le
manque d’emplacemens necessaire pour ces sortes de spectacles, join-
tes ä d’autres raisons tres considerables ne nous permettent pas de
deferir au nomme Garrigny, directeur d’une opera comique Italien.
C’est ce qui nous fait supplier s. A. Mgr. le Prince de Rohan de
nous indiquer d’autres occasions plus favorables oü nous puissions
Lui temoigner le respect et les egards, que nous conservons pour
les recommandations d’un Seigneur de sa qualite.
Fait ä Frankfort le 3. April 1759«. 3 80
Diesmal war es dem Rath gelungen, ohne Yerstoss einem Lästi¬
gen Begehren auszuweichen, als aber einige Tage später der Herzog
von Broglio ähnliche Wünsche zum Ausdruck brachte, konnte aus
Rücksicht für den Oberbefehlshaber der französischen Armee an eine
verblümte Yerweigerung nicht mehr gedacht werden. Im Aufträge
des Herzogs von Broglio trug der im Yaterhause Goethes einquar-
tirte Königslieutenant, Monsieur de Thoranc (nicht wie bisher irr-
thümlich angenommen wurde »Thorane«) am 8. April dem Rathe
schriftlich folgende Bitte vor:
3^. •/Ha.'i-tV-K SA
Jv\ HtäVA
*v
250
»Jai l’honneur de prevenir Messieurs du Magistrat que Mr. le
duc de Broglio, approuve les arrangements que Mrs. Lot et Bersac
fairont pour etablir icy la troupe de comediens franqois qu’il a en-
gages ä yenir de Metz pour cela. Je prie les Messieurs de vouloir
bien accorder ä la dite troupe tous les secours dont eile a besoin et
favoriser leurs representations et leur etablissement
Thoranc.«381
In derselben Senatssitzung vom 9. April 1759 wurde auch eine
deutsche Eingabe der französischen Directeurs L'Hote und de Bersac
verlesen, deren Inhalt auf die Empfehlung des Herzogs von Broglio,
des Grafen Thoranc und des Generals de la Vasonne Bezug nahm
und zugleich die Absicht ausdrückte, falls das Gesuch genehmigt
würde, den Ivoncertsaal im Junghof für die französische Komödie
benutzen zu wollen.382 L’Hote und de Bersac erhielten sofort einen
günstigen Bescheid, und dem Lieutenant Anthoni, der dem Grafen
Thoranc von Seiten der Stadt Frankfurt als Adjutant beigegeben war,
wurde nach der Senatssitzung folgendes Schreiben zur persönlichen
Bestellung eingehändigt:
A Monsieur de Thoranc.
»A l’egard des Comediens on ne manquera pas de leur pro-
curer tous les secours dont on est capable, mais on supplie en meine
temps Mr. de Thoranc de vouloir bien se charger du soin de l’em-
placement ou endroit oü ils puissent faire leurs representations«.383
Als am anderen Tage die Besitzerin des Junghofes, Frau Ma¬
rianne von Bienenthal geb. von Malapert im Namen ihres abwesen¬
den Mannes um die Erlaubniss einkam, ihren Konzertsaal den fran¬
zösischen Komödianten überlassen zu dürfen, wurde ihr dieselbe
gegen den sonst streng eingehaltenen Grundsatz des Rathes, theatra¬
lische Vorstellungen wegen der Feuersgefahr nur noch in eigens dazu
erbauten Bretterbuden dulden zu wollen, durch den Einfluss des
Königslieutenants de Thoranc sofort ertheilt, jedoch dem Rechneiamte
die Festsetzung einer Abgabe Vorbehalten.384
Die beiden Entrepreneurs der französischen Komödie begannen
nach diesem Bescheid sofort mit dem Aufschlagen ihrer Bühne und
beriefen ihre Truppe von Metz nach Frankfurt, Am 20. April waren
denn auch alle Vorbereitungen so weit gediehen, dass L’Hote und
de Bersac dem Grafen Thoranc die in einigen Tagen bevorstehende
Eröffnung der französischen Komödie anzeigen konnten. Gleich nach
dieser Meldung beorderte der Königslieutenant seinen Adjutanten
Anthoni mit der persönlichen Uebermittlung des folgenden Schreibens
an den Rath:
»J’ay l’honneur de prevenir Messieurs du Magistrat, que la
troupe de comediens franyois, qui doit arriver de Metz, commencera
ses representations dimanche prochain, et continuera tant que les
circonstances le demanderont ; je les prie de vouloir bien faire pre-
251
venir les bourgeois et autres, qui jouiront du spectacle de n’apporter
aucun trouble aux representations ; j’aurais attention ä maintenir l’or-
dre et la plus exacte discipline dans cette troupe et ä empecher tout
ce qui pourroit occasionner le moindre dereglement ou desordre. S’il
vient a leur connoissance quelque chose qui puisse blesser ou con-
trarier les usages et regles qu’on a coutume de suivre dans la ville
a l'occasion des spectacles publics je les prie de m’informer pour que
j’y apporte un remede prompt et efticace.
Francfort le 20. Avril 1759. Thoranc.«385
Wie auch aus dem Schluss dieses Briefes hervorgeht, besass
der geschichtliche Königslieutenant in der That jenen Zug edler Rück¬
sicht für bestehende Zustände, mit welchem Goethe sein Charakterbild
in Wahrheit und Dichtung so fesselnd auszustatten wusste. Ueber-
haupt giebt ein Einblick in die bezüglichen, im Besitz des hiesigen
Stadtarchivs befindlichen Actenstücke die zweifellose Gewissheit, dass
Goethe das liebevoll ausgeführte Portrait Thoranc’s keineswegs zu sehr
idealisirte, sondern, einige kleine Ausschmückungen ausgenommen,
ganz genau und getreu nach dem Leben entworfen hat.
Der Königslieutenant Thoranc war ein würdiger, gerechter, un¬
bestechlicher Mann, dessen schneidige Entschiedenheit durch die feine
und elegante Form ihrer Aeusserung nie verletzend wirken konnte.
Er besass alle Vorzüge eines hochgebildeten und geistreichen Fran¬
zosen und vereinigte dieselben mit soldatischer Biederkeit und einen
mitunter bewundernswerthen Scharfblick für die verschiedensten Vor¬
kommnisse. Auch der seltsame Zug von Hypochondrie, den Goethe
in dem Portrait des Königslieutenants zu einer charakteristischen
Grundlinie ausbildete, scheint nicht ganz ohne thatsächlichen Anhalt
gewesen zu sein. Der Adjutant Anthoni berichtete einmal den Vä¬
tern der Stadt, dass der Königslieutenant heute niemand vorliesse,
woraus man schliessen dürfte, dass ihn, da er nicht krank oder sonst
verhindert war, vielleicht grade damals eine jener von Goethe ge¬
schilderten Saulsstimmungen beherrschte. Wenn das geflügelte Wort,
»le style c’est Fhomme« irgendwo Bewahrheitung findet, so ist dies
bei Thoranc der Fall, dessen Briefe an den Rath Frankfurts den
Charakter ihres Verfassers in der vorteilhaftesten Weise wieder-
spiegeln.
Es ist zu verwundern, dass Goethe, der in Hinsicht auf den
Königslieutenant so Vieles getreu in seinem Gedächtniss bewahrte,
sich nicht an die Beziehungen desselben zu der französischen Ko¬
mödie im Junghof erinnerte. Thoranc, der ein eifriger Theaterbe¬
sucher war und die dramatische Kunst ebenso freundlich beschützte
wie die Malerei, begünstigte nicht nur die beiden Directeurs
L’Hote und de Bersac, sondern auch deren Nachfolger, den be¬
rühmten französischen Komödianten Renaud. Wie aus verschiedenen
Eingaben an den Rath hervorgeht, ersuchten die genannten Direk-
252
toren clen Königslieutenant in seinem Standquartier zum Hirschgraben
Lit. F. Nr. /74 oft persönlich um Vermittlung in den verschieden¬
sten Angelegenheiten. Dem auf das bei Thoranc ein- und ausgehende
Publikum genau achtenden kleinen Goethe war sicher bei seiner
grossen Vorliebe für das Theater der öftere Besuch der auch als
Schauspieler thätigen Entrepreneurs nicht entgangen, aber, wie manches
Andere, im Laufe der Zeit aus dem Gedächtniss entschwunden und
von seiner dichterischen Phantasie mit neuen Eindrücken verschmol¬
zen worden.
Von ihrem Protektor Thoranc kehren wir nun zu der franzö¬
sischen Truppe der Direktoren L’Hote und de Bersac zurück, deren
Vorstellungen mit einem Stück von Favart »La fille mal gardee« oder
»die Uebelbewahrung der Tochter« ihren Anfang nahmen. Durch
einen glücklichen Fund des Herrn Stadtarchivars Dr. Grotefend sind
eine Anzahl hochwichtiger Theaterzettel von dieser und der späteren
französischen Gesellschaft entdeckt worden, die wieder aufs Neue
Zeugniss ablegen, wie fest und getreu sich die theatralischen Vor¬
stellungen im Junghof dem empfänglichen Geiste des zehnjährigen
Dichterknaben einprägten .
Wie er selbst in Wahrheit und Dichtung erzählt, besuchte
Johann Wolfgang Goethe auf das Freibillet seines Grossvaters, des
Stadtschultheissen Textor, gegen den Willen seines Vaters, aber unter
Begünstigung der Mutter, täglich die französische Komödie im Jung¬
hof. Da er den Inhalt der aufgeführten Stücke, besonders der sich
auf Vorfälle aus dem gewöhnlichen Leben beziehenden gar nicht ver¬
stehen konnte, achtete er hauptsächlich auf das Geberdenspiel der
Schauspieler, auf ihre Bewegungen und den Ausdruck der Rede,
überhaupt auf Dinge, welche die Phantasie der Kinder im Allge¬
meinen weniger zu fesseln vermögen. Aber bei dem häufigen Besuch
der Komödie, dem Umgang mit dem Personal derselben und der ange¬
borenen Gabe Goethes, sich leicht den Schall und Klang einer Sprache
anzueignen, gewann er bald soviel Kenntniss der französischen Sprache,
dass er die dargestellte Handlung stückweise begriff und die Lücken
mit Hülfe seiner lebhaften Phantasie ausfüllte. Diese Uebung seiner
Erfindungsgabe war für den Knaben ebenso wichtig wie die Märchen-
erzählungen der Mutter, die einige Jahre früher seine lebhafte Ein¬
bildungskraft zur ersten Selbstthätigkeit angeregt hatten.
»Höchst anmuthig war der Eindruck,« erzählte Goethe in Wahr¬
heit und Dichtung, »den der »Devin du Village«, »Rose et Colas«,
»Annette et Lubin« auf mich machten. Ich kann mir die bebänder¬
ten Buben und Mädchen und ihre Bewegungen noch jetzt zurück¬
rufen«. Wie das zu diesem Abschnitt gehörige, aber leider nicht voll¬
ständige Repertoire (Beilage XIII) der französischen Komödie bezeugt,
sah der kleine Goethe die durch idyllische Einfachheit und anmuthige
Melodien sich auszeichnende Operette »Le devin du Village« (der Dorf-
253
Wahrsager) von Jean Jaques Rousseau wirklich am 19. November
1759 aufführen. Ein neuer Akteur, der noch nie in Frankfurt ge¬
sungen hatte, stellte die Titelrolle dar und das Stück selbst war »mit
allen Anehmlichkeiten ausgeschmückt«, das heisst durch allerlei da¬
mals sehr beliebte Aufzüge und Tänze der phantastisch gekleideten
arkadischen Schäfer besonders reizvoll für das Publikum ausgestattet.
Was aber die Aufführung von »Rose et Colas«, Text von Se-
daine, in Musik gesetzt von Mosigny und Gretry betrifft, so muss
sich Goethes Erinnerung doch wohl auf eine spätere Zeit beziehen.
Die Operette erschien 1764 in Paris,388 wo man sie auch gleich zur
Darstellung brachte; in’s Deutsche wurde sie erst 1772 übersetzt und
in Frankfurt gelangte sie schon ein Jahr später, in der Ostermesse
1773, durch die Truppe des kurpfälzischen Hofschauspielers Marchand
zur Aufführung. Da diese Gesellschaft ebenfalls im Konzertsaal zum
Junghof spielte, so wäre es ja grade keine Unmöglichkeit, dass der
damals in Frankfurt lebende junge Doctor Goethe diese Vorstellung
besucht und viele Jahre später mit einer in seiner Kindheit von den
französischen Komödianten gegebenen verwechselt hätte.
Auch die Aufführung des dritten von Goethe erwähnten Stückes
»Annette et Lubin« steht sehr zu bezweifeln. Diese graziöse Operette
der Madame Marie Justine Benedicte Favart wurde erst am 15.
Februar 1762 in Paris zum ersten Mal gegeben387 und kann des¬
halb bei der damals meistens viel langsamer als heut zu Tage er¬
folgenden Verbreitung der neu erschienenen Stücke nicht leicht mehr
bis zum Abzug der französischen Komödianten in der Ostermesse
1763 in Frankfurt aufgeführt worden sein. Entweder verwechselte
Goethe in der Erinnerung diese »Comödie en un acte et en vers
libres, melee d’Ariettes et de Vaudevilles« mit einem anderen ein¬
aktigen und ganz ähnlichen Stück von Mad. Favart »La fete d’Amour«
welches am 4. März 1760 mit vielen neuen Auszierungen auf die
hiesige französische Bühne gebracht wurde, oder er sah die Vorstel¬
lung dieses Stückes am 23. März 1764 bei der Barizon 'sehen Ge¬
sellschaft. (Siehe das unter Beilage Nr. XIV zusammengestellte Reper¬
toire derselben.)
Beide Stücke fanden in Deutschland viele Nachahmer, besonders
war es »Annette et Lubin«, welches später Weisse und Eschenburg
bei der Abiassung ihrer Stücke »Die Liebe auf dem Lande« und
»Lukas und Hannchen« zum Vorbild diente, und aucli den Theater¬
schriftsteller Löwen zu seiner Romanze »Junker Veit« anregte.
Wie die erhaltenen Theaterzettel und noch manche andere
Nachrichten bezeugen, stimmt die Mittheilung Goethes, dass Tra¬
gödien auf der französischen Bühne seltner zur Darstellung gelangten
als die damals sehr beliebten versificirten Lustspiele der Dichter Des¬
touches, Marivaux und de la Chaussee, vollständig mit den sicher
feststellbaren Aufführungen überein. Neben diesen drei beliebten
254
französischen Dramatikern sind noch eine Reihe andrer berühmter
Namen zu nennen. Zuerst seien vor Allen hier die Klassiker Cor¬
neille, Racine, Moliere und Voltaire erwähnt, deren Werke grade
keinen besondern Vorzug im Repertoire genossen, aber dann und
wann doch ihren gebührenden Ehrenplatz eingeräumt erhielten.
Nächst den Stücken von Marivaux, Destouches und de la
Chaussee gefielen in Frankfurt besonders die Lustspiele von Dancourt,
Regnard und le Grand, welche im Verein mit den Werken der an¬
dern obengenannten Dichter schon zur Zeit der französischen Komödie
während der Wahl und Krönung Karls VII. in Frankfurt die grössten
Erfolge errungen hatten.
Ausser Diderot, Lemiere, Palissot und Rousseau müssen dann
nach den urkundlich feststehenden Aufführungen ihrer Stücke noch
die minder bedeutenden Dramatiker Hauteroche, Boursault, Palaprat,
Merville und Madame Favart namhaft gemacht werden.
Den Komödien oder Tragödien folgte auf der französischen
Schaubühne entweder ein pantomimisches Ballet oder eine gewöhn¬
lich einaktige Operette, deren Komponist aber auf den Theaterzetteln
nie angegeben ist. Zuweilen wurden auch in das Französische über¬
setzte italienische Stücke mit dem Harlekin oder Scapin und mehr¬
aktige komische Opern durch L’Hote und de Bersac im Konzertsaal
zum Junghof zur Darstellung gebracht. Von diesen sind wir nur
im Stande, die bereits erwähnte komische Oper Favarts »La fille
mal gardee«, ferner »Le marechal«, »Les trois Sultanes« und »Ninnette
ä la cour« zu nennen. Die beiden zuletzt angeführten Operetten sind
ebenfalls anmuthige und lebensvolle musikalisch dramatische Werke
von Charles Simon Favart, dem Gatten der schon mehrfach erwähn¬
ten genialen Madame Marie Favart und eigentlichen Schöpfer der
feineren komischen Oper.
Dieser von der Richtung der französischen Direktoren der Jahre
174U und 1741 nur wenig abweichende Kunststandpunkt wurde
nicht allein von L’Hote und de Bersac, sondern auch von ihrem
Nachfolger Renaud beibehalten.
Leider hat sich der Zettel der ohne Zweifel von Renaud bald
nach der Uebernahme der Bühnenleitung zur Aufführung gebrachten
Tragödie »HypernAnestra« von Lemiere nicht erhalten. Dieses Stück,
welches den grössten Eindruck auf den frühreifen Knaben Wolfgang
Goethe machte, war erst 1758 in Paris erschienen, also für Frank¬
furt eine Neuigkeit, deren mehrfache Wiederholung bei der üblichen
sorgfältigen Einstudirung ganz natürlich erscheint.
Dass der kleine Goethe sich überhaupt für die Tragödie mehr
begeisterte als für das Lustspiel, lag in dem gemessenen Schritt, in
dem Taktartigen der Alexandriner, welche in seinem angeborenen
rythmischen Gefühl einen wohlthuenden und fördernden Wiederhall
fanden, ln Folge der aus diesen Wechselbeziehungen entspringenden
255
Anregung überkam den empfänglichen Geist des Knaben die erste
Leidenschaft für eine deklamatorische Vortragsweise mit pathetischem
Anklang. Goethe erzählt in »Dichtung und Wahrheit«, dass er in
seines Vaters Bibliothek ging, den Racine zur Hand nahm und
ganze Stücke aus demselben nach theatralischer Art und Weise mit
grosser Lebhaftigkeit wie ein eingelernter Sprachvogel recitirte.888
Jene Vorhebe des Knaben für das Pathos und die rythmische
Bewegung der Verse, wir finden sie neben den Reminiscenzen an
den taktmässigen Ausdruck der Alexandriner, mit welchem die fran¬
zösischen Schauspieler im Junghof sein poetisches Gemüth entzück¬
ten, bei dem gereiften Dichter in dem Bestreben wieder, che drama¬
tische Kunst aus ihrer Natürlichkeitsrichtung in eine ideale Sphäre
zu entrücken.
Als Goethe und Schiller die Weimar’sche Schule begründeten,
bekämpften sie mit der ganzen Uebermacht ihres Genies den durch
Eckhof und Schröder in der Darstellungskunst angebahnten lebens¬
vollen Naturalismus und setzten — dem Geschmack der Menge ent¬
gegen — an die Stelle der »schönen Wirklichkeit« die Antike als Formen -
muster für die Geberde und metrische Rede. — Was Goethe in der
durch ihn hervorgerufenen neuen Aera der Schauspielkunst als etwas
Wesentliches von dem darstellenden Künstler forderte, das hatte er
schon hier in Frankfurt in seinen Knabenjahren schätzen und lieben
gelernt. Mit Recht konnte er deshalb auch im Hinblick auf seine
Bestrebungen für die Weimar’sche Bühne den Ausspruch thun: »Die
Keime zu allen meinen späteren künstlerischen Richtungen und Be¬
dürfnissen lassen sich ohne grosse Mühe in meinen jugendlichen
Leidenschaften und Liebhabereien auffinden.«
Ausser den bereits genannten Stücken erzählt Goethe in »Wahr¬
heit und Dichtung« noch, dass er Diderot’s »Hausvater« und die »Philo¬
sophen« von Palissot gesehen habe. Er konnte sich der Figur des
Philosophen in letzterem Stücke, der nach der Anweisung des Dichters
auf allen Vieren gehen und in ein rohes Sälathaupt beissen musste,
im Alter noch sehr gut erinnern.
Wann das erste Stück aufgeführt wurde, lässt sich nach dem
vorhandenen Material nicht feststellen, aber die »Philosophen« von
Palissot müssen jedenfalls, da sie schon am 10. Juli 1760 auf dem
Zettel angezeigt wurden, einige Tage später gegeben worden sein.
Um so mehr muss man über jene Aufführung dieses Stückes in
Frankfurt erstaunen, wenn man bedenkt, dass dasselbe am 2. Mai
1760 zum ersten Male in Paris zur Darstellung gekommen war.
Diderot’s »Hausvater«, der schon 1758 erschien und von Lessing
1760 in’s Deutsche übersetzt und in seiner Dramaturgie (84 St.)
ein vortreffliches Stück genannt wurde, ist deshalb wichtig für die
deutsch-dramatische Literatur, weil er das Vorbild der sogenannten
256
ernsten Komödie wurde.389 Namentlich Iffland pflegte später das
»Genre serieux« in seinen oft weinerlichen Lustspielen.
Das Stück »Die Philosophen« von Palissot ist eine gegen Diderot
und Rousseau, hauptsächlich aber gegen das von letzterem ver¬
kündete Naturevangelium gerichtete Satire. Goethe bespricht dieses
Stück später 1805 in den Anmerkungen zu »Rameau’s Neffe« seinem
Inhalt und Werth nach und im Zusammenhang mit einem älteren
Lustspiel Palissot’s »Le cercle«. Er nennt den Verfasser der »Philo¬
sophen« in dieser Abhandlung den »beschränkten Widersacher eines
gewissen Zustandes, der keineswegs erblickt, worauf es im Allgemei¬
nen ankommt und nur auf ein beschränktes, leidenschaftliches Publi¬
kum eine augenblickliche Wirkung hervorzubringen vermag«. Da es
interessant ist, zu hören, wie der gereifte Goethe später über ein
Stück dachte, dessen derbste Scene ihm von jener Vorstellung im
französischen Theater her im Gedächtniss blieb, so lassen wir hier
einen Theil seiner Abhandlung folgen:
» . . . . er (Palissot) gedenkt eine Satire zu schreiben und ge¬
wissen bestimmten Individuen, deren Bild sich allenfalls verzerren
lässt, in der öffentlichen Meinung zu schaden. Und wie benimmt
er sich ?
Sein Stück ist in drei Akte kurz zusammengefasst. Die Oeko-
nomie desselben ist geschickt genug und zeugt von einem geübten
Talente ; allein die Erfindung ist mager, man sieht sich in dem ganz
bekannten Raume der französischen Komödie. Nichts ist neu als
die Kühnheit, ganz deutlich ausgesprochene Personalitäten auszu¬
bringen.
Ein wackrer Bürger hatte seine Tochter vor seinem Tode einem
jungen Soldaten zugesagt; die Mutter aber ist nunmehr als Wittwe
von der Philosophie eingenommen und will das Mädchen nur einem
aus dieser Gilde zugestehen. Die Philosophen selbst erscheinen ab¬
scheulich und doch in der Hauptsache so wenig charakteristisch,
dass man an ihre Stelle die Nichtswürdigen einer jeden Klasse
setzen könnte. Keiner von ihnen ist etwa durch Neigung, Gewohn¬
heit oder sonst an die Frau und das Haus gebunden, Keiner be-
triegt sich etwa über sie oder hat sonst irgend ein menschliches
Gefühl gegen dieselbe; das alles war dem Autor zu fein, ob er gleich
genügsame Muster hierzu in dem sogenannten Bureau d’esprit vor
sich fand ; verhasst wollte er die Gesellschaft der Philosophen machen.
Diese verachtet und verwünscht ihre Gönnerin auf das Plumpste.
Die Herren kommen sämmtlick nur in ’s Haus, um ihrem Freund
Valöre das Mädchen zu verschaffen. Sie versichern, dass Keiner, so¬
bald dieser Anschlag gelungen, die Schwelle je wieder betreten
werde. Unter solchen Zügen soll man Männer wie d’Alembert und
Helvetius wieder erkennen! Denken lässt sich, dass die von dem
Letzteren aufgestellte Maxime des Eigennutzes wacker durchgezogen
257
und als unmittelbar zum Tasckendiebstahl führend vorgestellt wurde.
Zuletzt erscheint ein Hanswurst von Bedienten auf Händen und
Füssen, mit einer Salatstaude, um den von Rousseau als wiinsckens-
werth geschilderten Naturzustand lächerlich zu machen. Ein aufge¬
fangener Brief entdeckt die Gesinnungen der Philosophen gegen die
Hausdame, und sie werden mit Beschämung fortgejagt.«390
Die Scene dieser bösartigen, auch von Voltaire scharf getadel¬
ten und ebenfalls in obiger Abhandlung von Goethe »ein Appell an
die Gemeinheit« genannten Satire, deren er sich noch aus seinen
Knabenjahren erinnerte, ist die neunte des dritten Aktes.
Hier erscheint Crispin (Rousseau) allant ä quatre pattes und
spricht :
»En nous civilisant, nous avons tout perdu,
La sante, le bonheur, et meine la vertu.
Je me renferme donc dans la vie animale;
Vous voyez ma cuisine; eile est simple et frugale.
(H tire une laitue de sa poche.)«391
Wie fest die in der französischen Komödie empfangenen Ein¬
drücke sich dem Gedächtniss Goethe’s eingeprägt haben, möge auch
folgende Darlegung ergeben.
Wie der diesem Buche im Originalab druck beigegebene Theater¬
zettel vom 7. Mai 1760 bezeugt, tanzte auf der französischen Schau¬
bühne im Junghof in der That in einem pantomimischen Ballet ein
Knabe, dessen Leistungen in Gemeinschaft mit denen der jugend¬
lichen Mademoiselle Regnault (Renaud) den grössten Beifall des Pu¬
blikums erlangt haben mögen, da das Ballet auf Verlangen wieder¬
holt werden musste.
Es wäre nun wohl möglich, dass Goethe, der den Knaben nur
einen Solotanz mit vieler Gewandtheit und Anmuth ausführen sah,
ihn nicht in dieser, sondern in einer späteren Vorstellung im Verein
mit seinem Freunde Derones bewundern konnte. Jedenfalls sah er
den kleinen Künstler nicht mit der Demoiselle Renaud zusammen
tanzen; denn sonst müsste man entweder an einen Irrthum in der
sonst so lebhaften Erinnerung Goethe’s oder an ein absichtliches
Uebergehen ihrer künstlerischen Mitwirkung glauben.
Der greise Dichter erzählt, dass er damals die Leistungen des
Knaben und dessen schönen Anzug bewundert, zugleich aber zu seinem
Begleiter bedauernd geäussert habe, in was für einem zerrissenen J äck-
chen derselbe heute Nacht wohl schlafen möge. Dieser zufällig von
der sich unter den Zuschauern befindenden Mutter des Knaben ge¬
hörte Ausspruch zog ihm von derselben eine Strafpredigt zu, auf
welche der jugendliche Goethe, ohne sich etwas dabei zu denken,
die Antwort gab: »Wozu der Lärm? Heute roth, morgen todt.«
Wenn auch dieses Wort von der Mutter des Knaben sehr
ernst aufgefasst wurde, so scheint es doch trotz der baldigen und
17
258
schweren Erkrankung des Knaben nicht von schlimmer Vorbedeu¬
tung für ihn geworden zu sein. Wenigstens weisen die hiesigen
Standesamtsbücher nicht nach, dass der Sohn eines durchreisenden
französischen Tanzmeisters oder ein sonst zu dem Theater im Jung¬
hof gehöriger Knabe während der französischen Besetzung im sieben¬
jährigen Kriege in Frankfurt gestorben ist.
rr.
Da Goethe’s Darstellungen in »Wahrheit und Dichtung« die
einzigen Berichte sind, welche sich über die französische Komödie
zur Zeit der Besetzung Frankfurts im siebenjährigen Kriege erhalten
haben, so müssen wir auch hier seinen bekannten Mittheilungen
folgen und sie als nothwendige Ergänzung in freier Zusammen¬
stellung in die lückenhaften Quellennachrichten eintreten lassen.
»Das Lokal«, sagt Goethe, »war weder günstig noch bequem,
indem man das Theater in einen Konzertsaal hineingezwängt hatte......
»Dieses (das Proscenium) war nach französischer Art sehr tief und an
beiden Seiten mit Sitzen eingefasst, die, durch eine niedrige Barriere
beschränkt, sich in mehreren Reihen hintereinander auf bauten, und
zwar dergestalt, dass die ersten Sitze nur wenig über die Bühne
erhoben waren. Das Ganze galt für einen besondern Ehrenplatz;
nur Offiziere bedienten sich gewöhnlich desselben, obgleich die Nähe
der Schauspieler, ich will nicht sagen jede Illusion, sondern gewisser-
massen jedes Gefallen aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Miss¬
brauch, über den sich Voltaire so sehr beschwert, habe ich noch
erlebt und mit Augen gesehen. Wenn bei sehr vollem Hause und
etwa zur Zeit von Durchmärschen angesehene Offiziere nach jenem
Ehrenplatz strebten, der aber gewöhnlich schon besetzt war, so stellte
man noch einige Reihen Bänke und Stühle ins Proscenium auf die
Bühne selbst, und es blieb den Helden und Heldinnen nichts übrig,
als in einem sehr mässigen Raume zwischen den Uniformen und
Orden ihre Geheimnisse zu enthüllen. Ich habe die »Hypermnestra«
selbst unter solchen Umständen aufführen sehen.«392
Dass der Vorhang zwischen den Akten nicht fiel, war beson¬
ders ein Gebrauch, der dem kleinen Wolfgang Goethe als einem
guten deutschen Knaben unerträglich war. Ebenso störten ihn die
beiden Grenadiere, welche, das Gewehr beim Fuss, ganz öffentlich
zu beiden Seiten des hintersten Vorhangs standen und Zeugen von
allen Vorgängen waren, welche sich im Innersten der Familie zu¬
trugen. Kaum vermag man es sich noch mit den heutigen ver¬
wöhnten Begriffen über selbstverständliche Täuschungen in »der Welt
des schönen Scheins« vorzustellen, was uns Goethe in einer fesseln¬
den und wahrheitsgetreuen Schilderung über die französische Komödie
im Junghof mittheilt.
259
In der That kann man sieh eines wahrhaft tragikomischen
Eindrucks nicht erwehren, wenn man sich diese militärische Polizei¬
anstalt Ton einer Bühne vergegenwärtigt, auf welcher sich die wacht¬
habenden Grenadiere in den Zwischenakten vor den Augen des
Publikums bei einfallender Musik ablösten.
L’Hote und de Bersac hatten Anfangs nur die Erlaubniss er¬
halten, bis Mitte Juni 1759 spielen zu dürfen, am 20. Juni kamen
sie aber um eine Verlängerung derselben bis zur Ostermesse 1760
ein, was ihnen vom Ratlie aus Rücksicht auf die französische
Besatzung selbstverständlich sofort gewährt wurde.393 Als auch diese
Zeit abgelaufen war, dankten sie unterm 10. Januar 1760 für den
günstigen Bescheid vom 20. Juni 1759 und baten um eine aber¬
malige Verlängerung der Spielzeit bis nach der Ostermesse 1761
oder doch so lange, als das französische Hauptquartier in Frankfurt
bleiben würde. Auch dieses Mal durfte der Rath nicht an eine
Verweigerung der vorgetragenen Bitte denken, er bewilligte das
schriftliche Gesuch sofort; 394 und wohl namentlich deshalb, weil das¬
selbe Seitens verschiedener einflussreicher Persönlichkeiten mündlich
unterstützt worden war.
Die beiden Direktoren hatten so leichtsinnig gewirthschaftet,
dass sie ungeachtet der besten Einnahmen bereits Anfangs December
1760 nicht mehr im Stande waren, ihr Personal und ihre sonstigen
Gläubiger befriedigen zu können. Da che Mitglieder der französi¬
schen Truppe dadurch wieder in Schulden geriethen, kamen ver¬
schiedene unangenehme Zwischenfälle vor, deren Folgen L’Hote und
de Bersac nöthigten, die Leitung des Theaters im Junghof in andere
Hände zu übergeben. Auch bei ihrem früheren Aufenthalte in Metz
scheinen sie in Bezug auf geschäftliche Angelegenheiten keine be¬
sondere Geschicklichkeit bekundet zu haben. Als die beiden Entre¬
preneurs nämlich nach Frankfurt kamen, war eine solche Ebbe in
ihrer Kasse, dass sie sich genöthigt sahen, in der Artope’schen Hand¬
lung hierselbst für ein Darlehen von 6646 Livres folgende werthvolle,
ihre noblen Passionen kennzeichnende Stücke in Pfand zu geben:
deux chandeliers d’argent, neuf couverts d’argent, un etui d’or, une
montre d’or emaillee, une autre d’or guilloche et garnie de ses ca-
chets, une ecueille d’argent garnie de son couvert, deux goblets d’ar¬
gent, deux autres cuilleres d’argent et fourchettes, deux salieres.395
Am 24. September 1759, als L’Hote und de Bersac noch
1346 Livres abzuzahlen hatten, begehrten sie unter der Zusicherung,
den Rest baldigst abtragen zu wollen, die Pfänder von der Artope’¬
schen Handlung zurück, welche aber deren Herausgabe vor voll¬
ständigem Abtrag der Schuld verweigerte.
Der Ausgang der von ihnen deshalb gegen das genannte Ge¬
schäft angestellten Klage kann nicht angegeben werden, weil die
darauf bezüglichen Acten nicht vollständig erhalten sind.
17*
260
Um die alleinige Direction der französischen Komödie im Jung¬
hof bewarb sich nun nach L’Hote und de Bersac das frühere erste
Mitglied der Truppe Monsieur Baptiste Renaud, auch Regnault und
Renaut geschrieben, dessen Frau und Tochter ebenfalls zu dem Per¬
sonal derselben gehört hatten. Der Umstand, dass seine Vorgänger
ihren Verpflichtungen gerade nicht auf das Pünktlichste nachgekom¬
men waren, machte für Renaud, der sich erbot, für alle Schulden
seiner Acteurs und Actricen haften zu wollen, die Empfehlung einiger
hohen Herrn der französischen Besatzung beim Rathe durchaus
nothwendig. Am 6. December 1760 richtete der Generallieutenant
Marquis du Mesnil deshalb folgendes eigenhändige Schreiben an den
ersten Bürgermeister der Stadt:
»La faqon distinguee dont le S. Renaut a servi et travaille pour
l’amusement public sur le theätre de la comedie de Francfort lui
ayant m eilte l’estime des personnes les plus distinguees. J’ai pense,
Monsieur, que ce seroit rendre Service au public que de solliciter
en sa faveur le privilege de la comedie que je vous demande pour
lui avec d’autant plus d’instance qu’il sera en etat de repondre de
ses actions et de celles de sa troupe, quand il jouira seul du privi¬
lege, sa probite etant le garant de sa conduite ainsi que sa fortune.
Je me Hatte, Monsieur que vous voudrez bien avoir egard ä
ma sollicitation et rendre justice aux sentiments de la consideration
avec laquelle je suis, Monsieur, vötre tres humble et tres obeissant
serviteur.
Francfort, le 6. Decembre 1760. Du Mesnil.«396
Gleich nach Empfang dieses Briefes, der in der Senatssitzung
vom 6. December vorgelesen wurde, richtete der Rath nachstehendes,
seine damals ziemlich abhängige Stellung charakterisirendes Antworts¬
schreiben an den hohen Bittsteller :
»Monseigneur.
Votre Excellence ayant bien voulu demander ä notre premier
Bourguemestre le privilege de la comedie franyoise pour le S. Renaud
tout seul, et celui-ci nous en ayant fait rapport. Nous sommes
charmes de donner, en cette occasion ä votre Excellence une preuve
des moins equivoques de notre respect et de notre deförence ä tout
ce qui peut l’interesser, et nous accordons au S. Renaud le privilege
qu’il demande des qu’il presentera pour cet effet une requete, et
qu’il s’engagera d’etre garant taut pour la bonne conduite des per¬
sonnes de .sa troupe, que pour les payements des dettes, qu’ils pour-
roient contracter.
Nous avons l’honneur d’etre avec du respect
Monseigneur
de Votre Excellence
Francfort, les tres humbles et tres obeissants Serviteurs
le 6. Decembre 1760. Burguemestres et Magistrats.«397
261
Aber bei der Empfehlung des Generallieutenants du Mesnil
blieb es nicht allein, auch der einflussreiche Marquis des Salles ver¬
wandte sich — und jedenfalls auf die Bitten Renauds, — für denselben
in folgendem Schreiben bei dem Rath :
»Avant pris connaissance de la demande que Monsieurs le Mar¬
quis du Mesnil a fait ä Messieurs du Magistrats de la ville de Franc¬
fort en faveur du S. Renaud pour, que la preference du privilege
de la comedie francoise luv füt accordee informee en meme tems de
la reponse que Messieurs du Magistrat ont fait a ce general par la-
quelle ils veulent bien faroriser le dit S. Renaud. Je m’emp resse a
faire la meme demande ä Messieurs du Magistrats, ils me feront
plaisir de vouloir bien donner au S. Renaud cette preference et
l’assurance d’etre acceptö je serai sensible ä cette attention de la part
des Messieurs du Magistrats
Francfort le 9. Decembre 1760. Des Salles.«398
Nach solcher Fürsprache durfte Renaud, ausser welchem sich
scheinbar auch noch Andere bewarben im Yoraus eines Erfolges
sicher sein. Auf seine deutsche Eingabe erhielt er denn auch ohne
weiteres am 10. December 1760 3 99 die Erlaubniss, die alleinige
Direktion der französischen Komödie übernehmen und so lange die
Besetzung dauere, in Frankfurt spielen zu dürfen. Renaud gab hier-
selbst bis Anfangs Juni 1762 Vorstellungen, dann reiste er mit seiner
Truppe ab und zwar höchstwahrscheinlich nach Strassburg; denn
dort soll im Juli 1762 eine aus Frankfurt gekommene französische
Gesellschaft gespielt haben. Beim Beginne der Herbstmesse kehrte er
wieder hierher zurück und gab noch nach dem am 2. December 1762
erfolgten Abzug der französischen Besatzung im Junghof mehrere, von
einem zahlreichen Publikum besuchte Vorstellungen. Ende des Jahres
1762 kam Renaud um die Erlaubniss ein, dieselben bis zur Ostermesse
1763 fortsetzen zu dürfen. Er berichtete dem Rath, dass es ihm
weniger darum zu thun sei, sein Theater noch länger hier öffnen
zu können, als um die Erhaltung seiner Rechte »gegen seine Acteurs«,
die sich durch den Abzug der französischen Besatzung nicht mehr
an ihn gebunden hielten.400 Der inzwischen zum Reichsgrafen er¬
hobene Königslieutenant Thoranc, welcher sich noch in Frankfurt auf
hielt, richtete folgendes Schreiben für ihn an den Rath :
»Je prie messieurs du magistrat de vouloir bien ecouter favor-
ablement la demande du Sieur Regnault en tant quelle ne peutetre
contraire ni ä ce que l’equite et la justice peuvent exiger, ni ä ce
que les reglemens de la ville statuent sur les spectacles. Nous avons
autant de lieu de nous louer des soins et de la conduite qu’a tenue
le dit Sieur Regnault tant qu’il a entretenu icy une troupe, qu’il est
ä souhaiter que nous trouvions des occasions de luy donner des
preuves de la satisfaction qu’on a eue de luy.
Francfort, le 28. Decembre 1762. Le comte de Thoranc.«401
262
Der Rath erfüllte unterm 6. Januar 1763 die Bitte Renaud’s
mit der einzigen früher nicht gemachten Einschränkung, dass er an
Sonntagen nicht spielen dürfe, woraus man schliessen kann, dass er
stets seinen Yerpflichtungen nachgekommen war und den Empfeh¬
lungen seiner hohen Gönner nicht grade Unehre gemacht hatte. Der
Magistrat der Stadt Frankfurt behielt ihn auch nach seinem Weg¬
gang in gutem Andenken und ertheilte ihm einen zusagenden Be¬
scheid, als er nach beinahe zehnjähriger Abwesenheit wieder um Zu¬
lassung für die beiden Messen des Jahres 1770 nachsuchte.
Sowohl L’Hote und de Bersac wie Baptiste Renaud waren trotz
der hohen Eintrittspreise (siehe den diesem Buche im Originalabdruck
beigegebenen Zettel vom 7. Mai 1760) von jeglichen Abgaben an das
Rechneiamt frei. Sie wurden gleichsam zum Gefolge der Franzosen ge¬
rechnet, die bekanntlich nach einem berühmten Ausspruch ihre Civi-
lisation, das heisst ein Theater und ein Cafe, überall mithin bringen.
In Frankfurt wurde das Cafe 1759, bald nach dem Beginn der
Komödie eröffnet. Eine Madame La Cour, »Cafetiere francoise ä la
suite de la comedie« erhielt auf eine Empfehlung des Prinzen von
Roh an vom Rathe die Erlaubniss, im Junghof »pres de la comedie« eine
Kaffeeschenke eröffnen zu dürfen. — Bei dieser Madame La Cour war
es ohne Zweifel, wo sich der kleine Wolfgang Goethe bei einem Glase
Mandelmilch erholte, als er den in Wahrheit und Dichtung berichteten
theatralischen Zweikampf mit seinem Freunde Derones ausgefochten hatte.
Auch anderen sonst nur höchst selten in Frankfurt geduldeten
Lustbarkeiten wusste die Fürsprache der verschiedenen hohen Mit¬
glieder der französischen Generalität Eingang zu verschaffen.
Am 31. Mai 1759 wurde nach der von dem damals hier oft
im König von England Concerte abhaltenden italienischen Musik¬
meister Poli (Poly) im Junghof aufgeführten Oper »Der Spieler« von
Hasse von dem berühmten Königl. Polnischen Feuerwerker Pietro
Moretti ein Kunstfeuerwerk auf chinesische Art abgebrannt. Dieses
»Lustfeuer« erhielt einen solchen Beifall, dass Moretti von verschie¬
denen hohen Liebhabern aufgefordert wurde, ein grösseres zu ver¬
fertigen. Er beabsichtigte nun in Rücksicht auf seinen hohen Be¬
schützer, den Marschall von Broglio, einen Tempel des Friedens in
allerlei bunten Flammen darzustellen. Da ihm aber der Saal im
Junghof wegen den vielen anzubringenden Figuren und Inschriften zu
eng war, wollte er, weil auch nicht die geringste Gefahr zu befürch¬
ten sei, die Sache im Hof der Bien enthal’schen Besitzung veranstalten.402
Gegen dieses Unternehmen erhoben sich nun verschiedene Bedenken,
sogar der Stellvertreter des in Wiesbaden die Kur gebrauchenden
Thoranc, Monsieur de la Vasonne, bat durch den Lieutenant Anthoni
den Rath, das Kunstfeuer zur Vermeidung aller Gefahr vor dem
neuen Thore abbrennen zu lassen. Weil aber der städtische Haupt¬
mann Steller nach vorgenommener Untersuchung keine besonderen
263
Bedenken zu erheben hatte, gestattete der Rath in Rücksicht auf die
im Junghof wohnenden hohen Offiziere trotz aller Einsprachen die
Abbrennung des Feuerwerks auf dem bereits genannten Platz.
Dieses am Abend des 28. Juni 1759 veranstaltete Feuerwerk,
welchem eine grosse Anzahl Menschen, besonders von der Haute
volee Frankfurts, beiwohnten, verlief eben so gut wie ein im Januar
1761 während eines Maskenballes in der französischen Komödie an-
gezündetes kleineres Kunstfeuer , dessen Abbrennung vorher noch
mehr ängstliche Bedenken hervorgerufen hatte.
Die von L'Hote und de Bersac und später von Renaud im
»grand salle du Junghof« gegebenen Maskenbälle trugen denselben
Charakter wie die in der französischen Komödienhütte während der
Wahl und Krönung Karls VII. abgehaltenen. Aeusserlich wahrte
man zwar den ceremoniellen Takt sehr streng, wodurch jedoch keines¬
wegs die Gelegenheiten zu galanten Abenteuern ausgeschlossen
wurden. Auch hier spielten die Actricen der Gesellschaft eine grosse
Rolle, besonders die schöne Madame Renaud, eine Frau anfangs der
dreissiger Jahre, welche unter den Mitgliedern der Generalität
verschiedene hohe Gönner hatte.
Da Goethe sicher niemals einem Maskenballe in der französischen
Komödie zugesehen haben wird, erwähnt er auch diese pikanten
Vergnügungen in »Wahrheit und Dichtung« gar nicht, erzählt aber
statt dessen viel und mit liebevollem Eingehen von einem zur franzö¬
sischen Truppe gehörigen Geschwisterpaar, den Kindern der Madame
Derones, durch deren Umgang er die mannigfaltigsten Anregungen
erhalten sollte. Der mit Goethe gleichalterige Knabe, welchen er
einen allerliebsten kleinen Aufschneider nennt, machte ihn bald
mit seiner ein paar Jahre älteren Schwester, einem stillen trau¬
rigen Mädchen von fesselndem Aeusseren, bekannt. Dieser jungen
Schönen wandte Wolfgang seine erste unerwiederte Neigung zu, er
erwies ihr alle denkbaren Aufmerksamkeiten und hatte sie schliess¬
lich um so lieber, als er aus den Erzählungen des Bruders das
Geheimniss ihrer stillen Traurigkeit entdeckt zu haben glaubte.
Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, ob diese in Wahr¬
heit und Dichtung erzählte Episode eine dichterische Erfindung oder
von Goethe nach einer wirklichen Begebenheit geschildert worden
sei. Wir sind nun in der glücklichen Lage an der Hand urkund¬
licher Nachrichten das Letztere mit geradezu zweifelloser Gewissheit
feststellen zu können. Weder die Kinder der Madame Derones noch
sie selbst sind frei erfundene Gestalten der Goethe’schen Muse. Auch
der ungewöhnliche Name Derones ist nicht fingirt, entweder ist der¬
selbe, was am nächsten liegen möchte, im Laufe der Zeit von der
Erinnerung des Dichters — um einen Ausdruck Gutzkow ’s zu ge¬
brauchen — dem Klangfall der Sylben nach poetisch umgebildet
oder mit dem Namen der im XVI. Jahrhundert in Frankfurt ein-
264
gewanderten Familie de Rhon verwechselt worden, welche in der
Nähe von Goethe’s "Vaterhaus im Hirschgraben wohnte und zur Zeit
der französischen Besetzung einen grosses Aufsehen erregenden
Bankerott machte.
Die von Goethe im dritten Buche von Wahrheit und Dichtung
geschilderte Familie ist die des Direktors Kenaud, dessen älteste
Kinder, ein Mädchen von etwa dreizehn oder vierzehn, und ein
Knabe von elf Jahren, dann und wann in den dargestellten
Stücken oder pantomimischen Balleten mitwirken mussten. — Jene
Demoiselle Regnault, die am 7. Mai 1760 mit dem siebenjährigen
Knaben zusammen ein pantomimisches Ballet aufführte, ist das von
dem beinahe zwölfjährigen Goethe in liebender Verehrung angebetete
junge Mädchen, dessen Wesen durch das Nachdenken über manche
zweifelhafte Handlungen der eigenen Mutter eine so ernste Ver¬
tiefung erhalten hatte. — Um so mehr erscheint die in Wahrheit
und Dichtung gegebene Aufklärung über die räthselhafte Traurigkeit
der jungen Schönen begründet, als Madame Renaud, die etwa zwölf
Jahre früher als junge Frau und graziöse Tänzerin auf dem Dresdener
Theater das grösste Aufsehen erregte, damals ein mehrjähriges Ver-
hältniss mit dem berühmten und berüchtigten Grafen Brühl, Ober¬
stallmeister des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen
unterhalten hatte. — Nach Auflösung desselben wurde die immer noch
schöne Renaud von einem hohen französischen Officier begünstigt,
der ohne Zweifel im Jahre 1760 zur französischen Besatzung der
Stadt Frankfurt gehört haben wird. Vielleicht war es dessen Portrait,
welches der kleine Derones seinem Freunde Wolfgang hinter dem
mit eleganten seidenen Vorhängen aufgeputzten Bette der Mutter
zeigte, vielleicht war es aber auch das Bildniss des Grafen Brühl,
welcher der Renaud wohl in früheren Jahren sein Pastellbild ge¬
schenkt haben mochte. — Der in seinen historischen Denkwürdig¬
keiten so manche schöne Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin er-
wähnende Jacob Casanova erzählt auch in einem Abschnitt derselben
von der Madame Renaud und setzt ihr bei dieser Gelegenheit ge¬
rade kein ehrenvolles Denkmal. 403
Was vor Allem noch dafür spricht, dass der kleine Derones
in der That der Sohn des Direktors Renaud war, ist die Freiheit,
mit welcher er seinen Freund Wolfgang in allen Räumen des
Theaters, selbst in den Ankleidezimmern des darstellenden Personals
herumführen durfte. Bei der von dem jeweiligen Platzcommandanten
von Frankfurt über die französische Komödie strenge geübten Auf¬
sicht wäre — trotz des Freibillets des Stadtschultheissen Textor —
ein derartiger Einblick in die Zustände hinter den Coulissen ganz un¬
möglich gewesen, wenn nicht Derones als Sohn des Direktors von den
wachthabenden Aufsehern eine grössere Berücksichtigung genossen
hätte. Auch konnte der kleine Prahlhans, den Goethe aber doch einen
265
Knaben von guten Sitten nennt, die Aufführung des von seinem
Freunde verfassten phantastischen Stückchens ohne nähere Be¬
ziehungen zu der Direktion unmöglich in so sichere Aussicht stellen,
als er es nach Goethe’s Mittheilungen gethan hat.
Die auf der französischen Schaubühne im Junghof aufgeführten,
halb mythologischen, halb allegorischen Stücke, welche Goethe zu
seinem dramatischen Erstlingswerk anregten, lassen sich bei dem nur
lückenhaft vorhandenen Repertoire nicht näher bezeichnen. Jedenfalls
gehörten diese damals sowohl auf dem französischen als auch auf dem
deutschen Theater und besonders in Frankfurt beliebten Stücke zu
jener Gattung allegorischer Vorspiele, mit welchen die Bühnenleiter
meistens eine besonders bedeutende Aufführung entweder einzuleiten
oder zu beschlossen pflegten. In diesen fehlte es ja nie an alle¬
gorischen Gestalten, an Prinzen und Königstöchtern, deren idyllisches
Stillleben durch die aus den Wolken zu ihnen herabschwebenden
Götter und Göttinnen einen phantastischen Reiz erhielt. Dass die
Ersteren auch oft in anderer Gestalt auftraten und eine schöne Hirtin,
Jägerin oder Schäferin zu ihrer Geliebten erwählten, war in dem
Jahrhundert, in welchem, wie die Kulturgeschichte lehrt, die meisten
grossen Herren ohne ähnliche Abenteuer nicht leben konnten , ein
sehr beliebter dramatischer Gegenstand geworden.
Das ebenfalls in allegorischem Styl abgefasste Stückchen Goethe’s,
welchem der gerne den Meister spielende kleine Derones in einer
dramaturgischen Litanei viele Fehler nachwies, verschaffte zwar dem
Dichterknaben eine bittere Enttäuschung, reizte ihn aber nach dem
misslungenen ersten Versuch, die dramatischen Gesetze der Fran¬
zosen selbst zu ergründen. Er las Corneille’s Abhandlung über die
drei Einheiten, er vertiefte sich in Racine’s Vorreden , welches Stu¬
dium ihn so weit brachte , dass er schliesslich den ganzen franzö¬
sischen Regelzwang gründlich verachten lernte.
Lewes nimmt in seiner trefflichen Biographie Goethe’s gewiss
nicht mit Unrecht an, dass wir vielleicht dem kleinen Derones einen
Theil jener kühnen Uebergehung aller erzwungenen Regelmässigkeit
verdanken, durch welche Goethe im »Götz von Berlichingen« sein
Vaterland überraschte und in das grösste Staunen setzte.
Viel dankbarer als für die wegen Ausserachtlassung der Regeln
des Aristoteles vorgenommene Zerfetzung von Goethe’s dramatischem
Erstlingswerk sind wir dem kleinen Derones für das Herumführen
seines Freundes Wolfgang in allen zu dem Theater gehörigen Räumen.
Hier empfing Goethe neben manchen andern auch die ersten Ein¬
drücke jener ächten Coulissenwirthschaft, deren tollen Charakter er
später im »Wilhelm Meister« so zutreffend zu schildern vermochte.
Wer wird nicht bei der Stelle im dritten Buche von Wahrheit und
Dichtung, die von den ungenirten Vorgängen in dem Ankleide¬
zimmer der beiden Geschlechter erzählt, unwillkürlich an eine andere
266
in den »Lehrjahren« erinnert, wo Wilhelm Meister die Vorstellung,
welche er sich von dem bürgerlichen Leben der Schauspieler erträumt,
allmählich vor den nüchternen Thatsachen der Wirklichkeit zer-
fliessen sieht.
»Wie sehr stutzte er (Wilhelm Meister) daher anfangs, wenn
er sich bei seiner Geliebten (Marianne) befand und durch den glück¬
lichen Nebel , der ihn umgab , nebenaus auf Tische, Stühle und
Boden sah. Die Trümmer eines augenblicklichen, leichten und falschen
Putzes lagen, wie das glänzende Kleid eines abgeschuppten Fisches
zerstreut in wilder Unordnung durcheinander. Die Werkzeuge mensch¬
licher Reinlichkeit, als Kämme, Seife, Tücher und Pomade waren
mit den Spuren ihrer Bestimmung gleichfalls nicht versteckt. Musik,
Rollen und Schuhe, Wäsche und italienische Blumen, Etuis, Haar¬
nadeln, Schminktöpfchen und Bänder, Bücher und Strohhüte, keines
verschmähte die Nachbarschaft des andern , alle waren durch ein
gemeinschaftliches Element, durch Puder und Staub vereinigt.«
Es ist bekannt, dass Goethe in seinem späteren Leben sehr
viel in Berührung mit Schauspielern kam, aber ob sein Geist jemals
wieder ein so heiteres Bild einer ungenirten Komödiantenwirthschaft
empfing, wie hier in den Räumen der französischen Komödie im
Junghof, ist sehr zu bezweifeln. Später, als Leiter der Weimarischen
Bühne, blickte er doch schon in geordnetere Zustände, auf welche
eine solche Schilderung im Allgemeinen nicht mehr passen mochte.
Gerade die Lebendigkeit der Darstellung, die genaue Aufzählung der
einzelnen Gegenstände, weist im Vergleich zu anderen Erlebnissen
aus jener Zeit darauf hin , dass Goethe sich diesen _ Eindruck schon
in seiner frühesten Jugend eingeprägt hatte. — Besass er doch schon
damals, wie Wahrheit und Dichtung bezeugt, »jene glücklich erobernde
Vielseitigkeit, womit er die Gegenstände um sich her und die Gegen¬
stände ihn berührten.«
Mit Ausnahme der Familie Renaud und einer Tänzerin,
Mademoiselle Aurore, liess sich kein weiteres Mitglied der franzö¬
sischen Bühne feststellen. Die Nachrichten über das Personal der
Truppe sind ebenso spärlich wie die über deren künstlerische Thätigk eit,
welche aber allem Anschein nach das moralische Ansehen derselben
bei weitem überragte.
Ob der Knabe Goethe Gelegenheit hatte, schon vor dem Ein¬
züge der Franzosen Theateraufführungen mitansehen zu können,
müssen wir dahingestellt sein lassen. Da er aber die Vorwürfe seines
Vaters über den häufigen Besuch der Vorstellungen im Junghof
durch die in Stücken wie »Der Kaufmann von London« und »Miss
Sarah Sampson« strenge gehandhabte poetische Gerechtigkeit zu
widerlegen suchte, so möchte man fast annehmen, dass er schon
1757 den Aufführungen der Ackermann’schen Gesellschaft in der
Bretterbude auf dem Rossmarkte beigewohnt hatte. Vielleicht wäre
267
ihm auch der Missbrauch, den Vorhang während der zwischen den
Akten liegenden Pausen nicht fallen zu lassen, in der französischen
Komödie weniger unerträglich vorgekommen, wenn ihm nicht von
den Vorstellungen einer deutschen Gesellschaft her eine bessere Ein¬
richtung bekannt gewesen wäre. — Jedenfalls umfassen die Theater¬
eindrücke, die Goethe im dritten Buche von Wahrheit und Dichtung
niedergelegt hat, einen Zeitraum von mindestens acht Jahren.
Aber nicht allein für das Amüsement der Offiziere und höheren
Beamten der französischen Armee trug man Sorge, auch den Solda¬
ten wurde während der Besetzung in den beiden Messen regelmässig
eine theatralische Belustigung geboten. Diese bestand in den Mario¬
nettenspielen des Frankfurter Bürgersohnes Johann Ludwig Ludwig,
der aus Rücksicht auf die Garnison ebenfalls von dem General¬
lieutenant du Mesnil und verschiedenen anderen hohen Persönlichkeiten
begünstigt wurde. Als der Rath vor der Ostermesse 1762 ihm die
Erlaubniss zum Spielen verweigert hatte, richtete der Königslieutenant
Thoranc folgendes Schreiben an den Magistrat, worauf die begehrte
Zulassung sofort erfolgte :
»A Messieurs du Magistrat de la ville libre et imperiale de
Francfort.
Les soldats et tambours du Regiment de Nassau ayant envie
de voir des marionnettes, je prie messieurs du magistrat de vouloir
bien donner leur agrement ä ce passe temps.
Francfort 17. Fevrier 1762. Thoranc.«404
Als Renaud im Juni 1762 Frankfurt auf einige Zeit mit seiner
Truppe zu verlassen gedachte, bewarb sich der damals in Mainz
spielende Conrad Ernst Ackermann auf Empfehlungen des Marquis
des Salles und des Königslieutenants Grafen de Thoranc Anfangs Mai
1762 um die Erlaubniss, bis zum Beginne der Herbstmesse wöchent¬
lich dreimal seine Schaubühne im Saal zum Junghof eröffnen zu
dürfen, was ihm auch bewilligt wurde.405
Ackermann’s künstlerische Thätigkeit wurde auch während dieses
Frankfurter Aufenthaltes noch immer von denselben Grundsätzen
wie im Jahre 1757 geleitet, in welchem er bekanntlich die neuesten
Erzeugnisse der deutsch-dramatischen Literatur und die besten Ueber-
setzungen französischer Bühnenwerke mit nachfolgenden pantomimi¬
schen Balletten zur Darstellung brachte. Von dieser Wirksamkeit
Ackermann’s im Sommer 1762 liess sich nur ein einziger Theater¬
zettel auffinden. Derselbe ist am Schluss der Beilage Nr. XIII. mit-
getheilt und belegt die eben ausgesprochene Behauptung. Zugleich
liefert er durch seine Anordnung einen Beweis für den Zustand des
Zwanges, in welchem sich Frankfurt während der französichen Be¬
satzung im siebenjährigen Kriege befand.
Sämmtliche aus jener Zeit erhaltenen Theaterzettel beginnen nicht
mit der sonst üblichen Hinweisung auf die Erlaubniss des Rathes,
268
sondern mit der fremden Eingangsform »Avec permission de Mon¬
seigneur le dnc de Broglio (oder »de nos Seigneurs les marcchaux
d’Estrees et Soubise, des Salles«) et des Messieurs du Magistrats de
la ville libre et imperiale de Erancfort.«
Während dieser Kunstthätigkeit Ackermanns in Frankfurt be¬
fand sich sein damals schon verheiratheter achtzehnjähriger Stiefsohn
Friedrich Ludwig Schröder als erster Ballettänzer bei der Gesellschaft.
Ausser Letzterem selbst, seiner jungen Frau und der Familie des
Direktors, zählte dieselbe seit dem April 1762 folgende, sämmtlich
hier aufgetretene Mitglieder : die berühmte wieder zur Bühne zurück¬
gekehrte Madame Hensel, die geniale Karolina Schulz, (nach anderen
Schulze) spätere Kummerfeld, und deren Bruder, den Balletmeister
Schulz. Ferner den von der Direktion des weimarischen Theaters
zurückgetretenen Döbellin nebst seiner Frau; Mylins; Koch; den
ehemaligen Barbier, aber talentvollen Schauspieler Michael Boek und
die beiden Ehepaare Garbrecht und Kirchhof. Ausser diesen ersten
Mitgliedern der Truppe sind noch zwei Demoiselles Schirmer aus
Mannheim; eine Karoline Fuchs; der Tänzer Carioni und Frau und
die Schauspieler Dupuis und Halley zu nennen, zu denen noch der
Theatermeister Silbernagel, der Correpetitor Misch el, die Musiker
Kahler und Danonville und die Einhelferin Clara Hoffmann hinzu¬
kamen.406
Mit diesem gut eingeübten, an wirklichen Talenten reichen Per¬
sonal konnte es Ackermann schon wagen, nach dem Abzug Renaud’s
eine Zeit lang auf der früher französischen Bühne im Junghof deutsche
Vorstellungen zu geben. Er hatte auch trotz der heissen Jahreszeit
keinen geringeren Erfolg als sein Vorgänger, dessen ernste und heitre
Stücke nicht eifriger von den höchsten Mitgliedern der französischen
Besatzung besucht worden waren, als Ackermanns allerdings ebenso
prächtig ausgestattete Vorstellungen. Aber nicht allein von den
Fremden, nein auch von Seiten der Frankfurter, denen das Franzö¬
sische docli weniger geläufig und der Genuss einer in deutscher
Sprache gegebenen theatralischen Aufführung seit mehreren Jahren
nicht geboten worden war, wurde dem Theater Ackermanns der eif¬
rigste Zuspruch zu Theil. So kam es, dass er eine viel höhere Ein¬
nahme hatte, als bei seinem vorigen Aufenthalt in Frankfurt, dass er
sogar dann und wann Kammervirtuosen für musikalische Einlagen
in die Zwischenakte engagiren konnte.
Wenn sich aber auch seine Kasse besser füllte denn früher,
so gefiel es doch weder Ackermann noch den schon 1757 bei ihm
gewesenen Mitgliedern der Truppe so gut wie bei ihren früheren Auf¬
enthalten in Frankfurt. Die strenge polizeiliche Aufsicht, welche von
den Franzosen über das Theater im Junghof geübt wurde, brachte
den Director oft in die grössten Verlegenheiten und liess ihm eine
Verlängerung der Spielzeit durchaus nicht wünschenswert!: erscheinen.
269
Die kleinste Versäumniss, der fast unmerklichste Yerstoss hatte eine
Verhaftung zur Folge, welche meistens erst nach den langwierigsten
Untersuchungen wieder aufgehoben wurde. Ausser manchem anderen
dürfte folgender Vorfall einen Beweis liefern.
Dem Balletmeister Schulz war im Croaten-Pas de deux an
seinem Anzug etwas los gegangen, worauf er sich sogleich entfernte
und den hinter den Coulissen stehenden Schröder an seine Stelle
treten liess. Dessenungeachtet kamen vier Mann Wache, um Schulz
oder den Direktor Ackermann für den von keinem von ihnen verschul¬
deten Vorfall sofort in Haft zu nehmen. Die Soldaten Hessen sich
trotz aHer Erklärungen durchaus nicht darauf ein, statt ihrer den
wirklich bestrafen swerthen Schneider zu verhaften, und so kam es,
dass Schulz ohne weiteres vierundzwanzig Stunden in Haft gesetzt
wurde.
Ebenso unerbittlich streng wurde für die Aufrechterhaltung der
Ordnung in den zu dem Theater gehörigen Bäumen gesorgt und
hierin selbst nicht die geringste Kücksicht auf die vornehmsten Zu¬
schauer genommen. So wurde einst ein alter französischer General
von einem Unteroffizier mit entblösstem Haupt zweimal ersucht, sich
sofort aus den nur für die Schauspieler bestimmten Seitenflügeln zu¬
rückzuziehen. Aber der General schenkte diesem Befehl keine Be¬
achtung, er blickte den Unteroffizier verachtend an und rührte sich
nicht vom Platz. Der Unteroffizier setzte dann seinen Hut wieder
auf und gab die Ordre nochmals im Namen des Königs. Hierauf
nahm der alte General seine Kopfbedeckung ab und entfernte sich
sofort aus den verbotenen Seitenflügeln.407
Der jugendhche Friedrich Ludwig Schröder, welcher sich da¬
mals gerade in den sogenannten tollen Jahren befand, hatte während
seines Aufenthaltes in Frankfurt verschiedene Zweikämpfe, die eben¬
falls der französischen Besatzung wegen sehr geheim gehalten werden
mussten. Bei einem DueUe war ihm in der Hitze des Gefechts un¬
bemerkt die Spitze einer dreikantigen Klinge in den Leib gedrungen.
Die Wunde hatte sich Anfangs schnell geschlossen, später aber trat
eine Entzündung ein, welche eine langsame Heilung nötliig machte,
und Schröder eine Zeitlang am Tanzen verhinderte.
Alle diese Zwischenfälle trübten den diesmaligen Aufenthalt
Ackermann’s in Frankfurt, dessen Einnahmen auch durch den unge-
wöhnhch theuren Unterhalt wieder bedeutend geschmälert wurden. Er
nahm vom 16. Juni bis 15. August über 2,300 Thlr. ein ; von dieser
grossen Summe bHeb ihm jedoch aus den eben erwähnten Gründen
und bei den vielen Anschaffungen trotz der geringen Abgabe an die
Stadt (monatlich 30 fl.) nur ein sehr kleiner eigner Gewinn übrig.
Karoline Schulz giebt über jene in Frankfurt verlebte Zeit fol¬
genden Aufschluss: »Hier war der Aufenthalt ebenso theuer als in
Mainz billig, zum Glück für meine Kasse mussten wir bald franzö-
270
siscken Schauspielern Platz machen, welche in der Messe zu spielen
kamen. Die Franzosen hatten damals in Frankfurt zu befehlen; es
war ja noch Krieg«.408
Johann Wolfgang Goethe, der die Ackermann ’schen Torstel¬
lungen jedenfalls ebenso oft besuchte wie früher die der französischen
Komödianten, sah damals zuerst die geniale Karoline Schulz, die er
dann als Student in Leipzig auf dem Kochischen Theater oft be¬
wunderte und viele Jahre später in Weimar Wiedersehen sollte.
Nachdem Madame Hensel, als Muse der Schauspielkunst ge¬
kleidet, in einem sicher wieder von Madame Ackermann verfassten
Prolog den hohen Protektoren und dem Käthe der Stadt Frankfurt
für die ertheilte Spielerlaubniss und den gnädigen Schutz gedankt
hatte, räumte die Ackermann’sche Truppe der französischen wieder
den Platz und kehrte nach Mainz zurück, wo der Adel während
ihrer Abwesenheit in dem vom Direktor erbauten bretternen Schau¬
spielhause sich ein Parquet hatte einrichten lassen. — Renaud spielte
bis Ostern 17 63. 4 09 In der Herbstmesse dieses Jahres gab es keine
theatralischen Aufführungen in Frankfurt, statt dessen wurde den
Freunden der Musik sowohl, als auch allen denjenigen, die an aus¬
serordentlichen Dingen einiges Vergnügen fanden, ein ungewöhnlicher
Genuss geboten. Am 18. August Hessen sich nämlich der sieben¬
jährige Wolfgang Amadeus Mozart und seine fünf Jahre ältere
Schwester auf dem Flügel und der Violine im Schärfischen Saale am
Liebfrauenberge unter solchem Beifall hören, dass das Concert wegen
der in allen Gemüthern erweckten Bewunderung eine viermalige
Wiederholung fand.
Schade, dass nicht auch Wolfgang Goethe den Concerten der
eben genannten musikalischen Wunderkinder beiwohnte, wir würden
sonst diesen Abschnitt der Frankfurter Theatergeschichte sicher mit
einer ähnlichen, aber noch werthvolleren Schilderung haben schliessen
können, wie sie im dritten Buche von Wahrheit und Dichtung über
den kleinen Solotänzer enthalten ist.
Die Entwicklungsgeschichte eines grossen genialen Menschen
richtig darzustellen und aus den geistigen Zügen des Kindes die
späteren Eigenthümlichk eiten des Mannes nachzuweisen, gehört gewiss
zu den grossartigsten Aufgaben, welche selbst von dem verständnis¬
vollsten Biographen nur annähernd gelöst werden können.
Einen kleinen, aber wohl nicht unwesentlichen Beitrag zur wei¬
teren Erkenntnis der geistigen Entwicklung Goethes in seiner Vater¬
stadt Frankfurt liefert vielleicht auch die vorstehende Geschichte des
französischen und deutschen Theaters im Junghof.
Theater in Frankfurt während der Krönung
Joseph’s II.
Bei der Durchsicht der auf den französischen Theaterdirektor
Claude Barizon bezüglichen Akten, dessen Kunstthätigkeit in Frank¬
furt während der Wahl und Krönung Joseph’s II. wir nun zu schil¬
dern haben, finden wir den Ausspruch des alten Babbi Ben Akiba
im »Uriel Acosta« neu bestätigt: »Es ist Alles schon einmal da¬
gewesen.« Nicht allein im neunzehnten, nein, auch schon im vorigen
Jahrhundert gab es Theaterleiter, welche durch die von namhaften
Künstlern angefertigten prächtigen Ausstattungen der von ihnen ge¬
gebenen Stücke eine bedenkliche Ebbe in ihre Kasse herbeiführten
und durch das häufige Veranstalten sehr thenrer Gastspiele schliess¬
lich zum Niederlegen ihres Biihnenscepters gezwungen wurden. —
Nicht immer ist die geschäftliche Spekulation auf einen guten Ge¬
winn der Impuls zu derartigen Anstrengungen, sie werden auch hie
und da, wie bei Barizon, von einem edlen künstlerischen Ehrgeize
hervorgerufen, den der spätere unbefangene Beschauer der Ver¬
hältnisse nur mit Bedauern an der geringen Theilnahme des Publi¬
kums und an manchen sonstigen Hindernissen und Zwischenfällen
zu Grunde gehen sieht.
Claude Barizon, welcher mit seiner Truppe schon an verschie¬
denen deutschen Höfen gespielt und sich besonders die Gunst des
Kurfürsten von Cöln erworben hatte, erhielt auf verschiedene einfluss¬
reiche Fürsprachen hin Ende Januar 1764 die Erlaub niss, während
der Wahl und Krönung Joseph’s II. seine Schaubühne im Bienen-
thal’schen Saal zum Junghof eröffnen zu dürfen.410 Schon ehe die
Vorverhandlungen zu der am 3. April vollzogenen feierlichen Hand¬
lung begannen, gab Barizon nach aktenmässigen Mittheilungen am
25. Februar 1764 seine erste Vorstellung. Da uns die Theaterzettel
dieses französischen Principals erst vom 3. März an vorliegen, so
sind wir nicht in der Lage, das Stück angeben zu können, mit
welchem er den für ihn eigens neu hergerichteten Schauplatz im
Junghof eröffnete. Bei dem damaligen Geschmack der Menge und
272
dem Kunststandpunkte Barizon’s lässt sich aber der gewiss sichere
Schluss ziehen, dass jeder ersten Vorstellung eines Stückes ein panto¬
mimisches Ballet oder ein einaktiges Festspiel vorausging, welches
in allegorischer Weise die bevorstehende Krönung zu verherrlichen
suchte.
Wie wir aus dem fast vollständig erhaltenen Repertoire Bari¬
zon’s ersehen, verfolgte er fast dieselbe Kunstrichtung wie sein Vor¬
gänger Baptiste Renaud. Er gab ebenfalls die Stücke der ton¬
angebenden französischen Dramatiker, führte die nämlichen Operetten
auf und begünstigte die pantomimischen Ballete, deren Darstellungen
so viele Gelegenheit zur Entfaltung prächtiger Ausstattungen dar¬
boten. Nur darin unterschied sich Barizon von Renaud, dass er
nicht allein che zufällig durchreisenden Künstler auf seiner Bühne
auftreten, sondern die verschiedensten Berühmtheiten von nah und
fern nach Frankfurt kommen Kess, um seine VorsteUungen durch
ihre Mitwirkung doppelt anziehend zu machen. Während der kurzen
Wirksamkeit Barizon’s in Frankfurt traten die damals in Deutsch¬
land hochberühmten französischen Hofschauspieler Doismond und
Deforges aus Cassel, Belevall und Martin aus München auf seinem
Theater »als feinliche, aber gar schwer gewonnene Gäste« auf.
Auch hervorragende Musiker jener Zeit, wie den Kurpfälzischen
Hofviolinisten Töski, den Kaiserlich Russischen Kammer- Virtuosen
Heuse, den Landgräflich Hessischen Bassisten Marmetti, die in
Frankfurt allgemein bekannte und angesehene Klavier-Virtuosin Ma¬
dame Aurray und den Landgräflich Hessischen Violoncello-Spieler
Schetky berief Barizon auf seine Kosten, damit sie das Publikum
»in denen Zwischenakten durch ein fürtreffliches Koncert unterhalten
und nach ernsthaften Vorkommnissen auf dem Theatro wieder höch¬
lich erquicken sollten«.
Ausser diesen berühmten Gästen hatte Barizon für die Dauer
seines Frankfurter Aufenthaltes aus Paris und anderen Städten noch
verschiedene bedeutende Künstler zu sich berufen. Vor allem sei
hier der gewandte, früher in Cassel gewesene Solotänzer Pierre
d’Aigueville aus Versailles erwähnt, der auf den Theaterzetteln ge¬
wöhnlich »der berühmte Monsieur Pitrot« genannt wurde. Wie aus
einem in den Akten aufgezeiclmeten Vorfall hervorgeht, verstand es
aber Monsieur Pitrot gerade nicht, seine Einnahmen mit den Ausgaben
in den gehörigen Einklang zu bringen. Er war vielmehr ein leicht¬
sinniger zwanzigjähriger Patron, dem die hohe Gage nicht ausreichte
und dem die bedenkhchsten Luftsprünge in’s Blaue und auf anderer
Leute Kosten ebenso leicht wurden wie seine grotesken Sätze auf
der Schaubühne im Junghof.
Als Pitrot wieder einmal an verschiedenen Stellen Schulden
gemacht und trotz der Mahnungen seiner Gläubiger nicht das Ge¬
ringste bezahlt hatte, wurde er zum Schrecken Barizon’s nach der
273 —
Helden-Pantomime »Der grossmüthige Sultan« am Abend des 24. März
1764 in Haft genommen. Da aber bereits die Theateranzeige für
den nächsten Tag ausgegeben und der Besuch verschiedener hoher
Persönlichkeiten angekündigt war, so gerieth Barizon durch diesen
Vorfall in keine geringe Verlegenheit. Er kam sofort um Freilassung
seines ersten Tänzers ein, deponirte die fragliche Summe und gab
zu bedenken, dass der Kaiser Joseph im Palle einer Abweisung das
gewünschte Ballet nicht sehen könne. Die Hervorhebung so
gewichtiger Gründe und die sichergestellte Befriedigung der Gläubiger
verschafften denn auch schon am Morgen des anderen Tages dem
leichtlebigen Monsieur Pitrot die verlorene Freiheit und dem in tausend
Aengsten schwebenden Direktor seine bei diesem Vorfall verlorene
Gemüthsruhe wieder. 4 1 1
Ob der Kaiser Joseph nun wirklich das französische Theater
Sonntags den 25. März 1764 besuchte, ob diese Angabe nur ein
von dem Gönner Barizon’s, dem Fürsten Esterhazy, ausgesprochener
Scheingrund war, lässt sich um so weniger feststellen, als er den
angezeigten Besuch hoher fürstlicher Persönlichkeiten nicht mehr
auf den Theaterzetteln anzumelden pflegte. Die ganze Anordnung
der an diesem Tage gegebenen Vorstellung, in welcher zwei be¬
rühmte auswärtige Künstler mitwirkten, deutet aber nebst dem erhöhten
Eintrittspreise darauf hin, dass man in der That auf die Anwesenheit
hoher Gäste Rücksicht genommen hatte.
Ausser Pierre d’Aigueville werden in den Akten auch noch
drei andere zur französischen Gesellschaft gehörige Tänzer : Olivier,
King und Lodwy sowie Monsieur Pitrot’s Vater erwähnt. Für die in
Mannheim gemachten Schulden des Letzteren musste Barizon eben¬
falls Bürgschaft leisten.412
Von dem übrigen Personal der Truppe sind wir nur noch im
Stande, die Frau des Direktors, eine, wie es scheint zu seiner Familie
gerechnete, Demoiselle Bittner und die auf den Zetteln öfters ge¬
nannte Sängerin Demoiselle Vincent zu nennen, welch’ Letztere Ba¬
rizon für die Dauer der Wahl und Krönung eigens von einer Pariser
Schaubühne nach Frankfurt berufen hatte.
Im Ganzen wurden die Vorstellungen Barizon’s von allerhöch¬
sten und höchsten Herrschaften ziemlich häufig besucht. Da aber das
Eintrittsgeld ein zu hohes war (siehe den in Beilage XIV abgedruck¬
ten Zettel vom 3. März 1764), fehlte dem Direktor des französi¬
schen Theaters gerade die Unterstützung Seitens des Theiles des
Publikums, dem der regelmässige Besuch der Komödie eine nicht
zu entbehrende Erholung von den Tagesgeschäften geworden war.
So kam es, dass sich Barizon bei seinen ungewöhnlich grossen Aus¬
gaben für die Dauer nicht halten konnte, und trotz aller An¬
strengungen von Tag zu Tag in eine grössere Schuldenlast gerieth.
18
274
Als eine ehrende Anerkennung für Barizon’s Leistungen darf
man es wohl betrachten, dass der kunstsinnige Fürst Esterhazy am
19. März 1764, also am Namenstage des Wahl- und Krönungs¬
kandidaten, den Eintritt zur französischen Schaubühne im Junghof
für das Publikum freistellte.413 Für diese Vorstellung, die durch
eine prächtige Illumination noch besonders glanzvoll ausgestattet
wurde, zahlte Fürst Esterhazy auch die Miethe an den Obristen
Bender von Bienenthal, weshalb derselbe auch den betreffenden
Theaterzettel als Beleg einer Schuld nicht aufzuheben brauchte. Nach
der Aufführung gab der Fürst Esterhazy im Saal der französischen
Komödie ein grosses Souper, wozu die höchsten Mitglieder der an¬
wesenden Gesandtschaften und auch verschiedene hochgestellte Frank¬
furter geladen waren.
Ehe das traurige Ende der Barizon’schen Wirksamkeit eine
eingehendere Besprechung findet, muss erst berichtet werden, dass
sich während der Wahl- und Krönungszeit Joseph’s II. noch
ein deutsches und ein italienisches Theater in Frankfurt befanden.
Schon am 22. December 1763 verschaffte sich der am Anfang dieses
Jahres mehrmals als Veranstalter bedeutender Koncerte auftretende
italienische Musikmeister Francesco Maggiore vom Rathe das Privi¬
legium, während der bevorstehenden Solennitäten allein in Frank¬
furt Opern aufführen zu dürfen.414 Er verband sich zu diesem
Zwecke mit einem gewissen Conte Cecchelli, welcher in den Akten
mehrmals als der Entrepreneur der italienischen Oper bezeichnet
wird, und engagirte eine unter Direktion von Jacob Masi stehende
»W älsche Opera-Buffa-Gesellschaft«.
Als die auf Kosten des Grafen Cecchelli in der kleinen
Allee aufgerichtete Hütte Ende Februar 1764 vollendet war, betrie¬
ben Maggiore und Cecchelli das Unternehmen gemeinsam weiter.
Der Erstere war hauptsächlich als Kapellmeister tliätig und leitete
die inneren Geschäfte ; Graf Cecchelli lieh die nöthigen Summen und
vertrat die Angelegenheiten nach aussen. Wie aus einer späteren
Supplikation Maggiore’s an den Rath hervorgeht, bekam sein Mit¬
unternehmer hierfür zwei, er selbst hingegen nur ein Drittel von
der jeweiligen Einnahme. Am Schlüsse der italienischen Schau¬
bühne wurden ihm jedoch im Voraus von Cecchelli für seine be¬
sondere Mühe als Kapellmeister 100 Dukaten zugesichert.415
Welche Opern in der »wälschen Komödienhütte« bis zum 1. April
1764 zur Aufführung gekommen sind, lässt sich ebensowenig be¬
stimmen, wie ihr Erfolg. Es waren weder Theaterzettel noch sonstige
Nachrichten von der italienischen Truppe aufzufinden. Dieselbe kann
aber unter der Leitung eines so ausgezeichneten Musikkenners wie
Maggiore gewiss nur Gutes geleistet haben.
Ende März 1764 traf Barizon auf den Wunsch verschiedener
hoher Gönner mit den beiden Direktoren der italienischen Oper die
275
Vereinbarung, sich vom 1. April an zu gemeinsamem Streben zu
verbinden. Die Vorstellungen sollten von diesem Tage an in der
Opernhütte in der kleinen Allee abgehalten und das Theater der
sogenannten Italienischen Opera von da ab »Französisch-Italienische
Schaubühne« genannt werden.416 Aber die in geschäftlicher Hinsicht
wünschenswerthe Vereinigung dauerte nur vom 1. — 8. April. Wie
sich aus einigen Bemerkungen in verschiedenen Eingaben an den
Rath aus jener Zeit schliessen lässt, war es zwischen den Bühnen¬
leitern über verschiedene Ansichten zu heftigen Auseinandersetzun¬
gen gekommen, deren Folgen eine schleunige Trennung durchaus
nöthig machten.
Vom 9. bis ausschliesslich den 12. April, an welchem Tage er
seine Ueberschuldung anzeigte, gab Barizon wieder abgesonderte Vor¬
stellungen im Junghof. Maggiore und Cecchelli thaten in ihrem Musen-
tempel desgleichen und kamen sogar Mitte April um die Erlaubniss ein,
ihre Opernspiele noch bis zum Schluss der Ostermesse fortsetzen zu
dürfen. Da die beiden Entrepreneurs die Abgaben au das Rechnei¬
amt pünktlich entrichtet und auch ausserdem ihre Gläubiger »billiger-
massen« zufriedengestellt hatten, so liess man ihnen ohne Schwierig¬
keiten einen günstigen Bescheid zukommen.417 Es wurden also auch
während der Messe wöchentlich dreimal Vorstellungen in der wälschen
Opernhütte gegeben, welche nach dem Ausspruch eines über die
Nachbarschaft des bretternen Musentempels sehr entrüsteten Haus¬
besitzers »einen abscheulich starken Zuspruch« von Seiten der Frank¬
furter und der Fremden erfuhren. Im Ganzen dauerten die Auf¬
führungen sechs Wochen, für welche Zeit die beiden Unternehmer
88 fl. Abgaben an die Stadt entrichten mussten.
Maggiore, der sich durch seine musikalische Bedeutung einen
nicht geringen Einfluss auf verschiedene Rathsmitglieder zu ver¬
schaffen gewusst hatte, gab auch während der Wahl und Krönung
Joseph’s II. einige Koncerte im »König von England«, in denen seine
aus Neapel nach Frankfurt berufene Gattin als Virtuosin auf einem
nicht näher bezeichneten Instrumente und seine älteste Tochter als
Sängerin mitwirkten.41 8 Am 17. April 1764 suchte Maggiore um
die Erlaubniss nach, »nächstkünftigen Donnerstag ein geistlich Kon-
cert »Stabat mater« von Maestro Pergolese, so nur einmalen hier ge¬
höret worden«, im König von England abhalten zu dürfen.419 Er
wurde auch dieses Mal nicht zurückgewiesen und hatte, wie eine
Bemerkung in den Akten errathen lässt, einen solchen Erfolg mit
der gelungenen Aufführung dieses Meisterwerkes, dass das Koncert
»auf Wunsch von denen Liebhabern solcher Musika wiederholt wer¬
den musste«.
Maggiore ist für die Geschichte der Musik in Frankfurt eine
wichtige und hochinteressante Persönlichkeit, über deren Wirken
und Einfluss die Schriftquellen des hiesigen Stadtarchivs noch manche
18*
276
werthvolle Mittheilungen aufzuweisen haben. Durch die tiefe Kennt-
niss seiner Kunst und sein höchst vortreffliches Yiolinspiel erwarb
er sich ein solches Ansehen in Frankfurt, dass selbst der Anfangs
gegen ihn eingenommene hiesige Kapellmeister Fischer »an wichtiger
Stelle« den Wunsch zum Ausdruck brachte, »der Musikmeister aus
Neapolis möge so bald nicht wieder von hier fortgehen«.
Von Frankfurt aus unternahm Maggiore mit seiner Frau und
Tochter, sowie mit einer damals berühmten Koncertsängerin Signora
Lepri und mehreren anderen Virtuosen Gastspielfahrten nach Ham¬
burg und Holland, wo seine Leistungen ebenfalls von allgemeinem
Beifall gekrönt wurden. Seit dem Jahre 1765 kommt Maggiore,
welcher sicher in seiner Zeit dasselbe war, was man heutzutage
einen Impresario nennt, in den Akten nicht mehr vor, aber seine
künstlerische Richtung scheint noch lange Zeit auf verschiedene be¬
deutende Frankfurter Musiker einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt
zu haben.
Francesco Maggiore muss auch ein stolzer, von seiner musika¬
lischen Bedeutung vollkommen überzeugter Mann gewesen sein. Als
nämlich durch irgend eine Veranlassung im Rath die Meinung laut
geworden war, er stände zum Grafen Cecchelli in einem abhängigen
Verhältniss, berichtete Maggiore sofort, dass er durch Vorlegung des mit
seinem Mitunternehmer abgeschlossenen Kontraktes die irrige Meinung
widerlegen und durch weitere Zeugnisse seine unabhängige Stellung-
und Aufrechthaltung des ihm vom Rathe Frankfurts ausgestellten
Privilegiums auf Verlangen »stündlich belegen könne«.420 Er bezog
keineswegs irgend welchen Gehalt von dem Grafen Cecchelli, er war
vielmehr nur wegen des zu solchem Unternehmen unbedingt nöthigen
Geldes ein Bündniss zu gemeinsamem Streben mit ihm eingegangen.
Wie schon früher bemerkt, befand sich während der Wahl und
Krönung Joseph’s II. ausser dem französischen und italienischen
Theater auch noch eine deutsche Schaubühne in Frankfurt, deren
Direktor der ehemalige Marionettenspieler Johann Ludwig Ludwig
war.421 Die Hütte dieses künstlerisch wenig bedeutenden Wander-
principals war auf demselben Platz, der sogenannten Säu-Allee in
der Bockenheimer Gasse, aufgerichtet, wo zweiundzwanzig Jahre
früher bei einer andern Krönung Wallerotty’s Musentempel gestan¬
den hatte. Aus dem einzigen aufgefundenen und als Beilage XV
veröffentlichten Theaterzettel lässt sich schliessen, dass der Frank¬
furter Bürgerssohn Johann Ludwig Ludwig auch die künstlerische
Richtung seines Vorgängers genau zu befolgen strebte, aber jeden¬
falls viel weniger Talent und Geschicklichkeit als dieser besessen
hat. Obgleich alle sonstigen Nachrichten über Johann Ludwig Lud¬
wig fehlen, so geht doch aus späteren aktenmässigen Mittheilungen
hervor, dass er »veraltete ungezogene Zottenspiele und läppigte Lach-
277
komödien« aufführte, an denen »man sieh wohl vor langen Zeyten er¬
götzen, aber dermalen nicht mehr gouttiren konnte«.
Weil Johann Ludwig Ludwig ein Frankfurter Bürgerssohn war
imd wegen des langsamen Aufbauens seiner Hütte erst sehr spät
die teutsche Schaubühne eröffnen konnte, liess ihn der Rath nach
dem Schlüsse aller anderen Komödien noch beinahe bis Ende Mai
1764 spielen.422 Als er aber um die Erlaubniss einkam, seine für
1000 fl. erbaute Hütte bis zur Herbstmesse stehen lassen und dann
seine Vorstellungen wieder auf’s Heue beginnen zu dürfen, erhielt
Ludwig den gewiss nicht erwarteten Bescheid, dass man künftighin
gar keine Schrift mehr über diese Angelegenheit von ihm annehmen
werde.423
Trotz dieser Abweisung suchte er sich aber dennoch durch
mehrere Bittgesuche vor dem Beginne der Herbstmesse wieder die
Zulassung zu verschaffen. Obgleich er jedoch von den schlechten
Geschäften im Frühjahr, von seinen vielen durch den Aufbau der
Hütte veranlassten Schulden und von der Absicht redet, mit einer
besonders von Heilbronn verschriebenen Gesellschaft diesmal keine
Zoten und dergleichen spielen, sondern nur gute Komödien aufführen
zn wollen, so wurde er doch immer wieder und stets mit der gröss¬
ten Entschiedenheit zurückgewiesen.4 24
Diese Hartherzigkeit des Rathes gegen einen Frankfurter hatte
sicher ihren guten Grund. Johann Ludwig Ludwig war entweder
keine zuverlässige Persönlichkeit oder er hatte Stücke auf seiner
Bühne zur Darstellung gebracht, welche die wachsame Geistlichkeit
Frankfurts aus Rücksicht für die Moral zu entschiedenem Vorgehen
bei den Häuptern der Stadt gegen ihn nöthigten.
Wie aus dem erhaltenen Theaterzettel hervorgeht, nahm Ludwig
ein Eintrittsgeld, welches freilich in keinem Verhältniss zu dem der
französischen und der italienischen Schaubühne stand, aber bei einem
einigermassen guten Besuch der Vorstellungen ihn doch auf sehr
gute Einnahmen bringen konnte.
Der Umstand, dass die in Messzeiten hier spielenden Theater-
principale entweder mit grossen Unkosten eine eigene Hütte auf¬
richten oder dem Obristen von Bienenthal eine schwere Miethe für
seinen Saal zahlen mussten, veranlasste den Zimmermeister Tabor,
nach dem Schluss der italienischen Oper am 1. Mai 1764 um die
Erlaubniss einzukommen, die von ihm erbaute Hütte nicht allein
stehen lassen, sondern auch mit einem Ziegel- oder Schieferdach und
festen Gefächern versehen zu dürfen. Er erbot sich, hierfür der
Stadt einen jährlichen Miethszins zu zahlen, und hoffte um so mehr
die Genehmigung seiner Bitte zu erhalten, als ein derartiges ein¬
faches Komödienhaus mittlerweile für die sonst stets wegen der har¬
ten Bauunkosten in Schulden gerathenden Direktoren und auch für
das Publikum zum wahren Bedürfniss geworden sei.425
278
Warum der Rath diesen Antrag ablehnte, ist nicht näher be¬
kannt, aber jedenfalls geschah es doch in Rücksicht auf das nun
schon viele Jahre zur Seite geschobene Projekt wegen der Erbauung
eines städtischen Schauspielhauses, welches sicher von einigen kunst¬
sinnigen Senatsmitgliedern bei der ersten besten Gelegenheit wieder
in Anregung gebracht werden sollte.
Jedenfalls würde Claude Barizon nicht eine halb so grosse
Schuldenlast auf sich geladen haben, wenn er von der Stadt und
nicht von einem allzu sehr auf seinen eignen Nutzen bedachten
Privatmann das Lokal zu seinem Theater gemiethet hätte. Obrist
Bender von Bienenthal beutete den Yortheil, der alleinige Besitzer eines
geschützten Lokales zur Abhaltung von theatralischen Vorstellungen zu
sein, in jeder Weise zu seinen Gunsten aus. Er wusste den Prin-
cipalen ausser dem hohen Miethzins Rechnungen für Beschädigungen
seines Lokals und für sonstige Dinge aufzustellen, die schon L’Hote
und de Bersac entsetzt und später Renaud und Ackermann in ganz
unvermuthete Unkosten gebracht hatten.
Auch der allem Anschein nach etwas leichtlebige, aber äusserst
gutmütliige Barizon sollte durch derartige Nebenausgaben bald nach
der Eröffnung des Theaters seinen Kostenüberschlag bedenklich über¬
schritten sehen. Wie aus den Akten hervorgeht, liess ihm Obrist
von Bienenthal für eignes Geld nicht einen Nagel einschlagen, keinen
Stuhl lieh er ihm umsonst und wusste die geringste Kleinigkeit —
um den Ausdruck des später im Junghof spielenden Theaterdirektors
Marchand zu gebrauchen — so zu berechnen, »dass kein Principal
dabei auf einen grünen Zweig kommen konnte«. Die tägliche Ab¬
gabe, welche Barizon an Bienenthal für eine Vorstellung zu entrichten
hatte, betrug 4 Louisdor oder 46 fl. 48 kr. Folgte derselben, was
sehr häufig geschah, ein grosser Ball nach, so stieg die Miethe auf
147 fl. 48 kr. und bei einem kleineren auf 107 fl. 48 kr. Zu diesen
regelmässigen Kosten kam noch der hohe Zins für das Dekorations¬
magazin — einen früher als Holzstall benutzten Raum, — ferner
wöchentlich 16 fl. 48 kr. für den Wächter und Reiniger der Komödie
und 2 fl. pro Tag für die Buffete der Weinwirth schaft im Junghof,
welche Barizon ebenfalls übernommen hatte.426
Wie eine Klage Barizons gegen den hiesigen Gastwirth Fre-
mont wegen Zahlung von 135 fl. für gelieferte Fässer Wein bezeugt,427
trieb derselbe neben der Bühnenleitung noch einen Handel mit Liqueur
und Wein, der ihm aber ebenfalls mehr Schaden als Vortheil ge¬
bracht zu haben scheint. Am 8. März 1764, als Barizon wegen seiner
grossen Ausgaben mehrmals nicht pünktlich bezahlen konnte, stellte
Bender von Bienenthal einen Mann an die Eingangsthüre zum Ko¬
mödiensaal, welcher die Einnahme des Abends für ihn mit Beschlag
belegte. Um den desshalb entstandenen Eklat in Zukunft zu vermeiden,
lieh Barizon an verschiedenen Stellen Geld auf hohe Zinsen und
279
befriedigte seinen unerbittlichen Gläubiger einstweilen durch kleinere
und am 1. April durch eine grössere Abschlagssumme.428
Wäre Barizon ein klarblickender Geschäftsmann gewesen, so
hätte er schon damals die Unhaltbarkeit seiner Lage erkennen müssen.
Aber es scheint, dass er sich mit Gewalt aufrecht erhalten und gerade
durch solche Mittel helfen wollte, che seine bedeutende Schuldenlast
leider nur mit jeder neuen Vorstellung vergrösserten. Gleich einem
Rettungsanker ergriff er deshalb die Gelegenheit, sich mit Maggiore und
Cecchelli zu verbinden, aber wie ahe Unternehmungen Barizon’s in
jener Zeit, so führte ihn auch diese Vereinigung nur einer neuen
Täuschung entgegen, und er vermochte »trotz des redlichsten Wollens
einer schimpflichen Meldung bald nicht mehr aus dem Wege zu
gehen«. — Am 4. April konnte er einen fälligen Wechsel nicht
bezahlen, worauf er in Haft genommen, aber am anderen Tage nach
der von einer hohen Persönlichkeit — wahrscheinlich von Esterhazy —
geleisteten Kaution wieder frei gelassen wurde. Am 12. April muss
er seine Zahlungsunfähigkeit erklärt und gleich darauf nach Hinter¬
lassung seiner sämmtlichen Theatergarderobe, der kostbarsten Requi¬
siten und Dekorationen, eines grossen im BienenthaPschen Keller
lagernden Weinvorraths mit seiner Familie Frankfurt verlassen haben.
Erst einige Jahre später, im Dezember 1767, wurde die weit¬
läufige Barizon’sche Debit-Sache nach langen Verhandlungen über
die verschiedenen Forderungen der Gläubiger durch den Ivontradiktor
der Angelegenheit, Johann Simon Frank von Lichtenstein, endlich
zum Abschluss gebracht. Da die Akten über diesen Fall nicht voll¬
ständig erhalten sind, so lässt sich nicht genau angeben, ob die Kre¬
ditoren, unter denen sich auch einige Sänger und Schauspieler be¬
fanden, wirklich grosse Verluste zu erleiden hatten.429
Da aber der am 11. September 1764 in den Frag- und An¬
zeigungsnachrichten angekündigte Verkauf der Barizon’schen Weine,
bestehend in rothem Elsässer, Champagner, Alicante, Carnarie und
sonstigen fremden und ausländischen Weinen und Liqueurs wie die
Vergantung der Garderobe, der Requisiten und Dekorationen doch
eine ziemliche Summe zusammen gebracht haben muss, so kann man
mit einiger Sicherheit den Schluss ziehen, dass die Gläubiger wenigstens
doch ziemlich hohe Procente bekommen haben mögen.
Wir unterlassen die Namhaftmachung der in dem Liquidations¬
termin der Barizonschen Debit-Sache erschienenen Personen und geben
statt dessen in den Beilagen unter Nr. XVI den wortgetreuen In¬
halt der Berechnung wieder, welche der Obrist Bender von Bienen¬
thal mit den als Beleg dienenden Theaterzetteln dem Massenkurator
einreichte. Wir machen darauf aufmerksam, dass seine Forderung
allein nach einer vorherigen Abrechnung noch 2,349 fl. 48 kr. be¬
trug und dass er an den Tagen (vom 1. — 8. April) an welchen Bari-
280
zon gemeinschaftlich mit den Italienern spielte, die Miethe gerade so
hoch anrechnete, als ob die Vorstellung in seinem Lokale abgehalten
worden sei.
Barizon’s Bankerott brachte verschiedene noch von ihm auf gut
Glück hierher berufene fremde Künstler, unter andern auch die schöne
französische Tänzerin Mimi Pitre und ihren alten Vater in eine
traurige Lage. Dieselbe klagte dem Rath in einer Eingabe vom 29.
Mai 1764, dass sie eine weite Reise für nichts gethan, ihren Körper
umsonst angestrengt und beinah 400 Livres dabei eingebüsst habe.
In Rücksicht auf dieses Missgeschick bat sie nun, ihr zu vergönnen,
sich mit ihrem alten Vater eine Zeitlang in der Familie des Buch¬
binder Münch aufhalten zu dürfen.430 Der Rath gewährte ihr Be¬
gehren, und Mimi Pitre weilte in dem genannten Hause bis ihr
Schicksal sie nach Wien rief, wo sie später noch zu grosser Bedeu¬
tung gelangen sollte.
Die Wahl und Krönung Joseph’s II., deren glänzende Tage
Goethe im fünften Buch von Wahrheit und Dichtung so lebendig
geschildert hat, ist durch den tragischen Abschluss des Barizon’schen
Unternehmens ein wenig erquickliches Kapitel der Frankfurter Thea¬
tergeschichte. Aber, da nach dem originellen und gewiss wahren
Ausspruch Saphirs, Theaterbankerotte und die damit verbundnen
Umstände stets zu den charakteristischen Merkmalen ihrer Zeit gehört
haben und gehören werden, so ist vielleicht dieser Abschnitt für die
Kulturgeschichte Frankfurts nicht minder bedeutend, wie die Zeit
der Krönung Karl’s Vn., während welcher, wie früher gesagt, die
französische Schaubühne im Langen Gang gleichsam als der Spiegel
des gesammten höheren Gesellschaftslebens angesehen werden konnte.
In der Herbstmesse 1764 bewarben sich verschiedene Wander-
principale um die Spielerl aubn iss, unter andern auch Sigismund Neu¬
mann, dessen zum Theil aus Kindern bestehende Truppe unter dem
Namen der Pillotischen Gesellschaft sich in künstlerischer und mora¬
lischer Beziehung einen guten Ruf erworben hatte. Aber wenn auch
Neumann versicherte, pünktlicher als der hier kürzlich gescheiterte
Barizon bezahlen zu wollen, so zog ihm der Rath doch den Operetten¬
spieler Sebastiani vor, für dessen allenfallsige Schulden sich im Voraus
eine hohe Persönlichkeit verbürgt hatte.
Sebastiani, welcher seine aus dem Französischen und Italieni¬
schen entnommenen Operetten mit eingelegten Kinderballeten ver¬
schönte, spielte auch in der Ostermesse431 1765 und noch vierzehn
Tage nach dem Schluss derselben in Frankfurt und erhielt ferner
im Voraus die Zulassung für die Herbstmesse desselben Jahres.432
Aber am 19. August starb Kaiser Franz I. weshalb der Rath keine
öffentlichen Lustbarkeiten, zu welchen auch das Theater gerechnet
wurde, dulden konnte. Sebastiani, der schon mit seiner Truppe die
kostspielige Reise von Augsburg hierher gemacht hatte, kam deshalb
281
darum ein, seine Bühne nach geendigter Trauerzeit eröffnen zu dürfen,
wurde aber bis auf die nächste Ostermesse zur Geduld verwiesen.433
Er kehrte bis dahin nach Frankfurt zurück, spielte wieder im Saal
zum Junghof unter dem grössten Beifall des Publikums und zahlte
für jede Woche die verhältnissmässig sehr geringe Abgabe von 5 fl.
Von der Truppe dieses Wanderprincipals war nur ein nicht
ganz vollständig erhaltener Theaterzettel aufzufinden. Er kündigt die
Kinder-Oper : Harlekins Grabmal mit Ballet und Nachspiel an und
lässt ersehen, dass ein Platz in den Logen 1 fl., im Amphitheater
12 Batzen, im Parterre 9 Batzen und auf der Gallerte 18 kr. kostete.
Franz Joseph Sebastiani hat für die Geschichte des Frankfurter
Theaters nur in sofern Bedeutung, als er durch die pünktlichsten
Zahlungen und die wahrhaft peinliche Ordnung in seinen geschäft¬
lichen Angelegenheiten den Eindruck einigermassen wieder verwischte,
durch welchen Barizon’s Bankerott dem alten Misstrauen gegen die
Komödianten neue Nahrung gegeben hatte. In künstlerischer Be¬
ziehung steht Sebastiani gegen seinen Vorgänger und nächsten Nach¬
folger bedeutend zurück. Er war ein Mann von untergeordneter
Bildung, liess die Kunst ausschliesslich nach Brod gehen und gerieth
nie mit seinen Idealen in den geringsten Widerspruch.434
Unter seinen Schauspielern befand sich in den sechziger Jahren
der junge talentvolle Theobald Marchand, der einige Jahre früher aus
Liebe zur Kunst einem andern Beruf entsagt haben soll. Als Sebastiani
1770 seinen zusammengesparten Beichthum in der Stille gemessen
wollte, übernahm Marchand, der in der Folge eine neue Epoche der
Frankfurter Theatergeschichte anbahnen sollte, die Truppe desselben
und leitete sie sofort vom Beginne seiner Direktion an nach viel
höheren künstlerischen Grundsätzen.
Ehe Sebastiani nach der Ostermesse 1766 Frankfurt verliess,
suchte er noch vor seiner Abreise nach Mainz die Zulassung für die
Herbstmesse zu erlangen. Als er aber nach seiner ersten Bittschrift
zur Geduld verwiesen worden war und in der gleich darauf folgen¬
den zweiten Eingabe ziemlich plump seine Verwunderung über diesen
unsicheren Bescheid zum Ausdruck brachte, verscherzte er die
Gnade des Baths und wurde ein für allemal mit seinem Begehren
zurückgewiesen. 435
Auch Sebastiani befolgte noch während seines mehrmaligen
Aufenthaltes in Frankfurt die alte Sitte, eine Vorstellung zu Ehren
des Bathes zu gehen. Von der am 22. April 1766 ahgehaltenen
Magistratskomödie besitzt die hiesige Stadtbibliothek das Vorspiel,
dessen Inhalt mit dem der Schuch’schen Stücke gleicher Art fast voll¬
ständig überein stimmt. Allegorische und mythologische Gestalten.
Schäfer und Hirten vereinigen sich, um hei einem ländlichen Fest den
hohen Gönnern zu huldigen und in wenig gelungnen Versen die Götter
um die Erhaltung der ferneren Huld ihrer Beschützer anzuflehen. Die
282
ersten Scenen des unbedeutenden Schäferstückchens spielen sich auf dem
vorderen Raum des Theaters ab, dann folgt die Bemerkung »Die Mittel¬
wand gehet auf u. s. w.«, welche auf die noch immer gebräuchliche
Eintheilung der Bühne in einen vorderen und hinteren Schauplatz deutet.
Kaum hatte der Rath den Komödianten Sebastiani entschieden
zurückgewiesen, als ein andrer Wanderprincipal um Zulassung für
die Herbstmesse einkam. Es war dies der von Heidelberg aus petitioni-
rende Arnold Heinrich Porsch, der in Münschen, Dresden, Nürnberg,
Regensburg, Mainz und Mannheim mit grossem Beifall gespielt hatte
und die besten Zeugnisse »von kunstsinnigen Fürsten und angesehenen
Reichsstädten« aufweisen konnte. Nach Vorlegung derselben fand
denn auch sein im rechten Augenblick eingereichtes Gesuch sofort
Bewilligung.436 Schon einige Tage vor dem Beginn der Herbstmesse
eröffnete Porsch seine Schaubühne im Junghofe, auf welcher er nur
solche Stücke zur Aufführung bringen wollte, in welchen die neueste
und regelmässigste Einrichtung mit den schönsten Sittenlehren ohne
Aergerlichkeit verbunden sei.
Obgleich nur sehr spärliche Nachrichten über die Kunstthätig-
keit dieses Direktors in Frankfurt vorhanden sind, so lässt sich doch
aus einer Thatsache der Schluss ziehen, dass er das in seinem ersten
Bittgesuch gegebene Versprechen erfüllt und auch sonst keine Ver¬
anlassung zu Tadel gegeben hat. Porsch bekam nämlich auf ein
weiteres Bittgesuch ohne jegliche Einwendung die Erlaubniss, seine
Vorstellungen bis zum Beginne der Adventszeit fortsetzen zu dürfen.437
Dass man von dieser Gewährung das Spielen an allen Sonn- und
Festtagen und den Samstagabenden ausschloss, bedarf im Hinblick
auf die wachsame, gegen die Komödianten wenig freundlich gesinnte
Geistlichkeit der Stadt kaum einer besonderen Erwähnung. Von Porsch’s
Thätigkeit, der am 5. Sept. 1766 seine Bühne mit »Merope« und »Die
drei Brüder und Nebenbuhler« eröffnete, ist nur noch ein Theaterzettel
(Beilage XVI) vorhanden, doch entschädigt uns für diesen Mangel
einigermassen die Erhaltung des in der Magistratskomödie aufgeführten
Festspieles »Die dankbare Schauspielkunst«. Da dieses kleine Stück die
Bedeutung Frankfurts hervorhebt und höchst originell zeigt, durch
welche Huldigungen sich die Komödianten die Gunst des Rathes zu
erhalten suchten, so soll sein Inhalt hier kurz skizzirt und einige
besonders bezeichnende Stellen wortgetreu wiedergegeben werden.
»Der Vorhang gehet unter Pauken und Trompeten-Schall auf,
, man siehct die Lage von Frankfurt zierlich erleuchtet, über dem
Horizont schwebet das Stadt-Wappen in leuchtenden Wolken, neben
welchen man folgende Sinnschriften lieset:
Gaude bonarum Sapientiae nutrix
Artium conservatrix Optimo Senatu felix
Oben schwebet ein fliegender Zettel mit der Aufschrift
Ut luceat in perpetuas aeternitates.
283
Ton beyden Seiten des Theaters stellen acht blühende Lorbeer¬
bäume mit folgenden scheinenden Ehren-Schriften :
Senatus . Vivat.
Respublica . Floreat.
Nobilitas . Vigeat.
Civitas . Crescat.
Nachdem der Paukenschall verhallt ist, treten Apoll und Mer¬
kur an entgegengesetzten Seiten auf und begegnen nach wenigen
Schritten einander. Der Letztere drückt seine Verwunderung dar¬
über aus, dass Apollo des Olympus Höhen und seinen dortigen
Tempel verlassen habe, worauf der Beherrscher der Musen den Aus¬
spruch thut, ganz Frankfurt sei für ihn ein herrlicher, geweihter
Tempel. Dann rühmt er die hohe Bliithe aller Künste, preist den
Fleiss der Bürger und Gelehrten, gedenkt in anerkennenden Worten
der in aller Welt herumgekommenen Reisenden, hebt die »eigen¬
artigen Schönen der alten Reichs- und Krönungsstadt« preisend her¬
vor und endigt seine Lobrede mit den Worten:
»Ich steig’ nie zum Olimp, zu dem, der aller Welt
Zeit, Segen und Geschick in starken Händen hält,
Ohn dass ich seine Huld für Frankfurts Glück und Ehre
Zu meiner Wissenschaft und Künste Flor begehre.
Merkur.
Es war wohl eine Zeit, wo Handel und Gewinn,
Zum eifrigen Gewerb nur zog den Bürger hin,
Wo er für Müssiggang die schönsten Künste schätzte,
Und ihn der süsse Klang der Musen nicht ergötzte.
Doch deiner Künste Glück steigt jetzt zum edlen Flor,
Durch Handelsstädte mehr, als Fürsten-Huld empor.
Frankfurt und Leipzig giebt mit Hamburg für die Künste
Mehr als der ganze Rest von Deutschland zum Gewinnste!«
Welcher Zeit Merkur aus Höflichkeit für die Gegenwart einen
solchen Vorwurf macht, lässt sich nicht bestimmt, sagen; doch meint
er jedenfalls die Epoche der Neuberin, in welcher ein hiesiger Bür¬
ger in einer vielverbreiteten kleinen Flugschrift unter anderen auch
den Ausspruch that, dass das »Komödien lustiren ebensoviel, ja gar
nichts anderes seye als eitel Faulentzerey und verderblicher Müssig¬
gang«. — Auf die rühmliche Hervorhebung der drei bedeutenden
deutschen Handelsstädte Frankfurt, Hamburg und Leipzig lobt dann
Apoll noch in einem langen, mit folgenden Versen schliessenden
Monolog die besonderen Vorzüge der beinahe tausend Jahre alten
Stadt am Main:
»Die Kunst, die Rom, der Sitz der Weisheit, so geacht,
Dass er ihr auferbaut viel Tempel voller Pracht,
Die Schauspielkunst erwirbt in Frankfurt das Vermögen,
Zum Wachsthum ihrer Kunst den sichern Grund zu legen.
— 284
Ja schlösse Deutschlands Schooss ein Frankfurt dreymal ein,
Es würd’ der Deutschen Spiel gleich den Franzosen sein!
Da kommt die Zeugin her
Die Schauspielkunst tritt nun mit einem Gefolge von Schäfern
und Schäferinnen auf und bestätigt die für die damalige Zeit etwas
kühne Behauptung Apollo’s. Dann bittet sie den Gott der Musen,
ihr begeisternde Worte in’s Herz zu legen, damit ihr heutiges Dank¬
opfer der hohen Gönner würdig sei. Apollo berührt die Schauspiel¬
kunst dann mit seinem Scepter, fordert sie auf, sich durch steten
Fleiss die Huld Frankfurts zu erhalten, und wendet sich dann vor
seinem Yersch winden in einer »Wolken-Machina« an den Gott des
Handels mit den Worten:
»Du aber, o Merkur, der Frankfurts Künste lohnet,
Vergönn’ der Schauspielkunst, dass sie hier öftrer thronet!
Des Reichthums kleinster Theil, der dir geschenket ist
Auf dieser Muse Fleiss zu Deutschlands Ehre fliesst !«
Merkur sagt dann der Schauspielkunst seinen ferneren Schutz
zu, wonach, dieselbe ein langes Lobgedicht zu Ehren Frankfurts
spricht. Hierauf singen einige Schäfer und Schäferinnen Arien, von
denen die letzte vom ganzen Chor unter Pauken- und Trompeten¬
begleitung wiederholt wird.
Dass Forsch Frankfurt in so ungewöhnlicher Weise feierte,
hatte w'ohl seinen Grund in dem ausserordentlich grossen Beifall,
der ihm von der ersten bis zur letzten Vorstellung unausgesetzt zu
Theil geworden war. Er leistete die Abgabe von 106 fl. für die
zehn Wochen Spielzeit »mit einem innerlichen und grossen plaisir«
und hatte kein grösseres Verlangen, »als auch fürder in denen Mess¬
zeiten dem hiesigen publico und den wohlgesinneten Fremden wieder
mit seiner gekläreten Schaubühne aufwarten zu dürfen«.
Aber gerade zu der Zeit, als sich Porsch um die Zulassung
für die nächste Ostermesse bewarb, kam auch ein anderer Wander-
principal um dieselbe ein, dessen Gesuch wegen der besonderen
Befürwortung des Präsidenten Wilhelm Reinhard Grafen von Neipperg
die erste Berücksichtigung finden musste.4 38 Es war dies Joseph
Kurz oder von Kurz, wie er sich mit römischen Lettern in seinen
Eingaben an den Rath unterschreibt, welcher damals in Mainz spielte
und schon deshalb für Frankfurt eine so grosse Bedeutung gewinnen
sollte, weil er dem durch Franziscus Schuch angeregten Plan — der
Schauspielkunst eine feste Wohnstätte zu errichten — einen neuen
und nachdrücklichen Anstoss verlieh. Seltsame Fügung! Wieder
war es ein Principal, dessen Richtung die Schauspielkunst zum
Hanswurst der Menge herab würdigte, der ihr in Frankfurt trotzdem
einen unvergesslichen Ritterdienst erweisen sollte.
Vater Bernardon in Frankfurt.
i.
Der junge, talentvolle Schauspieler Kurz, welche]1 1741 — 1742
das Publikum im Waller otty’schen Musentempel so oft belustigt und
schon früher in Wien von seiner Hauptrolle den Beinamen »Mon¬
sieur Bernardon« erhalten hatte, war seit Jahren Principal einer
eignen Gesellschaft und, wie er selbst sagt, »durch die Zeit von
einem jungen Monsieur in einen lustigen Vater umgewandelt worden«.
Wie in anderen Städten, so wurde auch Kurz in Frankfurt bald all¬
gemein vom Publikum »Bernardon« genannt, welche Bezeichnung
sich sogar in Verbindung mit seinem Namen hie und da in den
Bathsbeschlüssen vorfindet.
Gleich nach Bewilligung seines Gesuchs vom 7. October 1766
trat Kurz mit dem Gastwirth Richter auf der Friedbergergasse wegen
des Baues eines ziemlich grossen Komödienhauses in dessen Garten
in erfolgreiche Verhandlungen. Richter liess nun auch gleich An¬
fangs November mit Bewilligung des städtischen Bauamts die Grund¬
mauern zu einem dreistöckigen Gebäude in Fachwerk aufrichten,
dessen Riss das hiesige Archiv noch heute aufbewahrt.934 Allein die
Arbeiten hatten kaum ihren Anfang genommen, als sie auf einen
Rathsbefehl schon wieder eingestellt werden mussten. Aus Besorg-
niss, dieses 150 Schuh lange und 50 Schuh breite Gebäude, welches
sogar einen 10 Schuh vorspringenden Altan haben sollte, könne sich
alsbald in einen ständigen Tempel Thaliens verwandeln, reichte das
evangelisch-lutherische Prediger-Ministerium sofort ein »Widerspruchs¬
memorial« ein, und auch die umwohnende Nachbarschaft kämpfte in
einer sehr energisch gehaltenen Bittschrift hauptsächlich wegen der
Feuersgefahr gegen das Kurz-Richter’sche Unternehmen.44 0 Da in
dieser Supplikation ausdrücklich erwähnt ist, dass das projektirte
Komödienhaus ganz nahe an dem Holzmagazin, dem Porzellanhof,
dem städtischen Armen- und einem lutherischen Pfarrhaus und nicht
weit von Scheuern, Heu- und Fruchtböden aufgerichtet werden sollte,
so war jedenfalls das zum gelben Hirsch (Friedbergergasse Lit. C
Nr. 8) gehörige grosse Terrain der für die Hütte in Aussicht ge¬
nommene Platz. Um so mehr darf die Annahme begründet er-
286
scheinen, als man, nach den Angaben der Unternehmer, sowohl von
der Friedberger-, als auch von der Stelzengasse aus mit Kutschen
oder zu Fuss sollte ungehindert zu der Komödie gelangen können.
Einige Mittheilungen über die projektirte innere Einrichtung dieses
Komödienhauses dürften nicht uninteressant erscheinen. Die Bühne
sollte 50 Schuh lang und, abgesehen von den Coulissen, deren sieben
auf jeder Seite geplant waren, vorne 26 und hinten 20 Schuh breit
sein. Auf den Zuschauerraum waren etwa 70 Schuh Länge, ein¬
schliesslich der Logen 38 Schuh Breite und 31 Schuh Höhe ge¬
rechnet. Die Logen des Parterres sollten 7, die des ersten Bangs 8,
der zweite Rang und das Paradies aber je 7 Schuh hoch sein. Das
Parterre, für welches in der Mitte ein Gang vorgesehen war, hatte
nach dem Plan vorne 26 und hinten 21 Schuh Breite.
Gleich nachdem der Rath die Einstellung der Arbeiten an der
Hütte befohlen hatte, entstand ein heftiger Streit zwischen dem Wein¬
wirt h Richter und seinen ängstlichen .Nachbarn. Aber wenn auch
das vom Rath zur Schlichtung berufene städtische Bauamt zu Gun¬
sten Richter’s entschied, so wurde Kurz dennoch angewiesen, seine
Hütte entweder in der neuen Allee oder auf dem Rossmarkt aufzu¬
bauen. Kaum hatten jedoch die dortigen Bewohner von diesem Be¬
schluss Kunde erhalten, als die Rathsherren wieder mit Bittgesuchen
wegen Abwendung der mit der Aufrichtung der Hütte verbundenen
»Tugend- und Feuersgefahr« von den verschiedensten Seiten bestürmt
wurden.
Diesmal blieben aber die Klagen der seit fast einem Decennium
durch die Benutzung des Bienenthal’schen Saales für theatralische
Zwecke verwöhnten Nachbarschaft ohne den gewünschten Erfolg.
Vater Bernardon erbaute auf dem Rossmarkt mit einem Kostenauf¬
wand e von fast 5000 Thalern eine sehr grosse und feste Hütte mit
einer an Dekorationen und mancherlei Maschineneinrichtungen reich
ausgestatteten Bühne, die er zum Entsetzen aller Umwohner sogar
den Sommer über bis beinahe Ende October des Jahres 1767 stehen
lassen durfte.44 1
Diese Vergünstigung und die selbstverständlich damit ver¬
bundene Spielerlaubniss hatte darin ihren Grund, dass Kurz, welcher
die Erlaubniss gehabt hatte, auch den Sommer über Vorstellungen
geben zu können, nach dem Ableben der Kaiserin Maria Josepha.,
Gemahlin Joseph’s II., während der allgemeinen Reichstrauer vier
Wochen lang sein Theater schliessen musste. Der Rath gewährte
auch seine Bitte, die folgende Ostermesse wieder hier spielen zu
dürfen und stellte ihm sogar später in einem Beschluss vom 22. Sep¬
tember 1767, welcher den durch die verschiedensten Verhältnisse ge¬
botenen Abbruch seiner Hütte anordnete, die Erbauung eines städti¬
schen Komödienhauses in Aussicht.442 Im Ganzen betrug Ber-
nardon’s Abgabe an die Stadt in diesem Jahre 277 fl. 30 kr.
- 287
Eine so rücksichtsvolle Behandlung, wie sie Kurz von Seiten der
höchsten Behörde Frankfurts erfuhr, war vorher noch keiuem der hier
aufgetretenen Schauspieldirektoren zu Theil geworden. Es war jedoch
weniger seine künstlerische Bedeutung, welche ihm dieselbe ver¬
schaffte, als vielmehr die ihm in hohem Grade eigne Gabe, sich
durch ein kavaliermässiges Auftreten in verschiedene hohe Kreise
Eingang zu verschaffen. Wenn er auch auf der Bühne meist das
Gewand des Harlekins trug und die hölzerne Pritsche schwang: in
der Gesellschaft wusste er sich deshalb docli das grösste Ansehen
zu erwerben. Hatte er es früher in Wien so weit gebracht, dass
ihn selbst die sittenstrenge Kaiserin Maria Theresia an ihren Hof
zog, so genoss er auch jetzt das besondere Vertrauen seines hohen
Gönners, des Kurfürsten Emmerich Joseph von Mainz, welches er
freilich, einer sehr unsauberen, aber als durchaus wahr geschilderten
Begebenheit in »Meissner’s Skizzen« zufolge, nicht den edelsten Be¬
ziehungen verdankt haben soll.
Vater Bernardon, der sich durch glänzende Geschäfte ein an¬
sehnliches Vermögen erworben hatte, kannte eben die schwachen
Seiten der Menschen sehr genau. Er wusste, womit er ihnen Inter¬
esse und zugleich Achtung einflössen konnte, und Hess auch in
Frankfurt kein Mittel unbenutzt, um seine Person in eine vortheil-
hafte Beleuchtung zu stellen. Er hatte eine für die damalige Zeit
sehr vornehme Wohnung in der Behausung des Hauptmanns von
Kahlden auf der grossen Gallengasse (Lit. E. Kr. 6), trat mit seiner
Frau äusserst nobel auf und machte auch sonst ein seinem adeligen
Namen entsprechendes Haus.
Mit dem Erwerb dieses Adels soll es übrigens eine eigne Be-
wandtniss gehabt haben. Verschiedenen Mittheilungen zufolge wurde
Kurz erst am Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
in Warschau, wo er eine grosse Theaterunternehmung leitete, in den
polnischen Freiherrnstand erhoben; andere traditionelle Nachrichten
jedoch berichten, dass er schon viele Jahre früher aus besonderer
Gunst durch Kaiser Franz geadelt worden. Nach einem Bericht
des Theater -Journals für Deutschland geschah dies auf folgende
Weise: Kurz hatte ein Stück geschrieben, »Baron Zwickel«, in welchem
er die Titelrolle so sehr zum Wohlgefallen des Kaisers gespielt hatte,
dass dieser öfters von der gelungenen Darstellung des Baron Zwickel
mit seinen Kavalieren sprach. Dies geschah auch eines Tages auf
der Promenade, als Kurz gerade vorüberging. »Sieh da, unser Herr
Baron !« sprach Kaiser Franz. Kurz, welcher diesen Ausspruch des
Kaisers gehört hatte, trat hinzu und sprach: »I dank Eurer Majestät
für die Charge!« Der Kaiser soll gelacht und Bernardon sich seit
jener Zeit »Baron von Kurz« genannt haben.443
Da Kurz den damals in Mainz lebenden General Neipperg und
andere hohe Offiziere oft zu seinen Gästen zählte, trat er auch durch
288
deren Vermittlung mit mehreren angesehenen Frankfurter Familien,
ja sogar mit einigen Rathsmitgliedern in gesellschaftlichen Verkehr.
Nach verhältnissmässig kurzer Zeit wusste er sich vollständig in
dem Vertrauen seiner hiesigen Gönner festzusetzen, worüber man
um so mehr erstaunen muss, als die von ihm verfassten und hier
aufgeführten Stücke, die sogenannten »Bernardoniaden«, den Burlesken¬
unfug auf den höchsten Gipfel führten und bei jedem einigermassen
Gebildeten doch ein gewisses Bedenken erregen mussten. Wozu kein
Principal sich mehr in Frankfurt die Freiheit genommen hatte, das
wagte Kurz im Hinblick auf seine günstige sociale Stellung.
In seinen 1767 hier aufgeführten Stücken »Bernardon im Toll¬
hause«, »Bernardon, der kalkultische Grossmogul«, »Amadeus oder der
krumme Teufel«, »Der dreissigjälirige A-B-C-Schütz« und »Die Teufels¬
mühle« hüllte er die derben Spässe des verdorbenen alten Hanswurst
in moderne Zweideutigkeiten und würzte seine Komik mit den kühn¬
sten und gefährlichsten Witzen.
Die Reformen der Kaiserin Maria Theresia, besonders die
Theatercensur, hatten in Wien die »dramatischen Taschenspielereien«
Vater Bernardon’s ganz unmöglich gemacht: in Frankfurt legte man
im Allgemeinen, abgesehen von der Geistlichkeit, der Schauspiel¬
kunst noch viel zu wenig Bedeutung bei, um von ihren kecken
Ausschreitungen einen gefährlichen Einfluss auf die Zuschauer zu
fürchten.
Regelrechte Tragödien und Komödien kamen in Frankfurt auf
der Kurz’schen Bühne seltener zur Darstellung; statt dessen wurde
die berüchtigte Gattung der Haupt- und Staatsaktionen gepflegt,
welche Vater Bernardon Gelegenheit bot, seine Meisterschaft im
Stegreifspiel auf die mannigfaltigste Weise an den Tag zu legen.
Kurz stellte seinen Schauspielern gegenüber oft die Behauptung
auf, »der vollkommene Akteur bewähre sich allein in der improvisir-
ten Rede«. Er meinte, es sei keine Kunst, etwas Fremdes einzu¬
trichtern und dann wieder herzubeten, wie ein A-B-C-Schütz ; er
hielt es für das Höchste, durch die Eingebungen des Augenblicks
das Publikum mit sich fortzureissen. In dieser Beziehung leistete
nun Kurz, der eine bedeutende komische Begabung besass und im
Stegreifspiel alle Schulen durchgemacht hatte, nach dem Urtheil
manches Augenzeugen auch Unübertreffliches. Seine Rede war
immer dem Charakter der Rolle angemessen, seine augenblicklichen
Einfälle oft von einem so köstlichen Humor durchdrungen, dass ihn
mancher Dichter hätte darum beneiden können.
Wenn er in dem 1768 hier aufgeführten Stück »Bernardon und
Fiametta«, einer Parodie der Sage von Deukalion und Pyrrha, die
Worte sang:
»Meine Brust zerreisst in Stücken,
Und mein Herz bekommt ein Loch !
289
Welcher Schneider wird sie flicken,
Welcher Tischler leimt es doch?«
So übte er auch in Frankfurt solch eine unwiderstehliche Gewalt auf
die Zuschauer aus, dass selbst eifrige Gegner des von ihm begün¬
stigten Stegreifspiels dadurch gefangen genommen wurden.
Für tragische Partieen war Kurz gar nicht zu gebrauchen,
denn er verlieh jeder ernsten Rolle unwillkürlich den Stempel des
Lächerlichen. Auch als »Essex« in der von Stiiven übersetzten Tra¬
gödie des Corneille hatte seine Spielweise etwas Belustigendes, war sein
Anstand von einer so gespreizten Gravität, dass er nothgedrungen
das Zwerchfell erschüttern musste.
Ausser Kurz und seiner reizenden Frau, einer früheren italie¬
nischen Tänzerin, bestand das darstellende Personal der Truppe 1767
in Frankfurt aus folgenden Mitgliedern : dem meist als Helden und
erstem Liebhaber thätigen Waitzhoffer und seiner Frau, welche heitere
Zofen spielte; dem jungen talentvollen Heldendarsteller Bergopzoomer;
dem auch als Verfasser allegorischer Festspiele bekannten Grünberg;
dem Ehepaare Eitel ; einem gewissen Koppe, seiner Frau und seiner
Pflegetochter Johanna Rischar, der nachherigen berühmten Sacco, und
dem der letzteren bestimmten Bräutigam August Grosse.444
Zu dem von Kurz mit grosser Vorliebe gepflegten Ballet ge¬
hörten die Mitglieder Gardello, Demoiselle Guizetti; das Lanzische
Ehepaar; Reimann ; Mad. Voltmi und einige Figuranten. Dann
zählten auch noch verschiedene untergeordnete Mitglieder zu dem
Verband der Kurz’schen Bühne, deren etwas freie Lebensweise gerade
nicht geeignet war, das moralische Ansehen der Komödianten in den
Augen sittlich strenger Frankfurter zu heben.
Ehe die Kurz’sche Gesellschaft vor der Ostermesse 1767 von
Mainz nach Frankfurt ging, wurde der berühmte Friedrich Ludwig-
Schröder als Tänzer und Schauspieler Mitglied derselben.
Der Umstand, dass bei dieser Bühne nur wenig eiugelernte
Stücke im Gange waren, worin die von Schröder anderwärts mit grosser
Meisterschaft gespielten bedeutenden Bedientenrollen vorkamen,
brachte es mit sich, dass der junge Künstler Alles, was Chevalier
hiess oder in dieses Fach gerechnet wurde, darzustellen bekam.
Von den von Schröder 1767 in Frankfurt gegebenen Rollen
lassen sich folgende feststellen:
Hector . in Der Spieler von Regnard;
Le Blau . » Die schlaue Wittib von Goldoni;
Chevalier . »Der Zerstreute von Regnard;
Ernold . » Die Engländische Pamela nach Gol¬
doni von Fried. Willi. Weiskern;
Frontin (Leporello) . . » Das steinerne Todten-Gastmahl etc.
(Don Juan) Stegreif komödie ;
Norton . » Miss Sarah Sampson von Lessing;
19
290
Prinz Miketay ... in Prinzessin Pumphia, Farce von Kurz ;
Truffaldino . » Diener zweier Herrn von Goldoni.445
Mehr noch als Schauspieler war Friedrich Ludwig Schröder als
Tänzer auf der Kurz’schen Bühne thätig. Da er ein ausserordent¬
liches Talent besass, leidenschaftliche Gefühle und erregte Stimmungen
durch die Kunst der Pantomime zum Ausdruck zu bringen, ver¬
wandte ihn Kurz sehr viel in den sogenannten scenischen Balletten,
Die Pflege dieser Anlage, deren Bedeutung für Schröder oft unter¬
schätzt worden ist, kam ihm später als Heros der deutschen Schau¬
spielkunst beim Durchführen seiner schwierigen Bollen gut zu statten.
Was manchmal selbst bei hervorragenden Künstlern als mangel¬
haft bezeichnet wird: das stumme Spiel, war bei Schröder ebenso vor¬
züglich als die Deklamation lebensvoll und hinreissend. Besonders Vor¬
treffliches leistete er in dieser Hinsicht in Babo’s »Otto von Wittels¬
bach«. Wer ihn, wie sein Biograph Mayer erzählt, in dieser Bolle
nach der Ermordung des Kaisers mit verstörtem Gesicht aus dem
Nebenzimmer stürzen sah, das Zeichen seiner blutigen That auf der
Stirne, die Muskeln erschlafft, die Arme gelähmt herabhängend, der
musste diese stumme Darstellung für das Höchste halten, was die
mimische Kunst jemals geleistet hatte.
Noch etwas für ihn Wichtiges erwarb sich der junge Schröder als
Ballettänzer auf der Schaubühne des Wanderprincipals von Kurz,
was ihm später als Direktor des Hamburger Theaters einen unbe¬
rechenbaren Nutzen gewähren sollte. Dies war die Kunst ge¬
schmackvoll anzuordnen und jene tiefe Kenntniss der theatralischen
Effekte, deren Vortheile er sowohl als darstellender Künstler wie als
Schriftsteller und Bearbeiter Shakespeare’s später, aber nur in mass-
voller Weise, zur Geltung kommen liess.
Nimmt man nun noch an, dass Schröder durch das freie flüch¬
tige Treiben einer moralisch und künstlerisch nach »wälschem Zuschnitt
formirten Truppe« viele wichtige Erfahrungen für die Kunst und das
Leben sammelte, dass er seine liebsten Neigungen dem Ganzen unter¬
ordnen lernte, so ist seine Thätigkeit auf der Kurz’schen Bühne in
Frankfurt und Mainz im Jahre 1767, trotz der tollen Sprünge und
grotesken Pas, die er zur allgemeinen Belustigung machen musste,
doch kein dunkler Punkt in dem Leben des grossen Mimen.
Die Kunst selbst zeichnet ihren Auserwählten die rechten Wege
zur Erreichung eines grossen Zieles vor. Das ist eine alte Wahr¬
heit, die sich schon unzählige Male in dem Leben bedeutender Indivi¬
duen bewährt hat und die sich auch bewähren wird, so lange noch
ein Menschenherz das Bedürfniss empfindet, auf der Grundlage seiner
natürlichen Fähigkeiten Hohes, Grosses und Schönes anzustreben. —
Nichts ist in einem solchen Entwicklungsgang unbedeutend, nichts
ist anders zu wünschen, das Schicksal besitzt eine unantastbare Logik,
291
der wir vergeblich mit unsern Verstandesschlüssen einen Irrthum
nachzuweisen suchen.
Wäre Friedrich Ludwig Schröder im Frühjahr 1767 bei der
Gründung des ersten deutschen Nationaltheaters nicht durch den
Umstand von Hamburg vertrieben worden, dass man das Ballet als
der wahren Schauspielkunst unwürdig von dem neuen Unternehmen
ausschloss, er hätte vielleicht nie den Irrthum über sich sich selbst
so klar durchschaut, nie ein so gegen alle hinderlichen Einflüsse
gefestigtes Fundament zu einer neuen Kunstepoche errichten können.
Gleich nach Ostern 1767 wurde die grosse Schaubühne auf
dem Rossmarkte mit dem Grafen Essex, dessen Titelrolle dieses Mal
von Bergopzoomer gegeben wurde, und einer grösstentheils aus dem
Stegreif gespielten Nachahmung des französischen Stückes »Le Mer-
cure galant« eröffnet.
Kurz - Bernardon erschien als Dame, die sich bei dem Heraus¬
geber einer Zeitung nach Messneuigkeiten erkundigt und ihm dann
selbst verschiedene neue Ereignisse mittheilt. Unter anderem erwähnt
sie auch die Ankunft des berühmten Herrn von Kurz, dessen ganze
Gesellschaft sie einer ausführlichen Schilderung unterzieht. Hierbei
beliebte es ihr zu sagen : »Eitels (bekanntlich Mitglieder der Truppe)
sind von Hamburg gekommen. Bleiben dort nicht bessere, so schaut’s
schlecht aus. Er ist ein himmellanger Bengel, der sich für einen
Sänger ausgiebt. Herr von Kurz wird ihn bald wieder laufen lassen.
In Hamburg müssen halt lauter Riesen seyn. Daher ist auch ein
Schröder eingetroffen, der springt wie ein Teufel ! Die Leute sagen
er soll auch als Schauspieler gut seyn«.446
Schröder, der dieser Vorstellung im Parterre zusah, fand diese
Bänkelposse, besonders den Ausfall gegen seinen von ihm hochge¬
schätzten Kollegen Eitel und dessen Gattin ganz unverzeihlich. Er
lief sogleich hinter die Coulissen, stellte den Direktor mit derben
Worten zur Rede, welcher seinerseits wieder dem kühnen jungen
Akteur in nicht minder gereizter Weise antwortete. Durch diesen
Vorfall entstand zwischen Kurz und Schröder eine Verstimmung,
welche erst die kluge Principalin nach und nach wieder gänzlich zu
verwischen wusste. Nach Schröder’s erstem Auftreten als Hector in
dem Spieler dachte Kurz aber noch so wenig an Nachfragen oder
Grollen, dass er den vom Publikum mit grossem Beifall ausgezeich¬
neten jungen Künstler vor dem ganzen Personal in seine Arme schloss.
Eine ähnliche Ehrenbezeugung wurde ihm von Seiten des
Direktors nach der Vorstellung des steinernen Gastes zu Theil. Ohne
eine Probe und vorherige Durchsicht des Stückes hatte Schröder den
Frontin (Leporello), Diener des Don Juan, so vortrefflich aus dem
Stegreif gespielt, dass ihm Kurz mit den Worten um den Hals fiel:
»Mordio Sakkerement! der Herr ist Akteur! Dagegen sind die andern
— Gott weiss was«.
19*
292
Durch die lustigen Einfälle, die dem jungen Künstler an diesem
Abend zuströmten, brachte er den Darsteller des Don Juan, Bergop-
zoomer, oft in die peinbchste Verlegenheit. Das Publikum amüsirte
sich hauptsächlich hierüber und liess mit seinem Beifall nicht nach,
obgleich die Aufführung durch Schröders lustige Einlagen eine Stunde
über die gewöhnliche Zeit währte.
Das grösste Aufsehen unter allen Kurz’schen Vorstellungen er¬
regte Mitte Oktober 1767 die zweimal gegebene Haupt- Aktion »das
lastervolle Leben und erschröckliche Ende des weltberühmten Erz¬
zauberers Doctoris Joannis Fausti, professoris theologiae Wittenber-
gensis«, deren Darstellung dem Entrepreneur hinreichend Gelegenheit
bot, die kunstvollen Maschinerien der Bühne, seine »nie übertroffene
Dekorationen und sonstigen feinartigen und erschröcklichen Requi-
sita« insgesammt zur Anschauung zu bringen.
Der Titel »professor theologiae Wittenbergensis«, welchen Kurz
dem »weltberühmten, jedermänniglich bekannten Erzzauberer, von
Geistern übel vexirten Reisenden, lächerlichen Bezahler seiner Schul¬
den« u. s. w. beizulegen sich erdreistete, gab die Veranlassung, dass
das evangelisch-lutherische Predigerministerium beim Senat eine Be¬
schwerdeschrift gegen den Kur-Mainzischen Schauspieldirektor ein¬
reichte. Es wurde in derselben ausführlich begründet, dass eine
solche Bezeichnung auf einem Theaterzettel nicht allein eine grobe
Unwahrheit und unverschämte Verläumdung, sondern auch eine kecke
Beleidigung einer der ersten und ältesten Universitäten der evange¬
lischen Kirche sei. An obige Darlegung schloss sich sodann die
dringende Bitte, den Baron von Kurz alsbald zur Verantwortung zu
ziehen und die Beschimpfung der angesehensten Würde des geist¬
lichen Lehramts nicht ungerügt hingehen zu lassen.447
Auf diese Eingabe musste sich Kurz bei dem älteren Bürger¬
meister Friedrich Maximilian Baur von Eyseneck verantworten, der
ihm zugleich auf dem nächsten Theaterzettel einen Widerruf des Pre-
dikats »professor theologiae Wittenbergensis« auferlegte. Vater Ber-
nardon befolgte auch am 22. Oktober diesen Befehl, aber die un¬
genügende und ausweichende Art, in der es that, spricht dafür, dass
die Anwendung jenes Titels doch nicht so ganz harmlos gemeint war,
wie er sie in der Audienz bei dem älteren Bürgermeister hinzu¬
stellen versucht hatte.
Da ein Zettel von der Vorstellung des Doctoris Joannis Eausti
und derjenige mit dem gebotenen Widerruf in die Acta ecclesiastica
Tom VIII. eingefügt wurden , so sind wir erfreulicherweise im
Stande, beide in der Beilage unter Nr. XVII veröffentlichen zu können.
Es ist jedenfalls ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Kurz ge-
nöthigt war, gerade auf der Ankündigung einer Aufführung von
»Minna von Barnhelm«, diesem ersten deutschen Nationallustspiel, »auf
gnädigen Befehl« den kecken Missbrauch eines angesehenen Titels
293
öffentlich ein zages tehen, za welchem er durch die Anpreisung einer
ungeheuerlichen Zauberkomödie veranlasst worden war.
Man hat das Vorgehen der protestantischen Geistlichkeit gegen
Kurz oft kleinlich und beschränkt genannt, aber, wenn man bedenkt,
dass der keineswegs harmlose Günstling des Kurfürsten von Mainz
diesen Ausfall in einer überwiegend protestantischen Stadt vollführte,
so erscheint es doch ziemlich begreiflich, dass das Ministerium eine
solche auf gut Glück gewagte Dreistigkeit nicht stillschweigend hin¬
nahm. Für dieses entschiedene Verhalten erfolgte denn auch im No¬
vember 1767 von Wittenberg ein Dankschreiben, welches der Dekan
der Universität Dr. Joachim Samuel Weikhmann eigenhändig ge¬
schrieben hatte.448
Ueberhaupt stellen sich im allgemeinen die Kämpfe der Geist¬
lichkeit gegen die hier aufgetretenen Komödiantenbanden, die uns
heute auf den ersten Blick engherzig und unbegreiflich erscheinen,
bei genauer Durchsicht der bezüglichen Akten doch in einem ganz
anderen Lichte dar. Gar manche Härte, welche wir Nachlebenden
als unchristlich bezeichnen müssen, erscheint durch eine innere Noth-
wendigkeit geboten, manche strenge Verordnung der Geistlichkeit
durch den entsittlichenden Einfluss der meisten Wandertruppen gleich¬
sam bedingt.
Das Ereigniss, welches aber diesen unangenehmen Vorfall
beinahe vollständig in den Hintergrund treten lässt, ist die Darstellung
von Lessings »Minna von Barnhelm« in Frankfurt, welche am 18.
Oktober 1767 erfolgte, also kaum ein viertel Jahr nach der ersten
Aufführung dieses Stückes durch Döbellin in Berlin und noch nicht
einen Monat nach der am 28. September im National-Theater in Ham¬
burg veranstalteten Vorstellung. Der Theaterzettel vom 18. Oktober
1767 hat sich leider nicht erhalten, aber da die Ankündigung zur
Wiederholung des Stückes, wie eine aktenmässige Notiz bezeugt,
genau mit demselben übereinstimmt, so ist sein Abhandenkommen
wohl nicht als ein allzugrosser Verlust anzusehen. Wir erfahren ja,
wer in Frankfurt die ersten Darsteller der Lessing’schen Muster¬
charaktere gewesen sind und wundern uns nur darüber, dass Riccaut
de la Marliniere auf dem Zettel nicht zu finden ist. Vielleicht hängt
das Fehlen dieser Figur mit einem Unwohlsein Friedrich Ludwig
Schröder’s zusammen, der bekanntlich gut französisch sprach, aber
gerade im Oktober 1767 eine Kur bei einem hiesigen Dr. Hoffmann
durchmachte.
Was die Darstellerin der Titelrolle, Demoiselle Rischar, anbe¬
trifft, so muss hier erwähnt werden, dass sie ein junges reizendes
und mit ausserordentlichen Talenten begabtes Mädchen war. Sie
befand sich später als Frau Sacco unter Schröder’s Direktion in Ham¬
burg und verschaffte 1776 durch ihr ungezwungenes und herzge¬
winnendes Spiel der Schule desselben in Wien Eingang.
294
Der Darsteller des Major Teilheim, Herr Waizhofer, stand der
Vertreterin der Minna von Barnhelm bedeutend nach. Er war
nur in Stegreifrollen zu Hause, in gelernten benahm er sich
meist hölzern und unbeholfen. Vielleicht liess aber seine ritter¬
liche Erscheinung, welche für einen Teilheim wie geschaffen war, in
den Vorstellungen der »Minna von Barnhelm« die Mängel seines
Spieles nicht zu störend hervortreten.
Dass Lessings Meisterwerk eine günstige Aufnahme in Frank¬
furt fand, beweist die zweimal kurz hintereinander erfolgte Auffüh¬
rung des Stückes und eine zweite kurz vor dem Abzug der Gesell¬
schaft nach Mainz gegebene Wiederholung. War also Kurz auf der
einen Seite in kecker Dreistigkeit zu weit gegangen, so sühnte er
doch auf der andern seinen Fehler wieder durch die erste Auffüh¬
rung des Stückes, die ihm in der Geschichte des Frankfurter Thea¬
ters immer zum unvergesslichen Verdienst angerechnet werden muss.
Durch den unangenehmen Vorfall im Oktober 1767 verschwand
aber die Zauberkomödie Dr. Joannes Faustus doch nicht für immer
von dem Kurz’schen Repertoire. Vater Bernardon liess nur das
Prädikat »professor theologiae Wittenbergensis« fort und brachte sie
in der Ostermesse 1768 mehrmals, mit den ebenfalls auf den Zetteln
höchst bombastisch und schauerlich geschilderten 14 Scenen, unter
dem grössten Beifall des Publikums auf die Frankfurter Schaubühne.
Was dieser Schauerkomödie hier hauptsächlich einen so grossen Erfolg
verschaffte, war die Darstellung der Titelrolle durch den bereits ge¬
nannten Grünberg. Dieser Schauspieler hatte studirt und besass be¬
sonders in den Naturwissenschaften so gründliche Kenntnisse, dass
er bei jeder Vorstellung des Faust neue Ansichten über Magie vor¬
trug. Er wiederholte sich nie, und wie lange er auch sprach, immer
kam den Zuschauern der Schluss seiner Rede zu früh.
Eine Scene dieses nie veraltenden Stoffs war die erschütterndste,
die Schröder sich auf der Bühne denken konnte. Nachdem Paust
alles aufgeboten hat, um sich aus der Macht des Teufels zu befreien,
giebt ihm die Verzweiflung ein letztes grässliches Mittel zur Rettung
ein. Er fasst den festen Vorsatz, seinem kürzlich vor Gram ge¬
storbenen Vater das Herz aus dem Leibe zu reissen und begiebt
sich in dieser empörenden Absicht auf den Kirchhof. Als er das
Grab geöffnet hat und im Begriff ist, die schaudererregende That zu
begehen, richtet sich der Leichnam auf und giebt dem unnatürlichen
Sohn seinen Fluch, worauf Faust besinnungslos zu Boden stürzt. —
Der Eindruck dieser schauerlichen Scene wurde einigermassen durch
das Auftreten des von Kurz als lustigem Nachtwächter gespielten
Crispin und durch einen schnellen Wechsel der Dekorationen verwischt,
welche »den traurigen Begräbnissort in einen lustvollen Garten« um¬
wandelten.
Wie man aus zwei, leider nur stückweise erhaltnen Quartblät-
— 295
tern schliessen darf, Hess Kurz zu der »Maschinen-Komödie« vom Dr.
Joannes Faustus und jedenfalls auch zu anderen wichtigen Vorstel¬
lungen kleine Erklärungsheftchen drucken, welche an der Kasse seines
Theaters für einen geringen Preis zu haben waren. Dieselben Mit¬
theilungen, die der Zettel in den vierzehn bombastisch geschilderten
Scenen brachte, enthielt auch das Heftchen, jedoch ausführlicher
und jedenfalls in einer von Kurz für diesen Zweck zurecht gestutz¬
ten Weise.
Zur selben Zeit, in welcher in Frankfurt die Schauerkomödie
vom lasterhaften Leben und schrecklichen Ende des Erzzauberers
Faust das grösste Aufsehen erregte, weilte der zukünftige Neugestalter
dieses mächtigen, aber viellicht nie mehr als von Kurz übel zuge-
richten Stoffes ferne von seiner Vaterstadt. Goethe besuchte bekannt¬
lich vom Oktober 1765 bis zum September 1768 die Universität
Leipzig, weshalb er das unter Leitung Vater Bernardons stehende
Theater in Frankfurt nie besucht und auch jedenfalls keines jener V
in Form von Heftchen gedruckten originellen Programme zu Gesicht
bekommen haben wird.
Ausser den bereits genannten, von Kurz in Frankfurt gegebenen
Stücken lässt sich noch eine Darstellung des »Demetrius« und eine
weitere Vorstellung des Trauerspiels »Der Graf von Essex« akten-
mässig nachweisen. Mit dem letztgenannten Stücke, nebst einem die
Wiedergenesung der Kaiserin Maria Theresia feiernden Vorspiele, in
welchem der Direktor selbst die Titelrolle hatte, begannen in der
Herbstmesse 1767 in der grossen auf dem Rossmarkt stehen geblie¬
benen Hütte wieder die Kurz’schen Vorstellungen. (Siehe den betref¬
fenden Zettel in der Beilage Nr. XVII.)
Bald nachdem Kurz Anfangs November desselben Jahres mit
seiner Gesellschaft nach Mainz abgezogen war, kam der Wanderprin-
cipal Johann Martin Löpper (so unterzeichnet er seinen Namen, in
vielen Theatergeschichten wird er Leppert genannt) beim Rath um
die Erlaubniss ein, seine deutsche Schaubühne nach dem neuen Jahre
einen Monat lang eröffnen zu dürfen. Löpper wurde anfangs ab¬
schlägig beschieden, als aber sein zweites Gesuch von einer einfluss¬
reichen Persönlichkeit befürwortet wurde, erhielt er sofort die begehrte
Zulassung.44 9 Noch vor dem Schluss des alten Jahres schlug Löpper
seine Bühne im Junghof auf und spielte auf derselben laut dem
Rechnungshauptbuche vom 2. Januar bis zum 2. Februar 1768.
Ueber diesen Aufenthalt Löpper ’s fehlen sowohl in den Archi¬
valien als in den gedruckten Quellen aus jener Zeit jegliche weitere
Nachrichten. Da er nun keine hervorragende Erscheinung auf dem
Gebiete seiner Kunst war und wie die Verfasser der »Chronologie
des deutschen Theaters«, Schmidt und Dyck, sagen, zu den von Städt¬
chen zu Städtchen ziehenden Afterprincipalen gehörte, so ist der
296
Mangel ausführlicherer Mittheilungen über ihn wohl nicht als ein
grosser Verlust zu betrachten.
Löpper’s Leistungen müssen aber in Frankfurt Beifall gefunden
haben; denn er erhielt im Juni desselben Jahres bei seiner Durch¬
reise nach Strassburg auf besonderen Wunsch verschiedener Frank¬
furter Gönner sofort die Erlaubniss, vierzehn Tage lang im Junghof
Vorstellungen geben zu dürfen.450 Bei seinem ersten Aufenthalte
zahlte Löpper wöchentlich 20 fl. Standgeld, während er im Juni
1768 ebensoviel für beide Wochen dem städtischen Rechneiamt ent¬
richtete.
Dass Löpper in Frankfurt so viel Beifall ärndtete, ist wohl haupt¬
sächlich seinen eignen komischen Leistungen zuzuschreiben. Seine
Erscheinung — - er war von überaus kleiner, fast zwerghafter Statur
— reizte schon zum Lachen und machte sein Auftreten nur in
Possenspielen möglich. Durch seinen unmässigen Hang zu Ueber-
treibungen und extemporirten Zusätzen machte er jede Rolle noch
mehr zur Karrikatur ; die lächerlichste Parodie aber war es, wenn
er den ritterlichen Grafen Essex oder eine ähnliche Heldenrolle spielte.
Löpper hatte ein ziemlich abenteuerliches Leben hinter sich.
Er entstammte einer anständigen Familie, war zum Studiren bestimmt,
hatte aber nach eigner Aussage kein Loth Sitzfleisch. Er war zuerst
Läufer bei einem in Leipzig studirenden Grafen Schmettau, dann
Hofnarr König August’s II. von Sachsen, nach dessen Tode aber
lustiger Rath beim Grafen Brühl gewesen und wurde schliesslich,
nach einer mehrjährigen Thätigkeit als Harlekin, Principal der früher
Josephi’schen Gesellschaft. In der deutschen Theatergeschichte ist
dieser zwerghafte Possenreisser unter dem Namen »der kleine Lep-
pert« bekannt.
Da der kleine Wanderprincipal meist nur Burlesken und Steg¬
reifkomödien gab, zählte er nur Schauspieler, die im komischen Fache
tüchtig waren, zu seiner Truppe. Wie sich aus der »Chronologie des
deutschen Theaters« und verschiedenen anderen Abhandlungen über
die damaligen Wanderbühnen ergiebt, befanden sich im Jahre 1768
bei der Löpper’schen Gesellschaft in Frankfurt folgende hauptsächliche
Mitglieder : das Ehepaar Schmelz ; die Herrn Meyer, Regel, Abbt
und Honsel, der letztere Gatte der berühmten Madame Hensel, spä¬
teren Seyler, und die jugendliche Katharina Juliane Lucius aus
Dresden, die durch ihr einschmeichelndes Organ und ihr schönes
Aeussere eine ebenso starke Anziehungskraft ausgeübt haben soll
»wie der bossige Harlekin« durch seine mehr als drollige Er¬
scheinung.
Aus einem Dankschreiben Löpper’s an die »Obrigkeit Frank¬
furts« lässt sich schliessen, dass auch Rathsmitglieder zu seinen hohen
Gönnern gehörten. Er legte selbstverständlich ein besonderes Ge¬
wicht auf diese Gnade und erwähnt ausdrücklich, dass er hoffe, nicht
297
zum letzten Mal in dieser weltberühmten Krönungsstadt am Main
das Publikum erfreut zu haben. An diesen Ausspruch erinnerte
auch der kleine Harlekin den Rath, als er im Jahre 1770 zurück¬
kehrte und sich die Zulassung für die Herbstmesse zu erwirken
strebte.
II.
Vor dem Beginne der Ostermesse 1768 stellte sich Vater Ber-
nardon mit seiner Truppe wieder in Frankfurt ein, um, wie er sagte,
»der bereits gewährten Spiel erlaubniss mit extramenter Freude nach¬
zukommen«. Kurz vorher, in der ersten Hälfte des Februar 1768,
war Friedrich Ludwig Schröder in Freundschaft von seinem ihm
wohlgesinnten Principal geschieden. Der Grund dieses Abgangs war
eine seinerseits unerwiderte Liebe einer jungen Schauspielerin, welche
dem kaum verwittweten Schröder selbst ihre Hand angetragen hatte
und bei jeder Begegnung auf der Bühne immer mehr in ihrer leiden¬
schaftlichen Neigung bestärkt wurde. Aus Ehrenhaftigkeit entfernte
sich Schröder, welcher neben dieser für ihn peinlichen Liebe auch
noch Eifersüchteleien der ihm mehr als recht und erwünscht zu-
gethanen Madame von Kurz auszuhalten hatte.451
Als Vater Bernardon nach seiner Ankunft in Frankfurt die
grosse Hütte in der kleinen Allee wieder aufrichten lassen wollte,
stellten sich diesem Vorhaben sofort die grössten Schwierigkeiten
entgegen. Vor allem waren es die Besitzer der Häuser in der Nähe,
die wieder in 'langen Eingaben ihre alten Klagen über Feuersgefahr,
Störung der bürgerlichen Ruhe und Verführungen zu allerlei Lieder¬
lichkeiten und sonstigen Sünden hören liessen. Besonders heftig
eiferte der Kapitän von Groote gegen Kurz, der nach seinem Aus¬
spruch die Absicht habe, »sich in dieser Stadt einzunisteln und mit
seinen Gauklerpossen die Menschen zur Schwelgerei zu treiben«.
Zugleich wurden die Schauspieler gehörig schlecht gemacht und
Kurz ein Moralprediger genannt, der unter dem Deckmantel der
Ausbreitung einer gesunden Moral den Verliebten Gelegenheit zum
öfteren Sehen und allerlei Lasterausübungen gebe. »In einer wohl-
eingerichteten Republik sind dergleichen Leute sehr wohl zu ent¬
behren«, meinte Kapitän Groote, »und wer die Sittenlehre liebt, kann
solche in dem Sirach ohne grosse Kosten lesen und lernen, ohne
dass er dafür viel Geld und Zeit verschwendet« 452 u. s. w. Schliess¬
lich bat man, dass die Nachbarschaft der kleinen Allee von der
Hütte verschont und ihr ein dahin lautender Beschluss mitgetheilt werde,
damit man »betreffenden Falls« in der Lage sei, fernere rechtliche
Mittel zu ergreifen und »Allerhöchsten Orts« Schritte zu thun.
Nachdem von diesem, dem Rathe gegenüber in höchst anmassendem
Tone abgefassten Gesuch Abschrift genommen worden war, wurde
298
dasselbe dem Supplikanten wegen anstössiger Schreibart und un¬
gebührlicher Beanstandung einer obrigkeitlichen Verfügung mit Ver¬
weis und Verwarnung zurückgegeben.
Die Aufrichtung der Kurz’schen Bude in der kleinen Allee
unterblieb aber trotzdem. Vater Bernardon erhielt den Bescheid,
sich einen andern Platz zu suchen, und wählte, der ewigen Kämpfe
mit den betreffenden Nachbarn und Hausbesitzern müde, diesmal den
für seine Vorstellungen allerdings sehr engen Bienenthal’schen Saal
im Junghof.
Bei der Besprechung der Groote’schen Eingabe kommen wir
auf die ein Jahr früher ebenfalls gegen die Aufrichtung der Kurz’¬
schen Hütte in der neuen Allee eingereichte Bittschrift des Frank¬
furter Romanschriftstellers Dr. Johann Balthasar Kölbele zurück. Da
dieses Gesuch ausserordentlich bezeichnend für das geringe Ansehen
der Bühne bei dem gebildeten Mittelstände Frankfurts ist, da es
ausserdem noch sehr charakteristische Anspielungen auf Kurz ent¬
hält, so soll es an dieser Stelle auszugsweise Platz finden.
»Da die unterschriebenen Nachbarn der neuen Allee erfahren
haben, dass auf eben diese Allee ein Komödienhaus erbauet werden
solle, so werden Ew. Wohlgeb. Hochedelgeb. Gestr. und Herrlich¬
keiten eben dieser Nachbarschaft deswegen einige unterthänigst ge¬
horsamste Vorstellungen grossgiinstigst zu erlauben geruhen.
Der Concipiente des gegenwärtigen Aufsatzes hat schon durch
öffentliche Proben gezeiget, dass er nicht durch Vorurtheile gegen
die schönen Wissenschaften und in Sonderheit nicht gegen die Schau¬
bühne eingenommen seye.
Begebenheiten der Jungfer Mayern, zwote Ausgabe, zweeter
Theil Seite 127 bis Seite 129.
Er wird aber gleichwohl sein Urtheil von der Schaubühne
niemand aufdringen, so sehr er sich vergnüget, dass andere aufge¬
klärte und bey Unpartheyischen vor gründliche Gelehrte gehaltene
Männer mit ihm einstimmen.
Mosheimer’sche Sittenlehre der heiligen Schrift, sechster Theil,
Seite 343—353 und des Pater Porre Rede von der Schaubühne.
Gegen etliche wenige, den Sitten unschädliche und allenfalls
erlaubte Stücke wimmelt auch noch unser neueres und verbessertes
Theater mit vielen bald mehr bald weniger anstössigen und mit
verschiedenen, die Sitte offenbar verderbenden Schauspielen: und ein
gewinnsüchtiger Schauspieler weidet meistens und am öftersten
die allerschlimmsten, weil sie ihm die meisten Zuschauer bringen.«
Diese Andeutung ist ohne Zweifel auf Kurz gemünzt, der sehr
viel auf guten Gewinnst gehalten haben soll. Dass Kölbele nicht
gerade mit der Sprache herausrückt, zeugt für eine gewisse Befangen¬
heit, in welche ihn das Ansehen Bernardon’s bei verschiedenen
Rathsmitgliedern versetzte.
299
»Hier wird denn« — heisst es weiter — »die in unseren Zeiten
ohnehin schon sehr verderbte Jugend durch die in übel gerathenen
Schauspielen eingesogene schlimme Gesinnung täglich noch mehr
verdorben. Den Müssiggängern wird eine Gelegenheit zur mehreren
Beförderung ihres Müssigganges und auch weitläufigere Gelegenheit
zur Verschwendung verschafft.
Die Schauspielerinnen und andere dergleichen Weibsbilder, die
sich häufig auf dem Schauplatz einfinden, verleiten junge Manns¬
leute zu Ausschweifungen. Und es wird auch manches Töchterchen
von angesehener Familie durch verlaufene Mannsleute eben deswegen
verführet, weil es mit diesen Mannsleuten durch den Schauplatz in
Bekanntschaft gerathen.«
Der Inhalt des letzten Satzes bezieht sich wahrscheinlich auf
eine junge Dame aus einer angesehenen Frankfurter Familie, welche
einen ehemaligen französischen Offizier in dem Kurz’schen Theater
auf dem Rossmarkte kennen gelernt hatte und zur Schande ihrer
Familie nach einer Vorstellung mit demselben nach Mainz heimlich
durchgebrannt war, von wo aus sie später von ihren Eltern wieder
hierhergeholt worden sein soll.
»Dergleichen üble Folgen« — fährt Kölbele fort — »sind un¬
zählbar. Wenn wir auch die Religion bei Seite setzen und nur die
Weltklugheit zu Rathe ziehen, so werden unsre ohnedem genug ver¬
derbten jungen Leute durch den Schauplatz noch mehr in solche
unordentliche und verschwenderische Lebensart versetzet, wovon wir
in den häufig vorfallenden Banquerouten schon ohnedem die be¬
trübtesten Proben haben. Nicht sowohl durch das wenige Komödien¬
geld, als vielmehr durch hundert unerwartete Ausschweifungen, zu
welchen die Besuchung des Schauplatzes solche Leute verleitet.
Wir stehen hier in Frankfurt nicht in eben der Verfassung
wie in Paris oder London. So sehr auch in unserer Stadt endlich
der Müssiggang abnehmen dürfte, so haben wir doch nicht so viele
Fremden unter uns, die mit öffentlichen Lustbarkeiten unterhalten
werden müssen, damit sie keine gefährlichen Händel vornehmen.
Und die Ursachen, welche den Cardinal Richelieu zur Beförderung
der Schaubühne in Frankreich bewogen, passen am allerwenigsten
auf unsere deutsche Reichsstadt. Sollten auch durch die Errichtung
einer beständigen Schaubühne und durch die Beförderung anderer
Pariser oder Londonischer Lustbarkeiten manche vornehmen Fremde
in unsere Stadt gezogen werden und sehr ansehnliche Gelder bei
uns verzehren, so bleibt es noch allemal ein politisches Problema:
ob die daraus zu hoffenden Vortheile unseres geliebten Frankfurts
mit der Sittenverderbung und dem daraus entspringenden Schaden
unserer einheimischen Familien nur noch einigermassen im Gleich¬
gewichte stehen werden . . . ,«453
Hierauf folgt die weitläufige Ausführung von neun Punkten,
300
weshalb kein Komödienhaus in der neuen Allee zu dulden sei, deren
seitenlanger Inhalt sich in den wenigen Worten : Furcht vor Tugen d-
und Feuersgefahr kurz zusammenfassen lässt. Das Gesuch trägt bei¬
nahe dreissig Unterschriften, unter anderen auch die des Schulhalters
Johann Jacob Hagenburger, der seinem Namen noch den gewiss für
die Nichtachtung des Theaters bezeichnenden Zusatz nachstellt :
»Wollte grossgünstig gebeten haben, allda man die Jugend zu Gottes
Ehre unterrichten soll und durch solche Comödien das Gute ver¬
hinderte !«
Um begreifen zu können, dass ein zwar etwas einseitiger, aber
trotzdem vielwissender Schriftsteller, wie Dr. Johann Balthasar Kölbele
war, dem Käthe Frankfurts in demselben Jahr eine solche Bittschrift
einreichte, in welchem zu Hamburg das erste deutsche National¬
theater gegründet wurde, muss man sich an den Kunststandpunkt
Vater Bernardon’s und an die oft zu gerechtem Tadel Veranlassung
gebende moralische Haltung seiner Truppe erinnern.
Dr. Kölbele, welcher die in dem Bittgesuch niedergelegten An¬
sichten über die deutsche Schaubühne auch in seinen beiden etwas
pietistisch gefärbten Romanen »Die Begebenheiten der Jungfer Meyern«
und »Die Begebenheiten der Philippine Damien« (Frankfurt a. M.
1768 und 69 in der Andrä’schen Buchhandlung) an manchen Stellen
vertritt, schrieb während des Aufenthaltes von Kurz in der Herbstmesse
1767 eine Abhandlung über die deutsche Schaubühne, deren ein¬
gehende Schilderung ihrer »gegenwärtigen Missstände« offenbar auf das
Theater Bernardon’s bezogen ist.
»Die heidnischen Römer«, schreibt Kölbele, »verboten anstössige
Theatertänze, weil diese Tänze die Jugend ärgerten. Die neueren
Zoten und Zweydeutigkeiten sind den Sitten so schädlich wie diese
alten Tänze .... Und dann das Aergerniss, das die Aktricen geben !
Welche Liebeshistörchen hinter der Scene? Eine freche Nymphe die
Zayre, die Alzire, die Miss Sarah. Kann dies Sitten bessern ? Auch
die Anordnung der Bühne ist gegen die Sittenbesserung. Die Miss
Sarah zum Vorspiel und ein Baron Zwickel oder Kayser aus dem
Monde zum Nachspiele. [Beides Hauptrollen von Kurz-Bernardon.]
Wie lange bleiben hier die guten Rührungen der Zuschauer? Zwi¬
schen den empfindungsvollen Aufzügen der Zayre buntschäckige
Tänze. Heute die Minna von Barnhelm und morgen den Jahrmarkt
von Rumpelsdorf. Einer und derselbe Schauspieler in dem Vor¬
spiele »Der weise Tugendhafte« und in dem Nachspiele »Der laster¬
hafte Narre«. Dies beweiset die grosse Kunst des Schauspielers,
aber bessert es die Zuschauer oder wird hier die Tugend lächer¬
lich ?!.... Und der bessere Komödien Schreiber, er hat das Schick¬
sal eines Malers, dessen züchtigste Stücke ein Wollüstling kaufet
und sie neben die unzüchtigsten Gemälde hänget« u. s. w.45i
Nach seiner ausführlichen Abhandlung über die deutsche Schau-
301
bühne zu urtheilen, hatte Dr. Kölhele einen hohen Begriff von der
Aufgabe des Theaters. Es bereitete ihm offenbar kein geringes
Aergerniss, dass gerade die Kurz’schen Vorstellungen in Frankfurt
so viel Beifall fanden, die nach seinem eignen Ausspruch am aller¬
letzten »ein ernstes Kunstverlangen zufriedenstellen oder gar einen
guten Gedanken in Kopf und Herz herfürlocken konnten«. Ging
Kölbele in diesem TJrtheil vielleicht auch etwas zu weit, so ist doch
seine Absicht eine durchaus edle gewesen, was man auch bei einigen
weiteren, auf religiöse Engherzigkeit hindeutenden Aussprüchen in
seiner Abhandlung nie ausser Acht lassen darf.
Als Kölbele am 17. März 17G7 dem Rathe Frankfurts seine
Supplikation einreichte, ahnte er nicht, dass dieselbe auch ihr Theil
dazu beitragen sollte, um die seit längerer Zeit in’s Stocken gerathenen
Verhandlungen über die Erbauung eines städtischen Komödien¬
hauses wieder in Fluss zu bringen.
Aus den mannigfaltigsten Gründen, hauptsächlich aber wegen
der stets erneuten Fehden gegen die Errichtung von Komödienhütten,
wurde die Erbauung einer ständigen Bühne immer mehr eine
dringende Nothwendigkeit. Andere Städte waren hierin voraus¬
gegangen, Frankfurt konnte deshalb nicht mehr Zurückbleiben; das
sahen viele bedeutende Mitglieder des Käthes wohl ein, als sie
mancher engherzigen Anschauung freimüthig entgegen wirkten und für
die endliche Errichtung einer der dramatischen Kunst würdigen Wohn¬
stätte mit wahrhaft bewundernswerther Festigkeit in die Schranken
traten.
Der Bienenthal’sche Saal im Junghof war, wie Kurz sich in
einer Eingabe an den Rath ausdrückte, ein »unzulängliches Behält-
nus, dessen Räume dem Besitzer mit schwerem Geld bezahlt werden
mussten«. Die hohen Forderungen Bienenthal’s, der sich z. B. in
der Ostermesse 17G8 von Kurz 500 fl. Miethe zahlen liess,455 waren
ein weiterer Grund, das Bedürfniss eines städtischen Schauspiel¬
hauses immer dringender hervortreten zu lassen.
Nach dem Vorhandensein der verdienstvollen Arbeit des Herrn
Senators Dr. jur. A. H. E. v. Oven »Das erste städtische Theater zu
Frankfurt a. M.« kann es nicht mehr in unserer Absicht liegen, zur
Entwicklungsgeschichte der äusseren Gestaltung des hiesigen Theaters
einen weiteren Beitrag zu liefern. Wir erwähnen deshalb in der
Folge die jahrelangen Verhandlungen über den Bau eines städti¬
schen Schauspielhauses, welche 1778 endlich durch einen Beschluss
des Reichshofraths in Wien ihr vorläufiges Ende finden sollten, nur
da, wo es durchaus nöthig erscheint und verweisen im übrigen auf
das obengenannte Werk, in welchem in mehreren Abschnitten die
durch das Projekt hervorgerufenen Kämpfe und Einsprachen der
Geistlichkeit in ausführlicher Weise geschildert werden.
Ehe Kurz - Bernardon seine Vorstellungen in der Ostermesse
302
1768 beendete, müssen sein Kunststandpunkt und besonders die von
ihm mit grosser Vorliebe gepflegten lustigen Figuren des Hanswurst und
der Colombine der Gegenstand eines öffentlichen Angriffs geworden
sein. Er suchte sich nämlich auf einem leider nur stückweise er¬
haltenen Theaterzettel zu vertheidigen, aus dessen Fragmenten sich
noch folgende Rechtfertigung zusammenstellen lässt :
»Nicht dass man beim Gebrauche dieser Figur« - er meint den
Harlekin — »die aufgeklärte theatralische Zeit misshandeln oder ihn
gar zum Trotz wieder ein schmeicheln will — nein ! bloss aus der
Ursache erscheinet unser Harlekin in dem Charakteur des Hanswurst,
weil es der doppelte Charakteur und die Verwicklung des Lustspiels
verlanget, weil man die Zuschauer durch die alte Tracht auf die
alten Zeiten zurückführen will und weil Madame von Kurz den
Charakteur der Colombine nach Verlangen des Spiels vorstellen
wird. Dies ist die Ursache sonst keine, — sonst soll er wieder von
unserem Theater samt der Colombine verworfen werden, wie er von
allen reinen Schaubühnen verworfen wird.«
Man merkt dieser Veröffentlichung an, dass Vater Bernardon
die Unhaltbarkeit seiner Lieblingsfiguren auf der Bühne wohl durch¬
schaute, aber, wie sein späteres Wirken in anderen Städten bezeugt,
genügte er höheren Ansprüchen der fortschreitenden Schauspielkunst
deshalb doch nur in geringer Weise.
Lediglich aus Erwerbsinteressen hielt er auf seiner Schaubühne
bis an das Ziel seiner Thätigkeit das Regiment der lustigen Gestalten
aufrecht und amüsirte das Publikum nach wie vor mit den tollen
Erzeugnissen seiner eigenen Burleskenfabrik. Die von Kurz in Frank¬
furt ausgegebenen Theaterzettel gleichen denn auch mehr den grossen
Plakaten der Kunstreiter unserer Zeit; ihr Format war in der Regel
Grossquerfolio.
Auf diesen Ankündigungen wurden nicht allein die darzu¬
stellenden Stücke angegeben, sondern auch in Absätze eingetheilte
Erläuterungen und anlockende, von Kurz selbst verfasste Kritiken
derselben in sehr bombastischer Weise dem Publikum mitgetheilt.
Mitunter kamen auf den Theaterzetteln Kurz - Bernardons in den
weitschweifigen Beschreibungen der Stücke ganz sinnentstellende
Bezeichnungen vor. So ist auf dem leider noch nicht zur Hälfte er¬
haltenen in Beilage XVII angefügten Zettel anstatt von vier Magiern
in für das gewöhnliche Publikum unverständlicher Weise von vier
Magen die Rede, »die einen grossen Mörser herbeihohlen und den
auf der Erde hegenden todten Bernardon hineinstürzen sollen.« Auf
einem anderen nur in Bruchstücken noch vorhandenen Programm
wird mehrmals von »denen 4 Kriegen« (Griechen) gesprochen, »die
dem Feldherrn ein Compliment schnitzen und nachher zum Ergötzen
des Publikums auf seiner großen nachgeahmten Naße herumtanzen
wollen.«
303
Bevor Kurz nach der Ostermesse 1768 Frankfurt wieder ver-
liess, suchte er sich — trotzdem er diesmal wegen der hohen Ab¬
gabe an Bienenthal und der Beschränktheit des Lokals keine guten
Geschäfte, vielmehr Schulden gemacht hatte — doch die Erlaubniss
für die Herbstmesse zu verschaffen. Ungeachtet einer rückständigen
Abgabe von 60 fl. wurde ihm dieselbe ohne jede weitere Einwen¬
dung gewährt.456 Gleichzeitig traf der Rath eine Verordnung
wegen der von den jeweiligen Direktoren der Frankfurter Schau¬
bühne abzugebenden Freibillets, deren Missbrauch auch schon damals
zum grossen Nachtheil der Theaterkassen, wie Kurz sich ausdrückte,
»von jeher mehr als flott im Gange gewesen war.« Es wurde nämlich
am 21. April 1768 im Senate der Beschluss gefasst, »dass man in
Zukunft bei den Schauspielen alle und jede dem Civil- und Militär¬
stand sonst gewöhnlichermassen abgegebenen und zum grossen Miss¬
brauch gewordenen Freibillets auf heben, dagegen löbliches Reclmey-
Amt comraitiren wolle , den Bedacht dahin zu nehmen , damit das
Aerarium mehrere Einkünfte von solch ertheilender Erlaubniss haben
möge. Zu welchem Ende alle dergleichen Supplikanten zuvor, ehe
sie die öffentlichen Spiele anfangen, an wohl gedachtes Rechney-
Amt zur Pflegung der Gebühr zu verweisen seien.«
Die Folge dieses Beschlusses war eine Erhöhung des messent-
lichen Standgeldes von 75 auf 300 fl. Diese Abgabe wurde später,
wie noch erwähnt werden wird, auf 200 fl. herabgesetzt, mit welcher
Summe ausser Kurz sich die meisten später hier auftretenden Wander-
principale — und das ist gewiss ein Zeichen ihrer wohlbegründeten
Scheu vor der Abgabe von Freibilletten — sofort einverstanden
erklärten.
Von Frankfurt aus begab sich Kurz nach Cöln, wohin er seine
grosse, 1767 in Frankfurt neuerbaute Bude den Main und Rhein
hinunterschiffen und dort aufrichten liess. Die grossen, damit ver¬
bundenen Unkosten standen aber in keinem Verhältniss zu der
geringen Einnahme. Kurz, der alsbald sein Theater in Cöln wieder
geschlossen haben muss, kehrte nämlich vor der Herbstmesse 1768
überschuldet nach Frankfurt zurück, wo er sogleich eine Schrift
wegen Herabminderung der damals noch auf 300 fl. festgesetzten
Abgabe einreichte. Ohne weitere Entgegnungen wurde dieselbe
denn auch von 300 auf 200 fl. ermässigt, aber ihm zugleich er¬
öffnet, dass er unfehlbar bis zum Schluss der zweiten Messwoche
diesen Betrag und auch den rückständigen Rest bezahlt haben müsse.
Als jedoch Vater Bernardon seine Unzufriedenheit mit dem
ihm immer noch zu hohen Standgeld in einer weiteren Supplikation
zum Ausdruck brachte und trotz der Anweisung des Rathes am
27. September 1768 seinen Verpflichtungen beim Rechneiamt noch
nicht nachgekommen war, erhielt er den strengen Bescheid, dass,
falls er innerhalb 24 Stunden die Abgabe und den Rest nicht ent-
304
richtet hätte, seine Schaubühne im Junghof sofort geschlossen wer¬
den solle.457
Kurz, welcher sich durch seine schlechten Einnahmen in Cöln
und nicht minder durch seine grossartige Lebensweise vor Schulden
kaum zu bergen wusste, konnte aber dieses Mal »selbst bei denen
redlichsten Absichten« das Geld nicht innerhalb der festgesetzten Zeit
bezahlen. Die Schaubühne im Junghof wurde also geschlossen und
ihm im Voraus jedes fernere Bitten betreffs Wiedereröffnung der¬
selben streng untersagt.
Aber die Frankfurter Kunstthätigkeit des Barons von Kurz
sollte trotzdem keinen so tragischen Abschluss erhalten, wie einige
Jahre früher die Bestrebungen Barizon’s. Was er selbst nicht mehr
erreichen konnte, gelang jetzt seiner schönen Frau, welche die Prin-
cipalschaft übernahm und durch persönliches Bitten die Herzen
einiger Kathsherren milder für sich zu stimmen wusste. Am 27. Sep¬
tember, gleich nachdem die Schaubühne im Junghof geschlossen
worden war, reichte Theresina von Kurz ein Bittgesuch ein, in
welchem sie zuerst zum Ausdruck bringt, dass sie nicht an der
Güte des Bathes zweifle, besonders in einer Zeit auf dieselbe ihre
Hoffnung setze, in welcher ihre veränderten Umstände solche mehr
als je nöthig hätten. »Mein Ehemann«, berichtet sie weiter, »wird
als Entrepreneur von der Bühne zurücktreten und mir das Theater
überlassen und unter meiner Direktion gedenke ich dasselbe dann
noch einige Zeit fortzuführen. Ich habe seither die hiesige Nachbar¬
schaft am Mayn- und Kheinüusse kennen lernen, und Frankfurt ist
unter derselben der vorzüglichste Gegenstand meiner Aufmerksam¬
keit gewesen. Wie sehr wünschte ich daher, in dieser beglückten
Stadt meine gereinigte Schaubühne fürder aufführen zu dürfen«
u. s. w. 458
Dieser Wunsch sollte denn auch alsbald in Erfüllung gehen.
Theresina von Kurz erhielt am 6. October 1768 die Erlaubniss zur
Fortsetzung der Komödie und zwar mit der für sie günstigen Be¬
dingung, jede Woche, so lange ihr zu spielen erlaubt werde, 20 fl.
Abgabe an die Stadt zu entrichten. Freilich musste sie, ihrem An¬
erbieten gemäss, auch wieder einige Freibillets abgeben, da einige
berechtigte Civil- und Militärpersonen um eine Milderung des Senats¬
beschlusses vom 21. April 1768 eingekommen waren.
Wie die pünktliche Führung der Geschäfte bei ihrem mehr¬
maligen Aufenthalt in Frankfurt bezeugt, besass Frau von Kurz,
deren Mann sie bald nach dem Abgeben seiner hiesigen Principal-
schaft zum Zwecke der Gründung einer neuen Truppe verlassen
hatte, ebensoviel Energie als Umsicht für ein derartiges Unternehmen.
Sie schränkte sofort ihre Ausgaben ein, bezahlte dem Rechneiamt
nach den ersten Vorstellungen die 200 fl. Standgeld für die Herbst¬
messe nebst dem noch nicht von Kurz entrichteten Rest von 60 fl.
305
lind traf auch ausserdem mit den Gläubigern ihres Mannes ein ihr
günstiges Abkommen.
Als an einer anderen Stelle dieses Abschnittes die Leistungen
der hauptsächlichsten Mitglieder der Truppe Vater Bernardon’s ein¬
gehendere Besprechung fanden, wurde Frau von Kurz nur deshalb
vorübergellend erwähnt, weil ihrer später als Principalin noch aus¬
führlicher gedacht werden sollte. Sie besass Talente, von denen
Schröder nie ohne die grösste Bewunderung sprach. Als sie der
Kunst Terpsichorens entsagt hatte und sich zur Sängerin ausbildete,
überwand ihre volle, reine und angenehme Sopranstimme mit einer
angeborenen Sicherheit alle Schwierigkeiten.
Ihr Gedächtniss erregte oft das grösste Staunen. Sie konnte
weder geläufig Deutsch sprechen noch lesen, so dass sie alle Rollen
nur durch Vorlesen lernte. Dabei entfiel ihr aber kein Wort und
sie sprach richtig nach, was sie gehört hatte. Hie und da merkte
man zwar an ihrer Sprache die Italienerin, aber ihr ungekünsteltes
Spiel verheil diesem fremden Anklang eine liebenswürdige Eigen-
thümlichkeit. Das Lustspiel war ihr eigentliches Feld, besonders die
Goldoni’schen Stücke, in denen sie mit grosser Vorhebe auftrat. In
Sing- und Zwischenspielen entfaltete sich ihr Talent begreiflicher¬
weise in ebenso bezaubernder Einfachheit. »Me«, sagt der Biograph
Schröder’s, Wilhelm Mayer, von ihr, »hatte die Sprache ihres Mutter¬
landes und der Wohllaut Pergolese’s einen hinreissenderen Eindruck
hervorgebracht, als wenn diese Gestalt, diese Augen, dieses Spiel die
Serva Padrona umgaukelten. Dabei war sie höchst empfänglich für
Belehrung und fasste die Wahrheit mit überraschender Schnelle.«
Hach so vielem Lob, welches er der Künstlerin spendet, ver¬
gisst Mayer aber auch nicht, an manchen Stellen seines Buches an¬
zudeuten, dass Theresina von Kurz in sittlicher Beziehung nicht auf
gleicher Höhe stand. Sie nahm sich nichts übel, fühlte sich auch
als Frau ungebunden und hatte, wie ihr Mann, welcher ebenfalls
in dieser Beziehung sehr frei dachte, nach der Meinung Dr. Kölbele’s
»manche Liebeshistörchen hinter der Scene«. Noch als Frau in den
Vierzigen war Theresina von Kurz eine ausgezeichnete Schönheit.
»Es gab keine feurigeren schwarzen Augen und kein weibliches
Wesen, welches seine Augen so zu gebrauchen wusste.«
Frau von Kurz spielte bis Mitte November im Junghof, dann
iiberliess sie ihre Bühne Charles Kirasqui, dem Direktor der fran¬
zösischen Hofkomödianten des in Hanau lebenden Erbprinzen von
Hessen-Cassel , welchem nach mehrmaligem Suppliciren vom Rath
die Erlaubniss zu einigen Vorstellungen zu Theil geworden war. 4r’9
Am 8. November 1768 veröffentlichte Kirasqui in den Frag- und
Anzeigungsnachrichten folgende Mittheilung: »Denen respectiven Lieb¬
habern der französischen Comödien dienet hiermit zur Nachricht,
dass allezeit Tags vorher Logen-Zettel in denen zwei rothen Schwer-
20
306
tern [ein Gasthaus am Steinweg Lit. E. Nr. 224] bey der Haupt¬
wache zu haben sind.«
Als diese Aufführungen, jedenfalls unter allgemeinem Beifall, statt¬
gefunden hatten, kam die Gattin des Direktors der französischen Komö¬
dianten, Therese Kirasqui, mehrmals wegen der Abhaltung von zwei
wöchentlichen Vorstellungen ein, welche Bitte ihr dreimal abgeschla¬
gen wurde,460 aber endlich doch durch mündliche Zusage gewährt
worden sein muss. Am 10. Januar 1769 findet sich nämlich in
den »Frag- und Anzeigungs-Nachrichten« folgende Anzeige :
»Es wird einem ehrsamen Publico hiermit freundlich avertirt,
dass anheute die französische Comödie wiederum ihren Anfang
nimmt, mit einem neuen Stück, genannt: De l’Homme Singuliere; und
wöchentlich zwey Eepresentationes aufgeführt werden. Es continuiret
bis Fastnacht.«
Auch in der Ostermesse spielte die Kirasqui’sche Truppe nach
erlangter Erlaub niss, 461 mit der Gesellschaft der Frau von Kurz ab¬
wechselnd, auf der Bühne im Junghof, woraus man ebenfalls schliessen
dürfte, dass es derselben an Beifall nicht gefehlt hat.
Der Umstand, dass ein gewisser Bernaud, der jedenfalls ein
Compagnon Kirasqui’s war, das Auszahlen von Geldern, überhaupt
alle geschäftlichen Angelegenheiten besorgte, hat vielfach zu dem
Glauben Veranlassung gegeben, er sei der alleinige Direktor der fran¬
zösischen Komödianten gewesen.
Im Ganzen veranstaltete diese Truppe im December 1768 und
im Januar und Februar 1769 laut Rechnungshauptbuch dieser Jahre
elf Vorstellungen, für welche der Stadt 36 fl. 40 kr. Abgabe ent¬
richtet wurden. Die festgesetzten 200 fl. Standgeld für die Oster¬
messe 1769 zahlten Madame von Kurz und Kirasqui gemeinsam,
weshalb sich nicht feststellen lässt, wieviel Aufführungen auf die
deutschen und wieviel auf die französischen Komödianten kommen.
Von der Truppe Kirasqui’s wäre nur noch zu berichten, dass sie sich
nicht ständig in Frankfurt auf hielt, sondern vor jeder Vorstellung ent¬
weder von Hanau oder Wilhelmsbad »in allerhöchsten Geschirren«,
also jedenfalls in Wagen des Erbprinzen, nach Frankfurt kam.
Da nun die französischen Komödianten hier keine Proben ab¬
hielten, so lässt sich annehmen, dass eben dieselben Lustspiele und Tra¬
gödien der damals hervorragenden französischen Dramatiker, welche
sie vor ihrem fürstlichen Gönner spielen mussten, auch in Frank¬
furt aufgeführt worden sind. Wie aus den Rathsprotokollen und
Bürgermeisterbüchern hervorgeht, folgte im December 1768 und im
Januar 1769 auf jedes Stück ein Kunstfeuer, welche »garniture«
ihrer »Repräsentationes« bei den Vorstellungen in der Ostermesse
vom Rathe verboten wurden.
Aus einem in schwülstigem Tone abgefassten Vorspiel von Johann
Benjamin Grünberg »Der Reiz des Frühlings oder die an dem Ufer
307
des Mavnstroms opfernde Schauspielkunst«, welches die Kurz’sche
Truppe in der Magistratskomödie der Ostermesse 1769 aufführte, sehen
wir, dass die hauptsächlichsten, schon früher bei Kurz gewesenen
Darsteller und Darstellerinnen bei seiner Gattin geblieben waren.
Auch eine neue Aktrice ist als Vertreterin der »Unschuld« namhaft
gemacht, Demoiselle Ingermännin, die in einer Ueberlieferung sogar
als Sprössling eines hochgräflichen Hauses bezeichnet wird.
Fach dem Schluss der Ostermesse 1769 suchte Theresina von
Kurz vor ihrer Abreise noch um die Erlaubniss nach, in der Herbst¬
messe wiederkommen zu dürfen. Sie berief sich in ihrer Bittschrift
darauf, dass man die nach den Mustern ihres Mannes hier aufge¬
führten Schauspiele vor allen andern gern sähe, dass man auch in
früheren Jahren Principale, an die sich das hiesige Publikum zu
seinem Vortheil gewöhnt hätte, wie Wallerotty, Ackermann und die
sächsische Gesellschaft (Neuberin?), mehrere Messen nacheinander zu¬
gelassen habe. Dann erinnert sie an den grossen, noch nicht ganz ver¬
wundenen Schaden, in welchen ihr Mann sie durch seine weitläufigen
und kostspieligen Unternehmungen gestürzt habe und gedenkt schliess¬
lich in feiner Weise der pünktlichen Entrichtung ihrer Abgaben an
die Stadt und der für ihren Mann geleisteten Zahlungen.402
So viele in die Augen springende Gründe stimmten den Rath
günstig für Theresina von Kurz, sie erhielt sofort die begehrte Er¬
laubniss, »deren Segen sie aber wegen eines hohen Rufes nach
München nicht mehr geniessen konnte«.463 Weder Vater Bernardon
noch seine Gattin sollten jemals wieder einen Einfluss auf die Ent¬
wicklung der Frankfurter Schaubühne gewinnen. Mit dem Ende der
sechziger Jahre war auch ihre Kunstepoche in Frankfurt vorüber,
mussten auch sie das Schicksal ihrer hiesigen Vorgänger theilen und
neu auftauchenden Grössen den Schauplatz räumen.
Vater Bernardon soll etwa um 1784, unterstützt und verehrt
von einer grossen Anzahl Oesterreichischer Schauspieler, in Wien
gestorben sein. Er vereinigte sich nie wieder mit seiner Gattin
Theresina, die schon im Jahre 1770 ihre Schauspielunternehmung in
Salzburg mit dem Verlust ihrer besten Habe bezahlt haben und
nach dieser bitteren Erfahrung zu ihrer Familie nach Italien zurück¬
gekehrt sein soll.
Als Frau von Kurz in der Herbstmesse 1769 ausblieb, wurde
der Rath nicht wenig von den aus dem Korden und Süden Deutsch¬
lands zahlreich eintreffenden Bittgesuchen der Wanderprincipale ge¬
plagt. Hier sollen nur die hauptsächlichsten von den Suppli¬
kanten namhaft gemacht werden: Johann Christian Waeser, der aus
Rostock einen langen schmeichelhaften Brief an den Rath schrieb;
ein gewisser, vom Grafen von Zech in Wetzlar warm empfohlener
Johann Tylli; der fürstlich hessische Hofkomödiant Joly aus Cassel;
der Direktor des französischen Theaters in Hanau, Charles Kirasqui;
20*
308
der früher bei Porscli gewesene Wanderprincipal Johann Georg
Thumniel ; die Direktrice der dänischen Hofkomödianten Anna Martin
und der Direktor der Kurpfälzischen Schaubühne, Joseph Sebastiani,
dessen Gesuch ein vom Agenten Luther dem Käthe übergebenes
Empfehlungsschreiben des Kurfürsten von der Pfalz begleitete.
Keines von den wiederholt eingereichten Gesuchen der eben¬
genannten Bewerber wurde bewilligt, selbst auf Sebastiani’s von so
wichtiger Fürsprache unterstützte Eingabe erfolgte, nachdem er ein
Mal zur Geduld verwiesen worden war, schliesslich doch ein ab¬
schlägiger Bescheid. 464
Diese in kurzem Kanzleistyl gehaltene Abfertigung seines von
ihm aufs Beste empfohlenen Hofkomödianten beleidigte den Kur¬
fürsten Karl Theodor derartig, dass er den darüber empfundenen Un-
muth in einem an seinen Bevollmächtigten in Frankfurt, den Agenten
Luther, gerichteten Schreiben zum Ausdruck brachte, das sich in den
schärfsten und stärksten Worten gegen die Mitglieder des Frankfurter
Rathes bewegte.
Um den erzürnten hohen Herrn wieder zu versöhnen, theilte
man dem Agenten Luther alsbald nach Uebermittlung des oben er¬
wähnten Schreibens mit, dass der Rath den Beschluss gefasst habe,
»Ikro Ckurfürstl. Durchl. die lebhafteste Probe des tiefsten Respekts
an den Tag zu legen und höchstdero Besinnen, wo sich nur eine
Möglichkeit eräussert, in Erfüllung zu setzen. So wolle ferner ein
hochedler und hochweiser Rath dem Gesuch des ersagten Sebastiani
in Rücksicht des höchsten Vorworts willfahren, ohngeachtet sich noch
mehrere andere Gesellschaften teutscher und französischer Schau¬
spieler angemeldet hätten«.465
Sebastiani, dessen künstlerische Richtung schon früher geschil¬
dert worden ist, spielte nun in der Herbstmesse 1769 wieder im
Junghofe und entrichtete der Stadt hierfür, ohne Abgabe von Frei-
billets, 200 fl. Standgeld. Von seiner diesmaligen Wirksamkeit
in Frankfurt liess sich nur ein Zettel und zwar der von der
Vorstellung am 16. September auffinden, welcher als Beilage Nr.
XVIII mitgetheilt ist. Wir machen auf Sebastiani’s Hinweis darin
wegen der Vereinfachung der Austheilungszettel aufmerksam und
bemerken noch, dass die von ihm hauptsächlich gepflegte »Opera
Buffa« sich auch bei seiner letzten Thätigkeit in Frankfurt eines
grossen Zuspruchs von Messfremden »uud hiesigen Liebhabern solcher
lustigen Fürstellungen aus hohen und geringen Ständen reichlich
erfreuten«.
Von den hier von Sebastiani zur Darstellung gebrachten Ope¬
retten können wir ausser der auf dem Theaterzettel angezeigten
Opera Buffa »Tom Jones« nur noch vier, »Der betrogene Vormund«,
»Der adlicke Kässtecher«, »Das Orakel« und »Hannchen am Hofe« nam¬
haft machen.
309
Seit seiner letzten Abwesenheit von Frankfurt scheint Sebastian i
noch einige tüchtige Kräfte für seine Truppe gewonnen zu haben.
Es werden nämlich diesmal in den anf Sebastiani bezüglichen Akten
neben Marchand auch dessen junge Gattin, geb. Brochard; ferner
die Herrn Huck, Schmitt, Felser, Pilotti, eine Mad. Hohl und der
Tanzmeister Gartello als erste Mitglieder der Gesellschaft aufgezählt.
Yon den meisten derselben wird später noch ausführlicher die Rede sein.
Für die Ostermesse 1770 fand die Principalin der dänischen
Hofkomödianten, Madame Anna Martin, Aufnahme,466 die sich mit
dem während der französischen Besetzung hier gewesenen Direktor
Baptiste Renaud zu gemeinsamem Streben verbunden hatte. Wie
aus einer Supplikation des Letzteren, welcher mehrmals mit grossem
Stolz seine frühere Thätigkeit in Frankfurt erwähnt, hervorgeht,
spielte die »vereinigte französische Gesellschaft« wieder im Junghof,
aber dieses Mal nicht mit dem früheren Erfolg. Der Grund hierfür
ist nicht in den minder guten Leistungen der Truppe, sondern viel¬
mehr in der herrschenden ausserordentlich hohen Temparatur zu
suchen, welche im April und Mai 1770 den Besuch des engen
Komödiensaales im Junghof selbst den grössten Gönnern der franzö¬
sischen Schaubühne als »eine lästige und unziemliche Zumuthung«
erscheinen liess.467 In Rücksicht auf ihren unverschuldeten Misser¬
folg setzte der Rath denn auch dem um Ermässigung des Stand¬
geldes eingekommnen Renaud die festgesetzte Summe von 200 fl. auf
113 fl. herab.468
Das Fehlen von Theaterzetteln und sonstigen gedruckten Quellen
macht es uns unmöglich festzustellen, ob »die Kinder der Madame
Derones«, die mittlerweile, wie Wolfgang Goethe selbst, heran¬
gewachsen sein mussten, auch bei dem diesmaligen Aufenthalt ihres
Yaters in Frankfurt zur Truppe desselben gehörten. Da aber im
Juni oder Juli 1770 ein aus Frankfurt gekommenes Geschwisterpaar
in Mannheim pantomimische Vorstellungen gegeben, da ferner die
etwas ältere Schwester des jungen »Acteurs« wegen ihrer Schönheit
das grösste Aufsehen erregt haben soll, so könnte man einigermassen
sicher einen abermaligen hiesigen Aufenthalt des von Goethe in
Wahrheit und Dichtung verewigten Geschwisterpaares vermuthen.
Zu der Herbstmesse 1770 fand, wie bereits früher mitgetheilt wurde,
auf hohe Empfehlung »der kleine Leppert« Aufnahme, der sich kurz
vorher mit einem gewissen Ilgner zusanunengethan hatte ; weshalb
sich jetzt die Truppe »die Löpper-Ilgnerische Schauspieler-Gesellschaft«
nannte. Sie war durch mehrere neuhinzugekommne Mitglieder der
früheren Kurz’schen Truppe verstärkt, und, wie der kleine Harlekin
mit Stolz dem Rathe berichtete, jetzt im Stande, viel Besseres zu
leisten als bei ihrer vorigen hiesigen Thätigkeit.
Dieser Ausspruch darf jedoch nicht zu dem Glauben verleiten,
dass Löpper seine Kunstrichtung inzwischen veredelt habe, er gab
310 —
auch dieses Mal Possenspiele, Harlekinaden und Parodien ernster
Stücke, in denen er wieder das Publikum hauptsächlich durch seine
komische Erscheinung belustigte. Dem Betrübtesten sollen vor Lachen
die Thränen in die Augen getreten, dem Beschwertesten das Herz
leicht geworden sein, wenn er den zwerghaften Löpper auf der
Bühne »eine Positur als Held oder Tyrann annehmen sah«. Bei dieser
grossen Gabe, die Zuschauer in die heiterste Stimmung versetzen zu
können, ist es begreiflich, dass der mässig grosse Saal im Junghof
bei jeder Vorstellung des kleinen Principals zum Erdrücken voll war.
Löpper spielte noch drei Wochen nach der Messe und zahlte
für seine hiesige Thätigkeit im Ganzen 245 fl. Abgaben an die Stadt.
Trotz der pünktlichen Entrichtung derselben und des grossen, seinen
komischen Leistungen zu Theil gewordenen Beifalls wurde Löpper’s
Bittschrift um Ertheilung der Erlaubniss für die Ostermesse des fol¬
genden Jahres mit der gewiss beachtenswerthen Bemerkung ein für
allemal zurückgewiesen, dass man nun auch endlich einer »anderen
Art« der Schauspielkunst in Frankfurt »Platz machen müsse«.469
Etwas mehr als ein Jahr nach der Auflösung des ersten deut¬
schen National theaters in Hamburg, mit welcher Lessing’s schönster
Traum in nichts zerrinnen sollte, verschwand der buntschäckige Har¬
lekin für immer von den Brettern der Frankfurter Schaubühne und
eine neue Entwicklungsphase der dramatischen Kunst wurde auch
hier von berufenen Meistern langsam, aber desto sichrer angebahnt.
Theobald Marchand’s Wirken in Frankfurt.
i.
Der Entwicklungsgang der Wissenschaft und Kunst bestätigt,
dass keine Blüthezeit auf den verschiedenen Gebieten derselben plötz¬
lich und ohne jegliche Vorbereitung anbrechen kann. Wie in der
Malerei die Schulen des Perugino, des Masaccio der Glanzepoche
Leonardo da Vinci’s, und Raffael Santi’s vorangingen, wie die Sturm¬
und Drangperiode unserer Literatur der klassischen Zeit Goethe’s und
Schiller’s gleichsam den Weg bahnen musste, so bedurfte auch die
folgenwichtige Umgestaltung, welche die deutsche Schauspielkunst in
den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfuhr, des Voran¬
tritts einer Neuberin, eines Ackermann und mancher anderen wackeren
Kunstgenossen, deren Wirken allmählich in sicherer Weise die gross¬
artigen Reformen Lessing’s vorzubereiten hatte.
Was sich im Allgemeinen von dem Fortschritt der Schauspiel¬
kunst in anderen bedeutenden Städten Deutschlands sagen lässt, das
gilt auch von Frankfurt, wo ein Decennium nach dem Abzug Ber-
nardon’s und Löpper’s eine gesunde und edle Kunstrichtung ihre
ersten Keimblätter entfaltete. Auch hier vermochte der im Ganzen
sehr verdorbene Geschmack der Menge nicht gleich die unter der
aufgehenden Sonne der deutsch-dramatischen Poesie kaum gereiften
Früchte mit jenem Verständniss zu geniessen, welches ihre volle
Werthschätzung bedingte: es musste erst eine Periode des Ueber-
gangs und der allmählichen Vermittelung kommen, ehe man diesen
literarischen Erstlingen einer neuen Zeit auf der Frankfurter Schau¬
bühne ihren gebührenden Ehrenplatz an weisen konnte.
Der Beginn dieser für den Entwicklungsgang unserer Theater¬
geschichte hochbedeutenden Epoche wird durch eine Gesellschaft von
Künstlern eingeleitet, deren hauptsächlichste Aufgabe es war, die
Erinnerungen an die Zauberkomödien, Burlesken und Hanswur-
stiaden Vater Bernardon’s durch eine heitere, anmuthige und ein¬
schmeichelnde Kunstgattung nach und nach zu verwischen. Es
war dies die Truppe der kurpfälzischen Hofschauspieler unter
Direktion Theobald Marchand’s, desselben Künstlers, den wir bereits
früher als erstes Mitglied der Sebastiani’schen Gesellschaft kennen
312
gelernt haben. Auf Marchand und seine Genossen, die sich bald
nach ihrem ersten Auftreten in der Ostermesse 1771 künstlerisches
und moralisches Ansehen in Frankfurt zu erringen wussten, passt
die alte Bezeichnung »Komödiantenbande« nicht mehr. Diese Ver¬
einigung von meist hervorragenden Künstlern und Künstlerinnen,
die unter einem gemeinschaftlichen Oberhaupt nach bestimmten Ver¬
ordnungen lebten und strebten, hat bei näherer Betrachtung einen
ganz patriarchalischen Anstrich.
Theobald Marchand hatte sich auf vielen Reisen eine grosse
Welt- und Menschenkenntniss erworben und durch eifriges Studium
einen Reichthum von Wissen angeeignet, welcher ihn weit über die
allgemeine Bildung seiner Standesgenossen erhob. Neben diesen
geistigen Vorzügen besass er auch einen feinen gesellschaftlichen
Takt und jene auf persönlicher Würde gegründete Sicherheit, welche
ihm besonders bei den Angehörigen seiner Truppe das Ansehen eines
unantastbaren Oberhauptes verschaffte. Ob es Thatsache ist, was hie
und da in Bühnenalmanachen und Abhandlungen über das Theater
aus dem vorigen Jahrhundert mitgetheilt wird, dass Marchand der
Sohn einer hochangesehenen Beamtenfamilie gewesen, gegen den
Willen seiner Eltern zur Kunst gegangen sei und bei diesem An¬
lass seinen Namen Kaufmann in das Französische übersetzt habe,
muss aus Mangel an glaubwürdigen Nachrichten über die Jugend
Marchand’s dahingestellt bleiben.
Wie die Abhandlungen, Almanache, Chronologien und sonstigen
Beiträge zur Literatur der Schauspielkunst aus jener Zeit bezeugen,
bestand auch schon damals die Sitte oder besser gesagt die Unsitte,
über das Leben und Streben bedeutender Direktoren und Bühnen¬
angehörigen fesselnde Märchen zu ersinnen. Man that dies um die
Betreffenden interessant zu machen, aber man vergass darüber, dass
dadurch zwischen der Wahrheit eine Menge Irrthtimer emporwucher¬
ten, welche dem späteren Forscher eine klare Sichtung ganz unmög¬
lich machen.
Theobald Marchand entstammte ganz sicher einer angesehenen
Familie, aber es wäre ein höchst merkwürdiges Zusammentreffen, wenn
er ganz dasselbe Schicksal gehabt haben sollte wie sein künstlerisches
Vorbild, Jean Aufresne, der eigentlich Reval hiess und gegen den
Willen seiner Eltern die Bühnenlaufbahn erwählt hatte. Bevor
Marchand der Sebastiani’schen Truppe angehört, soll er sich längere
Zeit in Paris aufgehalten haben, wodurch ihm Gelegenheit geboten
worden, sein Talent an bedeutenden französischen Mustern zu bilden.
Aufresne, der sich grade damals als höchste Aufgabe gestellt hatte,
das falsche Pathos von der französichen Büline zu verbannen und
eino natürliche Sprache einzuführen, gewann in Marchand einen be¬
geisterten Schüler und bestimmte durch seine reformatorische Wirksam¬
keit die ganze spätere Kunstrichtung des jungen Mannes.
313
Marchand's gesammte innere Beanlagung, besonders sein feuri¬
ges, leidenschaftliches Naturell, liess ihn eigentlich für das Helden¬
fach am geeignetsten erscheinen ; da er aber grosse Anlage zur Kor¬
pulenz hatte, trat er schon in seinen jungen Jahren meistens nur in
Väter- und Charakterrollen auf. Er spielte dieselben mit vielem
Anstand und, wie der Theaterschriftsteller Dyck von ihm sagt, mit
jener feinen Charakteristik und Eleganz, welche ihm die besten Ac-
teurs nicht nachzuahmen vermochten.
Wie viele andere Bühnen schriftsteiler, so hält auch Dyck den
kurpfälzischen Theaterdirektor Marchand für einen in Paris gebore¬
nen Franzosen. Diese Ansicht gründete sich jedenfalls darauf, dass
er ein sehr korrektes Französisch sprach und in seiner Kunstrichtung
das französische Sing- und Lustspiel besonders begünstigte. Aber
Marchand war kein Franzose; das beweist allein hinreichend seine
vollkommene Beherrschung der deutschen Sprache, die es ihm sogar
möglich machte, Abhandlungen zu schreiben und französische Opern¬
texte in gefälliger Form in’s Deutsche zu übertragen.
Gleich nach der Uebernahme der Direktion der ehemaligen
Sebastiani’schen Gesellschaft spielte Marchand im Winter 1770 unter
dem grössten Beifall in Mainz, 470 von wo er sich Anfangs Januar
1771 mit seiner Gesellschaft nach Wetzlar begab. Von hier aus
richtete er am Ende desselben Monats sein erstes Bittgesuch um
Zulassung für die kommende Ostermesse an den Frankfurter Rath.471
Nachdem er über seinen Kunststandpunkt ausführliche Mit¬
theilungen gemacht, versichert Marchand, dass er zum Glück so viel
Vermögen besitze, um im Nothfall auch bei geringer Einnahme
seinen Pflichten nachkommen und ehrenhafter handeln zu können,
wie Jjöpper und Ilgner, welche einen Theil ihrer Leute und auch
mehrere sonstige Gläubiger trotz guter Einnahmen nicht befriedigt
hatten. Schliesslich bezieht er sich auf das Zeugniss vieler hoher
Standespersonen, hauptsächlich aber auf den Beifall der gesammten
Bürgerschaft zu Mainz, »die nicht allein seinem Theater Applausus
gegeben, sondern auch ihn und seine Leute in guter Ansehung
gehalten habe.«
Als ihm bald nach dieser Eingabe ein günstiger Bescheid nach
Wetzlar gesandt worden war, bewarb sich Marchand auch um die
Zulassung für die Herbstmesse. Er gab zu bedenken, dass er im
Falle der Gewährung seiner Bitte einen viel besseren Ueberschlag
über Einnahmen und Ausgaben machen könne und auch einiger-
massen entschädigt werde für die kostspieligen Vorbereitungen im
Saale zum Junghof, die er unmöglich mit dem Verdienste einer Messe
zu decken vermöge. Dann erhot er sich noch »zum Erwecken guter
Ordnung« in den Blättern bekannt machen zu lassen, dass Niemand
einem von seinen Leuten Geld vorstrecken solle, da dieselben ledig-
314
lieh von ihm abhingen »und ihr Betragen daher so gerechtfertigt
wie das seinige sein müsse«.
Auf dieses Gesuch wurde Marchand zur Geduld verwiesen, als
er aber nochmals einkam und den bereits erwähnten Gründen noch
das Versprechen hinzufügte, das Vertrauen eines hochedlen Käthes
nie täuschen zu wollen, bewilligten die Väter der Stadt seine Bitte
ohne weitere Bedenken. 472
Am 30. März 1771 kündigte Marchand die Dienstag den 2. April
erfolgende Eröffnung seines Theaters im Komödiensaal zum Junghof
in den Frag- und Anzeigungs-Nachrichten folgendermassen an :
»Die von einem Hochedlen und Hochweisen Rath dahier er¬
habne Erlaubniß der Chur-Pfältzischen Hof-Schauspieler, unter der
Direction des Herrn Marchand ihre Schaubühne während der Messe
eröfnen zu dörffen, werden kommenden Dienstag zum ersten mahl
ihre Bühne eröfnen und sodann mit den neuesten Comödien, besten
Opern und schönsten Ballets täglich, den Sonntag aber ausgesetzt,
continuiren.«
In derselben Weise machte Marchand bei seiner jedesmaligen
Wiederkehr den Beginn seiner Vorstellungen bekannt. — Im Laufe
der Zeit, besonders in den letzten Jahren, war auch in Frankfurt
bei den auftretenden Wandertruppen immer mehr die Sitte in Auf¬
nahme gekommen, die Eröffnung ihrer Schaubühne in den »Frag-
und Anzeigungs-Nachrichten« anzukündigen. Schon seit der Wirk¬
samkeit der italienischen Operisten im Jahre 1732 finden sich dann
und wann von den Komödianten in dem genannten Blatt Inserate,
welche stets sehr kurz gehalten und meist nicht mit den Namen der
betreffenden Direktoren versehen sind.
Dieser Mangel hat mehrfach irrige Annahmen hinsichtlich des
Auftretens der verschiedenen Truppen verursacht. Von einer regel¬
mässigen Ankündigung der Vorstellungen nach heutigem Gebrauch
aber war auch zur Zeit Marchand’s und seiner unmittelbaren Nach¬
folger noch keine Rede. Nur die Vorstellungen derjenigen Stücke
wurden damals öffentlich angezeigt, welche zum Besten der milden
Stiftungen gegeben werden sollten. Als hauptsächlichstes Mittel für
die Bekanntmachung der Vorstellungen galten noch immer die Theater¬
zettel , welche für die Beurtheilung Marchand’s und seiner Truppe
um so grösseren Werth besitzen, als auf ihnen regelmässig die Ver¬
treter der einzelnen Rollen angegeben sind. Dieser Gebrauch war
seit dem Ende der sechsziger Jahre bei allen besseren Gesellschaften
aufgekommen; nur untergeordnete Wandertruppen machten eine Aus¬
nahme von der allgemeinen Regel.
Als Marchand in der Ostermesse 1771 im Bienenthal’schen
Saal seine ersten Vorstellungen gab, war seine Lage dem Frank¬
furter Publikum gegenüber eine sehr schwierige. Dieses hatte immer
noch für die frisch in seinem Gedächtniss lebenden Kurz’schen
315
Bernardoniaden und Löpper’schen Harlekinaden ein lebhaftes Inter¬
esse und zeigte so wenig Theilnahme an den graziösen Singspielen,
dass die schlechtesten Einnahmen zu befürchten waren.
Im Hinblick auf diesen bisherigen Misserfolg suchten einige
Freunde Marchand’s die befürchtete Katastrophe dadurch zu ver¬
hindern, dass sie demselben zur Darstellung von Burlesken und
Zauberkomödien im Kurz’schen Stile riethen. Aber Marchand meinte
es zu ernst mit seiner aus Ueberzeugung eingeschlagenen Kunst¬
richtung, um einen solchen Rath befolgen zu können. Thatkräftig
und entschieden wie er war, nahm er sich vor, noch eine Zeit lang
ruhig auszuharren und durch die weitere Aufführung von Sing¬
spielen muthig der verkehrten theatralischen Geschmacksrichtung
eines irregeleiteten Publikums zu trotzen. Diese mannhafte Festigkeit
sollte von der segensreichsten Bedeutung für Marchand selbst und
für die Fortentwickelung der dramatischen Kunst in Frankfurt
werden. Nach imd nach fühlten sich die Frankfurter und die
Messfremden durch das treffliche Zusammenspiel der Gesellschaft
immer mehr angezogen, Vater Bernardon und Löpper waren bald
ganz vergessen und der neue Theaterdirektor wusste sich so in der
Gunst der Menge festzusetzen, dass er am Schluss der Messe noch
um die ihm sofort gewährte Erlaubniss, fernere zwei Wochen spielen
zu dürfen, einkommen konnte.
Im Mai 1771 verliess Marchand Frankfurt. Gleich nach seiner
Abreise verschaffte sich der Komödiant Charles Bernardy, Direktor
der französischen Schaubühne in Hanau, unter dem Beistand von
hohen Persönlichkeiten die Erlaubniss, in einem hiesigen Saal sechs
Repräsentationen geben zu dürfen.473 Dieselben wurden im Juni
1771 wahrscheinlich im Bienenthal’schen Lokal abgehalten, können
aber schon deshalb nicht von grosser Bedeutung gewesen sein, weil
Bernardy nur eine Abgabe von 10 fl. an die Stadt dafür zu ent¬
richten hatte.
Zur selben Zeit, als Bernardy um die Erlaubniss für die ge¬
dachten sechs Vorstellungen einkam, suchten noch verschiedene
Wanderprincipale, unter anderen ein gewisser Georg Schwager, ver¬
geblich die Zulassung für die Herbstmesse zu erlangen. Schwager
bewarb sich dann später von Cöln aus um die Vergünstigung, vom
Beginn des Jahres 1772 bis auf Fastnacht hier spielen zu dürfen,
erhielt aber, jedenfalls aus Rücksicht für Marchand, wieder einen ab¬
schlägigen Bescheid.474
Von Strassburg, wo er von Anfang Juli bis Anfang August
1771 zu spielen gedacht hatte, kehrte Marchand nach Frankfurt
zurück und zwar wahrscheinlich kurz vor dem Beginn der Herbstmesse.
Er gab nach dem Schluss derselben noch fünf Wochen hindurch
Vorstellungen, woraus sich mit Sicherheit der Beifall ermessen lässt,
welcher den meistens von ihm selbst nach französischen Originalen
- 316 -
in ’s Deutsche übertragenen Operetten und Singspielen schon im ersten
Jahre seines hiesigen Aufenthaltes vom Frankfurter Publikum zu
Theil wurde.
Bei seiner Wiederkehr im nächsten Jahre wurden Marchand’s
Vorstellungen in beiden Messen so stark besucht, dass der Bienen-
thal’sche Saal nicht mehr alle Zuschauer zu fassen vermochte. Das
mag jedenfalls die Veranlassung gewesen sein, dass Oberst Bender
von Bienenthal im Januar 1773 eine Vergrösserung seines ein¬
träglichen Lokals vornahm. Er that dies jedoch, ohne vorher die
Einwilligung der städtischen Behörde erlangt zu haben, weshalb
er gleich nach dem Beginne der Arbeiten Bauarrest erhielt. Er kam
darauf nachträglich um die fehlende Erlaubniss ein, welche ihm
denn auch nach einer unbedeutenden Geldstrafe, aber mit einschränken¬
den Bedingungen, gewährt wurde.
Diese Angelegenheit und der Umstand, dass Bienenthal von
seinem Saal für die in demselben abgehaltenen theatralischen Vor¬
stellungen und Koncerte eine jährliche Miethe von ungefähr 1500
bis 2000 fl. zog, regte einige Rathsmitglieder an, im Winter 1774
die Frage wegen der Erbauung eines städtischen Komödienhauses
wieder mit neuem Eifer aufzufassen. Dass das evangelisch-
lutherische Predigerministerium seine gleich nach dem Beginne
der Verhandlungen eingereichte Abmahnungsschrift in Bezug auf
die moralische Haltung von Wanderprincipalen diesmal in bedeutend
milderem Tone abfasste, mag wohl auch viel seinen Grund in dem
ebenso entschiedenen als feinen Auftreten Marchand’s gehabt haben,
dessen ganzes Verhalten den Mann von gediegener Bildung, Charak¬
ter und sittlicher Strenge verrieth. Auch das Leben und Streben
seiner Truppe, die einen ganz anderen Eindruck machte, wie
einige Jahre früher Löpper’s zigeunerhafte Bande, mag wesentlich
dazu beigetragen haben, dass man — trotzdem das Theater mit
Hülfe eines Citates aus dem sonst verpönten Rousseau als etwas
Verderbliches hingestellt wurde — mit den Komödianten ziemlich
glimpflich verfuhr.
Ein ungenannter Frankfurter Verfasser stellt in seiner nur aus
einigen Blättern bestehenden Abhandlung »Beitrag zur deutschen
Schaubühne« im Jahre 1774 der Marchand’schen Gesellschaft ein
Zeuginiss aus, dessen Inhalt gerade das Gegentheil von den Mitthei¬
lungen berichtet, welche Dr. Johann Balthasar Kölbele Ende der
sechziger Jahre über die Kurz’sche Truppe veröffentlichte. »Der
Direktor«, heisst es, »hält seine Leute, wie ein guter Familienvater
die Zugehörigen des eignen Hauses. Da ist nichts Freves, nichts
Despektirliches , wie man es vor noch nicht langen Zeiten hier ge¬
sehen haben soll ; cs gehet Alles seinen guten Gang und Niemand
merket von dom losen Wesen des Standes. In Sonderheit sind die
Frauenzimmer zu loben, die zwar auf der Schaubühne die Liebe
317
und ihre Finessen recht gut vor Augen führen können, aber in
Würklichkeit sehr dousement und artig auftreten. Das ist aber
keine belle vue für manche Junkers, die seither daran gewöhnet
waren, die Liebeshistörchen nach dem Schluss der Schaubühne mit
denen Actricen fortzusetzen. Madame Marchand ist ein herrlich
schönes Frauenzimmer, desgleichen auch die sehr junge Demoiselle
Köllerin, die gewiss einmal eine helle Leuchte in ihrer Kunst wer¬
den wird. Es ist ein wahres Plaisir, beide im »Deserteur« miteinan¬
der agiren zu sehen ; sie singen auch ebenso gut, als sie spielen,
und zeigen eine Anmuth, weshalben sie die Grazien beneiden könn¬
ten. Auch alle anderen Acteurs und Actricen, auf die ich später zu
sprechen komme, [Ist aber in dieser Abhandlung nicht mehr ge¬
schehen] sind sehr zu rühmen; man merkt ihnen an, dass sie auf
allen Sätteln fest sitzen und eine gute Leitung haben. Man sollte
denken, dass ein so trefflich geschultes Collegium auch unsere neue¬
ren teutschen Stücke ebenso gut darstellen könnte, wie die gewiss
lieblichen, aber meist von unseren französischen Nachbarn geborgten
Singspiele und lustigen Komödien.«
Dieser Meinung waren noch mehr gebildete Leute in Frank¬
furt, aber man darf es deshalb Marchand doch nicht zum Vorwurf
machen, dass er ihren vereinzelten Mahnungen kein besonderes Ge¬
hör schenkte. Das Sing- und Lustspiel war eben nicht allein die
Stärke seiner Gesellschaft, sondern auch die einzige Kunstgattung,
welche er nach Vater Bernardon’s tollen Burlesken und Löpper’s
Harlekinaden dem grossen Publikum bringen konnte. Lessing’s
Werke und die Stücke der durch ihn zu dramatischem Schaffen an¬
geregten deutschen Schriftsteller konnte Marchand noch nicht zum
eigentlichen Kernpunkt seines Repertoires erheben, er hatte vielmehr
die Schaubühne in Frankfurt wie eine heitere Unterhaltungsanstalt
aufzufassen und leistete innerhalb dieses gegebenen Rahmens, was in
künstlerischer Beziehung geleistet werden konnte.
Das Repertoire Marchand’s war auch lange nicht so oberfläch¬
lich, wie es oft von seinen Gegnern hingestellt worden ist. Man
vermag sich kaum etwas Anmuthigeres und Fesselnderes vorzu¬
stellen, als das seit J. J. Rousseau’s »devin du village« etwa um
1750 immer mehr emporgekommene französische Singspiel. Die
reizenden Libretti von Sedaine, Favart, Marmontel und Anderen,
deren Handlungen fast durchweg ein einfacher idyllischer Grundzug
kennzeichnete, wurden durch die liebliche, weder zu schwer fass¬
liche, noch zu seichte Musik dazu von Favart, Gretry, Monsigny,
Desaides, Philidor und sonstigen Komponisten noch mehr gehoben.
Nichts konnte geeigneter erscheinen, heitere, angeregte Stunden
zu verschaffen, freundlicher und belebender auf Geist und Gemütli
zu wirken, als diese und die späteren deutschen Singspiele von
Hiller, Neefe, Andre, Ben da, Wolf und Stegmann, welche im Verein
318
mit deutschen und aus dem Französischen übersetzten Komödien und
Schauspielen den hauptsächlichsten Theil des Marchand’schen Reper¬
toires ausmachten.
Eine übersichtliche Aufzeichnung der von Marchand — soweit
es sich feststellen lässt — in Frankfurt zur Darstellung gebrachten
Stücke ist in Beilage XIX zu finden. Hier werde nur darauf auf¬
merksam gemacht, dass sowohl Monsigny’s bestes Werk, die Opera
Bouflä »Der Deserteur«, mit Text von Sedaine, als auch das von
Götter für die deutsche Bühne bearbeitete Schauspiel Mercier’s »Der
Deserteur aus Kindesliebe« in den siebziger Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts zu den Lieblingsstücken des Frankfurter Publikums zählten.
Das letztgenannte Schauspiel, welches zu der Gattung der von
Lessing »weinerliche Dramen« genannten Stücke gehört, fand wohl
hauptsächlich deshalb so viel Anklang, weil es ganz und gar den
Ton der Empfindsamkeit traf, welchen Goethe’s »Werther’s Leiden«
wachgerufen hatte, und welchen eine Menge von Romanen fort¬
zunähren suchte. Man lebte die dargestellten rührenden Kämpfe
zwischen Pflicht und Liebe gleichsam wie in Wirklichkeit mit durch,
man fand die Thränenergüsse selbstverständlich und schwelgte in
einem für uns grausigen Entzücken heim Nachfühlen des furchtbaren
Leidens jener erdichteten Gestalten.
Yon der Opera Bouffa »Der Deserteur« haben sich mehrere
Theaterzettel aus verschiedenen Jahren erhalten. Da Herr Senator
von Oven in seinem Werk »Das erste städtische Theater zu Frankfurt
a. M.« den Zettel vom 8. April 1771 bereits veröffentlichte, so lassen
wir in der Beilage Nr. XIX den Abdruck desjenigen von der am
12. September 1771 stattgefundenen Vorstellung folgen, der freilich
dem anderen vollständig gleich ist und nur anstatt der pantomimi¬
schen Scene »Das Mayntzer Markt-Schiff« ein anderes, nicht näher
bezeiclmetes Ballet ankündigt.
Yon der Aufführung des von Götter bearbeiteten Stückes »Der
Deserteur aus Kindesliebe« sind aus den beiden Messen der Jahre
1775 und 1776, sowie aus der Ostermesse des folgenden Jahres nur
zur Hälfte und zum vierten Theil erhaltene Programme vorhanden.
Ueberhaupt waren wir nur im Stande, von der siebenjährigen Thätig-
keit Marchand’s in Frankfurt sechs vollständig unversehrte Theater¬
zettel ausfindig zu machen. Fünf davon zeigen Aufführungen von
der komischen Oper »Der Deserteur« an, die ebenfalls in Beilage
Nr. XIX veröffentlichte Ankündigung vom 24. October 1774 eine
Vorstellung des hier sehr gern gesehenen, aus dem Französischen
übersetzten Lustspiels: »Die verliebten Thorheiten«. Theils aus den
Fragmenten, theils aus den in der Andreä’schen Buchhandlung er¬
schienenen und von Marchand hier aufgeführten Operetten, Schau-
und Singspielen 475 ist das bereits erwähnte Repertoire, das selbst-
319
verständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann, zu-
sammengestellt worden.
Wenn der unbekannte Verfasser in seiner Abhandlung »Bei¬
trag zur deutschen Schaubühne« den Ausspruch thun konnte, die
Mitglieder der kurpfälzischen Gesellschaft passten auf jeden Sattel,
so dachte er dabei jedenfalls an die Thatsache, dass die jüngeren
Darsteller und Darstellerinnen nicht allein im Spiel, sondern auch
im Gesang und Tanz tüchtig sein mussten. Marchand war in Bezug
auf das künstlerische Emporkommen aller seiner Mitglieder ein sehr
strenger Direktor. Er studirte Anfängern selbst die Rollen ein,
leitete die Proben und bestimmte regelmässige Lektionen bei dem
Balletmeister, von denen auch die älteren Darsteller nicht aus¬
geschlossen waren. Der Direktor selbst machte alle diese Uebungen
mit und theilte auch ausserdem wie ein guter Befehlshaber mit seiner
Truppe jede Mühe und Anstrengung.
Dass eine solche Haltung des Oberhauptes auf die künstleri¬
schen und sittlichen Grundsätze der Mitglieder nicht ohne segens¬
reichen Einfluss blieb, bedarf keiner weiteren Begründung. In den
sieben Jahren, in welchen Marchand in beiden Messen hier spielte,
ist auch nicht ein einziger Pall bekannt geworden, der die alte
Geringschätzung gegen den Komödiantenstand neu gerechtfertigt
hätte. Da er mit seiner Truppe ziemlich abgeschlossen lebte, nahm
Marchand keine so hohe gesellschaftliche Stellung in Frankfurt ein,
wie Anfangs Baron Joseph von Kurz, aber er verkehrte viel mit
Kunstverständigen, hauptsächlich mit hiesigen Tonkünstlern und er¬
freute sich auch ohne einflussreiche Verbindungen der Achtung aller
gebildeten Frankfurter.
Ein ehrendes Zeugniss für die kurpfälzische Truppe ist es
ferner, dass ihre Mitglieder nur sehr selten ihre Stellungen wechsel¬
ten. Die meisten Komödianten der früher hier gewesenen Truppen
waren den Wandervögeln zu vergleichen, welche nach kurzer Rast
auf einer beliebigen Haltestelle ihren Flug in’s Weite wieder be¬
ginnen , »die Zugehörigen Marcliand’s« hatten mehr den Charakter
von den gefiederten Getreuen des deutschen Waldes, die darin über¬
wintern und nur durch sehr wichtige Gründe zum Verlassen ihrer
seitherigen Heimstätte bewogen werden. So lange Marchand in Frank¬
furt spielte, lassen sich mit Gewissheit nur drei Fälle nachweisen,
wo Mitglieder seine Gesellschaft verlassen haben. Zu diesen gehörte
der geschätzte Sänger Nouseuil, der im Herbste 1774 einem Ruf des
Kurfürsten von Bayern nach München folgte.
Da bis jetzt nur Marchand selbst, seine schöne Gattin und die
jugendliche Demoiselle Köllerin von dem Personal Erwähnung ge¬
funden haben, so ist es nun wohl am Platze, auch der anderen her¬
vorragenden Mitglieder und ihrer künstlerischen Bedeutung zu ge¬
denken. Herr Hellmuth, später zur Seyler’schen Gesellschaft gehörig,
320
war der erste Bassbuffo der Truppe und that sich neben den die
lyrischen Tenorpartien vortrefflich durchführenden Herren Pilotti und
Huck, deren letzterer auch in Chevaliersrollen und als erster Lieb¬
haber vorzüglich war, hauptsächlich in dem Singspiel und in der
Oper hervor. Ein anderer Bassbuffo der Gesellschaft war Herr
Brandes, welcher eine so ausgezeichnete Stimme besass, dass er
während des Aufenthaltes der Gesellschaft in Mainz oft am Hofe
singen musste.476 Anstandsrollen gab Herr Tietke mit vielem Glück;
Herr Stierle hatte das Fach der jugendlichen Liebhaber inne; Ballet¬
meister war Herr Brochard der Aeltere, und Direktor des Orchesters
der Kapellmeister Bälden ecker. Yon den übrigen Darstellern des
männlichen Personals sind noch Herr Wolffram und Herr Mierk
namhaft zu machen, während die Namen der sonstigen Mitglieder
für die Theatergeschichte keine Bedeutung haben. Wolffram, den
wir schon 1745 in Frankfurt bei der Neuberiu getroffen, war in der
langen Zwischenzeit Mitglied der bedeutendsten deutschen Wander¬
truppen gewesen und von Marchand vor der Ostermesse 1774 für
das Fach der komischen Alten engagirt worden. Herr Mierk, ein
Freund Eckhofs, war ebenfalls an der Leitung des Ballets betheiligt;
er besass ein ausserordentliches Talent zum Erfinden von panto¬
mimischen Darstellungen und trat auch im Lustspiel, besonders in
lustigen Bedientenrollen, mit grossem Erfolge auf.
Wegen ihrer gesanglichen Begabung und Ausbildung muss
von den Damen der Truppe in erster Linie die ausgezeichnete
Sopranistin Madame Brochard genannt werden.4 77 Sie hatte die
schwierigsten Bollen im Singspiel und in der Operette durchzuführen
und vereinigte mit ihrem bedeutenden musikalischen Talent eine
graziöse Darstellungsweise. Zu ihren Glanzpartien zählten : »Das
Kosenmädchen von Salency«, »Zemire«, »Coralli« (Freundschaft auf
der Probe) und »Louise« im Deserteur. Auch zärtliche Bollen im
Schauspiel gab sie mit gleicher Vortrefflichkeit. Madame Brochard
soll weniger schön gewesen sein, aber sie war mit ganzer Seele
Künstlerin und lebte sich so in ihre Bollen ein , dass man ihr
Aeusseres bald ganz darüber vergass. Im Leben gesellten sich naive
Liebenswürdigkeit, Geschick und grosser Fleiss noch zu ihren schau¬
spielerischen und gesanglichen Gaben.
Dass Madame Marchand ein Gegenstand der allgemeinsten Ver¬
ehrung war, ist bereits mitgetheilt worden, und möge hier nur noch
über sie hinzugefügt werden, dass sie zwar gesanglich viel weniger
leisten konnte, wie Madame Brochard, aber in der Darstellung von
munteren, naiven und graziösen Bollen dieselbe bei weitem über¬
ragte. Audi Madame Franziska Hellmuth, die Gattin des älteren
Hellmuth, trat als Liebhaberin im Sing- und Schauspiel auf. Sie
scheint in Frankfurt nicht regelmässig, sondern nur dann und wann
gespielt und hauptsächlich ihre unpässlichen Kolleginnen vertreten
321
zu haben. Es wäre nun noch Mierk’s Gattin, welche im Lustspiel
jugendliche Liebhaberinnen gab, die Vertreterin der Mütterrollen :
Madame Urban, und noch zwei ältere Darstellerinnen: Madame
Hartig und eine Madame Schrötter zu nennen, von denen die letztere
hauptsächlich im Singspiel mitgewirkt haben muss.
Die übrigen weiblichen Mitglieder mögen unter Marchand’s
Leitung ebenfalls ihr Theil zur Herstellung eines trefflichen En¬
sembles beigetragen haben, aber für die Geschichte des Frankfurter
Theaters sind ihre Namen ohne besondere Bedeutung geblieben.
Im Winter 1773 war in Weimar die von Schweizer homponirte
Oper »Alceste« zum ersten Male zur Aufführung gekommen, deren
Text von keinem Geringeren als von Wieland verfasst worden war.
Da man die Oper dort mit rauschendem Beifall aufgenommen hatte,
wurde ihr Erscheinen zu einem grossen Ereigniss in der theatrali¬
schen Welt. Sie machte von Weimar aus ihren Weg bald über die
bedeutendsten deutschen Bühnen und wurde von Marchand in Frank¬
furt schon in der Ostermesse 1774 mit Madame Brochard in der
Titelrolle zur Darstellung gebracht.478 Mit welchem Erfolge, lässt
sich nicht mit Sicherheit feststellen, obgleich sich in den »Frankfurter
Gelehrten Anzeigen« vom 18. November 1774 ein Aufsatz über die
»Alceste« mit der für die kurpfälzische Truppe nicht ganz günstigen
Bemerkung findet: »Jetzt möchten sie vielleicht Schweizern gar zu
gerne den italienischen Leisten anpassen, aber siehe, Lieber ! sie
haben nicht Augen und Ohren; denn sie guken durch venetianische
Brillen und haben ihr Ohr im Marchand’schen Komödienhause ge¬
lassen.«
Es möchte hier der Ort sein, noch einmal zu erwähnen, dass
die Tagesblätter und die mit dem Beginne der siebziger Jahre wie¬
der erscheinenden »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« nur insoweit
von dem Theater Notiz nehmen, als sie die dramatische Literatur
nicht gänzlich übersehen und nur den neu erschienenen Stücken eine
kurze Besprechung widmen.
Ab und zu finden sich wohl in der »Frankfurter Oberpostamts-
Zeitung«, im »Frankfurter Journal«, im »Frankfurter Staats-Ristretto«
und in den »Frag- und Anzeigungsnachrichten« unter den sogenannten
»Avertissements« kleine Bemerkungen über besonders beliebte Stücke
oder ganz wichtige Theaterereignisse, aber von einer regelmässigen
Berichterstattung über die Vorstellungen oder gar von einer eigentlich
kritischen Beurtheilung derselben ist auch in jener Zeit in Frankfurt
durchaus noch nicht die Rede.
Das Entstehen der Theaterkritik in den öffentlichen Blättern,
welche der Schauspielkunst für immer ihre harmlose Unbefangen¬
heit rauben, aber auch eine grössere Bedeutung verleihen sollte,
fällt hier, wie überall in Deutschland, erst in eine spätere Zeit.
2L
322
Sclimid und Dyck erwähnen es in ihrer Chronologie des deut¬
schen Theaters als etwas ganz besonders Wichtiges, dass in der »Deut¬
schen Bibliothek der schönen Wissenschaften« von Klotz die Nach¬
richten von den Leipziger theatralischen Vorstellungen im Jahre
1769 ihren Anfang nehmen sollten, und die »Frankfurter Gelehrten
Anzeigen« berichten 1775 mit einem deutlich durchblickenden Staunen,
dass Beichhard in Gotha es wirklich unternehmen wolle, von nun
au einen allgemeinen Theaterkalender zu schreiben. — In manchen
deutschen Städten waren ja wohl schon abgesonderte Theater-
beurtkeilungen und selbständige Berichte über bedeutende Truppen
erschienen, wie z. B. im Jahre 1755 die »Schildereien über die
Kochische Bühne« in Leipzig, ferner die »Weimarischen Blätter« von
Peucer 1769, die Theaterzeitung von Bärstecher in Cleve 1770 und
schliesslich Lessing’s Dramaturgie, aber dies waren im grossen
römischen Reich deutscher Nation doch nur sehr vereinzelte Er¬
scheinungen.
Noch im Jahre 1782 bringen die »Frankfurter Gelehrten An¬
zeigen« bei Gelegenheit einer Besprechung des 19. Stückes des
Gothaer Theaterjournals vom 1. October 1782 folgenden, vielleicht
auch noch für unsere Zeit in gewisser Beziehung passenden Satz :
»Hilft gedruckte Kritik etwas bei dem Schauspieler oder hilft
sie nichts, wie einige unter ihnen behaupten wollen, und an wem
liegt die Schuld: an der Kritik oder an dem Schauspieler? Diese
Frage war schon im Theaterkalender von 1779 aufgeworfen worden
und bis jetzo unbeantwortet geblieben. Ich würde die Frage so be¬
antworten : Den Stümper kann keine Kritik bessern. Hat er Ein¬
bildung von sich, so wird er verbittert, hat der Ort, wo er spielt,
keinen Geschmack, oder wusste er sich durch Kabalen Anhang zu
verschaffen, so hilft alles Geschreibe über ihn nichts. Den Schau¬
spieler von Talenten in einem Stücke zu tadeln, ist darum misslich:
er kann nicht wie der Autor an’s Publikum appelliren, weil sein
Kunstwerk nicht permanent, sondern transitorisch ist, und weil er
nicht allemal die Ursachen erörtern kann, warum er sich selbst kein
Genüge that.«
Wie auch aus diesem Ausspruch hervorgeht, hatte Lessing
auf dem Gebiete der belehrenden Kritik zu wenig würdige Nachfolger,
war der Antheil an den theatralischen Leistungen in gewissem Sinne
noch ein viel zu beschränkter, um das Theater in Verbindung mit
dem Fortschritt und den höheren Interessen der Nation zu bringen
und es gleichsam als das Barometer der geistigen Zustände Deutsch¬
lands anzusehen.
Aber Lessing’s Dramaturgie sollte doch dem Theater nach und
nach diesen Ehrenplatz erwerben helfen. Die vielen Zeitschriften,
Theaterjournale, Bühnenalmanache und dramaturgischen Blätter, welche
am Anfang der achtziger Jahre auf dem deutschen Büchermarkt er-
323 —
schienen, liefern einen Beweis für das besondere Interesse, welches
der Schauspielkunst wenigstens von den Gebildeten unter dem Pu¬
blikum gerade damals in hohem Grade zugewandt wurde.
Es ist etwas Erfreuliches, feststellen zu können, dass Frankfurt
in dieser Beziehung vielen anderen deutschen Städten mit rühm¬
lichem Beispiel voranging. War es auch noch nicht bei der Mar-
chand’schen Truppe, so wurde doch bei der ihr unmittelbar nach¬
folgenden der hiesigen Schaubühne von Kennern eine Beachtung und
Beurtheilung zu Theil, wie sie bisher in Frankfurt nur die Malerei
und die hervorragendsten Zweige der Wissenschaften und sonstigen
geistigen Bestrebungen erfahren hatten.
Die Oper »Alceste« wurde in den folgenden Jahren noch mehr¬
mals von der kurpfälzischen Truppe zur Darstellung gebracht, aber
»Götz von Berlichingen«, der geharnischte Vorläufer einer grossen
Dichterperiode, kam — trotzdem Frankfurt die Vaterstadt des genialen
Verfassers und dieser selbst am Anfang der siebziger Jahre oft
und ziemlich lange hier anwesend war — nicht auf die Bretter der
hiesigen Schaubühne.
Ob »Clavigo«, dem Schröder schon 1774 in Hamburg die Ehre
der ersten Aufführung erwies, auch alsbald in Frankfurt gegeben wurde,
können wir wegen Mangels an Theaterzetteln und sonstigen gedruckten
Quellen nicht entscheiden. Jacob Peth berichtet zwar in seiner Ge¬
schichte der Musik und des Theaters zu Mainz, dass dieses Stück
in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von der Marchand’-
schen Gesellschaft dort aufgeführt worden sei,479 woraus man, da
die Frankfurter und Mainzer Theatergeschichte jener Zeit gerade
viel Uebereinstimmendes in den stattgefundenen Vorstellungen haben,
vielleicht den Schluss ziehen könnte, dass damals schon »Clavigo«
auch hier gegeben worden sei; da aber die »Frankfurter Gelehrten
Anzeigen«, die aller in Verbindung mit Goethe und dessen Werken
stehenden Ereignisse immer zu gedenken pflegen, nichts von einer
hiesigen Aufführung des »Clavigo« berichten, da auch die Frank¬
furter Theaterschriftsteller Wagner, Rühl und Seyfried, welche in
späteren Kritiken oft auf bedeutende Vorstellungen früherer Jahre
zurückkommen, niemals einer solchen von »Clavigo« Erwähnung thun,
und Goethe selbst bei Gelegenheit einer Beschreibung des Marchand’-
schen Theaters in »Wahrheit und Dichtung« und in seinen Briefen
keine Mittheilung davon macht: so wäre ja wohl einestheils die
Möglichkeit einer zu jener Zeit in Frankfurt unter Marchand’s Direk¬
tion stattgefundenen Vorstellung dieses Stückes nicht auszuschliessen,
anderntheils aber auch wieder die Berechtigung zu manchen starken
Zweifeln gegeben.
Marchand’s Gegner haben ihm das Uebersehen einiger wichti¬
ger Momente in dem Fortschritt der deutsch-dramatischen Literatur
oft zum Vorwurf gemacht, aber dies ist stets nur in vollkommener
21 *
324
Verkennung seiner künstlerischen Aufgabe geschehen. Wenn er
auch in den letzten Messen während seines Frankfurter Aufenthaltes
dann und wann Schauspiele deutscher Autoren, z. B. den »Grafen
von Walltron« von Möller zur Aufführung brachte, so hatten doch
derartige, einen ernsten Gegenstand behandelnde dramatische Werke
eine viel zu untergeordnete Stellung in seinem Repertoire, als dass er
ein die französischen Regeln so kühn verletzendes Stück wie »Götz
von Berlichingen«, das ausserdem in anderen Städten nur sehr mäs-
sige Erfolge erzielt hatte, aus blosser Rücksicht für den Frankfurter
Verfasser hier auf seine Bühne gebracht hätte. Auch darf man bei
der Beurtheilung dieser, Marchand besonders von einem später noch
mehr gegen seine Bestrebungen kämpfenden Grafen von Nesselrode
zum Vorwurf gemachten Versäumniss nicht ausser Acht lassen, dass
Goethe trotz seiner bedeutenden Schöpfungen damals noch nicht der
Dichterheros war, zu dem wir heute bewundernd aufblicken. Er
stand noch am Beginne seiner poetischen Laufbahn und erstaunte
in edler Bescheidenheit selbst darüber, dass berühmte Gesellschaften
wie die Koch’sche in Berlin schon 1773 seinem »Götz von Berlichingen«
und die Schröder’sche in Hamburg 1774 seinem »Clavigo« die Ehre
der ersten Aufführung erwiesen.
Marchand, dessen künstlerische Richtung von dem Einfluss
französischer Bühnengrössen bestimmt worden, war wenigstens in
Frankfurt nicht dazu berufen, in dem Kampfe, welchen die deutsche
Schauspielkunst unter Lessing’s Führung gegen das XJebergewicht
des französischen Einflusses auf der deutschen Bühne begann,
eine hervorragende Aufgabe durchzuführen. Seine Stellung in der
Geschichte des Frankfurter Theaters gleicht der Wieland’s in der
deutschen Literatur. Dieser Dichter verschaffte bekanntlich durch
seine leichte, der französischen Schreibweise nachgebildete Form dem
deutschen Roman Eingang in die höheren und gebildeten Gesell¬
schaftskreise — Marchand erweckte in Frankfurt durch seine ge¬
fälligen und einschmeichelnden Darstellungen nicht allein das In¬
teresse des besseren Publikums für die Schaubühne , sondern
auch die durch die Possenspiele verloren gegangne Achtung vor
ihren später immer mehr die fremde Hülfe abweisenden Leistungen
wieder.
Wer Marchand’s Thätigkeit in Frankfurt unterschätzt, wer seine
Richtung und sein Anlehnen an französische Vorbilder tadelt, der ur-
theilt ähnlich wie jener Medicaeer, der einen Bildhauer früherer Zeiten
deshalb einen Stümper nannte, weil er nicht so Vortreffliches leistete,
wie seine durch ganz andere Kunsteinflüsse und geistige Förde¬
rungen gebildeten Nachfolger.
Führte aber auch Marchand den »Götz von Berlichingen« und
jedenfalls auch den »Clavigo« nicht auf, so beugte er sich doch vor der
gewaltigen Hcldenthat der eisernen Hand des ersteren. Es ist bekannt,
325
dass Goethe’s geharnischter Erstling nicht allein eine grosse Umgestal¬
tung auf dem Gebiete der dramatischen Poesie, sondern auch auf dem
Felde des seither conventioneilen Kostüms und der Dekoration an¬
regte. Mit Recht sagt Devrient in seiner Geschichte der deutschen
Schauspielkunst: »Den Gebrauch, alle Stücke, die nicht gerade zu
antik oder morgenländisch waren, in französischer Hoftracht zu
spielen, stiess Götzens eiserne Faust über den Haufen. Im Staats¬
kleide und in gepuderter Frisur konnten diese Gestalten nicht er¬
scheinen, ihre Fehden waren mit dem Galanteriedegen nicht auszu¬
fechten.«
Auch Marchand passte — ohne Zweifel in Folge dieses Um¬
schwungs — in den letzten Jahren seines Hierseins die Kostüme,
Dekorationen und Requisiten mehr dem Charakter der Personen und
der Zeit des Stückes an. Wir erfahren dies durch kleine Beilagen
zu Theaterzetteln, welche kurz vor dem Beginne der Vorstellung im
Bienenthal’schen Saal herumgereicht wurden. Oft wird durch dieselben
das Publikum darauf aufmerksam gemacht, »dass der Direkteur keine
Kosten gescheut habe, um die Dekorationen imittiren und die Kostüms
und sonstigen Requisiten genau nach der Art der Handlung anfer¬
tigen zu lassen.«
Nach der Besprechung des indirekten Einflusses, welchen Goethe’s
gewaltiges Werk auf die Kunstbestrebungen des Direktors Marchand
ausübte, gehen wir nun näher auf die Anregungen ein, welche der
junge Dichter in dem Theater desselben empfangen haben mochte.
Obgleich Goethe erst im siebzehnten Buch seiner Lebens¬
geschichte, in welchem er bekanntlich Ereignisse aus dem Jahre 1775
schildert, des Marchand’schen Theaters zum ersten Mal Erwähnung
thut, so lässt sich doch aus manchen seiner am Anfang der siebziger
Jahre geschriebenen Briefe genau nachweisen, dass er dasselbe
während des in jener Zeit mehrmals vorgekommenen Aufenthaltes in
seiner Vaterstadt dann und wann besuchte. Die zeitliche Verschiebung
einiger Eindrücke, welche er durch die Marchand’schen Vorstellungen
empfing und viele Jahre später bei Abfassung von Wahrheit und
Dichtung in die Zeit der französischen Komödie während des sieben¬
jährigen Krieges zurück verlegte, z. B. die früher schon erwähnte
Aufführung von »Röschen und Colas«, giebt dieser Thatsache eine
weitere Bekräftigung.
»In Frankfurt«, erzählt Goethe an der oben erwähnten Stelle,
»dirigirte zur Zeit Marchand das Theater und suchte durch seine
eigne Person das Mögliche zu leisten. Er war ein schöner, gross
und wohlgestalteter Mann in den besten Jahren; [Nach Andern war
der Besprochene zu jener Zeit schon viel zu korpulent, um die letzte
Bezeichnung zu verdienen] das Behagliche, Weichliche erschien bei
ihm vorwaltend; seine Gegenwart auf dem Theater war daher an¬
genehm genug. Er mochte so viel Stimme haben, als man damals
326 —
zur Aufführung musikalischer Werke wohl allenfalls bedurfte ; des¬
halb er denn die kleineren französischen Opern herüberzubequemen
bemüht war.«
»Der Vater in der Gretry’schen Oper »Die Schöne bei dem Un¬
geheuer«, gelang ihm besonders wohl, wo er sich in der hinter dem
Flor veranstalteten Vision gar ausdrücklich zu geberden wusste.«
»Die Schöne bei dem Ungeheuer« ist ein andrer wenig bekannter
Titel für das berühmte Singspiel Grotry’s »Zemire und Azore«, Text
von Marmontel, welches im Dezember 1771 in Fontainebleau zuerst
aufgeführt worden ist. Die von Marchand nach Goethe’s Ansicht gut
durchgeführte Rolle ist die des persischen Kaufmanns Sander, Vaters
von Zemire , Fatime und Lisbe. Das Ungeheuer ist der spätere
Geliebte Zemire’s, der anfangs in einer fürchterlichen Gestalt auf¬
tretende persische Prinz Azor. In der hinter einem Flor veranstalteten,
jedenfalls theatralisch sehr wirksamen Vision werden der bei Azor
verweilenden und von Sehnsucht nach den Ihrigen erfüllten Zemire
der Vater und die beiden Schwestern Fatime und Lisbe vorgezaubert.
In dieser Scene — es ist die sechste des dritten Aktes — kam
es ausserordentlich viel auf das Mienenspiel der betreffenden Dar¬
steller an. Nach dem französischen Text hatte der Vater während
der Vision folgende Worte der Zemire mit pantomimischen Bewe¬
gungen zu begleiten:
»Ach, wie traurig er ist! — Er weint; sein Schmerz kämpft
gegen die Aufmerksamkeit, durch welche ihn ihre Liebe [die ihrer
beiden Schwestern] zu trösten bereit ist, — Er sucht mich mit den
Augen, — er scheint mit mir zu sprechen, seine Arme scheinen sich
gegen mich auszubreiten! Ach dass ich zu dir fliegen, dass du
wenigstens mich hören könntest!«480
Aus der von Madame Brochard vortrefflich vorgetragenen Arie
der Zemire »Schönste der Rosen, du meine Lust« entnahm wohl
Goethe die Idee zu dem in »Erwin und Elvire« mitgetheilten Lied :
»Ihr verblühet, süsse Rosen«. Dieses hochpoetische Gedicht war
jedenfalls dasjenige seiner neuesten Lieder, welches er der Gräfin
Auguste Stollberg am 15. April 1775 zuschickte.481
Hatten die in Goethe’s Knabenjahren in der französischen
Komödie aufgenommnen Eindrücke in seinen dramatischen Jugend¬
arbeiten: »Die Mitschuldigen«, »Die Laune des Verliebten« und »Die
Geschwister« ihren poetischen Ausdruck erhalten: so waren seine
thcils in jener Epoche entstandenen Werke: »Erwin und Elvire«,
»Jery und Bätely«, »Lila«, »Scherz, List und Rache« gewiss auch mit
die Früchte seiner grossen Vorliebe für das einer reichen Erfindungs¬
kraft keinen Zügel anlegende Singspiel, welche ohne Zweifel durch
seinen öfteren Besuch des Marchand’schen Theaters trotz der häufigen
Aufführung von sogenannten Handwerksoperetten eine bedeutende
Kräftigung erhalten hatte.
327
Im Anschluss an die Besprechung der Leistungen Marchand’s
in der Gretry 'sehen Oper »Die Schöne bei dem Ungeheuer« fügt
Goethe noch hinzu, dass sich dieselbe einem edlen Styl genähert
habe, und ganz geeignet gewesen sei, die zartesten Gefühle zu er¬
wecken. »Dagegen«, fährt er fort, »hatte sich ein realistischer Dämon
des Opern theaters bemächtigt; Zustands- und Handwerksopern thaten
sich hervor. »Die Jäger«, »Der Fassbinder«, und ich weiss nicht was
Alles, waren vorausgegangen : Andre wählte sich den Töpfer. Er
hatte das Gedicht selbst geschrieben und in den Text, der ihm an¬
gehörte, sein ganzes musikalisches Talent verwendet.«
Das eben erwähnte Singspiel Andre’s, in dessen Haus Goethe
in Offenbach »ein quartiert« war und in welchem er gemeinsam mit
Lilli unter lieben Menschen viele glückliche Stunden verlebte, wurde
am 29. Oktober 1773 zum Besten der milden Stiftungen und im April
1776 nochmals von Marchand in Frankfurt zur Darstellung gebracht.
Wie Goethe am 3. November 1773 an Betty Jacobi berichtet, erlebte
dieses Stück den grössten Beifall, welcher Erfolg nicht allein dem
Komponisten, sondern auch den darstellenden Künstlern zuzuschrei¬
ben ist. Besonders mögen die Vertreter der Hauptrollen: Madame
Brochard, Herr Huck und Herr Hellmuth einen grossen Theil zur
freundlichen Aufnahme des »schönen Stückes«, wie es in den Frag-
und Anzeigungsnachrichten angemeldet wurde,482 beigetragen haben.
Andre, welcher während des Aufenthaltes Goethe’s in seinem
Hause »Erwin und ElVire« komponirte, hatte die Anregung zu seinem / 77 t
Werke jedenfalls im Marchand’schen Theater empfangen. Die von
Goethe ausser dem »Töpfer« erwähnten Singspiele »Der Fassbinder«
»Le Tonnelier« von Audinot, übersetzt von J. H. Faber und »die Jäger«
[die Hiller- Weisse’sche Operette, später wahrscheinlich wegen des
Iffland’schen Schauspiels gleichen Namens »Die Jagd« genannt] und
ähnliche Stücke wie »Der lustige Schuster« und »Der Aerntdekranz«
von Weisse, feiner »Der Holzhauer und die drei Wünsche«, »Der Huf¬
schmied«, »Der Kohlenbrenner«, »Der Schlosser«, »Hans der Schuh¬
flicker« gehörten ja zu den Zugstücken des Marchand’schen Repertoires.
In der Blüthezeit dieser Richtung verfasste Andre seine Operette,
deren Erfolg in Frankfurt jedenfalls viel dazu beigetragen haben mag,
dass er dem Kaufmannsstande untreu wurde und sich ganz der
Musik zu widmen gedachte. Andre ging später als Kapellmeister
der Döbbelin’schen Gesellschaft nach Berlin, kehrte aber bald nach
Offenbach zurück und gründete dort die unter seinem Namen be¬
rühmt gewordene Musikalien-Verlagshandlung.483
Er war ein Mann von angeborenem, lebhaftem Talent aber doch
nicht schöpferisch genug, um sich nicht in seinen Kompositionen viel
zu wiederholen. »Er schwebte«, wie Goethe bezeichnend sagt, »zwischen
dem Kapellmeister und Dilettanten.«484
328
Aber nicht allein in Wahrheit und Dichtung gedenkt Goethe
Marchand’s Richtung, er thut ihrer auch in seinem schon 1808 ge¬
schriebenen Aufsatze über die »Trennung des Schauspiels von der
Oper« Erwähnung. Hauptsächlich machte er auf den Uebergang von
der französischen Operette zur Handwerksoper in folgender Darlegung
aufmerksam :
»Die französischen kleinen Operetten, das Milchmädchen und
dergleichen kamen im südlichen Deutschland zuerst auf die Bühne
durch Marchand, einen Direktor, der selbst leidlich sang und sich
mit Versemachen abgab. Hier hatte die Epoche der Handwerksopern
ihren Anfang : die Schmiede, Böttcher und Töpfer erschienen hinter
einander.«
Von Goethe’s späterer Beurtheilung Marchand’s und seiner Rich¬
tung kehren wir nun zu diesem selbst zurück. Durch eine Bittschrift
wegen Milderung eines Rathsbeschlusses vom 28. September 1773,
welcher ihm messen tlich ausser der städtischen Abgabe zwei Vor¬
stellungen für die hiesigen milden Stiftungen auferlegte, bekommen
wir einigermassen Einblick in die Ausgaben Marchands.
»Ich kann keine zwei Komödien zum besten der Armen halten«,
berichtet er dem Rath, »meine Unkosten sind zu gross. Ich bin ge¬
zwungen aus Mangel an einem anderen schicklichen Komödienhaus
dem Obristen von Bienenthal allein für die Messe 750 fl. für den
Saal zu geben, eine Vorstellung nachher kostet mich 15 fl. Hierzu
kommen die 200 fl. an das Rechneyamt und ungefähr 900 für die
Bezahlung meiner Leute und zwar ebenfalls nur die drey Messwochen
hindurch. Ausserdem machen die Lichter, Musik und übrige Noth-
wendigkeiten auch noch einen considerabelen Gegenstand aus.«
Hierauf erbot sich Marchand trotz des hohen Standgeldes eine
Vorstellung für beide milde Stiftungen geben oder wie in Mannheim,
Mainz und Strassburg den Armen von jeder Aufführung einen Reichs-
thaler abgeben zu wollen.485 Auf diese vom 28. Oktober datirte
Bittschrift ertheilte der Rath einen abschlägigen Bescheid; als aber
Marchand am 15. März des folgenden Jahres nochmals um Er-
mässigung einkam, wurde »in Ansehung der triftigen und glaubhaften
Gründe« der frühere Beschluss abgeändert und ihm das Veranstalten
nur einer Vorstellung zum Besten der milden Stiftungen zur Auf¬
lage gemacht, allerdings unter der Bedingung, dass der Rath den
Tag derselben selbst bestimmen könne.486
TJm zu zeigen, wie gerechtfertigt Marchand’s Bittgesuch war,
und zum besseren Ueberschauen seiner siebenjährigen hiesigen Kunst-
thätigkcit, soll hier ein; kurze Darstellung der von ihm geleisteten
Abgaben an die Stadt und an den Obristen Bender von Bienenthal
folgen :
329
An die Stadt. An Bienenthal.
Für die
Ostermesse
1771 und 2 Wochen nachher 230 fl.
930 fl.
7>
»
Herbstmesse
1771
»
5
»
»
275 fl.
1200
fl.
»
Ostermesse
1772
200 fl.
750
fl.
Herbstmesse
1772
»
4
»
»
260 fl.
1110
fl.
»
»
Ostermesse
1773
»
2
»
»
230 fl.
930
fl.
»
»
Herbstmesse
1773
»
4
»
»
260 fl.
1110
fl.
»
»
Ostermesse
1774
»
2
»
»
230 fl.
930
fl.
»
»
Herbstmesse
1774
»
4
»
»
260 fl.
1110
fl.
»
»
Ostermesse
1775
»
1
»
»
215 fl.
840
fl.
»
»
Herbstmesse
1775
»
5
»
»
275 fl.
1200
tl.
»
»
Ostermesse
1776
»
5
»
»
275 fl.
1220
fl.
»
»
Herbstmesse
1776
»
3
»
»
245 fl.
1020
fl.
»
»
Ostermesse
1777
200 fl.
750
11.
Summa 3155 fl. 13100 fl.
Dass es dem Direktor Marchand trotz des nicht geringen Ein¬
trittsgeldes [siehe die abgedruckten Theaterzettel in Beilage Nr. XIX]
auf die Einnahme einer Vorstellung ankommen musste, ist, wenn
man solche für die damalige Zeit sehr bedeutende Abgaben und
Unkosten bedenkt, ebenso erklärlich, wie die Gewinnsucht Bienen-
thal’s vom Standpunkte seiner hohen gesellschaftlichen Stellung
aus betrachtet fast unbegreiflich erscheinen möchte. Er behandelte
Marchand nicht besser als früher Barizon, lieh ihm ebenfalls »keinen
Stuhl umsonst und liess ihm keinen Nagel ohne Vergütung ein-
schlagen«.
Von den 900 fl., welche Marchand messentlich zur Bezahlung
seiner 25—30 Leute ausgeben musste, erhielten die ersten Kräfte für
die Woche 20 — 24 fl. Gage. Alle übrigen Mitglieder, die es erst zu
etwas bringen wollten, waren so gestellt, »dass sie anständig auskom-
men konnten und kein armselig Leben zu fristen brauchten«. Für
eine besonders anstrengende Aufgabe, z. B. bei der Aufführung eines
neuen Stückes erhielten die hauptsächlichsten Rolleninhaber eine
Vergütung von 1 — 2 fl.488
Diese Bezahlung steht freilich nicht in dem geringsten Ver-
hältniss zu den enormen Summen, welche die Sänger und Schau¬
spieler in unserer Zeit für ihre Leistungen erhalten, aber dennoch
ist sie im Vergleich zu den Gagen minder bedeutender damaliger
Wandertruppen wahrhaft glänzend zu nennen. Die Mitglieder der
Marchand’schen Gesellschaft hatten auch noch deshalb eine günstigere
Stellung als ihre meisten Kollegen, weil der Direktor alle Ueber-
siedlungskosten nach seinen anderen Stationsplätzen : Mannheim,
Mainz, Strassburg, Cöln und Wetzlar, allein trug und durch den fast
stabilen Charakter seiner Bühne in dem »begüterten Frankfurt«
stets in der Lage war, mit der grössten Pünktlichkeit bezahlen zu
können.
330
Wer sich aber trotzdem über die geringen Gagen erstaunen
sollte, möge den damals viel höheren Werth des Geldes in Betracht
ziehen. Erwähnt muss jedoch auch werden, dass viele Schauspieler
und Schauspielerinnen, besonders die letzteren, in jener Zeit sich
durch irgend eine Kunstfertigkeit noch einen kleinen Nebenverdienst
zu erwerben suchten. »Madame Hellmuth und Madame Urban waren
geschickte Goldstickerinnen , Mademoiselle Köllerin drehte schöne
Blumen aus Wachs und Papier, und Madame Mierk flocht Ketten,
Ringe und Spangen aus Haaren.« Diese Sitte der Doppelthätigkeit
treffen wir noch heutzutage bei den weiblichen Mitgliedern der mei¬
sten besseren Wandertruppen.
Je länger Marchand in Frankfurt weilte, desto mehr wurde,
besonders bei der hiesigen Jugend, das Interesse an theatralischen
Vorstellungen geweckt und genährt. Einen Beweis hierfür liefert
die Gründung eines Vereins von hiesigen Bürgerssöhnen und Bürgers¬
töchtern, dessen Zweck die Förderung der deutschen Literatur' und
Schaubühne war. Dieser unter Direktion eines gewissen Johann
Christoph Richter stehende Verein wollte auch zu eigner Bildung
selbst Stücke von den besten Autoren aufführen und »eine klare
Probe ablegen, dass auch Leute, die von der Schauspielkunst kein
Gewerbe machen, der deutschen Bühne Ehre zu machen im Stande
sind«. Als die Mitglieder vier moralische Schauspiele einstudirt hat¬
ten, kam Johann Christoph Richter den 3. November 1774 beim
Rath um die Erlaubniss ein, dieselben gegen eine geringe, nur die
Ausgaben deckende Abgabe zwischen Neujahr und Fastnacht in einem
Saal öffentlich aufführen zu dürfen.489
Aber so weit war man in Frankfurt denn doch noch nicht,
um ein derartiges Unternehmen von hiesigen Dilettanten durch die
Gewährung der gedachten Bitte gleichsam als berechtigt hinzu¬
stellen. Der Rath ertheilte den Supplikanten ein für allemal einen
abschlägigen Bescheid 490 und wies darauf hin, dass man in dem
Marchand’schen Theater Komödien, Operetten, Singspiele und morali¬
sche Stücke auf Verlangen genug sehen könne, mit welcher Behaup¬
tung er allerdings nicht Unrecht haben mochte.
Einen weiteren Beweis für das Interesse, welches die Mar¬
chand’schen Vorstellungen beim Frankfurter Publikum erregten, giebt
sicher die Tliatsache, dass die AndrjFsche Buchhandlung Sammlungen
von Operetten und sonstigen Stücken, wie sie von der Kurpfälzischen
Gesellschaft hier aufgeführt worden waren, mit der dazu gehörigen
Musik in verschiedenen Bänden herausgab. Auch die lebhafte Be¬
theiligung an der am 13. April 1773 stattgefundenen Ziehung des
»Mannheimer Lotto«, in welcher eine Reihe von beliebten Komödien
zu gewinnen war, dürfte als ein Beleg für den in Frankfurt immer
stärker werdenden Antheil an den theatralischen Aufführungen
gelten.491
331
Da sowohl die von der Andrä'schen Buchhandlung angekündig¬
ten, als auch die von dem »Mannheimer Lotto« am 6. April 1773
in den »Frag- und Anzeigungs-Nachrichten« veröffentlichten Stücke,
mit Ausnahme einiger, in dem in der Beilage Nr. XIX mitgetheilten
Repertoire Marchand’s enthalten sind, dürfte hier eine nochmalige Auf¬
zählung derselben wohl unterbleiben können.
Weder von den allegorischen, meistens durch gesangliche Ein¬
lagen bereicherten V orspielen , welche auch Marchand , wie auch
seine Vorgänger gethan, stets beim Beginne und am Schluss der
Vorstellungen, hauptsächlich zu Ehren des Raths, aufzuführen pflegte,
noch von den hier von ihm gesprochenen Abschiedsprologen hat
sich ein Exemplar auffinden lassen, dagegen wurde festgestellt, dass
Marchand den Vorspielen stets ein grossartiges Ballet mit »Kunstfeuer¬
beleuchtung« nachfolgen liess. Da sein Theater ganz nach französi¬
schem Muster eingerichtet war, liess er überhaupt keine Vorstellung ohne
eine pantomimische Scene oder ein Schlussballet vorübergehen. Nicht
selten diente den pantomimischen Darstellungen ein lokaler Stoff
der von den Balletmeistern Brochard und Mierk eigens für die
Frankfurter Schaubühne bearbeitet worden war, als Grundlage. Unter
diesen sind besonders »Das Mayntzer Marktschiff«, »Die Frankfurter
Mess«, »Seppel auf der Maynbrück«, »Der Sachsenhäuser im Palast«
und »Der betrunkene Pfeiffer am Fahrthor« hervorzuheben, deren Auf¬
führungen so gefielen, dass sie mehrmals wiederholt werden mussten.
Ehe die Mittheilungen über die Leistungsfähigkeit der Kur¬
pfälzischen Truppe hier ihren Abschluss finden, muss noch erwähnt
werden, dass das damalige Frankfurter Publikum in Hinsicht auf die
gesanglichen Leistungen, mit Ausnahme derjenigen der ersten Par-
tieen, noch sehr bescheidene Anforderungen stellte, die jeder einiger-
massen stimmbegabte Schauspieler ohne Schwierigkeit erfüllen konnte.
In den Singspielen' blieb ja die Darstellung noch immer die Haupt¬
sache, denn die eigentliche dramatische Handlung wurde noch nicht
gesungen. Die einzelnen, graziös mit dem Ganzen verflochtenen
Lieder und Arien wurden von den ersten Sängern und Sängerinnen
der Gesellschaft vorgetragen, die sonstigen gesanglichen Einlagen
und Chöre aber auch bei der Kurpfälzischen Truppe gewöhnlich von
Schauspielern oder Schauspielerinnen zur grössten Zufriedenheit der
Zuschauer ausgeführt.
Bei aller Achtung vor dem unter Marchand’s Leitung gewiss
vortrefflichen Ensemble darf man daher die übertriebenen Schilde¬
rungen doch nicht ganz wörtlich auffassen, welche sich — Goethe’s
ruhige Beurtheilung natürlich ausgenommen — in vielen Theaterberich¬
ten und auch hie und da in den Memoiren damaliger hervorragen¬
der Zeitgenossen über die noch nie dagewesenen gesanglichen Lei¬
stungen aller Mitglieder der besonders in Frankfurt beliebten Kur¬
pfälzischen Truppe finden lassen,
332
n.
Wir dürfen Marehand nicht von Frankfurt scheiden sehen, ohne
eines Vorfalls gedacht zu haben, der in der Ostermesse 1774 hier
viel Aufsehen erregt hat und aufs Neue zeigt, wie furchtlos und
streng dieser Mann seinen künstlerischen Standpunkt zu wahren wusste.
Ein Freiherr von Nesselrode, welcher durch verwandtschaftliche
Beziehungen der höchsten Frankfurter Gesellschaft angehörte, hatte
drei schlechte Stücke verfasst und an Marehand die Forderung gestellt,
dieselben in der Ostermesse 1774 aufzuführen. Dieser aber weigerte
sich nach genommener Durchsicht ganz entschieden weder »Gross-
muth und Tugend«, noch die beiden sehr sentimentalen Stücke »Der
adelige Taglöhner« und »Der Ahnenstolz auf dem Lande« auf seine
Bühne zu bringen. Hieraus entstand ein kleiner Theaterkrieg, welcher
von Seiten des Freiherrn von Nesselrode gerade nicht mit den edel¬
sten Waffen geführt wurde.492
Gleich nachdem ihm Marehand die Stücke zurückgesandt hatte,
veröffentlichte Nesselrode eine anonyme Schmähschrift unter dem
Titel »Kritik über die Marchandische Schauspielergesellschaft«, deren
zwei ganze Bogen umfassender Inhalt nur zum kleinsten Theil die
Leistungen derselben besprach und hauptsächlich durch skandalöse
Mittheilungen sowohl das Ansehen des Direktors als auch seiner
Mitglieder herabzusetzen beabsichtigte. Von den meisten wurden
zweifelhafte Geschichten erzählt, hauptsächlich aber an dem Charakter
Marchand’s keine reine Stelle gelassen. Mit wahrhaft erfinderischer
Bosheit beutete der erbitterte Verfasser unter der Maske der Ano¬
nymität einige an und für sich ganz harmlose Vorfälle im Leben
und Streben Marchand’s zu dessen Verdächtigung aus. Ja, selbst den
Zufall, dass einige Mitglieder seiner Truppe aus geringem Stande
waren, machte er in ebenso verletzender Weise zu einem Gegen¬
stände seines Angriffs, wie die Vergangenheit einiger Schauspieler,
die früher gerade nicht so solid gelebt hatten, wie sie dies seit ihrer
Mitgliedschaft bei der Marchand’schen Gesellschaft gethan. In keinem
kritisirenden Ausspruch blieb Nesselrode streng objektiv, überall ist
eine boshafte persönliche Anspielung zugegeben, der er um so
keckeren Ausdruck verlieh , als er sich ganz gewiss unter seiner
Maske ziemlich sicher fühlte und an eine spätere Entlarvung ohne
Zweifel nicht im entferntesten dachte. Die ganze Schmähschrift von
Anfang bis zu Ende ist in dem Sinne des Horaz’schen Ausspruchs
abgefasst: »Verläumde nur frech, es bleibt immer etwas hängen.«
Dem unbefangenen vorurtheilsfreien Leser musste ein solcher,
mit den unlautersten Mitteln unternommener Angriff sofort den Ein¬
druck eines misslungenen Racheaktes machen, aber, »da die Welt«
— um einen Ausspruch Marchand’s anzuführen — »doch meistens
aus solchen Urtheilern besteht, deren kurzsichtiger Blick in Ermange-
333
lung der Beweise sich auf Vermutlmngen heftet«, so konnte derselbe
schon aus Rücksicht auf seine angesehene Stellung in Frankfurt eine
derartige öffentliche Herabwürdigung nicht stillschweigend hinnehmen.
Marchand verfasste deshalb sofort ein Antwortschreiben an den
anonymen Kritiker, welches er in Form einer kleinen Broschüre am
9. Mai 1774 veröffentlichte. Als Motto für den schriftlichen Waffen¬
gang zur Yertheidigung seiner Ehre erwählte er sich den Aus¬
spruch Yoltaire’s:
»Com man de ä ta raison d’eviter ces querelies
Des tyrans de Fesprit disputes immortelles;
Ferme en tes sentiments et simple en ton coeur,
Aime la verite et pardonne ä l’erreur.
Ce mortel qui s’egare est un homme et ton fröre . . .
Sois sage pour toi seul, compatissant pour lui,
Fais tun bonheur enfin par le bonheur d’autrui.«
Den ganzen Inhalt der Marchand’schen Schrift hier wiederzu¬
geben, würde zu weit führen, allein einige wichtige Stellen aus
derselben, die sowohl Marchand’s Charakter, als seine durchgebildeten
Ansichten über Kunst und Leben am klarsten kennzeichnen, sollen
doch Erwähnung finden. Vorausgeschickt werde noch, dass die Bro¬
schüre in einem ganz anderen Ton gehalten ist, wie Nessel rode ’s
Schmähschrift, dass sie zwar an scharfen, geistvollen Entgegnungen
keinen Mangel leidet, aber ebenso wenig der objektiven leidenschafts¬
losen Ruhe entbehrt, welche denselben erst ihre volle Bedeutung zu
verschaffen vermag. Von ehrenrührigen Anspielungen, von zwei¬
deutigen Zusätzen ist hier keine Rede, man merkt, es handelt sich
nur um eine offene, ernste und ehrliche Abwehr böswilliger Ver-
läumdungen, welche ohne Visir oder Maske gewagt wird.
»Es ist eine längst gewöhnliche Sache«, schreibt Marchand, »Ab¬
handlungen über Schauspielergesellschaften zu lesen, und dies muss
sich ein jeder Schauspieler gefallen lassen. Er ist hierin mit dem
Schriftsteller im nämlichen Falle , er tritt öffentlich auf, und der
Zuschauer, oder der Leser erkauft sich für sein Geld Sitz und Stimme
in der Versammlung der Richter. Allein der Schriftsteller will blos
in dem Gesichtspunkt als Schriftsteller und der Schauspieler als
Schauspieler betrachtet werden, keiner von beiden aber als Privat¬
person. Man muss die in ihm verbundnen Personen wohl unter¬
scheiden, die, die er ist und die, welche er spielt. Wie unglücklich
wäre ein Schauspieler, wenn jeder Zuschauer bei Vermischung dieser
verschiedenen Begriffe Richter über seine häuslichen Angelegenheiten,
Gesellschafts - Einrichtungen , kurz über Alles das, was ausser der
Bühne vorgehet, sein sollte! — Nein, mit dem gefallenen Vorhang
fallen diese Fesseln ab.«
Nach diesem vielleicht auch noch für manchen Kritiker unserer
Zeit beherzigenswerthen Winke erklärt Marchand, dass er den Vor-
334
wnrf, seine Gesellschaft gehöre nur zu den mittelmässigen Deutsch¬
lands, ebensowenig einer richtigen Beurtheilung unterziehen könne
wie eine Person ihr eignes Portrait. Da Niemand Richter und Partei
in einer Person zu sein vermag, unterlässt er es auch auf den Ab¬
fall von Lob einzugehen, welches der vermummte Kritiker, jedenfalls
um andere Schimpfereien desto glaubhafter scheinen zu lassen, einigen
seiner Singspiele und Operetten zu Theil werden liess und sagt
sodann wörtlich:
»Ich erscheine als Yertheidiger meiner Ehre, nicht als Kunst¬
lichter. Nur zum Ende derselbigen kommt die Ursache, warum Sie
die Schilderung der moralischen Charaktere meiner Gesellschaft über¬
nommen haben. — Hier lassen Sie mich ein wenig verweilen.
Sie fordern, dass ein guter Schauspieler auch ausser der Bühne, so
wie ein guter Prediger auch ausser der Kanzel, ein rechtschaffner
Mann sein müsse. Eine unläugbare Wahrheit! Sie sind Mitglieder
eines Staates, sie sind Menschen, welche kein Beruf, er mag so er¬
haben oder gering geschätzt sein als er will, von ihren natürlichen
Pflichten befreiet. Ihr Beispiel wird den Eindruck ihrer Lehren ver¬
stärken.
Ich hoffe dieses Beispiel meiner Gesellschaft jederzeit gegeben
und auf die Nachahmung desselbigen mit wachsamem Eifer gedrungen
zu haben. Stellen Sie mir einen Ort vor, wo ich jemals die Bühne
betreten habe, der mir nicht von freien Stücken dieses Zeugniss er-
theilen wird. Noch mehr. Mein Stolz geht hierin so weit, dass er
Sie, Herr Kritikenschreiber! auffordert, mir eine Schauspieler-Gesell¬
schaft zum Muster vorzulegen, von welcher ich, was Ordnung, Sitten
und Wohlstand anbetrift, noch etwas lernen könnte! Hat vielleicht
eben diese Ordnung Sie zum Zorne gegen mich gereizt?...«
Marchand durfte kühn diesen Ausspruch thun ; denn er war
keine leere Ausrede, keine eitle Selbstverherrlichung. Ganz abgesehen
von der Auszeichnung, welche ihm der Rath durch die immer wieder
gewährte Erlaubniss zu Theil werden liess, sagen auch alle Schau¬
spieldirektoren, welche sich am Anfang der achtziger Jahre um die
Erlaubniss zum Spielen bewarben, stets in ihren Bittgesuchen, dass
sie sich wie Marchand in Frankfurt aufführen, wie er, ihre Gesell¬
schaft nach den Regeln der Tugend und Ordnung leiten wollen. In
seinem verletzten Eigendünkel rächte sich also Nesselrode in der
That auf die unedelste Weise. Wie hier, so wurde er auch an einer
anderen Stelle seiner Schmähschrift, wo er von dem gemeinen Her¬
kommen und dem früheren leichtsinnigen Wandel einiger Mitglieder
der kurpfälzischen Truppe spricht, von Marchand ebenso schlagend
als geistreich widerlegt.
»Warum,» fragt er, »sollte der Sohn des Handwerkers, das aus
dem niedrigsten Pöbel gezogene Kind, edler Handlungen unfähig
und zur Bühne untauglich sein? Lekain, der erste tragische und
335
Preville, der erste komische Schauspieler auf dem Pariser Theater,
was waren die zuvor? Jener war ein Goldarbeiter, und dieser —
es ist mir leid für Sie, Herr Briefsteller! es wird Ihnen freilich
wehe tliun, aber die Wahrheit sagt: er war — was Sie gerade am
wenigsten leiden können — ein Friseur! — Bindet sich die Stärke
des Geistes, bindet sich die Grösse der Seele, bindet sich die Güte
des Herzens an die Rangordnungen, die das Glück den Sterblichen
ertheilet, noch ehe ihre Fähigkeiten entwickelt sind ? — gewiss nicht.
Haben Ausschweifungen, haben Mangel an Brod manchen zum
Schauspieler gemacht, ist es deswegen unmöglich, dass er in diesem
Stand das Fach für sein Talent und die Mittel zur Verbesserung
seiner Sitten finde? oder sprechen Sie ihm solches vielleicht aus der
Parallele ab, weil mancher, den Müssigang und die Liederlichkeit
zum Schauspiel-Dichter gemacht haben, weder Talent noch Sitten¬
besserung gezeigt hat?«
Auf diese Frage, welche den villeicht moralisch nicht tadellosen
Dichterling keineswegs angenehm berührt haben mochte, spricht sich
Marchand nach der entschieden aufgestellten Behauptung, dass das
Ansehen der Schauspieler bei Gebildeten jetzt bedeutend gestiegen
sei, ausführlich über die hässliche Art und Weise aus, in welcher
die ganze Schmähschrift abgefasst sei. »Eine solche beleidigende
Sprache, die in jedem Zug Hass und Groll zum Ausdruck bringt,
kann nimmer den Glauben eines wahren Menschenkenners gewinnen.«
»Ein patriotischer Weltbürger,« fügt Marchand hinzu, »der aus
verehrungswürdigem Eifer und mit quäkerischer Begeisterung sich
für berufen hält, seinen Mitbürgern Strafpredigten zu halten, verfährt
ganz anders. Er sucht sie zu bessern ohne der ganzen Welt zuzu¬
rufen : Sehet hier diesen bessere ich ! Gesetzt auch, er mache öffent¬
liche Vorwürfe; so würzet er sie gewiss nicht mit giftigem Witze
oder gar mit pöpelhaften Schimpfwörtern. Dies ist die Stimme der
Redlichkeit nicht; es ist der verdumpfte Ton, der aus einer Maske fährt.«
Das Urtheil Nesselrode’s über seine Fehler als Schauspieler über¬
geht Marchand mit Stillschweigen; doch gestellt er, dass es ihm lie¬
ber sei, von ihm »der grösste und berühmteste Weiner aller Bühnen
Deutschlands« als der unverschämteste Lacher genannt zu werden.
Nachdem sich Marchand gegen den Vorwurf vertheidigt, dass er das
schlechteste französische Stück dem besten deutschen Werk vorziehe,
beklagt er sich über die Stösse elender Scharteken, welche ihm zur
Qual von einem Haufen zudringlicher Schauspiel-Dichter theils zu¬
geschickt, theils auch überbracht würden.
»Führe ich solches Zeug auf«, erklärt Marchand, »so leidet meine
Ehre sowohl als mein Vortheil darunter: führe ich sie nicht auf, dann
ist die Rache wider mich los. Ich bin jetzt in dem nämlichen Falle,
welchen ich bei dieser Gelegenheit erwähnen muss. — Sie kennen,
mein Herr! den Herrn von Nesselrode und ich auch. Dieser ist
336
wider mich aufgebracht, dass ich seinen »Ahnenstolz« nicht aufgeführet
habe. Warum drängt er denn einer so schlechten Gesellschaft sein
Stück auf und ist böse, dass sie es nicht spielt? Welch ein Wider¬
spruch! — Ist seine »Grossmuth und Tugend« zu Wien aufgeführt
worden : macht dieses einen Beweis von der Güte des Stückes aus ?«
So gross auch Marchand’s Achtung vor der Wiener Schaubühne
ist, so glaubt er doch nicht, dass dieselbe das Becht beanspruche,
die durch sie zur Aufführung gebrachten Stücke gleichsam mit dem
Beweis der Güte zu stempeln. Als Beleg hierfür nennt er die
jämmerlichen Machwerke »Eva Kathel« und »Schnudi«, deren Inhalt
auch nicht im entferntesten mit den auf der Bühne im Junghof zur
Darstellung gekommenen und von Nesselrode scharf getadelten Lust¬
spielen »Die Berliner Landkutsche« und »Herzog Michel« zu ver¬
gleichen war. Dann gibt er dem Kritikschreiber zu bedenken, dass
die berühmten Schauspieler Eckhof und Koch es nicht unter ihrer
Würde gehalten hätten, die Bolle des Herzogs Michel zu spielen und
fährt fort:
»Wenn doch der Herr von Nesselrode nur eine gewisse Ge¬
schichte des Theaters gelernt hätte, so würde er sich manche Be¬
schämung ersparen. »Die Berliner Landkutsche« ist die Uebersetzung
des Stückes »La carosse d’Orleans«, davon der grosse Bacine der
Verfasser ist. Wer kennt nicht im Herzog Michel die Züge eines
Geliert und Krüger? Kommt also, Bacine, Geliert und Krüger, und
demüthiget euch unter die gewaltige Hand des Herrn von Nesselrode,
damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.«
Nachdem er einige dreiste Angriffe auf seine Ehre scharf
zurückgewiesen hat, gedenkt Marchand seines von Nesselrode in der
ehrenrührigsten Weise ausgebe uteten Bechtsstreites mit dem späteren
Intendanten des Münchener Hoftheaters, Grafen von Seau, der übri¬
gens ein Jahr später zu seinen Gunsten entschieden wurde, folgender-
massen :
»Ich habe, heisst es, den Grafen von Seau in Bayern betrogen
und angeführt. Es ist bekannt, dass ich mit diesem Herrn in einem
Bechtshandel stehe. Seine Excellenz der Herr Graf von Seau sind
es allein, mit welchen ich zu thun habe; dieselben sind den geraden
Weg der Bechte gegangen, aber der Herr Briefsteller, den die ganze
Sache gar nicht angehet, macht einen kürzeren, obgleich krümmeren
Weg und suchet das Becht durch Schimpfen zu behaupten. Ich
bin versichert, dass Seine Excellenz der Herr Graf von Seau selbst
darüber ungehalten sein werden, dass dero Name auf eine pöpelhafte
Art in eine schändliche Pasquille eingeflochten worden ist.«
Durch einfache Thatsachen widerlegt hierauf Marchand die
lächerlichen Verläumdungen, dass er nicht mehr kurpfälzischer Hof¬
schauspieler sei und dass er seine Schauspieler undankbar und
schlecht behandle. »Nur unruhige Köpfe, deren Aufführung und
Gesinnungen fähig sind, eine gesittete Gesellschaft anzustecken« oder ihr
bürgerliches Ansehen herabzusetzen, haben von ihm stets einer
strengen und kurzen Behandlung gewärtig sein müssen.
Als er dann noch zu seiner Rechtfertigung erwähnt hat, es sei
ein schon oft bethätigter Grundsatz von ihm, keines seiner Mit¬
glieder im Falle von Leistungsunfähigkeit darben oder in Noth ge-
ratlien zu lassen, endigt er seine Entgegnung mit folgendem
Schlusswort :
»Sie drohen mit einer zweiten Kritik, die noch deutlicher
sprechen und empfindlicher sein soll. Finden Sie einen Kitzel in
Sich, Ihre Blosse noch mehr aufzudecken ? Thun Sie es, wehren
kann ich es Ihnen nicht. Was ich gesagt habe, das musste ich
Ihnen, besonders aber dem Publico, sagen. Dieses weiss jetzt, was
es von mir wissen soll. Zu ferneren Schmierereien bin ich weder
aufgelegt, noch müssig genug. Sie haben hierinn einen Vorzug vor
mir. Gemessen Sie ihn in aller Ruhe, und leben Sie wohl !
Frankfurt, den 9. Mai 1774.
Marchand.«
Kesselrode, der gewiss nicht an ein Entlarven, aber am aller¬
wenigsten an eine solche öffentliche Zurechtweisung gedacht hatte,
unterliess die in Aussicht gestellte zweite Schmähschrift. Er hatte
sich durch sein Auftreten gegen Marchand derartig in der öffent¬
lichen Meinung geschadet, dass er Frankfurt auf einige Zeit ver¬
lassen musste. Marchand hingegen fand nach wie vor hier freund¬
liche Aufnahme ; durch Nesselrode’s Schmähschrift hatte ebensowenig
sein Ansehen wie der Besuch seines Theaters gelitten, dessen Räume
allabendlich bis auf den letzten Platz besetzt waren.
Kurz nach seinem Streit mit Marchand wandte sich Nesselrode
dem epischen Gebiet und zwar der durch Goethe’s »Werther« her¬
vorgerufenen Gattung des sentimentalen Romans zu. Er schrieb
»Die Leiden der jungen Fanny, eine Geschichte in Briefen«, welche
von seinen hiesigen Verehrern ihrem Goethe’schen Vorbilde voll¬
ständig gleichgestellt wurden.
Bei Gelegenheit einer Besprechung dieses Romans in dem
»Journal von und für Deutschland« vom Jahre 1785 tritt aber ein
geistvoller Kritiker dieser unverdienten Gleichstellung mit grosser
Entschiedenheit entgegen. Er nennt Nesselrode mit anderen Worten
einen unglücklichen Nachahmer und schliesst seine Besprechung über
»Die Leiden der jungen Fanny« mit den Worten: »Die Schilderung
selbst aber, oder die Art zu schildern, da bewahren mich aber auch
alle neun Musen davor, dass ich Goethe und Nesselrode in eine
Parallele setzen sollte.«
Dass Marchand Grund genug hatte, die schlechten Machwerke
Nesselrode’s durch eine energische Abweisung von seiner Bühne
fernzuhalten, möchte diese Beurtheilung seines Romans aufs Neue
338
bestätigen. Aber wenn er auch aus dem Streit mit einer gesellschaft¬
lich viel höher als er selbst stehenden Persönlichkeit siegreich her¬
vorgegangen war : Marchand hatte sich unter den Anhängern Nessel -
rode’s durch seine Entschiedenheit doch einige Feinde geschaffen,
deren Vorhaben es gewesen sein muss, ihn bei jeder Gelegenheit
dafür büssen zu lassen.
So wurde Anfangs August 1775, als Marchand unter verschie¬
denen anderen Bittstellern den Rath um die Erlaubniss für die bei¬
den Messen des folgenden Jahres anging, nicht allein hier, sondern
auch in Mainz und in Mannheim das Gerücht verbreitet, der Direk¬
tor der Kurpfälzischen Truppe sei am Ende des vorigen Monats in
Cöln gestorben. Hiervon ist jedenfalls Marchand durch seine Freunde
in Kenntniss gesetzt worden, denn er scheint den Sergeant Sprenckel,
welcher ihm hier die Ausgabe der Abonnements und verschiedene
sonstige Angelegenheiten besorgte, zu folgender, am 8. August 1775
in den Frag- und Anzeigungs-Nachrichten veröffentlichten Annonce
veranlasst zu haben:
Da Endes benannter sich genöthiget siehet, wegen der vielen
Nachfrage, den Tod des Herrn Marchand, Direktem’ einer deutschen
Schauspieler-Gesellschaft betreffend: diesem grundfalschen Gericht zu
wiedersprechen, welches in hiesiger Stadt und auch auswärts ohne
Zweifel von niederträchtigen Leuten unter das Publikum ausgestreuet
worden. Zuderne ein Brief vom 3. August datirt, welchen Unter¬
zeichneter von Herrn Marchand aus Cölln erhalten, besaget, dass
dieser seyn sollende Todte noch schreiben kan.
Sprenckel, Sergeant.493
Auch in der folgenden Ostermesse hatte Marchand viel durch
gegen ihn gesponnene Intriguen, besonders- aber dadurch zu leiden,
dass hie und da Bestellungen auf seinen Namen gemacht und
anderswo, wenn auch nur Kleinigkeiten, auf denselben geborgt wur¬
den. Da in jener Messe noch ein Entrepreneur Marchand sich hier
aufhielt, der ein kleines, in verschiedenen Kunstfertigkeiten geübtes
Männchen sehen liess, aber trotz der besten Geschäfte nicht pünkt¬
lich im Bezahlen war, sah sich der Direktor der Kurpfälzischen Hof¬
schauspieler genöthigt, am 22. April 1776 eine öffentliche Warnung
in den Frag- und Anzeigungs-Nachrichten zu erlassen.494
Am tiefsten wurde aber Marchand durch einen jedenfalls als
letzte Revanche von Nesselrode’s hiesigen Verehrern hervorgerufenen
Theaterskandal gekränkt, der leider schliesslich noch einen trüben
Schatten auf den ihm und seiner Gesellschaft sonst in jeder Be¬
ziehung lieb gewesenen Frankfurter Aufenthalt werfen sollte.
Für die Abschiedsvorstellung in der Ostermesse 1777 hatte
Marchand zu Ehren des Rathes den »Grafen von Walltron«' von
Möller und ein Vorspiel angezeigt, welches er »Die dankbare Schau¬
spielkunst« betitelte. In dem erstgenannten Stück sollte die Frau
339
des Direktors wieder als Gräfin Walltron auftreten, welche Rolle sie
schon mehrmals unter dem grössten Beifall des hiesigen Publikums
gespielt hatte.
Madame Marchand wurde aber plötzlich so unwohl, dass die
angekündigte Vorstellung nicht aufgeführt werden konnte. Der Direk¬
tor setzte deshalb für den »Grafen von Walltron« sofort ein anderes
Stück an und meldete am Eingang zum Schauspielhaus »auf grossen
Blättern«, dass wegen des plötzlichen Unwohlseins seiner Gattin
nothgedrungen diese heutige Veränderung im Repertoire vorgenom¬
men werden müsse.
Dessenungeachtet wurde das Theater, wahrscheinlich wegen des
Festspiels zu Ehren des Ratlies, sehr stark besucht und das von
Marchand verfasste Stückchen selbst mit dein grössten Beifall auf-
genoiumen. Als sich aber nach Beendigung desselben der Vorhang
wieder erhob und ein Schauspieler mit der Erklärung vor die Rampe
trat, dass Madame Marchand inzwischen nicht wohler geworden sei
und unter keinen Umständen auftreten könne, begann eine Anzahl
junger Herren derartig zu klopfen, zu zischen und zu pfeifen, dass
der Schauspieler mitten in seiner Erklärung innezuhalten sich ge-
nöthigt sah. Das Lärmen und Pfeifen steigerte sich mit jedem Augen¬
blick und hörte dann noch nicht auf, als selbst die vollständig heisere
Madame Marchand an der Hand ihres Gatten erschien und durch
»vielsagende Gesten« zum Stillesein aufforderte.
Es währte sehr lange, ehe die Ruhe mit Hülfe der Polizei wie¬
der hergestellt und das Ersatzstück gegeben werden konnte. Das un¬
gebührliche Betragen der jungen Herren blieb jedoch nicht ungerügt.
Einige Tage später wurden die meistens sehr angesehenen Frank¬
furter Familien angehörigen Urheber vom Rathe vorgeladen und von
dem jüngeren Bürgermeister Jacob Heinrich Rühle von Lilienstern
wegen des im Komödiensaale angestifteten Tumultes vernommen. In
diesem Verhör benahmen sich die Vorgeladenen ebenso kühn und
herausfordernd, wie einige Tage früher im Marclmnd’schen Theater.
Sie erklärten in den kecksten Antworten ihr Betragen für durchaus
gerechtfertigt und wussten auf alle mögliche Weise den unangeneh¬
men Auftritt zu ihren Gunsten darzustellen. Der Rath war jedoch
vollständig anderer Ansicht. In Folge eines Beschlusses vom 3. Mai
1777 wurde den Herren trotz ihrer vornehmen Herkunft das obrig¬
keitliche Missfallen mit der Ermahnung zu erkennen gegeben, dass
sie sich in Zukunft viel gesitteter betragen sollten.
Dem scheidenden Marchand und seiner Gattin bereitete diese
in höchst brutaler Art in Scene gesetzte Kabale eine tiefe Kränkung.
Er verzichtete jedenfalls mit in Folge dieses Auftritts auf die
ihm bereits für die Herbstmesse 1777 ertheilte Spiel erlaubniss und
kam sogar beim Rath um Uebertragung dieser Vergünstigung an
22*
340
seinen Nachfolger Abel Seyler, den Direktor der Kurcölnischen Hof¬
schauspieler, ein.
Als Marchand Frankfurt verliess, ging er bald darauf mit seiner
Truppe einer neuen grossen Kunstaufgabe entgegen. Der Kurfürst
Karl Theodor von der Pfalz, den er schon früher zu dem Entschluss
angeregt hatte, in Mannheim ein Nationaltheater nach dem Wiener
Vorbilde Joseph’s II. zu errichten, war inzwischen auch Herr
von Bayern geworden und nahm ihn als Direktor seiner Hofbühne
mit nach München.
Hatte Schuch das Projekt zur Erbauung eines städtischen
Schauspielhauses zuerst in Anregung gebracht, hatte Vater Bernar-
don demselben einen neuen Anstoss gegeben, so war Marchand durch
seinen siebenjährigen Aufenthalt in Frankfurt, durch seine tadellose
geschäftliche und moralische Führung dazu berufen, der endlichen
Ausführung eines beinahe dreissig Jahre alten Planes die letzten
Steine des Anstosses aus dem Wege zu räumen.
Was Marchand durch die besondere Pflege der anmuthigen
französischen Singspiele und der allgemein beliebten Handwerksopern
für die Entwicklung der Schauspielkunst in Frankfurt gethan, ist
deshalb nicht hoch genug anzuschlagen. Als er das Feld vorbereitet
und zur Verfeinerung des Geschmacks sein Möglichstes beigetragen
hatte, konnte auch hier eine ernstere und tiefere Richtung Raum ge¬
winnen, konnte das W ort Schiller’s auch auf der Frankfurter Bühne
seine Bewahrheitung finden:
Einheim’scher Kunst ist dieser Schauplatz eigen,
Hier wird nicht fremden Götzen mehr gedient;
Wir können muthig einen Lorbeer zeigen,
Der auf dem deutschen Pindus selbst gegrünt.
Selbst in der Künste Heiligthum zu steigen,
Hat sich der deutsche Genius erkühnt,
Und auf der Spur des Griechen und des Britten
Ist er dem bessern Ruhme nachgeschritten.
Die Seyler’sclie Gesellschaft und die ersten
Frankfurter Theaterkritiken.
i.
Der bedeutende geistige Einfluss, den der junge Goethe während
seines zeitweisen Aufenthaltes in der ersten Hälfte der siebziger Jahre
hier in Frankfurt auf einige gesellige Kreise ausübte, ist einer der
hauptsächlichsten Hebel gewesen, mit dessen Hülfe man allmählich
den Bann des fremdländischen Zaubers brechen und der deutschen
dramatischen Poesie auch auf der Frankfurter Schaubühne ihren ge¬
bührenden Ehrenplatz anweisen konnte.
Wie schon früher erwähnt, waren bereits am Anfang des
Jahres 1773 aus dem hiesigen Freundeskreise Goethe’s einige Stim¬
men laut geworden, welche von Marchand höhere Bestrebungen und
vor allem die Pflege der deutschen dramatischen Literatur verlangten.
So wohlgemeint und in gewisser Beziehung gerechtfertigt diese
Wünsche auch erschienen, so muss man es heute doch als einen
glücklichen Umstand betrachten, dass Marchand dieselben überhörte
und seinem künstlerischen Standpunkt nicht um Haaresbreite untreu
wurde. Ein Befolgen jener Mahnrufe wäre damals eine thörichte
Uebereilung gewesen; denn das Verständniss des Frankfurter Publi¬
kums war noch lange nicht so weit gediehen, dass höhere und
idealere dramatische Bestrebungen hier die nöthige Unterstützung ge¬
funden hätten.
Mit Marchand’s Scheiden war die Zeit des Uebergaugs vorbei;
das hiesige Theater rückte von einer Anstalt für angenehme Unter¬
haltung zur geistigen Bildungsstätte empor und Lessing’s und Goethe’s
dramatische Werke führten ihm auch in Frankfurt am Ende der
siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts immer mehr das Interesse
der Gebildeten zu. Stand Marchand in dem Morgenroth einer für
die Frankfurter Theatergeschichte neuen Zeit, so fielen auf seinen
Nachfolger Abel Seyler schon die ersten Strahlen der Sonne, welche
über der literarischen Welt Deutschlands und auch über der hie¬
sigen Bühne endlich aufgegangen war. Ihm wurde die Aufgabe,
den von Marchand wachgerufenen edleren Geschmack des Frank¬
furter Publikums auf die neuesten Erzeugnisse der deutschen Lite-
342
ratur hinüberzuleiten und, wenn auch unter grossen Opfern und
Enttäuschungen , in Frankfurt der eigentliche Begründer der neuen
Aera der Schauspielkunst zu werden.
Im Januar 1777 kam der für seinen Direktor Seyler ver¬
schiedene Angelegenheiten in Mainz ordnende Schauspieler Gross¬
mann von dort aus beim Rat he Frankfurts um Zulassung der Sey-
ler’schen Gesellschaft für die nächste Ostermesse ein.495 Er berich¬
tete in seinem Schreiben, dass dieselbe in Leipzig und Dresden mit
dem grössten Beifall gespielt habe und auch in Frankfurt nicht zu¬
rückstehen würde, da sie nicht allein ein viel grösseres Personal
besässe als die nicht minder lobenswerthe Truppe des Herrn Mar-
chand, sondern auch im Stande sei, ausser kleinen Operetten die
besten Trauer-, Schau- und Lustspiele sowie grosse Singestücke mit
Hülfe der feinsten Dekorationen, grosser Maschinen und schneller
Veränderungen des Theaters aufs Beste darstellen zu können. Gross-
mann hob auch die tadellose moralische Haltung der Truppe hervor,
erwähnte, dass er auch in Mainz für seinen Direktor die Erlaubniss
zum Spielen erwirkt habe und wies schliesslich auf ein bereits ein¬
gereichtes Gutachten über die Leistungen der Seyler’schen Gesell¬
schaft von dem Vicedom Baron von Ritter in Mainz und auf ein
Empfehlungsschreiben eines geheimen Raths von Bentzel hin, welche
beiden einflussreichen Herren sich auch noch zu persönlicher Für¬
sprache bereit erklärt hatten.
Trotz dieser wichtigen Unterstützung erhielt aber Grossmann,
jedenfalls Marchand’s wegen, keinen günstigen Bescheid.496 Auch
spätere Empfehlungsschreiben der beiden genannten Herren blieben
anfangs erfolglos, bewirkten aber schliesslich doch, dass die Seyler’-
sclie Gesellschaft gleich nach Marchand’s Abgang am Schluss der
Ostermesse 1777 auf ihrer Durchreise von Leipzig nach Mainz im
Bienenenthafschen Saale einen Cyklus von achtzehn Vorstellungen
eröffnen durfte.
Der besonders durch Marchand’s langjährige Kunstthätigkeit in
Frankfurt aufgekommene Gebrauch, die Fortsetzung der theatralischen
Vorstellungen noch mehrere Wochen nach dem Schluss der Messen
und auch ausserhalb dieser Zeit zu gestatten, war eines der sichersten
Anzeichen, dass das Theater in Frankfurt nicht mehr zu den soge¬
nannten »Messvergnügungen« gehörte, dass es mittlerweile immer
mehr ein Gegenstand des allgemeinsten Interesses, und deshalb die
Errichtung einer ständigen Bühne zum unabweislichen Bedürfnis
geworden war.
Die Seyler’sche Gesellschaft, welche nun Eingang in Frankfurt
fand, war unstreitig die bedeutendste deutsche Wandertruppe in jener
Zeit. Der Direktor Abel Seyler, ehemaliger Hamburger Kaufmann
und einer der drei Mitbegründer des gescheiterten Hamburger Na¬
tionaltheaters, bcsass zwar kein so hervorragendes allseitiges Direk-
343
tionstalent wie Theobald Märchand, aber auch er war ein Mann von
dnrehbildetem Geschmack, sicherem Urtheil und von jener muthigen
Entschiedenheit, welche er für die Durchführung seiner schweren
Aufgabe unumgänglich bedurfte.
Madame Sevler, die geschiedene Gattin des Komikers Hensel,
deren Kabalen ungefähr zehn Jahre früher dem grossen Lessing so
traurige Enttäuschungen bereitet hatten, war im Fache der Heroinen
gewiss die bedeutendste Darstellerin ihrer Zeit. Seitdem sie als sehr
junge Künstlerin Mitglied der Ackermann’schen Gesellschaft gewesen
war, hatte sich ihr Spiel noch derartig vervollkommnet, dass Lessing
im zwanzigsten Stück der Hamburgisehen Dramaturgie bei Gelegen¬
heit einer Beurtheilung der »Genie« über die damals noch nicht von
ihrem ersten Gatten geschiedene Künstlerin schreiben konnte: »Cenie
ist Madame Hensel. Kein Wort fällt aus ihrem Munde auf die Erde.
Was sie sagt, hat sie nicht gelernt; es kömmt aus ihrem eignen
Kopf, aus ihrem eignen Herzen. Sie mag sprechen, oder sie mag
nicht sprechen, ihr Spiel geht ununterbrochen fort. Ich wüsste nur
einen einzigen Fehler; aber es ist ein sehr seltener Fehler; ein sehr
beneidens würdiger Fehler. Die Aktrice ist für die Rolle zu gross.
Midi dünkt einen Riesen zu sehen, der mit dem Gewehr eines
Cadets exercirt. Ich möchte nicht alles machen, was ich vortrefflich
machen könnte.«
Diese höchst ehrenvolle, aber auf die feinste Art ihre Rollen¬
sucht tadelnde Beurtheilung versetzte die damals mächtige Madame
Hensel in solchen Zorn, dass sie Lessing die Freundschaft auf kün¬
digte und es durch ihre Intriguen soweit brachte, dass derselbe die
Kritik über die Schauspieler des Nationaltheaters gänzlich aufgab und
sich nur auf die Besprechung der aufgeführten Stücke beschränkte.
So wenig aber auch ihr Verhalten Lessing gegenüber zu rüh¬
men ist, als Darstellerin wird ihr künstlerischer Ruf stets unbestritten
bleiben. Am glücklichsten war Madame Seyler in solchen Rollen,
welche geistiges Durchdringen, eine gewisse majestätische Würde und
einen hohen edlen Styl der Darstellung verlangen. Ihre Merope,
Medea, Cleopatra, Lady Macbeth, Orsina und ihre Königin Anna in
Richard III. sollen unübertreffliche Leistungen gewesen sein. Auch
als Schriftstellerin erwarb sich Madame Seyler einen geachteten Namen.
Sie schrieb ein Lustspiel »Die Entführung oder die zärtliche Mutter«,
übersetzte das Schauspiel »Melau ide« aus dem Französischen und be¬
arbeitete nach Wieland’s »Oberon« ein Singspiel »Hüon und Amande«,
welches später den Titel »Oberon, König der Elfen« erhielt.
Als die Gesellschaft ihres zweiten Gatten im Mai 1777 nach
Frankfurt kam, stand Madame Seyler gerade im Zenith ihres Ruhmes.
Sie hatte in den grössten deutschen Städten, selbst in Wien, das ver¬
wöhnte Publikum zur Bewunderung hingerissen und wurde mit um
so grösserer Spannung in Frankfurt erwartet, als es hier noch viele
344
Theaterliebhaber gab, welche sie beinahe zwanzig Jahre früher auf
der Ackermann 'sehen Bühne als Miss Sarah Sampson bewundert und
ihr stets eine grosse Verehrung bewahrt hatten.
Neben der Gattin des Direktors war die Seyler’sche Gesell¬
schaft auch während ihrer späteren mehrjährigen messent.lichen Thä-
tigkeit in Frankfurt noch reich an hervorragenden Talenten. Von
den weiblichen Mitgliedern muss hier zuerst die sehr jugendliche
Madame Fiala genannt werden, deren anmuthige Erscheinung ein
sympathisches und von edler Auffassung zeugendes Spiel aufs vor-
theilhafteste unterstützte. Sie gefiel besonders als Emilia Galotti, als
Ophelia in »Hamlet«, als Julia in »Romeo und Julia«, als Marianne in
der Gotter’schen »Ariadne« und als Rosswina in »Hanno, Fürst im
Norden«, in welcher letzteren Rolle ihr vielseitiges Talent am meisten
zur Geltung gekommen sein soll.
Eine gute Sängerin jugendlicher Partieen war Demoiselle Zink,
die in Frankfurt als Alceste ihre ersten künstlerischen Erfolge errang.
Ein Kritiker sagt über ihre Darstellung dieser Rolle : »Sie hat von
der Natur alles erhalten, was ich in Alcesten mir versprach; ein
hübscher Wuchs, ein majestätischer Gang, eine sanfte liebevolle Miene
kleidete sie als Königin und Admets Gattin sehr gut. Mit dem
nöthigen Feuer verbindet sie ein richtiges Gefühl, deklamirt und
singt recht gut, doch scheint mir ihre Hauptstärke im Adagio zu
stecken und das ist meines Erachtens sehr viel.«497
Ausser dieser jungen Künstlerin sang auch die früher zur Mar-
chand’schen Truppe gehörende Madame Hellmuth die jüngere jugend¬
liche dramatische Partieen. Der auch ihre ebengenannte Kollegin
beurtheilende Kritiker kann ihre wohlgeschulte silberhelle Stimme
nicht genug rühmen. »Madame Hellmuth«, sagt er von ihr, »übertrifft
als Parthenia (in der Alceste) alles, was man sich von ihr vorstellen
kann. Eine so reine, so volle Intonation ist fast mehr als Menschen¬
stimme hervorbringen kann. In Höhen wohin ihr nur eine Danzy
nachzufliegen sich wagt, zaubert sie uns mit ihrem wirbelnden Sing¬
sang in schmelzendes Entzücken hin und steigt gleich darauf, eben
wo wir fürchten sie ganz aus dem Gesichte zu verlieren, wieder zu
uns in die Tiefe hinab, um durch neue, ganz unerwartete Modula¬
tionen uns zum zweytenmal zur Bewunderung hinzureissen.«498
Dieses in etwas schwülstiger Weise zum Ausdruck gebrachte
Urtheil war aber keineswegs übertrieben. Madame Josepha Hellmuth,
welche auch oft als Koncertsängerin in Frankfurt auftrat, besass eine
Stimme, welche alle Musikkenner entzückte und ihr in Frankfurt
einen grossen Kreis von Verehrern verschaffte. Audi hier rühmten
die öffentlichen Kritiken den staunenswerthen Umfang ihres Organs,
ihren korrekten Vortrag und besonders die weise Vorsicht, welche
sie jeden Ton im Geiste des Komponisten vortragen und mit ihren
grossen Stimmmitteln nur an der rechten Stelle freigebig sein liess.
345
Erste dramatische Partieen sang vom Jahre 1778 an Madame Benda,
die Gattin des zweiten Kapellmeisters und ersten Geigers. Sie be-
sass ebenfalls eine umfangreiche sympathische Stimme und war haupt¬
sächlich in grösseren Opern an ihrem Platz.
Weniger gesanglich beanlagt als ihre obengenannte Schwägerin
war Madame Franziska Hellmuth, die ältere genannt, welche zwar
auch kleinere Partieen in Operetten sang, aber hauptsächlich im
Schauspiel als Darstellerin von Anstandsdamen Gutes leistete. Für
das Fach der naiven und kecken Rollen besass die Sevler’sche Ge¬
sellschaft mehrere Vertreterin neu : Madame Pöschel; Madame Borchers
[ehemalige Frank, geb. Spaz] und die noch in sehr jugendlichem
Alter stehende Demoiselle Kirchhöfer, welche mit einer noch einige
Jahre jüngeren Anna Courte Kinderrollen inne hatte. Beide spielten
sehr ergreifend die Kinder in der Gotter’schen Medea, und bildeten
sich unter der Leitung der Madame Seyler schon früh zu tüchtigen
Schauspielerinnen aus.
Mit der schönen Madame Fiala rivalisirte in gewissem Sinne
Madame Toskani, welche mit Vorliebe in sanften, zärtlichen und senti¬
mentalen Charakteren auftrat. Aber dieser Künstlerin erging es nach
dem Urtheil gebildeter Zeitgenossen wie mancher ihrer Kolleginnen
unsrer Tage; denn sie war über ihr eigentliches Talent vollständig
im Unklaren. Gerade sentimentale Rollen gelangen ihr am wenigsten,
sie machte stets Fiasko in denselben und leistete nur in der Dar¬
stellung von koketten, launigen und abenteuerlichen Charakteren
wirklich Gutes.
Die Frauen Grossmann, Dauer, Kirsch und Kirchhöfer, deren
Spiel weniger durch hervorragende Einzelleistungen als durch tüch¬
tiges Mitwirken im Ensemble nennenswerth ist, vertraten minder be¬
deutende und ältere Partieen und kamen in Hinsicht auf Talent und
Leistung nach den vor ihnen besprochenen Künstlerinnen erst in
zweiter Linie. Noch sind von den weiblichen Mitgliedern der Sey¬
ler 'sehen Gesellschaft die Tänzerinnen Demoiselle Meyerfeld und De¬
moiselle Verdun zu erwähnen, von denen besonders die erstere wegen
ihrer Grazie und Schönheit viele Bewunderer in Frankfurt hatte.
Von dem männlichen Personal der Truppe waren drei Schau¬
spieler, nämlich Grossmann, Schletter und Möller, zugleich dramatische
Autoren. Der Letztere schrieb das damals hochberühmte, heute gänz¬
lich vergessene Schauspiel: »Der Graf von Walltron oder die Sub¬
ordination«; während die beiden Ersterwähnten, besonders Grossmann,
sich als Verfasser von Lustspielen einen Namen machten. Ein Werk
Grossmann’s, das in Hamburg preisgekrönte Lustspiel »Henriette oder
sie ist schon verheirathet«, gehörte am Ende der siebziger und am
Anfang der achtziger Jahre zu den Lieblingsstücken des Frankfurter
Publikums.
Mit Ausnahme Grossmann’s leisteten die drei Genannten aber
346
besseres als Schauspieler denn als dramatische Dichter. Möller war
vorzüglich als Heldenvater und in älteren Charakterrollen, z. B. als
Christ vom Bembrock in seinem Stück »Der Graf von Walltron«;
Schietter zeigte seine Künstlerschaft am hauptsächlichsten in stark
chargirten Partieen. Als Schauspieler gehörte Grossmann gerade
nicht zu den Koryphäen, aber immerhin zu den besseren, wenn auch
nur ein kleines Feld beherrschenden Darstellern. Reichhardt, der
Herausgeber des Gothaischen Theaterkalenders, sagt von ihm: »Einen
Lord Trinker, einen Riccaut de la Marliniere und alle Cavalierrollen
spielte er mit aller diesen Geschöpfen eignen Etourderie und Imper-
tinence ; Marinelli aber ist sein höchster Triumph, den ihm keiner
nachmachen wird. Er spielt auch Juden, Zigeuner und französische
Bedienten vortreftl ich.« 4 9 9
Als Bühnendichter hatte Grossmann unbestrittene Verdienste
für die damalige Zeit. Seine Stücke fanden nächst den Bretzner’schen
und Schröder’schen Lustspielen den grössten Beifall; besonders rühm¬
ten die Theaterkenner die in denselben in launiger und witziger
Weise zum Ausdruck gebrachte Welt- und Menschenkenntniss. Von
seinen zahlreichen dramatischen Leistungen galten ausser dem oben
erwähnten Lustspiel »Nicht mehr als sechs Schüsseln«, Familienge-
mälde in fünf Aufzügen, »Der Barbier von Sevilla«, Lustspiel in fünf
Aufzügen (nach Beaumarchais), »Adelheid von Veltheim«, Schauspiel
mit Gesang und »Die Ehestandskandidaten«, Lustspiel in fünf Aufzügen,
für die besten.
Der genialste Darsteller der Seyler’schen Gesellschaft war aber
unstreitig David Borchers, welcher sein grosses Talent unter Anlei¬
tung Eckhofs ausgebildet hatte. Derselbe war ebenso bedeutend als
Charakter- wie als Helden- und Tyrannendarsteller und spielte mit
gleicher Gewandtheit gesetzte Liebhaber, Ca,valiers und Raisonneurs,
wie man damals das Fach der retlektirenden Charaktere zu nennen
ptlegte. Er lernte seine meisten Rollen sehr schlecht, aber merk¬
würdig war die Art und Weise, durch welche ihn sein Genie mit
Hülfe einer glücklichen Erfindungsgabe oft aus den peinlichsten Ver¬
legenheiten riss.
Borchers war der ächte Typus eines wilden Theatergenies. Auch
in Frankfurt trieb er sich nach den Vorstellungen nächtelang in den
Kneipen umher und huldigte der grenzenlosesten Spielwuth. Wegen
seiner ausgezeichneten gesellschaftlichen Talente und seines immer
sprudelnden Witzes wurde er aber trotz vieler tollen Streiche in die
beste Gesellschaft gezogen. In Frankfurt erwarb sich Borchers bald
ebensoviel persönliche Freunde als Verehrer seiner Kunst. Er ver-
heirathete sich am 10. Juni 1777 hierselbst mit der jungen schönen
Wittwe Karoline Nanette Frank, welche am 9. Juni zum ersten Male
als Rosaura in Goldoni’s »Verstelltem Kranken« auf der Seyler’schen
Bühne im Junghof auftrat.
347
Das gerade Gegentheil von Borchers war in gewissem Sinne
Herr Hellmuth der zweite oder jüngere, der, gleich seinem älteren
Bruder, für das Muster eines einfachen gewissenhaften Familienvaters
gelten konnte. Hellmuth, dessen volltönende schöne Baritonstimme
von dem bedeutendsten Darstellungstalent und einer imposanten Ge¬
stalt unterstützt wurde, gefiel in Frankfurt besonders als »Admed« T
in der Schweizerischen Oper »Alceste« und wirkte, gleich seiner Gattin,
oft in hiesigen Koncerten mit. Herr Hellmuth der ältere gab mei¬
stens Väter- und komische Charakterrollen und unterstützte den
Direktor Seyler bei der Leitung der Bühnengeschäfte. Er besass
nämlich ein ausgezeichnetes Direktions- und Anordnungstalent und
einen grossen Sinn für geschäftliche Ordnung, und half dem in
mancher Beziehung wenig gewandten und unpraktischen Seyler häufig
aus Verlegenheiten.
Der jüngste, aber nicht der geringste unter seinen Kollegen,
war Christian Wilhelm Opitz, welcher 19 Jahre alt, die Seyler’sche
Bühne in Leipzig zum ersten Male betreten hatte. Er war ein schöner
schlank gewachsener Jüngling, der für Liebhaber, Bonvivants und
jugendliche Helden wie geschaffen schien. Besass er auch keine so
tiefe künstlerische Innerlichkeit wie Borchers, so war er doch, wie
der Frankfurter Theaterkritiker Seyfried sagt, mit einer Grazie des
Geistes und Körpers begabt, welche diesen Mangel auf die liebens¬
würdigste Weise verdeckte.
Herr Fiala, der Gatte der gefeierten jugendlichen Liebhaberin,
gehörte nur bei ihrem ersten Aufenthalt in Frankfurt zu dem aus¬
erwählten Künstlercollegium der Seyler’schen Gesellschaft. Er war,
wie Borchers, im Leben ein wüster Geselle, besass jedoch nicht dessen
siegendes Talent. Fiala spielte mit einer gewissen Gewandtheit
zweite Liebhaber- und Charakterrollen, erfreute sich aber trotzdem
keiner grossen Beliebtheit, wohl hauptsächlich deshalb, weil allgemein
bekannt war, dass er seine junge reizende Frau oft auf das Rück¬
sichtsloseste behandelte.
Herr Pöschel und der Bassist Toskani wirkten besonders in
den Opern und Singspielen mit, der letztere rivalisirte hauptsächlich
mit dem ausgezeichneten Sänger und Komiker Günther, welcher
wahrscheinlich in Folge dessen 1777 (nach anderen 1778) die Sey¬
ler’sche Gesellschaft vor ihrer Abreise nach Frankfurt verliess und
in die Bondini’sche Gesellschaft in Leipzig eintrat.
Herr Hensel, der erste Gatte der Madame Seyler, mit welchem
dieselbe nach der 1773 erfolgten Scheidung wieder auf ganz freund¬
schaftlichem Fusse stand, war ganz vortrefflich als komischer Alter
und in Bedientenrollen. Obgleich er jedoch ausserordentlich auf die
Lachmuskeln zu wirken verstand, besass Hensel doch auch die glück¬
liche Gabe, Mass zu halten. Er übertrieb nie, und namentlich sein
Just in »Minna von Barnhelm« soll ein Meisterstück der Darstellung^-
348
kunst gewesen sein. Im Leben ein ernster, in sich gekehrter Bie¬
dermann, lagen auf der Bühne ernstere Charaktere ganz ausserhalb
der Sphäre seiner Leistungsfähigkeit. Auch Hensel gehörte — um
einen Ausspruch Ludwig Rellstah’s zu gebrauchen — zu jenen
Komikern, die auf dem Theater einen ganz anderen Menschen an-
ziehen und der ernsten, fast schwermüthigen Physiognomie ihres
Wesens eine heitere Maske aufdrücken.
In dem Singspiel und in der Oper wirkten ausser den Genann¬
ten die Tenoristen Dauer und Demmler, sowie der Bassist Müller
mit; als Schauspieler sind noch die Herren Kirchhöfer und Berner
namhaft zu machen, welche unbedeutendere Partieen inne hatten,
aber schon deshalb keine untergeordnete Stelle in dem Personal ein-
n ahmen, weil Seyler stets auf eine möglichst gute Besetzung selbst
der kleinsten Rolle bedacht war. Schliesslich ist noch der Ballet¬
meister und erste Tänzer Schulz, welcher besonders im Komponiren
von pantomimischen Scenen gross gewesen sein soll und ein Herr
Zuccarini zu erwähnen, welcher Letztere erst 1778 für den abgehen¬
den Fiala zur Seyler’schen Gesellschaft kam und, wie sein Vorgänger,
zweite Liebhaberrollen spielte.
Seyler, welcher, wenigstens in Frankfurt, nicht als Schauspieler
thätig war, legte als verständiger Regisseur den grössten Werth auf
ein gutes Zusammenspiel. Er brachte es in dieser Beziehung durch
anhaltenden Fleiss und feines Kunstverständniss auch so weit, dass
Frankfurter Bühnenkenner seine Vorstellungen der damals modernen
Trauer-, Schau- und Lustspiele in sich abgeschlossene, bis in die
kleinsten Theile vollendete Kunstwerke zu nennen pflegten. Auch
dem Beiwerk liess der feingebildete Direktor die grösste Beachtung
zu Theil werden. Die Dekorationen, Requisiten waren dem Inhalt
der Stücke entsprechend und unterstützten den Gesammteindruck
derselben auf das Vortheilhafteste. Alles, was die fortschreitende
Technik und Maschinerie an Hülfsmitteln darbot, wurde von Seyler
zur Vervollkommnung seines Theaters verwendet. Er hielt einen be¬
sonderen französischen Maschinenmeister und beschäftigte stets zwei
Dekorationsmaler, von welchen Appiani und Balthasar namhaft ge¬
macht werden können.
Ehe die Gesellschaft nach Frankfurt reiste, hatte ein junger
Leipziger, der ein Schüler Oeser’s gewesen sein soll, einen neuen
Vorhang für deren Bühne gemalt. Auf demselben war eine alle¬
gorische weibliche Figur dargestellt, die schützend ihre Rechte über
den von Musen und Genien umgebenen Altar der dramatischen
Kunst hielt. Oben am Vorhang in einem gemalten verschlungenen
Band stand mit. grossen Lettern das Motto: Ridendo castigat mores.500
Das grosse Ansehen, welches die Seyler’sche Gesellschaft bei
allen Kunstverständigen in Frankfurt genoss, war auch gewiss zum
Theil in der ausgezeichneten Zusammenstellung des Orchesters be-
349
gründet, in welchem verschiedene bedeutende deutsche Musiker mit¬
wirkten. Kapellmeister war Christian Gottlob Neefe, ein Schüler
Hiller’s und Komponist der an lieblichen Melodien reichen Operetten :
»Die Apotheke«, »Amors Guckkasten«, »Adelstan und Röschen«, »Hein¬
rich und Lyde«, »Die neuen Gutsherrn«, sowie der eingelegten Ge¬
sänge und Arien zu dem Grossmann’schen Stück »Adelheid von
Veltheim« und der Musik zu der von Möller verfassten Farce »Der
Zigeuner«.
Als erster und zweiter Geiger zeichneten sich oft in vortreff¬
lichem Solospiel während der Zwischenakte die beiden Söhne des
Kapellmeisters Georg Benda in Gotha (Komponist des Duodrama
»Ariadne auf Naxos«) aus. Besonders der ältere, Friedrich Ludwig
Benda, galt bei den Musikverständigen Frankfurts wegen seines zum
Herzen dringenden Vortrags für ein ungewöhnliches Talent. Er
komponirte späterhin auch die Operetten »Der Barbier von Sevilla«,
»Die Verlobung« und »Luuise und Mariechen«, welche heute freilich
zu den völlig vergessenen Stücken jener Kunstepoche gehören.
Ripienist bei der zweiten Geige war ein Sohn des Koncert-
meisters Hattasch aus Gotha, Fagottist ein Herr Pfeiffer, der seinem
Meister, dem berühmten Reinert in München, viel Ehre gemacht
haben soll. Hervorragende Mitglieder des Seyler’schen Orchesters
waren ausser den Genannten noch der geschickte Flötist Meyer, die
Oboisten Gebrüder Kiittel aus Mainz, der Cornist Schmidt, ebenfalls
aus dieser Stadt gebürtig, ein Schüler des berühmten Ponto, und
der noch sehr junge Violoncellist Busck, der damals freilich noch
kein vollendeter Künstler war, aber bereits Vortreffliches leistete.
Die Stelle eines Theaterdichters und Sekretärs bekleidete seit 1770
der in Frankfurt geborene Friedrich Maximilian Klinger. Dieser
dichtete für die Seyler’sche Gesellschaft sein wunderliches Drama
»Sturm und Drang«, nach dessen Titel eine neu anbrechende Literatur¬
periode den Namen erhalten sollte. Seyler eröffnete in Leipzig wäh¬
rend der Ostermesse 1777 sein Theater mit diesem Schauspiel, welches
bei der ersten Aufführung den grössten Erfolg erzielte. Durch jene
beifällige Aufnahme ermuthigt, gab er »Sturm und Drang« auch am
31. Mai desselben Jahres in Frankfurt, aber zum Schrecken der
hiesigen Freunde und Verehrer Klinger’s vor leerem Hause.
Die geringe Theilnahme, welche die Frankfurter im Sommer und
in der Herbstmesse 1777 für die ernsteren Stücke an den Tag legten,
ist keineswegs als eine Geringschätzung der Bestrebungen Seyler’s,
sondern einzig als die Folge der ausserordentlichen Gunst zu be¬
trachten, deren sich das Singspiel noch immer bei dem grössten
Theil des hiesigen Publikums erfreute.
In den Kreisen der Kunstverständigen war dies freilich nicht
mehr der Fall; dort hatte die Erkenntniss von der Bedeutung des
deutschen Theaters schon insoweit Wirkung gehabt, dass man bereits
- 350
mit Wort und Schrift an der bedenklichen Herrschaft des Singspiels
über die höheren dramatischen Gattungen zu rütteln begann und
der Thätigkeit Seyler’s die vollste Beachtung und Würdigung zu
Theil werden liess. Er behauptete aber auch den von ihm für
einzig richtig anerkannten Kunststandpunkt ebenso streng, wie früher
Marchand den seinigen. Trotzdem ihm das Singspiel und die Operette
stets volle Häuser machte, gönnte er ihnen doch nur eine sekundäre
Stelle in seinem Repertoire.
Der erste Aufenthalt der Seyler’schen Gesellschaft in Frank¬
furt fällt in die Zeit vom 14. Mai bis 14. Juni 1777. Die Bühne
wurde mit »Emilia Galotti« und einem von Heinrich Leopold Wagner
verfassten und von Frau Seyler gesprochenen Prolog Donnerstag,
14. Mai 1777 eröffnet, worauf die anderen Stücke in folgender chrono¬
logischer Aufeinanderfolge zur Darstellung kamen :
»Alceste«, Oper von Schweizer, Text von Wieland
Donnerstag, 15. Mai.
»Henriette oder Sie ist schon verheyrathet«, Lustspiel
in fünf Aufzügen, und »Die Fischer oder der be¬
trogene Ehemann«, pantomimisches Ballet von
Schulz . Freitag, 16. Mai.
»Sie lässt sich herab, um zu siegen, oder die Irrthümer
einer Nacht«, Lustspiel in fünf Aufzügen von
Goldsmith, übersetzt von Wittenberg, und »Die
Fuhrleute«, pantomimisches Ballet von Schulz
Mittwoch, 21. Mai.
»Die junge Indianerin«, Lustspiel, ungedruckte Bear¬
beitung von Eckhof, und »Der Jahrmarkt«, komi¬
sche Oper, Text von Götter, Musik von Georg
Benda . Donnerstag, 22. Mai.
»Die eifersüchtige Ehefrau«, aus dem Englischen für
die deutsche Bühne vollständig umgearbeitet von
Bode, und »Die Wilden«, pantomimisches Ballet
von Schulz . Freitag, 23. Mai.
Wiederholung der »Alceste« . Montag, 26. Mai.
»Merope«, Trauerspiel, nach Yoltaire’s gleichnamiger
Tragödie frei bearbeitet von Götter . . Dienstag, 27. Mai.
»Der dankbare Sohn«, Lustspiel von Engel, und »Wälder«,
Operette, Text von Götter, Musik von Georg
Benda . Donnerstag, 29. Mai.
»Der glückliche Geburtstag«, Lustspiel in drei Aufzügen
von Schietter, und »Medea«, Melodrama von
Georg Benda, Text von Götter . . . Samstag, 31. Mai.
(In diesem Stück war Frau Seyler besonders in dem Recitative gross.)
»Sturm und Drang«, Schauspiel in fünf Aufzügen von
F. M. Klinger, und ein pantomim. Ballet . Montag, 2. Juni.
351
»Das Duell«, Lustspiel in einem Aufzuge, und »Romeo
und Julia«, eine ernsthafte Oper mit gesproche¬
nem Dialog von Götter, und Kompositionen von
Georg Benda . Dienstag, 3. Juni.
»Die Frevmaurer«, Lustspiel in fünf Aufzügen, nach
einem ungedruckten deutschen Original bearbeitet
von Hensel, und ein pantomimisches Ballet »Das
Fest der Freymaurer« von Schulz . Donnerstag, 5. Juni.
»Der Graf von Walltron oder die Subordination«, Schau¬
spiel in fünf Aufzügen von Möller . . Samstag, 7. Juni.
»Die verstellte Kranke« von Goldoni und »Die Wilden«,
pantomimisches Ballet von Schulz . . Montag, 9. Juni.
»Piramus und Thisbe«, Singspiel in drei Aufzügen, und
ein pantomimisches Ballet . Dienstag, lü. Juni.
»Die Irrungen«, Farce in fünf Aufzügen von Gross¬
mann, nach Shakespeare’s Komödie der Irrungen
Donnerstag, 12. Juni.
»Robert und Kalliste oder der Triumph der Treue«,
Singspiel von Guglielmi, übersetzt von Eschen¬
burg ; hierauf schloss Frau Seyler die Bühne mit
einer von einem unbekannten Autor verfassten
poetischen Dankrede . Samstag, 14. Juni.
Welch grosses Interesse diesen Vorstellungen von Kennern ent¬
gegengebracht wurde, geht daraus hervor, dass der in Frankfurt
lebende Schriftsteller Heinrich Leopold Wagner, Goethe’s Studien¬
genosse von Strassburg her, kritische Abhandlungen in Briefform
über dieselben herausgab. Diese Besprechungen, welche unter dem
Titel »Briefe, die Seyler’sche Schauspielergesellschaft und ihre Vor¬
stellungen in Frankfurt am Mayn betreffend«, im August 1777 bei
den Eichen berg’schen Erben erschienen,501 bilden deshalb für die
Geschichte des Frankfurter Theaters einen so denkwürdigen Merk-
steiu, weil sie sich als das erste kritische Unternehmen solcher Art
darstellen. Von nun an trat auch hier der Recensent zwischen Dar¬
steller und Zuschauer, die Ergebnisse der schauspielerischen Leistun¬
gen gingen durch seine Hand und die Zeiten kindlicher Unbefangen¬
heit waren auch für die jeweilige Frankfurter Bühne und ihre Mit¬
glieder für immer dahin.
Die Kritiken H. L. Wagner’s verbitterten freilich den Schau¬
spielern der Seyler’schen Gesellschaft keineswegs das Leben. Sie
sind fast sämmtlich sehr zu ihren Gunsten gehalten und verrathen
merklich, dass der Verfasser in näheren Beziehungen zu dem Direk¬
tor und seiner mächtigen Gattin stand. Man darf also die Abhand¬
lungen für nichts weniger als für eine Dramaturgie im Sinne
Lessing’s halten oder eine Uebung der freien Urtheilskraft zur För¬
derung der Erkenntniss des Guten und Schönen in ihnen suchen.
352
Wagner spricht sich über den eigentlichen Werth der auf¬
geführten Stücke nur sehr spärlich aus, bringt aber lange Inhalts¬
angaben und lobt dann die in denselben auftretenden Schauspieler
der Reihe nach durch. Am besten kommen hierbei stets die geniale
Madame Seyler, die anmuthige Fiala und der unvergleichliche Bor-
chers weg.
Wenn aber auch diese Recensionen nicht objektiv und ent¬
schieden genug gehalten sind, so finden sich in ihnen doch hie und
da Bemerkungen, welche auf die damalige Stimmung des Frankfurter
Publikums, sowie auf das künstlerische Ansehen der Seyler’schen
Gesellschaft ein interessantes Licht werfen. Ferner lässt sich aus
einigen Bemerkungen klar erkennen, dass Wagner die Bedeutung
der Schaubühne vollkommen erfasst hatte und ihre ernstere Richtung
durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel zu fördern suchte.
In der Kritik über die am 14. Mai 1777 zum ersten Male hier
in Frankfurt aufgeführte »Emilia Galotti« berichtete Wagner mit einem
gewissen Stolz , dass dies Meisterwerk Lessing’s in Frankfurt mehr
Sensation erweckt habe, wie in den Gegenden, welche sich seit langen
Jahren das Monopol in Sachen des guten Geschmacks angeeignet
hätten. Hauptsächlich schreibt er diesen grossen Erfolg den Leistungen
der Hamen Seyler und Fiala. zu, deren Spiele als Orsina und Emilia
Galotti folgende lobende Beurtheilung zu Tlieil wurde :
»Emilia Galotti (Madame Fiala) ganz zu dieser Rolle gemacht!
vollkommen des Lobes werth, das Conti ihr beilegt! Ihrentwegen
verzeiht man dem Prinzen gerne die traurigen Folgen seiner un¬
zeitigen Leidenschaft. Ihr Blick so zärtlich und doch wieder so ent¬
schlossen, wo er es sein soll ! Bald naiv, wie die Unschuld selbst, bald
gross wie Heldinnen der Vorwelt. Man würde den Grafen beneiden,
wenn er nicht auf seiner Seite ihrer so würdig wäre. — .... Und
Orsina! doch ehe ich Ihnen sage, wie dieser Charakter sich auszeich¬
nete, muss ich Sie erst versichern, was mich ein paar junge gereiste
Herrn, die lang in Paris waren, und also im Besitz des guten Ge¬
schmacks nothwendig sein müssen, gleichfalls versichert haben, dass
Orsina eine sehr schwere Rolle ist: Madam Seyler spielte sie zwar
mit so viel Wahrheit, mit so viel Natur, dass man hätte schwören
sollen, sie wär ihr ganz eigen; aber darin besteht gewiss, wie mich
eben diese Kenner belehrten, die grösste Kunst. Scherz bei Seite;
Madam Seyler fand, so wie sie auftrat, noch so viel alte Freunde,
denen das Andenken der Henselin schätzbar war, dass sie mit vollem
Händeklatschen empfangen, und eben dadurch bis zu Thränen ge¬
rührt wurde. Der Zusammenfluss von Fremden, die sich hier auf¬
halten, die vielen hiesigen Liebhaber der Bühne, die sie schon sonstwo
spielen gesehn haben, mochten nicht wenig hierzu beitragen; wenn
sie also durch dieses Kompliment, dass ich es so nenne, überrascht
worden, so schreib ich’s ganz allein ihrer Bescheidenheit zu , die
353
jederzeit nach Maasgab der Talenten wächst oder abnimmt. Auch war
ihr Spiel von Anfang bis zu Ende einstimmig bewundert; sogar die
in jedem andern Munde kalten uninteressanten Stellen dieser Personage
wusste sie so meisterhaft zu heben, dass sie bei den Meisten für
Schönheiten mitpassirten. Ziehen Sie hieraus nun selbst den Schluss,
wie unnachahmlich ihr erst die wahren Schönheiten geglückt sind.
Doch Sie kennen sie ja, wissen wie stolz wir Teutsche auf diese
Schauspielerin sein können, dürft ich noch von allen hinzusetzen, sind!«
Wie aus der weiteren Besprechung der »Emilia Galotti« hervor¬
geht, waren die anderen Rollen folgendermassen besetzt: Der Prinz:
Herr Hellmuth der jüngere; Appiani : Herr Opitz; Odoardo Galotti:
Herr Borchers; Claudia Galotti: Demoiselle Zink [dieselbe war erst
ein halbes Jahr bei der Bühne und hatte diese ältere Rolle nur
übernommen, um sich mehr Gewandtheit im Spielen zu erwerben];
Maler Conti: Herr Fiala; Marinelli: Herr Grossmann; Camillo Rota:
Herr Kirchhöfer; Angelo, Bandit: Herr Möller und Pirro: Herr
Schietter.
In der Recension über das von Lt. Wittenberg steif übersetzte
Stück »Sie lässt sich herab, um zu siegen, oder die Irrthümer einer
Nacht« findet sich das folgende, von einem anderen Frankfurter
Kritiker in ähnlicher Weise ausgesprochene Urtheil : »Ueberhaupt
muss ich noch der Gesellschaft zur Ehre und zum Steuer der Wahr¬
heit bemerken, dass sie den wahren, natürlichen Conversationston
vollkommen in ihrer Gewalt hat. Jedes spricht, wie es, wenn es
wirklich auf der Bühne der Welt das wäre, was es hier auf einige
Stunden vorstellt, sprechen würde und müsste.«
Die bereits mehrfach betonte einseitige Geschmacksrichtung des
Frankfurter Publikums, welche nur Gefallen an dem modischen Sing¬
spiel fand, ist Wagner ein Greuel. Er zieht bei jeder Gelegenheit
gegen dieselbe zu Felde und kann auch die Aufführung des damals
sehr beliebten Singspiels »Der Jahrmarkt« von Benda (Text von
Götter) nicht vorübergehen lassen, ohne wieder gegen die gefähr¬
liche Bevorzugung in folgenden Auslassungen geeifert zu haben :
»Der Jahrmarkt, eine komische Oper von Herrn Götter in
zween Aufzügen, wurde — weil zumal das hiesige Publikum schon
längst an Singspiele allerlei Kalibers verwöhnt ist, und bei dem
faux pli, den es einmal genommen, mehr auf Musik und Spektakel,
als auf Interesse und Theilnehmung erpicht ist — mit unbeschreib¬
licher Freude aufgenommen. Ich würde diese Anmerkung hier nicht
machen, wenn ich nicht in prophetischem Geiste voraus säh, man
würde in kurzem über den Singspielen alle anderen Gattungen von
Schauspielen vergessen. Den Enthusiasmus, mit dem man jene be¬
sucht, will ich gerne loben, wenn diese nur nicht eben dadurch zu
weit zurückgestellt und vernachlässigt werden. Sonst sollte es mir
sehr leid für das Publikum am Mayn- und Rheinstrom, ebenso leid
23
354
aber auch für Herrn Seyler thun. Jenes könnte dadurch gar leicht
in den Verdacht eines falschen, tändelnden Modegeschmacks kommen,
dieser aber gar bald seiner besten Acteurs, wenn sie ohne Aufmun¬
terung sich abmartern müssten, beraubt werden. Alles zu seiner
Zeit! und so sei auch dies Wörtchen — übrigens ganz harmlos —
gesprochen !«
Ein anderes Mal schüttet Wagner seinen Aerger gegen das
von Götter in eine ernsthafte Oper mit gesprochenem Dialog um¬
gewandelte Shakespeare’sche Trauerspiel »Romeo und Julie« aus.
Götter, welcher sich sonst eng an Weisse [der ebenfalls eine Tragödie
gleichen Namens nach dem Shakespeare’schen Original bearbeitet hat]
anschlösse, habe auch noch einen lustigen Ausgang zu »Romeo und
Julie« geschrieben und sich dem sinkenden Geschmack zuhebe an
Shakespeare frevelhaft vergriffen. Dem Kapellmeister Benda mache
seine Komposition alle Ehre ; ob es aber für den Geschmack des
Publikums ein gutes Zeichen sei, dass man den Geist Shakespeare’s,
um ihm denselben beizubringen, erst mit neunzehn Zwanzigstel
Wasser versetzen, ein Trauerspiel zur Operette, und seinen herrlichen
Geburten — wie jüngst Tit. pl. Herr Orang Outang dem Werther
tliat 502 — einen andern Kopf anpassen müsse, möge dem Urtheil
aller wahren Theaterfreunde überlassen bleiben. Bei Weisse sei doch
trotz aller grossen Freiheiten, die er sich erlaubt habe, hier und da
noch etwas vom englischen Dichter zurückgeblieben, in der Gotter’-
schen Bearbeitung wäre aber auch nicht die geringste Spur mehr
von ihm zu entdecken.
Im Anschluss an diese Kritik muss noch eine Stelle aus der
Recension über Goldoni’s »Verstellte Kranke« hier Aufnahme finden,
in welcher Wagner einen ähnlichen Gedanken zum Ausdruck bringt.
»Wir haben«, schreibt er, »in kurzer Zeit Riesenschritte gethan ; kaum
noch hat es angefangen bei uns zu tagen, (und wie viel Hundert
haben sich den Morgenschlaf noch nicht aus den Augen gerieben !)
so sind wir schon wieder im Begriff einzupacken und Feierabend
zu machen. Eh’ unsre Nachbarn recht wissen werden, dass wir da
sind und ein Theater für uns haben, werden wir schon Greise wie
sie selbst sein. In einem Zeitraum von fünfzehn Jahren, damit ich
ihn nicht zu hoch ansetze ! haben wir eine Bahn durchlaufen, auf
der sich andere ganze Jahrhunderte abgearbeitet haben; und ehe
noch fünfzehn Jahre herum sind, werden die Meisterstücke eines L.
[Lessing] und eines G. [Goethe] ebensogut Kabinetstücke sein, als
die Werke eines Euripides, Sophokles, Aristophanes, Plautus und
Terenz es heutzutage sind. Und desto besser alsdann für sie ! Für
den grossen Haufen haben sie ja so nicht geschrieben; dies kann
nur der thun, der selbst dazu gehört. — Bis zur komischen Oper hat
sich unser Geschmack ohnehin schon herabgelassen, nur in dieser
lebt, webt und vegetirt er noch : Ihn adoptirt der Dichter, ihm
355
huldigt der neuangehende Schauspieler; jener macht Nachspiele, mit
Gesäugen vermischt, dieser lernt singen oder wenigstens krähen : und
beide thun, insofern sie die Absicht haben, gefallen zu wollen, wohl
daran. Wo es die Etiquette erfordert, muss sich auch der vernünf¬
tigste Mann bequemen, schwarze Schuhe mit rothen Absätzen zu
tragen. Noch eh’ wir es uns versehen, wird auch der letzte Schritt
gethan sein, werden Possenspiele, Paraden und andre dergleichen
Farcen unsre Lunge und unser Zwergfell zu erschüttern auftreten
müssen; und dann gute Nacht Theater und Geschmack in Deutsch¬
land! — «
Wenn man nun ein solches, auf ästhetischen Principien beruhen¬
des Urtheil liest, sollte man es nicht glauben, dass sich Wagner zum
Loben eines Schauspiels wie »Der Graf von Walltron« von Möller,
welches Schiller später mit Recht ein elendes und abgeschmacktes
Stück nannte, hätte herbeilassen können. Dieses Urtheil und noch
manche andere Lobpreisungen höchst unbedeutender dramatischer
Werke lassen sich nur aus den nahen Beziehungen Wagner’s zu
Seyler erklären, dessen literarischer Dolmetscher und Anwalt er
sicher in diesen Briefen dem Publikum gegenüber gewesen ist.
Für Seyler’s Bestrebungen kann diese Annahme um so weniger un¬
günstig aufgefasst werden, als sie auf’s Neue Zeugniss ablegt, dass
er ein Bühnenleiter war, der selbst die unbedeutendsten Leistungen
deutscher Dichter den bereits vorhandenen und damals aufkommen¬
den Stücken französischer Autoren vorzog.
Unter den achtzehn Vorstellungen, welche Seyler bei seinem
ersten Aufenthalt in Frankfurt im Bieneuthal’schen Saal zum Jung¬
hof gab, findet sich nur eine den ganzen Abend ausfüllende Dar¬
stellung eines französischen Trauerspiels. Es war dies »Merope« von
Voltaire, eine Tragödie, welche der schon mehrfach genannte Friedrich
Wilhelm Götter für che deutsche Bühne übersetzt und bearbeitet
hatte. Weniger gegen den Uebersetzer und Umarbeiter, als gegen
Voltaire und die Liebhaberei des Frankfurter Publikums für antike
Stoffe versucht Wagner in seiner Kritik über »Merope« Lessing’sche
Polemik.
»Mehr denn einmal«, berichtet er, »wischte mir die hochbeinigte,
einförmige Göttin, Langeweile, mit ihren Fittigen von Spinneweben,
die Augen aus, und wollte mir Sperrhölzercher in den Mund stecken,
wenn ich das seltene Antiquitätenstück in seinen einzelnen Theilen
so vor mir selbst vorbei passiren liess. Ich schleiche so gar gern,
wie du wohl weisst, unter meinen Zeitgenossen umher, lern ihre
Tugenden und Schwächen kennen, das kann mir doch noch was
nutzen. Bei den modernisirten Helden und Staatsaktionen des Alter¬
thums fühl ich gar nichts; wenn ich mich auch mit dem besten
Willen von der Welt auf alle Seiten gedreht, in alle möglichen
Standpunkte gesetzt habe, so sehe ich immer bei all diesen Elektren,
23*
356
Phädren, Meropen, Oedipen u. s. w. nichts mehr und nichts weniger
als ein altes Weib in junger Tracht. Zu ihrer Zeit mögen sie ganz
schöne Gesichter gehabt haben; auch werden die Originalportraite,
die damals von ihnen gemacht worden, immer gefallen, aber die
durch die siebente Hand, davon die folgende jedesmal einem grösse¬
ren Stiimper angehörte, denn die erstere, verhunzte Kopieen mögen
meinetwegen alle zum Henker gehen.«
Dann tadelt Wagner »das französische bouillon, die geschmack¬
lose Brühe des grossen Versificateur Monsieur de Vol¬
taire, Meister Arouet genannt«. Er citirt Verse aus »Merope«
und stellt darauf die Frage : »Ist das die Sprache der Leidenschaft ?
Und dennoch giebt’s Leute, die das Pariser Theater, das solchen Mist
als feines Gold bewahrt, solchen Unsinn vergöttert, uns Teutschen
als Muster anpreisen wollen ! die im Stande sind, an Emilia Galotti
als Fehler zu tadeln, dass kein Lehnstuhl bereit steht, in dem sie
mit Anstand sterben kann, weil es in Paris nicht anginge, sie quer
über das Theater zu legen ! 0 der schaalen Köpfe !« —
Literarisch interessant und sehr bezeichnend für die Stimmung
der damaligen jungen Dramatiker ist die Besprechung von Klinger’s
Schauspiel »Sturm und Drang«, welcher Wagner die meisten Blätter
in seinen Briefen über die Seyler’sche Gesellschaft zu Theil werden
lässt. Obgleich er nicht ganz offen mit der Sprache herausrückt,
macht Wagner doch schon im Eingang zu dieser Becension den
Frankfurtern mit andern Worten heftige Vorwürfe darüber, dass sie
einem Ereigniss, wie der Aufführung von »Sturm und Drang«, nicht
mehr Theilnahme entgegengebracht hätten.
Bevor auf diese wichtige Kritik näher eingegangen wird, soll
hier nach derselben die damalige Besetzung der einzelnen Rollen des
wunderlichen Stückes angegeben werden.
Personen:
Wild . Herr Opitz.
La Feu . . Herr Grossmann.
Blasius . Herr Hellmuth der ältere.
Lord Berkley . Herr Borchers.
Jenny Caroline, seine Tochter . . Mad. Toskani.
Lady Katharina, die Tante . . . Mad. Seyler.
Luise, Nichte . Mad. Fiala.
Schiffscapitain Boy er . Herr Möller.
Lord Bushy . Herr Kirchhöfer.
Ein junger Mohr . Demoiselle Kirchhöfer.
Der Wirth . Herr Dauer.
Betty . Mad. Kirsch.
Nachdem Wagner den jungen Dichter gelobt hat, dass er für
sein Stück einen einfachen, keine Seele täuschenden Titel gewählt
habe, fährt er kampfeslustig fort: »Wer fühlt oder auch nur ahndet,
357
was Sturm und Drang sein mag, für den ist er geschrieben ; wessen
Nerven aber zu abgespannt, zu erschlafft sind, vielleicht von je her
keinen rechten Ton gehabt haben; wer die drei Worte anstaunt, als
wären sie chinesisch oder malabarisch, der hat hier nichts zu erwar¬
ten, mag immerhin ein alltägliches Gericht sich auftischen lassen. —
Dass sein Stück, bei der ersten Vorstellung wenigstens, an
keinem Ort — es müsste denn allenfalls Hamburg sein — diejenige
Wirkung thun würde, die jedes andre mit mehr Spektakel, Sentenzen,
Exklamationen und Theaterstreichen angefüllte Marionettenspiel gewiss
thun muss, konnte der Verfasser, wenn er das hörende und richtende
Publikum nur halb weg kennt, schon zum Voraus an den Fingern
abzählen. Wer heisst ihn aber auch den Piquekönig ohne die Harfe
vorstellen, und dem Herzmonarchen den Reichsapfel in die linke
Hand geben, da er ihn doch seit undenklichen Zeiten, vermöge des
hergebrachten Kartenkostüms, in der rechten Hand trug. Wer ge¬
sehen und bewundert werden will, muss hübsch auf ebnem gebahn¬
tem Weg gehn, wo ihm recht viele Leute begegnen, verlässt er ihn
— eine sich ihm auf der Seite darstellende Felsenhöhe zu erklettern —
so wird er diesen ein Sonderling, jenen ein Waghals, allen aber
(wenn er dem Gipfel sich nähert) ein Zwerg scheinen. — — Sind
denn aber die Figuren dieses Stückes wieder so in ihrer kolossali-
schen Grösse hinkrokirt, wie in der neuen Arria und dem Sim-
sone Grisaldo?«
Nun folgt eine sehr enthusiastisch abgefasste Inhaltsangabe des
Dramas, in welcher Wagner unter anderen hochtönenden Bezeich¬
nungen die Nachtscenen zwischen Wild und Karoline »eine petrar-
chische Phantasie« nennt, der »nur Reim und Sylbenmaas fehlen«. Das
spärlich anwesende Publikum theilte Wagner ’s Begeisterung keines¬
wegs, demselben missfiel besonders die in der Kritik sehr gelobte
Kartenhausscene zwischen Lord Berkley und seiner Tochter Karoline.
Am Schlüsse der Recension macht Wagner, weil manche Zuschauer
gerade die eben angegebene Scene sehr unnatürlich gefunden hatten,
deshalb noch die Bemerkung: Wenn ich nicht irre, so geht alles
drin [in »Sturm und Drang«] ganz natürlich, aber freilich nicht all¬
täglich zu; und dies ist immer ein grosser Fehler von einem dra¬
matischen Schriftsteller, der für ein unsichtbares Publikum [?!] ar¬
beitet; ist er aber mit dem Beifall weniger, an hundert verschiedenen
Orten zerstreut lebender feinerer Seelen, zufrieden, will er nur einem
unsichtbaren Häuflein gefallen, dann wird vielleicht das zur Schön¬
heit, was jenen zum Aerger war. — «
Ueber die Darstellung spricht sich Wagner nur im Allgemeinen
günstig aus. Er rühmt hauptsächlich Herrn Opitz [Wild], der all
das glühende Jugendfeuer besässe, welches diese Rolle von Anfang
bis zu Ende erfordere und nennt Herrn Borchers als Lord Berkley
358
wieder einmal unnachahmlich in der Durchführung seiner schwierigen
Aufgabe.
Madame Toskani, welcher sanfte und zärtliche Charaktere nie
so gut geriethen als wilde und kokette, war ebenso wenig als Jenny
Karoline JBerkley an ihrem Platz als Madame Fiala, welche die necki¬
sche Louise spielte. Beide Künstlerinnen, meint Wagner, thäten
besser bei Gelegenheit ihre Rollen umzutauschen. Wagner erkennt
dann noch an, dass eine so grosse Künstlerin wie Madame Seyler die
unbedeutende Rolle der Lady Katharina übernommen habe und rühmt
schliesslich die jugendliche Demoiselle Kirchhöfer, welche den Mohren¬
jungen mit vieler Wahrheit vorstellte.
Diese Kritik Wagner’s über »Sturm und Drang« kennzeichnet
merklich die Eigenthümlichk eiten der Uebergangsperiode, in welche
die deutsche Literatur und alle andern Gebiete der Kunst und Wissen¬
schaft gleich nach dem Beginne der siebziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts eintraten. Das Bestreben, den freien Flug des Geistes
durch keinen Regelzwang zu hindern und hauptsächlich im Bereiche
der dramatischen Poesie solche Gestalten zu schaffen, die in unge¬
beugter Naturwüchsigkeit und oft abenteuerlicher Kühnheit gegen
sociale Zustände und gesetzliche Ordnungen ankämpften, war das
Hauptziel jener »literarischen Stürmer«, welche wie Wagner in den
Ausgeburten einer zügellosen, noch nicht von ruhigem Schönheits¬
gefühl in den Schranken gehaltnen Phantasie die wunderbarsten Er¬
zeugnisse des Genius zu erblicken glaubten.
So kam es, dass Wagner, welcher selbst in der ersten Reihe
jener kühnen Yorkämpfer der klassischen Literaturperiode stand, sich
für Klinger’s »Sturm und Drang« begeisterte und die darin geschil¬
derten sehr abenteuerlichen Erlebnisse zweier schottischer Familien,
welche sich tödtlich hassen und verfolgen, schliesslich aber durch
Wechselheirathon versöhnt werden, für eine geniale, weit über ge¬
wöhnliche Anschauungen sich erhebende Dichtung ansah.
Und in der That, wenn man dies Stück einem andern nach
den französischen Regeln und Gesetzen abgefassten Drama aus jener
Zeit gegenüber stellt, so lässt sich nicht läugnen, dass im Yergleich
zu den meist schablonenhaften Figuren diese Gestalten voll Leiden¬
schaft und frisch pulsirenden Lebens besonders auf jüngere empfäng¬
liche Gemiither einen tiefen Eindruck machen mussten. Auf Wunsch
Klinger’s kam »Sturm und Drang« später nicht wieder in Frankfurt
zur Aufführung. Es unterblieb auch die bereits projektirte Vorstel¬
lung seines Erstlingswerkes »Die Zwillinge«, welches Stück in der
von Schröder ausgeschriebenen Preiskonkurrenz den Sieg über »Julius
von Tarent« von Leisewitz davon getragen hatte.
Um einer leicht möglichen Verwechslung mit einem andern
Dr. H. L. Wagner, dem Verfasser einiger Frankfurter Musenalma¬
nache und verschiedener dramaturgischen Schriften vorzubeugen, der
359
zufällig auch im Strassburger und Frankfurter Freundeskreise Goethe’s
bekannt war, muss wohl hier noch ausdrücklich bemerkt werden,
dass der Kritiker der Sevler’schen Gesellschaft derselbe H. L. Wagner
ist, welcher in der von ihm verfassten Satire »Prometheus Deukalion
und seine Recensenten« die theils scharf polemischen, theils von
frommem Zorn erfüllten Recensionen und karrikirenden Verspottungen
gegen Goethe’s »Werthers Leiden« in witziger und kecker Weise zu
befehden suchte. Es ist bekannt, dass Goethe selbst wegen des lebhaften
dramatischen Ganges dieser Farce und seiner früher gegen Wieland und
Leuchsenring abgefassten Parodien »Götter, Helden und Wieland« und
»Pater Brey« längere Zeit sogar von seinen besten Freunden für den
Verfasser der oben genannten Schrift gehalten wurde. Da ihm aber
dieser Verdacht bei seinen damals erst kürzlich zu dem Prinzen von
Weimar angeknüpften Beziehungen sehr lästig war, und er ausser¬
dem nichts weniger wünschte , als in neue literarische Fehden ver¬
wickelt zu werden, so erliess Goethe unter dem 9. April 1775 in den
»Frankfurter Gelehrten Anzeigen« vom 21. desselben Monats eine öffent¬
liche Verwahrung, in welcher er aufs entschiedenste H. L. Wagner
als den Autor der Farce »Prometheus, Deukalion und seine Recen¬
senten« bezeichnete.
Trotzdem nun Wagner und seine Freunde auf alle mögliche
Weise für die Seyler’sche Gesellschaft in Frankfurt zu wirken suchten,
so war während dieses ersten Aufenthaltes doch die Theilnahme des
Publikums an ihren vortrefflichen Vorstellungen im Allgemeinen
eine verhältnissmässig sehr geringe. Wie fest man sich an Marchand
und seine heitere Richtung angeschlossen hatte, das zeigte am besten
die Thatsache, dass das Theater bei ernsteren Stücken leer blieb,
bei Operetten oder Singspielen dagegen bis auf den letzten Raum ge¬
füllt war.
Ganz im Gegensatz zu Seyler’s idealer Richtung steht der rea¬
listische, sein Repertoire mit einer reichbesetzten Tafel vergleichende
Epilog, in welchem seine Gattin nach dem damals üblichen Gebrauch
in der letzten Vorstellung am 14. Juni 1777 — dieses Mal gewiss
nicht mit so ganz aufrichtigem Herzen — dem Publikum Dank
für den geschenkten Beifall abstattete. »Madam Sevler«, berichtet
Wagner »schloss die Bühne mit folgender Abschiedsrede, die in ihrem
Munde unendlich gewann :
Wann Abends nach froh geendigtem Schmaus
Die Gäste sich heimlich auseinander stehlen,
Dann ist es für den Wirth und die Wirthin vom Haus
Pflicht, sich und es zu fernerer Gunst zu empfehlen ;
Zu bitten, man möchte, was etwa aus Menschlichkeit
Versehn worden, gütigst verzeihn;
Zu versprechen in Zukunft, mit noch weit mehr Behutsamkeit
Der Bedienung der Herrn und Damen sich zu weihn —
360
Kurz mit Worten, Bücklingen und Höflichkeit
Beym Abschied weder sparsam noch geizig zu sein.
Der Pflicht nun glaub auch ich, bevor wir unser Haus verschliessen,
Mich dankbarst unterziehn zu müssen.
Wir setzten Eurer Seele, Eurem Ohr
Nach Land ’sgeb rauch der Speisen allerhand —
Für diesmal nur zur Probe ! — vor ;
Und schmeicheln uns, dass Jeder zum mind’sten Eine fand,
Die seinem Gaumen, so lecker er auch sein mag, nicht widerstand. —
An einer Tafel, wo so viele Hundert speissen,
Kann Mannigfaltigkeit gewiss kein Fehler heissen :
Was der nicht will, lässt jener sich ganz trefflich schmecken,
Und Klugheit heischt von uns für alle und jede zu decken.
Trift hie und da ein halber Fasttag ein? Je nun!
Bisweilen wünscht der beste Magen auszuruhn;
Fällt Tags darauf um so viel gieriger
Auf Rosbeef und teutsche Hausmannskost her;
Kann einer auch dann noch sie nicht mehr verdauen ?
Für den sind Cremes und Hacliis da; darf gar nicht lang dran
kauen. — —
Jedoch wozu Allegorie?
So passend sie auch ist, so leicht ermüdet sie.
Dank! Dank nach Standsgebühr Geehrteste,
Uns allen auf die spät’sten Zeiten Wertheste!
Dank für den Beifall, den Ihr uns verliehen !
So viel wir unsrer sind, so viele Herzen glühen,
Ton Eurer Huld gerührt, für Euch! so viele ziehen
Mit schwerem, sehnsuchtsvollem Blick aus dieser Stadt,
Wo Jeder mehr noch fand, als er erwartet hat. — —
Was fandt denn Ihr? — Wart Ihr mit uns zufrieden?
Die Frage bleibt noch unentschieden !
Bei unsrer Rückkunft, der wir froh entgegen sehn,
Wird dieses Räthsel sich erklären :
Ob für ? ob wider uns ? wird ein Bescheid ergehn,
Wird Euer öfterer Besuch alsdann uns schon belehren.
Wir dörfen auf die Mess doch wiederkehren?«
Von hier aus begab sich die Gesellschaft nach Mainz, in welcher
Stadt ebenfalls unter Seyler’s Direktion eine Glanzepoche der dra¬
matischen Kunst anbrechen sollte.
II.
Das keineswegs aufmunternde Ergebniss seiner ersten Kunst-
thätigkeit in Frankfurt hielt aber Seyler nicht ab, wiederholt
beim Rathe um Erlaubniss für die nächste Herbstmesse einzukommen.
361
Durch seine hiesigen Freunde mochte er wohl davon unterrichtet
worden sein, dass auch früher Marchand anfangs nicht ohne Kämpfe
und Opfer der von ihm vertretenen Kunstrichtung Bahn gebrochen
hatte, welche Mittheilung ihn sicher zu noch grösserer Beharrlichkeit
angespornt haben wird.
Verschiedene einflussreiche Fürsprachen verschafften denn auch
dem Direktor Seyler kurz vor seiner Abreise nach Mainz nicht allein
die Zulassung für die kommende Herbstmesse, sondern auch die
weitere Vergünstigung, schon acht Tage vor dem Anfang derselben
mit semen Vorstellungen beginnen zu dürfen.503 Seyler kehrte des¬
halb schon Mitte August 1777 mit seiner Gesellschaft nach Frank¬
furt zurück und kündigte bereits am 5. August in den Frag- und
Anzeigungsnachrichten die Eröffnung seiner Schaubühne an, welche
dann auch am 26. August 1777 erfolgte. Von dieser Zeit seiner
hiesigen, ungefähr bis zum 10. November dauernden Wirksamkeit
sind wir im Stande in Beilage Nr. XX, wenn auch leider nicht sein
vollständiges Repertoire, so doch einen Auszug aus demselben mit¬
theilen zu können.
Im folgenden Jahre erschienen im Gothaer Theaterjournal 5. — 7.
Stück unter dem Titel »Theatralische Nachrichten die Seyler’sche Ge¬
sellschaft zu Frankfurt am Mayn betreffend« von einem Ungenannten
eine Reihe ausführlicher Beurtheilungen, welche gleichsam als eine
Fortsetzung der von Wagner geschriebenen Kritiken zu betrachten
sind. Dr. Erich Schmidt spricht sich in seiner Monographie über
Wagner ganz entschieden dahin aus, dass dieselben auf keinen Fall
von diesem selbst herrühren, welche Behauptung uns zu dem Glau¬
ben veranlasst, einer der späteren Herausgeber der »Frankfurter Bei¬
träge zur Ausbreitung nützlicher Künste und Wissenschaften«: Philipp
Jacob Rühl oder Heinrich Wilhelm Seyfried sei der Verfasser der¬
selben. Wenigstens stimmt der polemische Ton, in welchem diese
Beurtheilungen gehalten sind, genau mit der Schreibweise der eben¬
genannten Schriftsteller in deren späteren, Kritiken überein. Beide
kämpfen gleich Wagner für die Rechte der höheren dramatischen
Gattungen auf der Frankfurter Schaubühne und beide sagen dem
hiesigen Publikum ebenfalls bei jeder Gelegenheit bittere Wahrheiten
über seine einseitige Bevorzugung des Singspiels und der Operette.
Als weiterer Beleg für die obige Annahme dürfte die Thatsache
gelten, dass sowohl Seyfried als Rühl den Kunststandpunkt Seyler’s
als den einzig richtigen bezeichneten und seinen Vorstellungen noch
in späteren Kritiken die grösste Anerkennung zollten.
Aus den in dem Gothaer Theaterjournal veröffentlichten Beur¬
theilungen mag hier nur ein kurzer Auszug folgen. In der Be¬
sprechung über den geadelten Kaufmann (am 26. August 1777) wird
mitgetheilt, dass das Publikum in den ersten zwei Akten die herr¬
lichste Langweile empfunden und nicht mehr gewusst habe, auf
362
welchem Fuss es eigentlich stehen solle. Dessenungeachtet habe aber
der Fehler nicht an der Darstellung, sondern an dem Frankfurter
Publikum selbst und an dem Verfasser gelegen. Ueber diese beiden
Faktoren lässt sich der Kritiker folgendermassen aus :
»Jenes ein nach Standesgebühr geehrtes Publikum, wie es fast
in allen Prologen und Epilogen gescholten wird, weiss eigentlich
selbst noch nicht recht, was es im Schauspielhaus erwarten soll oder
will. Dem Einen ists zu gekünstelt, dem Andern zu simpel, diesem
ist der Witz zu glatt und jenem zu fein ; in der Loge zur Hechten
wird von den Schönen ein Einfall ä gorge deploiee (den Doppelsinn
kann ich teutsch nicht ausdrücken) belacht, der den andern Schönen
gegenüber das jungfräuliche Blut bis in die Stirne jagt, und ihren
Fächer, sollte auch ein nackender Kupido darauf gemalt sein, zur
unentbehrlichen Meuble macht; im Parket urtheilt man anders als
im Parterre und aus der Gallerie kommt wieder ein verschiedenes
Plebiscitum zum Vorschein: kurz keiner weiss was er will; jeder
läuft ins Schauspielhaus wie in die Kirche : eher wollte ichs auf mich
nehmen zwei ähnliche Gesichter unter der Versammlung aufzutreiben
als zwei Köpfe, die vollkommen einerlei Meinung wären. Wem ists
unter solchen Umständen möglich sie zu befriedigen ? Feenmärchen
und unwahrscheinliche Romane taliter qualiter dramatisirt, thaten vor
wenig Jahren noch die herrlichste Wirkung und noch heut zu Tag sieht
man die Pilgrimmschaft nach Mekka hier und da weit lieber
als Emilia Galotti. — Wünscht auch einer oder der andere der Bühne
den Adel, dessen sie fähig wäre, sehnt er sich nach getroffenen Ge¬
mälden der Sitten und des menschlichen Lebens unseres Zeitalters,
so wird er von hundert anderen überstimmt. Da hält der ein solches
Stück für ein Pasquill, weil es Wahrheiten sagt, jener, weil er mit
den Ränken, die es auspeitscht oder wenigstens lächerlich macht,
schon bekannt ist, für etwas langweiliges : er sieht nur was er alle
Tage selbst treibt, was er vielleicht auf ein paar Stunden vergessen
möchte, und da ärgerts ihn sein eigen Portrait zu finden. Mit einem
Wort, es gibt der Ursachen so viele, warum wir sobald noch keine
Natur auf der Bühne haben können, dass ich sie gar nicht herzählen
mag. Nur eine kann ich unmöglich mit Stillschweigen übergehen;
weil ihr vielleicht, wenn sie meine Herren Collegen in der drama¬
tischen Schriftstellerei beherzigen wollen, am leichtesten abzuhelfen ist.
Die Herrn Autoren sind selbst daran Schuld, dass diese an sich
so schätzbare Kunst, schon abgespielte menschliche Scenen auf’s
neue zu beleben, in keiner besseren Achtung steht. Sie malen zu¬
viel, oder alles vielmehr bis auf einen Mückenschwanz, oder Floh-
riisscl ; sind nicht sorgfältig genug in ihrer Auswahl, und diese muss
doch von ihnen so gut als von den Malern getroffen werden; nicht
jede Landschaft, nicht jede historische Handlung ist diesen gut genug;
sie lesen sich solche aus, die nicht zu leer, auch nicht zu überladen,
363
dennoch einen schönen Prospekt vorstellen, dem Auge des Kenners
etwas anbieten, worauf es forschend verweilen kann. So müssen es
jene auch machen und thun sie es nicht, so mögen sie sich die
Schuld beimessen, wenn ihr Meisterstück ausgegänt wird, und nicht
dem Publikum. Es ist nicht hinreichend, dass die Kopie treu und
korrekt gezeichnet ist ; wann wir länger als einen Augenblick ver¬
weilen sollen, muss sie unseren Geist durch Neuheit oder sonst
eine tiefer verborgene, nicht gleich in die Augen springende Schön¬
heit unterhalten.«
Sehr scharf geht der Verfasser jener Kritiken gegen das Frank¬
furter Publikum in der Beurtheilung der »Melanide« vor. »Leider
war gestern und heute das Haus sehr leer«; berichtet er, »selbst die
gegenwärtigen Zuschauer bedauerten es. Was denkt aber Herr Seyler
auch mit lauter hier, sogar dem Namen nach, unbekannten, noch
nie hier aufgeführten Stücken zu debutiren ? kennt er denn die
hiesige Landsart und Sitte noch nicht? Bei seinem vorigen Aufent¬
halt hier hätte er, dächt ich, doch Zeit und Gelegenheit genug gehabt,
sie sich zu abstrahiren ! Hier traut man keinem Fremden, keinem
den man nicht von Jugend auf hat heran wachsen sehen, Verdienste
zu, bis er sie durch ein Dutzend Rekommendationsschreiben, oder durch
seinen Aufwand bewiesen hat, und selbst dann hälts noch schwer
bei denen in ihrer eignen Selbstgenügsamkeit lebenden Reichsbürgern
Zutritt zu finden. Die Präsumtion ist allemal gegen den Fremden.
— So gehts auch mit den Stücken, die sie hier sehen wollen; ander¬
wärts ists genug jeden Liebhaber ins Schauspielhaus zu treiben, wenn
der Zettel ein hier noch nicht aufgeführtes Lust- oder Trauerspiel
ankündigt; die Leute sind albern genug sehn zu wollen, eh sie ur-
theilen : — Hier ist man geschwinder fertig : das Stück ist mir ganz
unbekannt, heisst es, ich habe mein Lebtag den Namen davon nicht
einmal gehört; was kann wohl gutes dran sein? nichts oder sehr
wenig! Wird nicht bald ein Operettchen gegeben?«
Anfangs mochten die mit einem starken Zusatz von Entrüstung
gewürzten Klagen über den äusserst mässigen Besuch der Seyler’-
schen Vorstellungen während der Herbstmesse 1777 gewiss berech¬
tigt und ganz an ihrem Platze sein, allein allmählich wuchs die Zahl
der Zuschauer immer mehr, wenn auch lange noch nicht genug, um
Seyler’s Einnahme der seines Vorgängers Marchand vollständig gleich
zu stellen.
An den Abenden, an welchen keine theatralischen Vorstellungen
stattfanden, gaben in der Herbstmesse 1777 einige Mitglieder der
Seyler’schen Gesellschaft mehrmals Vocal- und Instrumental-Koncerte
in dem Komödiensaal zum Junghof. Besonders waren es Madame Hellmuth
die jüngere und die Gebrüder Benda, welche im Verein mit hiesigen
Künstlern die sogenannten »Musikabende« veranstalteten. Besser als
die trefflichsten Vorstellungen wurden nach der Mittheilung Seyfried’s
364
diese Koncerte besucht, deren musikalische Bedeutung durch das Mit¬
wirken von solchen Kräften allerdings eine sehr hohe war. Madame
Hellmuth entzückte die Freunde der Musik als Koncertsängerin fast
noch mehr denn als dramatische Sängerin. Sie wurde in Gedichten
gefeiert, als Vorbild aller aufstrebenden Talente hingestellt und sogar
von hiesigen Kennern in mancher Beziehung der berühmten Mara
vorgezogen.
Wie sehr man ihre Kunst in Frankfurt schätzte, mag eine
Kritik bezeugen, welche freilich nur ihren Gesang im Freitagskoncert
am 7. Januar 1780 beurtheilte, aber auch ihre früheren Leistungen
zutreffend kennzeichnen möchte. »Madam Hellmuth sang eine Arie
von Anfossi. Ihre Kunst, ausserordentliche Höhe, fast unnachahm¬
licher Ausdruck, Geschwindigkeit, Gefühl, Abwechslung des Starken
und Schwachen. — Werde verdammt eine lange Winternacht hin¬
durch Katzengeheul zu hören, du, der du kalt da stehen und ihren
Gesang beurtheilen kannst — nicht vergissest, dass du da stehst und
hörest !«504
An einer andern Stelle gedenkt der Kritiker, nachdem er die
übrigen mitwirkenden Künstler besprochen hat, nochmals der Madame
Hellmuth mit dem begeisterten Ausruf: »0 Weib! welch einen
Zauber verbreitet dein Hauch rund um dich her!« —
In den »Frankfurter Beyträgen zur Ausbreitung nützlicher
Künste und Wissenschaften« [erschienen 1780], welche regelmässige
Berichte über hier abgehaltene Koncerte brachten, finden sich noch
mehrere Beurtheilungen über Madame Hellmuth und einige sonstige
musikalische Mitglieder der Seyler’schen Gesellschaft. Sie sind, wie
die oben mitgetheilte Kritik, fast sämmtlich in einem für unsere
heutigen Anschauungen zu schwärmerischen, aber der allgemeinen
Stimmung in der Werther-Periode vollständig entsprechenden Ton
gehalten.
Das Eintrittsgeld für die 1777, 1778 und 1779 im Komödien¬
saal zum Junghof abgehaltenen Vokal- und Instrumentalkoncerte
war dem zu den theatralischen Vorstellungen vollständig gleich. Wie
die in Beilage Nr. XX veröffentlichten Theaterzettel der Seyler’schen
Gesellschaft angeben, waren die Preise der Plätze während des mehr¬
maligen hiesigen Aufenthaltes derselben ebenso festgesetzt wie bei Mar-
chand. Eine ganze Loge kostete 8 fl., die Person zahlte in den
Logen und im Parquet 1 fl., das Parterre kostete 10 Batzen, die
Gallerie 20 kr. und der letzte Platz 12 kr.
Für die letzte, entweder am 9. oder 10. November 1777 ab-
gehalteno Vorstellung der Seyler’schen Gesellschaft dichtete H. L. Wag¬
ner ein allegorisches Festspiel »Apoll’s Abschied von den Musen«,
zu welchem der Kapellmeister Neefe die Musik schrieb. Aus
diesem Stückchen, welches im Verlag der Eichenberg’schen Erben
dahier erschien, geht hervor, dass das Personal der Gesellschaft sich
365
seit dem Sommer um einige weibliche Mitglieder vergrössert haben
musste. Es werden nämlich unter den Mitwirkenden auch che Frauen
Möller, Molzheim und Opitz genannt, deren Namen früher keine Er¬
wähnung fanden.
Was den poetischen Werth des von Wagner verfassten ah ego¬
rischen Festspiels anbetrifft, so überragt derselbe keineswegs die von
Üblich für Schuch abgefassten Vorspiele und andere ähnliche, von
hiesigen Wandertruppen zur Darstellung gebrachte Stücke. Der
Kunstsinn und die Theilnahme der Stadt werden in schmeichelhaften,
aber sehr trocknen Versen gepriesen und durch die Musen und ihr
Gefolge um ein huldreiches Andenken und um fernere günstige Auf¬
nahme gebeten. Dem uns vorliegenden Text des von Seyler allem
Anschein nach sehr prächtig ausgestatteten Festspiels sind die Namen
der auftretenden Personen und ihrer Darsteller, sowie Angaben für
die Regie und Inscenirung vorgedruckt, welche zur besseren Er¬
läuterung des Inhaltes hier Aufnahme finden mögen.
Personen:
Apollo, Beschützer der Musen . . . Hr. Hellmuth.
Er wird als ein unbärtiger Jüngling, mit blonden lockig-
ten Haaren , einem Diadem um das Haupt , vorgestellt.
Er hat goldne Schuhe an; sein Mantel ist rosenfarb. Der
goldne Köcher hängt ihm auf dem Rücken. In der linken
Hand hat er die elfenbeinerne Leyer, in der rechten den
silbernen Bogen, den er, wenn er auf jener spielt, neben
sich legt.
M e 1 p o m e n e , Muse des Trauerspiels . Mad. Seyler,
als Medea gekleidet. In ihrem Gefolge erscheinen Herr
Borchers, als Antiochus; Herr Opitz, als Seleukus aus der
Merope; Herr Fiala als Stanley; Herr Grossmann, als Ka-
tesby, aus dem Richard ; Monsieur Fiala und Mselle. Kirch-
höfer, die jüngste [zwei Kinder von ungefähr 5 und 6 Jahren].
Thalia, Muse des Lustspiels .... Mad. Fiala,
mit Epheu bekränzt, eine Hirtenpfeife in der linken, eine
komische Larve in der rechten Hand tragend. In ihrem Gefolge
treten auf: Herr Hensel, als D. Balanzoni; Mad. Hellmuth
A. als Kolombine, aus dem Lügner. Mselle. Courte, als Karl;
Mselle. Flittner [Stieftochter Grossmann’s, die später berühmte
Bethmann-Unzelmann] als Sophie, aus dem gerechten Fürst.
Herr Pöschel, als Stockmeister; Mad. Kirsch, als seine Frau,
aus eben demselben. Herr Schulz und Mad. Kirchhöfer, Herr
Kirchhöfer und Mad. Opitz, als Tänzer.
Euterpe, Muse der Tonkunst . . . Mad. Hellmuth
mit einer Laute in der Hand. In ihrem Gefolge sieht man:
Herrn Hemmer, als Herkules ; Mselle. Zink, als Alceste, aus
dem Singspiele dieses Namens. Herrn Dauer als Lisuart;
366
Mselle. Kirchköfer, als Leonore, aus Lisuart und Dariolette.
Herrn Müller, als Toffel ; Mad. Pöschel, als Röschen, aus der
Jagd. Herrn Hellmuth A. als Graf Adelstan, aus Robert und
Kalliste. Herrn Hellmuth, Jüngst, als Bertram, aus dem De¬
serteur. Mselle. Frank.
Urania, Muse der Sternkunde . . . Mad. Moeller.
Sie hat eine Strahlenkrone auf dem Haupt, oder kann auch
allenfalls ä la Zodiaque aufgesetzt sein. In der rechten Hand
hält sie einen Massstab, in der linken einen Globus.
Polyhymnia, Muse des Gedächtnisses und der Ode, Mselle Mombauer.
Sie ist mit Perlen und Edelsteinen geschmückt, hat eine
Papierrolle in der linken, eine Trompete in der rechten Hand.
T er p sic ho re, Muse des Tanzes . . Mselle. Meyerfeld,
mit einer Harfe in der Hand.
Klio, Muse der Geschichte . Mad. Borchers,
ein zusammengerolltes Buch unter dem Arm, eine Pfeife in
der Hand.
Erato, Muse der Lieder . Mselle. Verdun,
mit einer Flöte in der Hand.
Kalliope, Muse der Harmonie und der Rhetorik, Mad. Molzheim,
mit fliegendem Haar; in der rechten Hand hat sie einen
Taktstab, in der linken ein Notenblatt; ihr Kleid ist gestirnt.«
Nachdem die Art des Auftretens der in dem Festspiel »Apoll’s
Abschied von den Musen« mitwirkenden Mitglieder der Seyler’schen
Gesellschaft geschildert ist, dürfte es nicht uninteressant erschei¬
nen, auch die Sprache kennen zu lernen, in welcher Wagner die
Göttinnen alles Schönen und Grossen ihre Wünsche zum Ausdruck
bringen lässt.
Apollo verschwindet in einer Wolke von wohlriechendem Rauch.
»Melpomene, Thalia und Euterpe, durch seinen plötzlichen Abschied
bestürzt, scheinen mit einander Abrede zu nehmen: endlich tritt,
nachdem sie ihn ganz aus den Augen verloren haben, Melpomene
[Mad. Seylerj vornen auf die Bühne.
Melpomene:
Mit schwerem, pochendem Herzen erschein ich hier
ln unser aller Namen bei Euch, Ihr Gönner, anzufragen,
Ob’s nicht zu frevelhaft ist, wenn wir
Mit der schmeichlerischen Hoffnung uns tragen,
Als hielt Ihr ’s der Mühe werth, unsre Beschützer zu sein?
Bisher zwar seid I h r ’s ungebeten gewesen,
Mit wärmstem Dank erkennen wir’s! — allein
Wie nun? — Darf ich getrost in Euren Mienen lesen?
Zerstreut kein kalter, missvergnügter Blick
Den süssen Wahn, das schon geträumte Glück?
367
Kann ich mit Eurer fernem Huld mir schmeicheln? —
Wer schweigt, bejaht! — und heucheln
Ist Eure Sache ja nicht! — Nehmt Ihr Apoll’s Vermächtniss an?
0 so lest in dieser Freuden thräne,
Was die durch Euren Schutz beglückte Melpomene
Nur fühlen, nicht beschreiben kann !
(Sie geht mit ihrem Gefolge ab.)«
Dass Madame Seyler ihre ganze Kunst aufbieten musste, um
wenigstens diesen trockenen Versen einigermassen Klang und Schwung
zu verleihen, dürfte aus der obigen Probe hinreichend hervorgehen.
Ueberhaupt ist der grosse Erfolg, welchen dieser allegorische Prolog
in Frankfurt erlebte, hauptsächlich den Darstellern zuzuschreiben,
die, um mit Lessing’s berühmten Worten zu reden, »für den Dichter
dachten, wo ihm etwas Menschliches widerfahren war«.
Es ist ein eigentümliches Merkmal für das immer noch sehr
von der Gnade der Bevölkerung abhängige Ansehen der Schauspiel¬
kunst, dass eine künstlerisch und gesellschaftlich hochgeachtete Truppe
wie die Seyler’sche von der damals feststehenden Sitte der poetischen
»Ankunfts- und Abgangs-Bittgesuche« nicht abweichen durfte. Wie
sehr aber das »nach Standes-Gebühr geehrte Publikum Frankfurts«
an solche Huldigungen gewöhnt war, möchte noch eine Stelle aus
Wagner ’s Festspiel hinreichend beweisen.
Der scheidende Apollo hat den Musen erklärt, dass ein andrer
Weltteil seine Gegenwart erfordere, dass er dorthin eilen müsse,
um durch die Zaubertöne seiner Flöte die aufgeregten Gemüter zu
besänftigen. Bevor er nun den Musen den Tempel zeigt, der ihre
spätere Heimstätte sein soll und dessen Hauptsäulen mit dem Wappen
Frankfurts und mit der leuchtenden Inschrift geziert sind : Senatus
Populusque Frankofurtensis, Musarum Patroni, fragt Melpomene ihren
Führer :
»Ein Wort, Apoll! eh den geweihten
Säulen wir uns nahn ; —
Wo sind die Grazien dann,
Die dich sonst immer begleiten?
Apolio :
Wo die Grazien sind? (nimmt sie bei der Hand und führt sie
ganz vornen auf die Bühne) Sieh hier ! — uns einen Scherz zu
bereiten, haben sie sich unter die Zuschauer versteckt : wenn ich ihre
Bescheidenheit nicht schonte, könnte ich dir jede mit Fingern weisen.
Melpomene (gegen die Zuschauerinnen) :
Verzeiht der übereilten Frage; zur Unzeit tliat ich sie:
Ich fühl’s, gesteh’s, bereu’ es ohne Müh’.«
Solcher schmeichelhaften Anspielungen, deren beifällige Auf¬
nahme heute unbegreiflich erscheint, finden sich noch mehrere in dem
368
Festspiel »Apoll’s Abschied von den Musen«. Der etwas bettelhafte
Anstrich, welchen dasselbe hierdurch erhielt, wird einigermassen
durch den vorgeschriebenen Prunk der Ausstattung gemildert, worin
allerdings das für die damalige Zeit Denkbarste geleistet worden sein
muss. Seyler soll kein grosser Freund von diesen gereimten Bitt¬
gesuchen gewesen sein und dem für ihn drückenden Gebrauch
wenigstens dadurch den Schein einer in Verse gebrachten Supplika¬
tion genommen haben, dass er den grössten Tlieil des Erlöses seiner
jedesmaligen letzten Vorstellungen den Armen der betreffenden Stadt
zu gute kommen liess.
Da der Besuch der Vorstellungen wenigstens in den letzten
Wochen seines hiesigen Aufenthaltes im Jahre 1777 sich einiger-
massen gesteigert hatte, suchte sich Seyler auch die Zulassung für
die beiden Messen des folgenden Jahres zu verschaffen, die ihm der
Rath auch sofort gewährte. Kurz vor dem Beginne der Ostermesse
1778 kehrte er deshalb mit seiner Truppe nach Frankfurt zurück,
wo man ihn jetzt schon mit ganz anderem Interesse erwartete, wie
bei seiner vorigen Ankunft. Er spielte noch zwei Wochen nach
dem Schluss der Ostermesse,505 eröffnete sein Theater schon wieder
14 Tage vor dem Anfang der Herbstmesse und kam um die Er¬
laub niss zur Fortsetzung seiner Vorstellungen bis Martini ein.
Der ihm wohlgesinnte Rath bewilligte nicht allein dieses Gesuch,
sondern erfüllte auch die weitere Bitte Seyler ’s, dass er in den bei¬
den Messen des folgenden Jahres wieder im Junghof seine Schau¬
bühne eröffnen dürfe.506
In der Herbstmesse 1778 scheint aber Seyler’s Einnahme
keineswegs der gehofften Erwartung entsprochen zu haben. Vielleicht
war hieran das wenige Auftreten seiner Gattin schuld, welche nach
einer schweren in Cöln überstandenen Krankheit in Frankfurt einen
leichten Rückfall bekommen hatte und deshalb nur selten auftreten
konnte, vielleicht sind aber auch die damals stattgehabten Koncerte
der berühmten und auch hier allgemein gefeierten Sängerin Mara
die Ursache des verminderten Theaterbesuchs. Die Leistungen dieser
grossen Künstlerin, deren Anwesenheit in Frankfurt besonders für
die vornehmen Kreise ein wichtiges Ereigniss gewesen zu sein
scheint, entzog dem Theater ohne Zweifel einen grossen Theil von
dem Interesse der Gebildeten, dessen es in seinem derzeitigen
Stadium gerade am wenigsten entbehren konnte.
Ein für den Besuch des Theaters und deshalb auch für den
financiellen Erfolg der jeweiligen Direktoren nachtheiliger Umstand
war die obrigkeitliche Anordnung, dass an Sonntagen nicht gespielt
werden dürfe. Schon Marchand hatte mehrmals eine Abänderung
zu erreichen versucht, aber es war ihm trotz einflussreicher Für¬
sprache nicht gelungen. Der Umstand, dass im August und Sep¬
tember 1778 oft die ersten Plätze unbesetzt blieben, lenkte Seyler’s
369
Aufmerksamkeit mehr auf dasjenige Publikum, welches durch die
Schliessung des Theaters am Sonntage gleichsam von dem Besuch
desselben ferngehalten wurde. Um nun diesem mehr Gelegenheit zu
geben, den Vorstellungen beiwohnen zu können, ersuchte Seyler den
Rath um die Erlaubniss, an den Mess-Sonntagen spielen zu dürfen,
welche Bitte ihm in Rücksicht auf seine vielen Ausgaben und ge¬
ringen Einnahmen sofort bewilligt wurde.507 Was Seyler’s Abgabe
an die Stadt betrifft, so war dieselbe der seines Vorgängers Marchand
vollständig gleich. Er zahlte für die Messzeit 200 fl., für eine
Woche vor dem Beginne der Messen 20 fl. und für jede nach Schluss
derselben 15 fl., eine Abgabe, die er begreiflicherweise schwerer
zu leisten vermochte als sein vom Publikum viel mehr begünstigter
Vorgänger. Auch aus diesem Grunde war wohl das obenerwähnte
Gesuch jedenfalls so dringend gehalten, dass die Väter der Stadt
an eine Abweisung gar nicht denken konnten. »Dass ich«, schrieb
er, »um mich des hiesigen Beifalls würdig zu zeigen, mir öfters
durch allzu grosse Kosten statt der gehofften Belohnung den grössten
Schaden zugefügt habe, werden Alle, die mich kennen, mir das
Zeugniss geben. Ich that, wenn ich das von mir selbst sagen darf,
viel für die Kunst und wenig für mich, alles aber in der schmeichel¬
haftesten Hoffnung, Frankfurt, das blühende Frankfurt, würde mich
thätiger als es bisher nicht immer geschehen ist, in meinen Be¬
mühungen unterstützen.«
Dann spricht auch Seyler die alte Klage wieder aus, dass er
einen zu beträchtlichen Zins abgeben und deshalb alle Mittel an¬
wenden müsse, um wenigstens seine wöchentlichen Ausgaben heraus¬
zubekommen. Nachdem er darauf die angegebene Bitte zum Ausdruck
gebracht hat, erinnert er daran, dass es überall in Deutschland, auch
in Leipzig Sitte sei, an den Messsonntagen zu spielen, dass die Schau¬
bühne bei ihrem gegenwärtig gereinigten Zustande die Feier des
Tages nicht mehr beflecken könne. Seyler versicherte — »da es
glücklicherweise jetzt an trefflichen dramatischen Werken den Deut¬
schen nicht mehr mangle« — nur ein gutes, moralisches Stück geben
zu wollen und erklärte sich ferner bereit, eine der erbetenen Vor¬
stellungen zum Besten der milden Stiftungen zu geben.
Seyler hatte sich nicht verrechnet; das Theater wurde an den
zwei betreffenden Messsonntagen so stark besucht, dass er den ge¬
habten Schaden wieder vollständig decken konnte. An den übrigen
freien Sonntagen seines hiesigen Aufenthaltes gab er in Mannheim
Vorstellungen, wo damals unter dem Schutze des Kurfürsten Karl
Theodor von der Pfalz die dramatische Kunst einer neuen Glanz¬
epoche entgegenging.
Da Seyler, dem bestehenden Gebrauch entsprechend, in den Frag-
und Anzeigungs-Nachrichten nur diejenigen Stücke ankündigte, welche
er zum Besten der milden Stiftungen und bei ganz besonderen
24
370
Anlässen gab, ausserdem, ungeachtet des gründlichsten Nachforschens,
nur einige vollständige und mehrere unvollständige Theaterzettel von
seiner Thätigkeit in und nach den beiden Messen 1778 und 1779 aus¬
findig zu machen waren, so kann aus dieser Zeit in Beilage Nr. XX
nur ein verhältnissmässig kleiner Theil seines Repertoires mitgetheilt
werden.
In diesem befanden sich aber, was für uns am wichtigsten
ist, Goethe’s »Götz von Berlichingen« und »Clavigo«, welche beiden
Stücke in Frankfurt mit ganz neuen Dekorationen und Kostümen in
Scene gegangen sein sollen. Die Hauptpartieen waren vortrefflich
besetzt, Borchers spielte den Gfötz; Opitz den WeisHngen; Gross-
mann den Liebetraut; Zuccarini den Franz, Weislingens Bube; Ma¬
dame Seyler die Adelheid von Walldorf; Madame Fiala die Marie
und Madame Neefe die Elisabeth. Auch alle anderen Rollen wurden
von den besten Yertretern gegeben. Nach einer Ueberlieferung er¬
regte aber Götz lange nicht das Aufsehen, wie es die hiesigen Ver¬
ehrer des Dichters erwartet hatten. Das Skizzenhafte der reichen
bunten Handlung, die Kürze der meisten Scenen, die wuchtige Zeich¬
nung der markigen, von allen anderen Bühnenfiguren abweichenden
Gestalten, Hessen jedenfalls auch hier die bisher doch meist an regel¬
mässige Stücke gewöhnten Zuschauer nicht zum ruhigen Gemessen
der Darstellung kommen. Vielleicht war aber auch an der wenig
freundHchen Aufnahme die beschränkte Bühne im Junghof schuld,
in deren engen Rahmen ein so grossartiges dramatisches Gemälde
durchaus nicht passen konnte.
Einen bei weitem grösseren Eifolg als Götz von BerHchingen
erlebte Clavigo, welches Trauerspiel Goethe bekanntlich im Sommer
1774 in seiner Vaterstadt in einem Zeitraum von acht Tagen ver¬
fasst hatte. Die knappe einfache Fabel, der rasche spannende Ver¬
lauf der Handlung und die leidenschafthche kräftige Sprache dieses
Stückes erregten die grösste Bewunderung und machten eine mehr¬
malige Aufführung desselben nöthig. Die Besetzung der HauptroHen
war ebenso vortrefflich wie die des Götz. Opitz spielte den Clavigo,
Grossmann den Carlos, Borchers den Beaumarchais, Madame Fiala
die Marie, und Madame Seyler die Sophie Guilbert, geb. Beaumarchais.
Die Aufführung von Shakespeare’s Macbeth in der Bearbeitung
von H. L. Wagner, welcher sich um den Fortschritt des hiesigen
Theaters nicht geringe Verdienste erworben hat, und die ebenfaHs
feststehende Darstellung eines Trauerspiels desselben »Evchen Hum-
brecht oder ihr Mütter merkt’s euch«, sind nächst den Aufführungen
von Goethe’s oben genannten dramatischen Werken für die Frank¬
furter Theatergeschichte zwei zu wichtige Ereignisse, als dass sie
nicht eine eingehende Besprechung finden soUten.
Im Frühjahr 1777 machte H. L. Wagner bei Friedrich Müller,
dem sogenannten Maler Müller, seinem Unmuth über die verständ-
371
nisslose Bearbeitung Luft, durch welche ein Theaterschriftsteller in
Wien, der jüngere Stephanie, Shakespeare’s Macbeth in ein wahres
Zerrbild umgewandelt habe.508 Wagner fasste deshalb den Entschluss,
diesem auf die Schaulust des Wiener Publikums berechneten Spe-
takelstück eine dem Original so gut als möglich entsprechende Be¬
arbeitung der englischen Tragödie gegenüber zu stellen. Er that
dies mit Zugrundelegung einer Uebersetzung des Stückes von Eschen¬
burg und lieferte der Seyler’schen Gesellschaft einen Macbeth, welcher
freilich seinem Original nicht im entferntesten gleich kam, aber doch
im Allgemeinen die Züge desselben an sich trug und bei welchem
jegliche »groteske Yerz errungen« vermieden worden waren. Obgleich
Schiller diese Bearbeitung Wagner’s in einem Briefe an Dalberg vom
15. Juli 1782 mit harten Worten tadelte, so bleibt sie doch ein
grosses literarisches Yerdienst. Wagner bereicherte dadurch das
Seyler’sche Repertoire mit einem werthvollen Stück und machte, was
für uns vor allem von Bedeutung ist, das Publikum seiner Vater¬
stadt mit einem der grössten Meisterwerke des englischen Genius
bekannt.
Wagner’s Bearbeitung, 1779 im Druck erschienen, wurde nach
einer Ankündigung in den »Frag- und Anzeigungs-Nachrichten«
am 16. und 24. April desselben Jahres sehr prächtig und unter
Trompeten- und Paukenschall von der Seyler’schen Gesellschaft in
Frankfurt vorgestellt. An einem Sonntag im April und am 22. Juni
1779 fanden weitere Aufführungen der Tragödie in Mannheim statt.
In beiden Städten spielte Borchers die Titelrolle, Madame Seyler
die Lady Macbeth, Opitz den Macduff und Madame Fiala die Lady
Macduff.
Wäre H. L. Wagner nicht schon kurz vor der Aufführung
seines letzten Bühnenwerkes in Frankfurt gestorben, so würde er bei
seinem lebhaften Interesse für das deutsche Theater und besonders
für die Bühne seiner Vaterstadt sicher noch näheres über diese
wichtige Vorstellung und manche andere Theaterereignisse veröffent¬
licht haben. Wegen Wagner’s frühem Tode — er starb 6. März 1779,
also im 33. Lebensjahre — sind aus den Jahren 1778 und 1779
so spärliche Mittheilungen über die Wirksamkeit der Seyler’schen
Gesellschaft in Frankfurt vorhanden, dass man hie und da gezwun¬
gen ist, die Quellennachrichten der Theatergeschichte anderer Städte
als Ergänzung dienen zu lassen. Auch in Hinsicht auf die Auffüh¬
rung des Macbeth in Frankfurt, deren, mit Ausnahme der oben er¬
wähnten Anzeige, weder in einem hiesigen Tagesblatt noch in den
Frankfurter Gelehrten- Anzeigen Erwähnung geschieht, müssen wir
die Mannheimer Theaternachrichten zu Hülfe nehmen.
Ueber die dortigen Darstellungen des Macbeth bemerken die¬
selben: »Madame Seyler erhielt grossen Beifall in der Scene, wo sie
im Traume das Blut von den Händen wischen will. Herr Borchers
24*
372
als Macbeth zeigte heute, dass er ein schlechter Fechter ist.« Diese
gerade nicht freundliche Bemerkung, mit welcher einzig der Leistung
des grossen Künstlers gedacht wird, dürfte einigermassen durch einen
Ausspruch Seyfried’s gemildert werden, der in einer späteren Beur-
theilung Borchers den Macbeth »trotz der schlechten Fechterei« als
eine seiner grossartigsten und tiefergreifendstgn Leistungen hinstellte.
Im Uebrigen mag das, was von den Mannheimer Vorstellungen
bekannt ist, auch für die Frankfurter Aufführung zutreffend sein.
Die Tragödie, welche dort reichen Beifall erndtete, wird in der Vater¬
stadt ihres kaum verstorbenen Bearbeiters bei so vortrefflicher Be¬
setzung der Hauptrollen sicher einen eben so grossen Erfolg errungen
haben. Schon die bald nach der ersten Darstellung des Macbeth
erfolgte Wiederholung dürfte einen einigermassen sicheren Beweis
für die beifällige Aufnahme der Wagner’schen Bearbeitung geben.
Das andere hier aufgeführte Stück Wagner’s »Evchen Hum-
brecht oder ihr Mütter merkt’s euch« ist unstreitig unter seinen
eignen Schöpfungen das bedeutendste Werk. Der Inhalt dieses das
Thema des Kindesmordes behandelnden Trauerspiels mag hier in
kurzen Umrissen skizzirt werden. Eva Humbrecht, die schöne un¬
schuldige Tochter des Metzgermeisters Humbrecht in Strassburg wird
auf eine teuflische Weise von dem bei ihren Eltern zur Miethe woh¬
nenden Lieutenant von Gröningseck verführt. Bald darauf empfindet
derselbe redliche Reue über seine schandbare Tkat, er spricht sich
gegen seinen Freund von Hasenpoth offen darüber aus, welcher aber
als böser Genius des Ersteren diese heftigen Gewissensbisse mit
frivolem Spott und verdächtigenden Anspielungen zu bekämpfen
sucht. Kurz nach dem Gespräch mit Hasenpoth tritt Gröningseck
eine Reise an, vor welcher er der von tausend Qualen gefolterten
Eva höchst liebevoll die Mittheilung macht, dass er nur den Urlaub
benutzen wolle, um seine Angelegenheiten zu ordnen und die Hei-
ratli mit ihr so viel als möglich zu beschleunigen. — Während der
zweimonatlichen Abwesenheit Gröningseck’s bringt aber Hasenpoth
Evchen durch einen gefälschten, scheinbar von ihrem Geliebten her¬
rührenden Brief, in welchem sie derselbe auffordert, Hasenpoth’s
Maitresse zu werden, in eine solche Verzweiflung, dass sie — die
ihre Schande nicht länger verbergen kann — heimlich das Vater¬
haus verlässt und in ihrer Noth bei einer Wäscherin, Frau Marthan,
Unterkunft sucht.
Inzwischen sind aber die Eltern der Entflohenen durch einen
ebenfalls gefälschten, an einen jungen Verwandten, den Magister
Humbrecht, gerichteten Brief über den Zustand der Tochter unter¬
richtet worden. In der ersten Wuth über die niederschmetternde
Kunde stösst Humbrecht, welcher als ein Bürger von altem Schrot
und Korn geschildert ist, die fürchterlichsten Drohungen gegen seine
373
Tochter aus, deren Verwirklichung aber durch die bereits erfolgte
Flucht derselben unmöglich geworden ist.
Bei der geschwätzigen Frau Marthan, die gar nicht weiss, wer
eigentlich unter ihrem Dache Schutz gesucht hat, giebt Evchen einem
Knaben das Leben. Als sie bald darauf Säugamme bei einem Kunde
der »Frau Funfzehnerin« werden soll, wird sie vorher gefragt, bei
wem sie bisher in Dienst gestanden habe. Stotternd bringt sie her¬
vor : beim Metzger Hiunbrecht, auf welchen Ausspruch ihr Frau
Marthan ausführlich erzählt, was sie von der Tochter desselben beim
Waschen gehört habe. Nachdem die geschwätzige Frau dem vor der
öffentlichen Schande bangenden unglücklichen Mädchen noch mit-
getheilt hat, dass sie des Humbrechts Tochter gestern aus dem Wasser
gezogen und ausserdem die Erinnerung an den Tod der vor Kummer
gestorbenen Mutter und die Erzählung eines anderen Schicksals ihr
zerrüttetes Gemüth noch mehr erschüttern mussten, gesteht Evclien
der Marthan, dass sie des Humbrecht Tochter sei und fordert jene
zugleich auf, sich die von demselben für eine Nachricht von ihr
ausgesetzten 100 Thlr. zu verdienen.
Kaum ist ihre Kostgeberin gegangen, als Eva in wildem Schmerz,
bald zärtlich, bald fluchend das Söhnchen des vermeintlichen falschen
Verführers an sich presst und ihm schliesslich in halbem Wahnsinn
eine Nadel in seine Schläfe drückt.
Noch wimmert das sterbende Kind, da erschallen eilige Schritte
auf dem Gang und der alte, noch zwischen Zorn und Vaterliebe
schwankende, aber doch zur Verzeihung geneigte Humbrecht stürzt
in’s Zimmer. Ihm folgt der Magister, welcher der Unglücklichen die
Freudenbotschaft bringt, die Briefe seien gefälscht und Gröningseck
nur durch eine schwere Krankheit so lange fern gehalten worden.
Aber für Evchen giebt es jetzt kein Glück mehr ; sie deutet auf den
verdeckten Leichnam ihres Söhnchens und antwortet in starrer Ver¬
zweiflung : »Mein Kind ist todt, todt durch mich«.
Der sofort auf die Anmeldung des Magisters herbeigeeilte
Gröningseck, welcher gerade zeitig genug kam, um das furchtbare
Geständniss seiner Geliebten mitanhören zu können, ist ebenso rath¬
los wie der Magister und der gebeugte Humbrecht, dem »plötzlich
die ganze Welt zu enge wird«.
Mittlerweile hat aber Frau Marthan, die ebenfalls das Bekennt¬
nis Evchens vernommen und ihres guten Rufes wegen grosse Angst
vor der Polizei hat, die betreffenden Beamten herbeigeholt, worauf
die Kindesmörderin sofort dem Gericht überantwortet wird.509
So wenig Gemeinsames auch das schlichte, nur von einem sen¬
timentalen Hauche angewehte Evchen Humbrecht mit der poetischen
Gestalt Gretchen’s im Faust haben mag, so lässt sich doch eine ge¬
wisse äussere Familienähnlichkeit zwischen beiden nicht verkennen.
Auch zeigt das Schicksal dieser zwei verführten Mädchen hie und da,
374
besonders aber in den letzten Akten eine so auffallende Ueberein-
stimmung, dass der Gedanke : Goethe und Wagner hätten einen und
denselben Stoff je nach ihrer dichterischen Kraft verschiedenartig
aufgefasst und bearbeitet, unmöglich fern bleiben kann. Und diese
Annahme ist keine trügerische Vermuthung; Goethe selbst giebt im
14. Buche von Wahrheit und Dichtung Aufschluss über die Ursache
der äusserlichen Aehnlichkeit seines Faust mit der Kindermörderin, wie
Wagner die Tragödie »Evchen Humbrecht« etc. anfangs betitelt hatte.
Nachdem er sich über Lenz ausgesprochen hat, fährt nämlich
Goethe in dem eben erwähnten Buche fort: »Vorübergehend will ich,
nur der Folge wegen, noch eines guten Gesellen gedenken, der, obgleich
von keinen ausserordentlichen Gaben, doch mitzählte. Er hiess Wag¬
ner, erst ein Glied der Strassburger, dann der Frankfurter Gesellschaft,
nicht ohne Geist, Talent und Unterricht. Er zeigte sich als ein
Strebender, und so war er willkommen. Auch hielt er treulich an
mir, und weil ich aus allem, was ich vorhatte, kein Geheim niss machte,
so erzählte ich ihm wie andern, meine Absicht mit Faust, besonders
die Katastrophe mit Gretchen. Er fasste das Sujet auf und benutzte es
für ein Trauerspiel: die Kindsmörderin. Es war das erstemal, dass
mir jemand etwas von meinen Vorsätzen wegschnappte; es verdross
mich, ohne dass ich’s ihm nachgetragen hätte.«
Inwieweit Goethe, der diesen Vorwurf beinahe ein Menschen¬
alter nach dem Erscheinen der Kindermörderin aussprach, trotz der
gewiss nicht zu rechtfertigenden Benutzung der Katastrophe aus Faust,
Kecht haben mochte, kann hier nicht entschieden werden, aber so
viel steht fest, dass Wagner kein gewöhnlicher literarischer Dieb ge¬
nannt werden darf. Da es ihm an eigener Gestaltungsgabe gebrach,
ahmte er nach, aber er gab dem von Goethe entlehnten Stoff manche
originelle Züge, er folgte bei dem streng bühnengerechten Aufbau
des Stückes so ausschliesslich seinem eigenen dramatischen Gefühl,
dass man — ganz abgesehen von der unendlich edleren Schöpfung
Goethe’s — ungeachtet einer hie und da auffallenden äusserlichen
Aehnlichkeit keine tieferen, vollständig übereinstimmenden Geisteszüge
in beiden Werken nachzuweisen vermag.
Ebenso wenig, wie Eva Humbrecht den poetischen Zauber des
Goethe’schen Gretchen ’s besitzt, kann man den titanisch angelegten
Faust mit Gröningseck vergleichen, dessen Charakter viel mehr Ge¬
meinsames mit'Clavigo, Mellefont, dem Prinzen in Emilia Galotti und
mit Weislingen hat. Auch Hasenpoth ist kein Mephisto; viel mehr
als dieser geistesmächtige Teufel mögen Marinelli in Emilia Galotti
und Carlos in Clavigo Modelle für seine Gestalt gewesen sein. Die
natürlichste und kräftigste Figur in Wagner’s Trauerspiel ist der
Metzger Humbrecht, für welchen im Faust nur Gretchen’s Bruder
Valentin als Gegenstück gelten könnte. Er ist ein Odoardo Galotti
im Bürgerkleide, dessen leicht überfluthendes Temperament einen
375
tiefen edlen Kern verbirgt. Auch besitzt er bei aller Strenge und
Derbheit jenen spottlustigen Humor, welcher meistens urwüchsigen,
acht volksthümlichen Persönlichkeiten auch im Unglück nicht aus¬
zugehen pflegt.
Schiller hat jedenfalls nach dem Verbilde des Metzger Hum-
brecht eine seiner wirksamsten und lebenswahrsten Gestalten, den
Musikus Müller, in »Kabale und Liebe« geschaffen.
Zur selben Zeit, in welcher Wagner die Briefe über die Sevler’sche
Gesellschaft schrieb, muss er ohne Zweifel die von ihm geforderte
Umarbeitung seiner Tragödie »die Kindermörderin« vorgenommen
haben. Er scheint sich nämlich in der Kritik vom 31. Mai 1777
in einer von ihm selbst »einen Seitensprung vom eigentlichen Thema«
genannten Stelle gleichsam gegen den ihm oft gemachten Vorwurf
zu verwahren, dass sein Stück anstössig und »nicht vor ehrlichen
Leuten vorstellbar sei.«
In dieser neuen Fassung kam das Trauerspiel unter dem bereits
erwähnten Titel im September 1778 und, wenn wir einer Ueberlieferung
glauben dürfen, auch in der Oster- und Herbstmesse 1779 in Frank¬
furt durch die Seyler’sche Gesellschaft zur Aufführung. ^
Wie das hiesige Publikum das Stück aufnahm, lässt sich leider
nicht sagen, da es aber mehrere höchst wirksame Scenen besitzt,
und die beliebte Madame Fiala die Titelrolle, Opitz den Gröningseck,
Möller den Metzger Humbrecht, Borchers den Hasenpot.h und Zucca-
rini den Magister spielte, so möchte man kaum bezweifeln, dass es
nicht einen bedeutenderen Eindruck gemacht haben sollte , denn
manches andere, damals auf die Frankfurter Bühne gekommene viel
schwächere dramatische Erzeugniss.
Vielleicht gab die gelungene Aufführung der sechsaktigen
Tragödie mit die Anregung zu den vielen Abhandlungen über das
Thema des Kindesmordes, welche 1778 und 79 theils in Form von
Zwiegesprächen, theils in Romanen und anderen Fassungen von meist
ungenannten Autoren hier am Orte erschienen. Auch in den schon
oft erwähnten Frankfurter Beiträgen findet sich in dem 42. -44. Stück
eine Abhandlung über die Verminderung des Kindesmordes, welche
in ihrem Verlauf hauptsächlich bürgerlichen Mädchen Warnungen
zu Theil werden lässt.
Ob am Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, wie
mehrmals berichtet worden, auch die »Reue nach der That«, ein an¬
deres sechsaktiges Trauerspiel von Wagner, hier aufgeführt wurde,
wagen wir nicht zu entscheiden. Grossmann bearbeitete dieses
Stück, dessen Tendenz von Schiller in Kabale und Liebe viel poetischer
behandelt ist, 1777 für die Seyler’sche Gesellschaft und gab ihm
den Titel »Der Familienstolz oder die Reue nach der That«. In dieser
Bearbeitung ist Wagner’s Werk auch in den ersten Jahren nach der
37(5
Eröffnung des neuen Schauspielhauses einige Mal zur Darstellung
gekommen.
Seyler hatte Recht, als er in einem Bittgesuch an den Frank¬
furter Rath die Behauptung aufstellte, an Stücken sei jetzt glück¬
licherweise kein Mangel mehr. Waren auch die meisten nach unseren
heutigen Begriffen nicht so vortrefflich als er damals annahm, so boten
sie der darstellenden Kunst doch unendlich höhere Aufgaben als die
dramatischen Erzeugnisse früherer Epochen. Ein neuer Frühling
war über die deutsche Nationalliteratur auf dem ihr von Lessing
eroberten Boden hereingebrochen. Es sprosste und grünte an allen
Enden, und wenn auch manche Eintagsblume, manch’ taube Bliithe
dazwischen emporwuchs : die Fülle der Erscheinungen erweckte des¬
halb doch den Glauben an Erlösung aus winterlichen Banden, an
eine durch die mannigfaltigsten Vorboten verkündete bessere Zukunft.
Die Originalgenies der Sturm- und Drangperiode erwählten sich
zwar die Bühne zum Vermittler ihrer regellosen abenteuerlichen
Phantasie-Gebilde , aber ihre Macht war doch nur vorübergehend,
bald kamen grössere Meister, die sie aus dem Tempel der drama¬
tischen Kunst vertrieben und ihnen durch ihre Thaten zuriefen : »Nicht
alle, die den Thyrsos schwingen, sind wahrhaft auch des Gottes
voll«. Aber nicht allein das deutsche Drama trat in den siebziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts in eine bedeutungsvolle Entwick¬
lungsphase, auch die Oper erlebte durch Gluck’s epochemachende
Thätigkeit einen neuen Aufschwung, welcher durch ähnliche Ent¬
wicklungskämpfe angebahnt, von ähnlichen Grundgedanken aus
durchgeführt wurde.
Bald nachdem Seyler in der Herbstmesse 1779 zu spielen be¬
gonnen hatte, müssen ihn entweder schlechte Geschäfte oder sonstige
Umstände zahlungsunfähig gemacht und zum Niederlegen seiner
Direktion gezwungen haben. Im Rechnungshauptbuch der Stadt findet
sich keine geleistete Zahlung von ihm, statt dessen aber eine Abgabe
von 42 Gulden 40 Kreuzer eingetragen, die eine vereinigte Truppe
der Stadt für die Darstellung von acht verschiedenen Schauspielen
entrichtete. Dies war ohne Zweifel Seyler’s Gesellschaft, welche die
Vorstellungen auf eigene Kosten fortgesetzt haben wird. Um so mehr
erscheint diese Ansicht begründet, als am 1. Oktober 1779 die ver¬
einte Gesellschaft in den »Frag- und Anzeigungs-Nachrichten« eine
Aufführung des beliebten Lustspiels »Die Holländer« von Bock und
für den folgenden Tag eine Darstellung des von demselben Verfasser
für die deutsche Bühne bearbeiteten Meisterwerks »König Lear« an-
küjidigte. »Die Erhabenheit des Stückes, die Kraft des Dialogs, be¬
sonders aber die ausserordentliche Stärke der abwechselnden Leiden¬
schaften und die Verschiedenheit der seltenen Charaktere« werden sehr
angepriesen und schliesslich noch die Mittheilung hinzugefügt, dass
die Gesellschaft — »trotz ihrer verworrenen Situation« — zum Be-
weis der Hochachtung und des Dankes für das hiesige Publikum
das Stück erst diese Woche ganz neu einstudirt habe.
Seyler hatte viel für die Veredlung des Geschmackes und für
den Fortschritt der dramatischen Kunst in Frankfurt gethan; er war
in der That, was er mit berechtigtem Stolze von sich selbst
sagte: ein Direktor, welcher auch unter den misslichsten Verhält¬
nissen zuerst an die Kunst und zuletzt an sich selbst dachte. Als
er die mit den achtziger Jahren beginnende Glanzepoche des Frank¬
furter Theaters würdig eingeleitet, als er kaum die ersten künst¬
lerischen Erfolge seines redlichen Strebens errungen hatte, ging seine
Aufgabe auf die ehemaligen Mitglieder seiner Truppe: Grossmann
und Hellmuth den älteren über, die schon Ende des Jahres
1778 abgegangen waren und 1779 im Aufträge des Kurfürsten
Maximilian von Cöln, gleich nach der Auflösung der Seyler’schen
Gesellschaft, eine eigene Truppe gegründet hatten. Einige der Schau¬
spieler und Schauspielerinnen traten in den neuen Verband, ein klei¬
nerer Theil, darunter Seyler’s Gattin und das Ehepaar Toskani, wurde
Mitglieder des unter der Intendantur des Freiherrn von Dalberg neu
errichteten Mannheimer National theaters und der grösste Theil suchte
sich anderswo eine günstige Stellung.
Die Schilderung der Kunstthätigkeit Seyler’s in Frankfurt soll
nicht ohne die Mittheilung beendigt werden, dass Seyler, wie früher
Marchand, durch eine strenge Oberaufsicht und durch sein feines
Auftreten für seine Truppe auch bürgerliches Ansehen zu erwerben
wusste. Das Verhältniss der Seyler’schen Künstler und Künstlerin¬
nen zur Frankfurter Gesellschaft muss ein in jeder Beziehung gutes
gewesen sein. Man lud die ersten Mitglieder nicht allein in die
öffentlichen Cirkel, sie traten auch in den engeren Kreis des Fa¬
milienlebens ein und wurden von dem grössten Theil der Gebildeten
ganz besonders ausgezeichnet. So waren Grossmann und seine Frau
mit der Frau Rath Goethe auf das herzlichste befreundet, und auch
die Ehepaare Seyler, Borchers, Hellmuth und Opitz in verschiedenen
der angesehensten Frankfurter Familien eingeführt. Eine solche, das
alte Vorurtheil gegen den Schauspielerstand hintansetzende Aus¬
zeichnung war gewiss nicht hoch genug anzuschlagen in einem
Augenblick, in welchem die letzten Angriffe gegen den in verschie¬
denen Verhandlungen der städtischen Behörden ernstlich erwogenen
Bau eines ständigen Komödienhauses unternommen wurden.
Neben Seyler spielten ausser der Messzeit noch verschiedene,
weniger beedeutende Wanderprincipale am Ende der siebziger
Jahre in Frankfurt. Zuerst der Königlich Preussische Tänzer
Blache, welcher wegen des ausgebrochenen Krieges (Bayerischer
Erbfolgekrieg 1778 — 1779) trotz seiner 28jährigen Thätigkeit aus
Berlin vertrieben worden war und am 22. October 1778 vom Rathe
die Erlaubniss erhalten hatte, mit seinen vier Kindern an Tagen, wo
378
keine Komödie abgehalten würde, zwei pantomimische Vorstellungen
geben zu dürfen.510 Das älteste der vier Kinder, ein noch nicht
13 Jahre altes Mädchen, trug selbst die Programme zu der Vor¬
stellung umher, was wohl sehr viel zu ihrem zahlreichen Besuch
beigetragen haben mag. Dieselben waren französisch abgefasst und
mit der gross gedruckten Einladung versehen:
»Nous ne sommes qne des Enfans,
Nos timides efForts en sont un temoignage;
Mais ni l’esprit ne croit qu’avec le temps,
Le coeur est le meme ä tout äge;
Pour meriter les applaudissements,
Dont nous comble votre indulgence,
Nous aurons quelque jour un peu plus de talens,
Mais nous n’aurons jamais plus de reconnaissance !«
Blache hatte mit seinen Kindern Frankfurt noch nicht wieder
verlassen, als ein anderer W an derprin cipal, Felix Berner, mit einer
aus sehr jungen Leuten und Kindern bestehenden Truppe den Rath
ebenfalls um die sofort gewährte Erlaubniss anging, auf der Durch¬
reise einige Vorstellungen geben zu dürfen.511 Berner wurde bei
seinem Unternehmen von dem Gedanken geleitet, dass eine bereits
in frühester Jugend ausgeübte Thätigkeit in dem späteren Beruf
eines Menschen mehr als ein gut Theil Genie ausmache und beson¬
ders die Laufbahn eines zukünftigen Schauspielers und Sängers
ausserordentlich erleichtern könne. Er gründete deshalb eine Pflanz¬
schule für solche Kinder, welche später diesen Beruf erwählen woll¬
ten, reiste mit seinen Zöglingen hauptsächlich in Süddeutschland, in
der Schweiz und in Ungarn umher und erntete überall durch das
sichere Auftreten seiner Schüler den grössten Beifall.
Am 27. October 1778 veröffentlichte Berner in den »Frag- und
Anzeigungs-Nachrichten« folgende Anzeige:
»Mit gnädigster Erlaubniss Eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats, wird die Deutsche Gesellschaft j unger Schau¬
spieler, unter der Direction des Herrn Berners, bei ihrer Durch¬
reise die Ehre haben, Freitags den 29ten dieses ihren Schauplatz
[wo, unbekannt] zum erstenmale zu eröffnen und während ihres
kurzen Aufenthaltes sich beeifern, Gönner und Freunde der Bühne
auf eine Art zu vergnügen suchen, die um so lebhafter sein wird,
je unerwarteter und neu sie ist. Stücke von der besten Gattung ;
Operetten, die sowohl Ohr als Herz hinreissen ; Musik von den
grössten Tonkünstlern; Ballets, welche auch auf den berühmtesten
Theaters ohne Nachtheil aufgeführt werden könnten; Decorationen
und Auszierungen sollen dieses Vergnügen wiircken. Ueberhaupt
wird diese Gesellschaft keine Mühe sparen, den Beifall, womit sie
überall aufgenommen worden, auch hier zu verdienen.«
379
So weit es sich feststellen lässt, gab Berner folgende, in den
»Frag- und Anzeigungs-Nachrichten« angekündigte Hauptstücke, denen
meistens ein pantomimisches Ballet vorausging und auch nach¬
folgte :
»Der Deserteur«, eine Oper aus dem Französischen des Herrn
Sedaine, die Musik ist von Herrn Gretrv.
Ein ganz neues Singspiel mit deutscher Musik, genannt »Die
z weymal geschlossene Verbindung«.
»Der blinde Lärm oder das Gespenst auf dem Lande«, eine
komische Oper mit deutscher Musik.
Dass die künstlerischen und finanziellen Erfolge der Berner’-
schen Kindertruppe in Frankfurt nicht geringer gewesen sein kön¬
nen, als in vielen süddeutschen Städten, dürfte einestheils die ziem¬
lich hohe Abgabe von 15 fl. bestätigen, welche der Direktor am
Schluss der Vorstellungen ohne den geringsten Widerspruch ent¬
richtete, anderntheils aus folgender, am 13. November 1778 in den
»Frag- und Anzeigungs-Nachrichten« veröffentlichten Annonce hervor¬
gehen :
»Zur schuldigen Dankbarkeit vor die genossene Huld und Gnade
wird heute Freitags den 13ten November, unter Trompeten- und
Paukenschall : Die zum Danke aufgemunderte kleine Thalia, in einer
Vorrede in Versen, und einem neuen Ballete: Die geprüfte Treue,
welchem anbei gegeben : Eine grosse wohl angebrachte Illumination,
von 300 Lampen. Einem Hochedlen und Hochweisen Magistrat, und
einem gesammten, nach Standes- Gebühr geehrten Publico der Kaiser¬
lich Freien Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Frankfurt am Mayn,
in schuldigster Ehrfurcht dargebracht von der Berner’schen jungen
Schauspieler-Gesellschaft. Hierauf folget ein Schauspiel in Versen
und einem Aufzuge, genannt: Der Einsame von Stand. Dann aber:
Die Jugend im Bauernhause, ein Singspiel in einem Aufzuge. Den
Beschluss macht ein grosses pantomimisches Ballet: Themire und
Thyrsis, oder : die singende Treue. Morgen wird also die Bühne ge¬
schlossen : mit wohl ausgearbeiteten Stücken und einem neu dahier
verfertigten grossen Ballet: bei dieser letzten Vorstellung wird der
Directeur den Gönnern der Schaubühne zwei silberne Denkmünzen,
eine von 6xj2 Loth, die andere von 3 \ Loth schwer, nebst einem
Lamme zum Abschiede Preiss geben. Es wird nemlich einem jeden
bei dem Eingang ein Numro gegeben, und so viele Nummern als
Zuschauer zugegen, kommen in ein Gefäss; am Ende des Lustspiels
und Ballets werden von unserer kleinen Tänzerin drei Nummern aus
dem Gefäss gezogen. Wer nun das erste Numero hat, bekommt das
erste Schaustück, das zweite das andere Schaustück, das dritte Numero
das Lamm.«
Die Sitte, gleichzeitig mit den Vorstellungen eine Lotterie zu
veranstalten und eine schöne Schauspielerin die Fortuna spielen zu
380
lassen, war bei vielen, allerdings nicht gerade den bedeutenderen
Wandertruppen in jener Zeit ein stehender Gebrauch, durch welchen
man dem Publikum das Theater doppelt anziehend zu machen suchte.
Im December 1778 wurde auch der Neuhaus-Hartmann’schon
Truppe, welche damals in der Nähe, jedenfalls in Hanau, spielte,
vom Käthe gestattet, in der Zwischenzeit von Neujahr bis Fastnacht
1779 wöchentlich zwei, zusammen acht Vorstellungen geben zu
dürfen.512 Am 29. December 1778 machten die Direktoren die
ihnen gewordene Erlaubniss in den »Frag- und Anzeigungs-Nachrich¬
ten« öffentlich bekannt und offerirten für die acht abzuhaltenden
Repräsentationen ein beliebiges Abonnement für einen alten halben
Louisd’or. Alles Weitere konnte man bei dem Herrn Sergeanten
Sprenckel, wohnhaft auf der kleinen Gallengasse, erfahren. Derselbe
hat beinahe zwanzig Jahre lang für fast alle der hier auftretenden
Wanderprincipale die verschiedensten Geschäfte besorgt.
Die Neuhaus-Hartmann’sche Schauspieler-Gesellschaft benutzte
zum ersten Mal den Koncertsaal des Rothen Hauses, eines grossen
Gasthofes, welcher auf der Stelle der heutigen Hauptpost stand, zu
ihren Vorstellungen. Sie führte in der angegebenen Zeit folgende
Trauer-, Schau-, Lust- und Singspiele auf:
»Ines de Castro« aus dem Französischen des de la Motte.
»Hamlet« (mit der Todtengräberscene).
»Rache für Rache«, Lustspiel in vier Aufzügen von Doktor
Wetzel aus Hamburg.
»Die Nebenbuhler«, Hamburgisches Preis-Lustspiel.
»Der Jurist und der Bauer«, Lustspiel von Rautenstrauch.
»Das Milchmädchen und die beyden Jäger«] komische Operette.
»Der Fassbinder«, komische Operette.
Die Neuhaus-Hartmann’sche Gesellschaft hatte aber in Frank¬
furt lange nicht den Beifall wie die Berner’sche Kindertruppe. Wegen
schwacher Betheiligung von Seiten des Publikums konnte die letzte
der acht projektirten Aufführungen gar nicht stattfinden, und die Direk¬
toren vermochten nicht die angesetzten 15 fl. Abgabe für jeden Spiel¬
abend, sondern nur 5 fl. an das Rechneiamt zu entrichten. Von
dem Personal dieser Gesellschaft, deren künstlerische Bedeutung
allerdings nicht im entferntesten derjenigen der Seyler’schen gleich¬
kam, werde hier nur die Gattin des Direktors Hartmann, Elisabeth
Clara, geborene Pilotti, namhaft gemacht, welche sowohl im Schau¬
spiel als auch in den Operetten die ersten Rollen mit gleicher
Tüchtigkeit spielte und sang. Die Direktoren Neuhaus und Hart¬
mann überreichten mit ihrer Bittschrift dem Rath ein gedrucktes
Repertoire der von ihnen in Hanau, Wetzlar und in anderen Städten
bereits gegebenen Stücke, welches wir als Beilage Nr. XXI haupt¬
sächlich deshalb anfügen, weil es nicht allein genügende Auskunft
381
über die damals gern gesehenen Trauer-, Schau- und Lustspiele,
sondern auch über die beliebtesten Operetten und Singstücke giebt.
In diesem Abschnitt der Frankfurter Theatergeschichte wäre
nun noch schliesslich die am 12. Juli 1779 im Komödiensaal zum
Junghof aufgeführte italienische Opera Buffa : II matrimonio per-
intresse (die eigenützige Liebe) zu erwähnen, welche ihr Komponist,
der Kapellmeister Ferety aus Rom, zum ersten Male in Frankfurt
zur Darstellung brachte. Die Preise waren dieselben wie bei den
Seyler’schen Vorstellungen (Siehe die Theaterzettel unter Beilage
Kr. XX) ; Ferety 's Abgabe an die Stadt betrug nur 2 fl. 43 kr.
Wenn man die theatralischen Ereignisse in Frankfurt während
der letzten zehn Jahre überblickt, so bemerkt man an den der Schau¬
spielkunst gemachten Zugeständnissen einen sichtlichen Fortschritt in
der Erkenntniss von ihrer Bedeutung und ihrem mächtigen Einfluss
auf die Gemüther. Jene Epoche war längst überwunden, in welcher
die Geistlichkeit mit Recht vor den für sinnreiche Witze gehaltenen
sittenverderbenden Zoten und Possen warnen musste ; unter der Lei¬
tung einsichtsvoller Führer war auch die hiesige Schaubühne mitt¬
lerweile eine Stätte geworden, wo die Gebildeten ebensoviel geistige
Anregung als erhebenden Genuss zu suchen pflegten. Aber Avie in
der allgemeinen deutschen Theatergeschichte jeder grosse Fortschritt
von solchen Führern angebahnt wurde, welche die Verwirklichung
ihrer besseren künstlerischen Ideen oft mit dem Scheitern des eignen
Glückes bezahlen mussten, so ist auch das von der dramatischen
Kunst in Frankfurt in den siebziger Jahren des vorigen Säkulums
errungene Resultat hauptsächlich dem Wirken Seyler’s zu verdanken,
Avelcher — es muss am Schluss dieses Abschnittes nochmals aner¬
kannt werden — mit Hintansetzung seiner eignen Wohlfahrt gegen
die herrschende Geschmacksrichtung tapfer zu Felde zog und der
deutschen Dichtkunst dadurch auch auf der hiesigen Bühne den ihr
gebührenden Ehrenplatz anwies.
Die letzten Wanderjalire der Bühne in Frankfurt.
»Es kann nicht anders sein, von nun an wird Frankfurt, wie
die nordische Republik Hamburg, immer mehr eine Warte der Kunst
werden ; stolz wird sie heute und in künftigen Tagen ausschaun in’s
weite Reich und allen Hütern zu Ehr und Ruhm verhelfen, welche
eine Zeit lang mit ihren Genossen nach guter deutscher Art die
Wacht darin halten und auch ein Scherflein zur Verherrlichung ihres
Hamens beitragen durften.« Mit diesem prophetischen Ausspruch,
welchen der Direktor Grossmann in einer Bittschrift an den Rath
Frankfurts that, als er sich um die Ehre bewarb, das neu erbaute
Komödienhaus mit seiner Truppe eröffnen zu dürfen: mit ihm be¬
ginnen wir die Epoche der Frankfurter Theatergeschichte, welche
durch die endliche Errichtung einer ständigen Bühne ihren rühm¬
lichen Abschluss finden sollte.
Unter den vielen um Zulassung für die Ostermesse 1780 ein¬
kommenden Schauspieler-Truppen hatte die Kurpfälzische Gesell¬
schaft auf besondere Empfehlung verschiedener einflussreicher Per¬
sönlichkeiten den Vorzug erhalten. Im Februar 1780 machte
der Intendant des Mannheimer Nationaltheaters, Freiherr von Dalberg
jedoch dem älteren Bürgermeister von Frankfurt die Mittheilung,
dass die Kurpfälzische Gesellschaft verhindert sei, zur Ostermesse
kommen zu können, aber statt dessen um die Erlaubniss bitte, ihre
Bühne während der Herbstmesse hier eröffnen zu dürfen.513 Der
Rath nahm die angegebenen Entschuldigungsgründe an, behielt sich
aber in einem Antwortschreiben vor, seine Erklärung wegen der
Erlaubniss für die Herbstmesse zu gelegnerer Zeit abzugeben und
bewilligte in derselben Senatssitzung das Gesuch der Direktoren der
Kurcölnischen Gesellschaft, Grossmann und Hellmuth, welche sich
nochmals um die Zulassung für die Ostermesse 1780 beworben
hatten.514
Schon an einer früheren Stelle wurde erwähnt, dass viele Mit¬
glieder der Seyler’schen Truppe in den Verband der 1779 gegrün¬
deten Kurcölnischen Gesellschaft übergegangen waren, weshalb hier
nur die neu hinzugekommnen Künstler und Künstlerinnen besprochen
383
werden sollen. Hierbei folgen wir den Mittheilungen einer Ab¬
handlung in den »Frankfurter Beiträgen zur Ausbreitung nützlicher
Künste und Wissenschaften«, deren ebenso verständnisvoller als ge¬
rechter Verfasser jedenfalls nach eigenem Anschauen die Mitglieder
der oben genannten Truppe richtiger beurtheilt hat, als es ein Nach¬
lebender mit Hülfe der besten späteren Aufzeichnungen zu tliun
vermöchte.515
Von Madame Neefe, der Gattin des Kapellmeisters, welche nur
dann und wann einmal als Gast der Seyler’schen Gesellschaft in
Frankfurt, besonders aber in den siebziger Jahren viel in hiesigen
Koncerten aufgetreten war, schreibt der Kritiker Folgendes : »Sie be¬
sitzt eine volltönende Stimme, ihr Vortrag ist sicher und ausdrückend;
das Cantabile gelingt ihr besser als das Allegro. Sie hat viele Ein¬
sichten in die Musik, trifft meistentheils alles vom Blatt weg, spielt
das Klavier, und das mit nicht geringer Fertigkeit. Sie widmet sich
jetzt mehr den zärtlichen Mütterrollen im Schauspiel, als den Singer¬
rollen in den Operetten. Auffallend war es uns, als wir einmal irgend¬
wo lasen, dass sie eine steife Figur auf dem Theater vorstelle : freilich
sind junge zärtliche Mädchen ihr Fach nicht, aber doch mehr zärtliche
Mütter. Wer sieht sie nicht mit Beifall als Frau von Capeilet , als
Aebtissin, als Marquise in der Julie? Als Königin sehen wir sie
nicht gerne.«
Madame Fiala, deren grosses Talent für Rollen wie Ariadne,
Ophelia [Hamlet], Blanka | Julius von Tarent] und Marie [ClavigoJ
auch der Verfasser der genannten Abhandlung anerkannte, war noch
immer im Besitz ihres alten Faches. Als zweite Liebhaberin war
nicht lange vor der Abreise der Gesellschaft von Bonn nach Frank¬
furt die jugendliche Madame Gensike engagirt worden, auf welche
die hiesigen Theaterfreunde durch die äusserst günstigen Mittheilungen
über ihr grosses Talent in den »Bonner dramaturgischen Nachrichten«
und ihr ebenfalls im zweiten Stück dieser Zeitschrift aus dem Jahre
1780 erschienenes Porträt sehr gespannt waren. Wie wenig aber
(he verhältnissmässig erst sehr kurze Zeit bei der Bühne thätige junge,
schöne Frau das ihr in Bonn so reichlich zu Theil gewordene Lob ihrer
Verehrer verdiente, dürfte folgende ruhig gehaltene Beurtheilung des
Frankfurter Kritikers hinreichend bezeugen:
»Für diese Schauspielerin [Madame Gensike] waren wir im
Voraus sehr eingenommen; die Bonner dramaturgischen
Nachrichten sagten so viel Gutes von ihr , dass wir kaum die
Zeit erwarten konnten, sie auf der Bühne zu sehen. Wir sahen sie,
und — wurden in unserer Erwartung sehr betrogen. Unmöglich können
wir ihr das Lob beilegen , welches ihr die dramaturgischen
Nachrichten beigelegt haben. Die meisten Rollen spielte sie kaum
mittelmässig , und jede andere, die sie sich hätte wählen können,
würde sie nicht besser gespielt haben. Bei der Rolle des Grafen
384
von Kronenburg im Grafen von Walltron bemerkten wir erst, dass
sie sieb in eine Lage hineindenken kann. Ihr Anstand ist zu ge¬
zwungen, ihre Miene affektirt, ihre Deklamation sehr oft unrichtig,
ihre Gestus zu einfach, immer die Arme verschränkt. Manchmal war
es ä propos, aber der Schauspieler muss sich keine Gestus angewöh¬
nen, er muss auch erfinderisch und unterhaltend sein, wenn der Zu¬
schauer nicht gähnen soll. In zärtlichen Rollen Avird sie nie etwas
leisten, wohl aber in ernsthaften, erhabenen Rollen, wenn sie sich
in dieselben hineindenken lernt; zudem hat sie durch ihre Person,
die auf der Bühne viel verspricht, vor manchen anderen schon vieles
voraus.«
Madame Gensike scheint aber die an ihrem Spiel gemachten
Ausstellungen nicht übersehen zu haben, vielmehr ernstlich bemüht
gewesen zu sein, ihre Fehler abzulegen. Wenigstens berichten spätere
Kritiken, dass sie im Verhältnis zu ihren früheren Leistungen grosse
Fortschritte gemacht und sich bestrebt habe, allen wohlgemeinten
Winken pünktlich Folge zu leisten. Besonders gelangen ihr solche
Rollen, in welchen Hoheit, edler Stolz und kühne Entschlossenheit
zum Ausdruck gebracht werden mussten.
Für die nicht aus der Seyler’schen Gesellschaft in den Verband
der Kurcölnischen Gesellschaft eingetretene Madame Josepha Hell¬
muth waren die Frauen Huber und Brand engagirt, welche freilich
der ersteren in ihren Leistungen nicht im entferntesten gleich kamen.
Madame Huber hatte eine reine, klangvolle, aber ungeschulte Stimme,
sie sang und spielte deshalb die Bauern- und Kammermädchen in
den Operetten und Lustspielen ganz vortrefflich, während ihr für ein
höheres Genre jedes Talent abging. In gewissem Sinne rivalisirte
mit ihrer Kollegin Huber Madame Brand, welche zur naiven Lieb¬
haberin wie geschaffen war. Sie besass eine angenehme Stimme,
spielte ebenfalls junge Bäuerinnen und Kammermädchen und wurde
zuweilen auch in dem Trauerspiel verwendet, in Avelchem sie aber
die ernsteste Rolle »so heiter und aufgeräumt durchführte, dass kein
Mensch an die Gewalt eines unerbittlichen Schicksals denken konnte.«
Franziska in »Minna von Barnhelm« und Laurette in »Wissenschaft
geht vor Schönheit«, [Lustspiel von Bock nach Goldoni] sollen ihre
Glanzrollen gewesen sein.
Mademoiselle Josephi, ein kaum sechzehnjähriges, schönes und
sehr begabtes Mädchen , spielte alle ersten Liebhaberinnen in der
Operette, aber, wie die Kritik wohl mit Recht meinte, etwas sehr
schülerhaft und gezwungen. Es fehlte ihr auch damals noch jene
Sicherheit im Auftreten, welche fünf Jahre später, als sich ihr Talent
in schönster Weise entfaltet hatte, von den strengsten Recensenten
rühmlichst hervorgehoben wurde.
Noch eine angehende Künstlerin befand sich bei der Kur¬
cölnischen Gesellschaft: Demoiselle Hartmann, die Schwester des
385
früher einmal erwähnten Wanderprincipals. Sie theilte sich mit Friede¬
rike Flittner, der Stieftochter Grossmann’s, in ganz jugendliche oder
Knabenrollen, welche aber auch dann und wann schon die noch im
Kindesalter stehende älteste Tochter des Direktors Hellmuth übernahm.
Einen Beweis für den vollständig freien und unabhängigen
Standpunkt des Verfassers der Abhandlung über die Kurcölnische
oder Grossmann-Hellmuth ’sche Schauspieler-Gesellschaft liefert folgende
Kritik, welche derselbe über die Gattin des Direktors Grossmann
schrieb : »Gemeiniglich geben die Direkteurs die glänzendsten Rollen
ihren Weibern, ob sie diesen gewachsen sind oder nicht, macht
ihnen weiter keine Sorge. Grossmann denkt anders : Er weiss, was
seine Frau leisten kann, und dass sie nicht den grössten Beifall er¬
hält. Es ist schade, dass eine solche Frau, die durch ihren Wuchs
und Anstand jeden Zuschauer zu ihrem Vortheil einnehmen könnte,
durch ihre Stimme so getäuscht wird. Dies weiss sie und betritt
aus dieser Ursache die Bühne sehr wenig. Hier trat sie nur in
Pygmalion und als Wilhelmine in den sechs Schüsseln auf.«
Von dem männlichen Personal wären besonders in der Operette
einige neue Mitglieder zu erwähnen. Erstens der ausgezeichnete
Tenorist Brand, welcher die ersten Liebhaberrollen spielte und be¬
sonders als »Alexis« im »Deserteur« gefiel, sodann der Bassist Josephi,
dessen starke metallische Stimme vom tiefen bis zum eingestriche¬
nen f reichte, und schliesslich der hauptsächlich in komischen Rollen
beliebte Tenorist Grose. »Martin« in der Operette »Julie«, »Bertram«
im »Deserteur« und »Pips« in »Trau, Schau, Wem ?« waren seine
Forcerollen.
»Herr Grose würde einer der besten Schauspieler im Fach der
komischen Alten sein«, berichtet die gedachte Kritik, »wenn er mehr
Fleiss anwendete, seine Rollen zu studiren, wozu ihm der Kopf
nicht fehlet. Allein da er dieses unterlässt, so werden seine Be¬
dienten zu einfach, sind alle über einen Schlag. Hier übertrifft ihn
Hellmuth [Direktor] sehr weit; denn dieser ist immer neu in seinem
Spiel. Im Trauerspiel sehen wir Herrn Grose gar nicht gern.«
Das Fach des Herrn Opitz, welcher seit 1780 nicht mehr jugend¬
liche, sondern erste Liebhaber und Helden, auch mitunter für den
abgegangenen Borchers Charakterrollen gab, hatte Herr Steiger, ein
junger, talentvoller Mann von stattlicher Aeusserlichkeit, übernom¬
men. Er spielte meistens zu rasch und feurig; wenn er sich aber
einigermassen beherrschte, hatte sein Spiel etwas sehr Sympathisches
und Fesselndes.
An Stelle der nicht in die Kurcölnische Gesellschaft eingetre¬
tenen ehemals Sevler’schen Schauspieler: Möller, Schietter, Hensel,
Dauer und Denner waren die Herren Diezel, Fendler, Ehrhard, Huber
und Zink getreten. Die ebenfalls erst neu hinzugekommenen Sänger
und Schauspieler Santorini und Steinmann scheinen für die bald nach
386
der Gründung der Gesellschaft mit ihren Frauen ausgetretenen Herren
Pöschel und Kirchhöfer engagirt gewesen zu sein.
Tanzende Mitglieder scheinen Grossmann und Hellmuth nicht
in dem Verbände ihrer Truppe gehabt zu haben, wenigstens wurden
solche in Frankfurt nicht beschäftigt. Hie und da findet man wohl
eine Pantomime zum Schluss einer Vorstellung angezeigt, die aber
stets von Kindern dargestellt und von dem Schauspieler Huber, welcher
auch die Stelle eines Theatermeisters inne hatte, im Scene gesetzt
worden ist. Als Nachspiel gaben die Direktoren meistens ein ein¬
aktiges Stückchen oder eine kleine Operette, deren Bestimmung
offenbar gewesen zu sein scheint, die Ballette oder pantomimischen
Tänze zu ersetzen. Hiernach wäre gerade keine haltlose Ver-
muthung, was in Theateralmanachen und sonstigen dramaturgischen
Blättern dann und wann ausgesprochen wurde : Grossmann, der sonst
mehr ein Mann von praktischen als idealen Principien war, habe das
Ballet als eine nur den Sinnenreiz und die Schaulust erregende,
aber den guten Geschmack verderbende Zuthat wenigstens in den
ersten Jahren seiner Direktion vom Repertoire ausgeschlossen. Gross¬
mann und Hellmuth leiteten die Regie ganz nach denselben Grund¬
sätzen wie ihr früherer Principal Abel Seyler. Sie berücksichtigten
zwar die Vorliebe der Frankfurter für französische Operetten etwas
mehr als der Letztere, aber die deutschen Trauer-, Schau- und Lustspiele
hatten deshalb doch in ihrem Repertoire den ersten Platz inne.
Am 28. März 1780 eröffnete die Kurcölnische Hof-Schauspieler-
gesellschaft im Komödiensaal zum Junghof ihre Vorstellungen mit
einem allegorisch - musikalischen Vorspiel »Die Ankunft« und dem
nachfolgenden Trauerspiel »Julius von Tarent« von Leisewitz, welches
berühmte Stück zum ersten Mal auf die Frankfurter Schaubühne kam.
ln den schon oft erwähnten Frankfurter Beiträgen zur Ausbreitung-
nützlicher Künste und Wissenschaften finden sich über die in der
Ostermesse 1780 stattgefundenen Vorstellungen fortlaufende Kritiken,
welche uns in den Stand setzen, wenigstens von dieser Kunstthätig-
keit der genannten Gesellschaft in Beilage Nummer XXII ein voll¬
ständiges Repertoire mittheilen zu können.
Leider erlebten die Frankfurter Beiträge, das erste hiesige Blatt,
in welchem die theatralischen Vorstellungen einer kritischen Be-
urtheilung unterzogen wurden, trotz ihrer Rücksichtnahme auf viele
Frankfurter Angelegenheiten und wissenschaftliche und künstlerische
Leistungen, das Ende des Jahres 1780 nicht.
Auch eine andere Zeitschrift, welche am 26. September 1780
in den »Frag- und Anzeige-Nachrichten« von ihrem Herausgeber
Kämpfe unter dem Titel »Frankfurter Dramaturgie« angekündigt wurde,
kam allem Anschein nach nicht über die ersten Bogen hinaus. Frei¬
lich war der Verfasser, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hatte,
»jede Vorstellung der Grossmann’schen und Hellmuth 'sehen Schau-
387
spieler-Gesellschaft nach seinem Gefühl und ohnpartheiisch zu be¬
rühren«, an diesem baldigen Scheitern seines Unternehmens selbst
schuld. Man wies ihm nämlich nicht allein die grössten Unrichtig¬
keiten im Styl, sondern auch grobe Schreibfehler und sonstige Irr-
thümer nach, welche gleich zur Genüge darthaten, dass Kämpfe nicht
die geringste Befähigung für sein Unternehmen mitbrachte.
Die in den Frankfurter Beiträgen enthaltenen Urtheile über
die aufgeführten Stücke und die Leistungen der Schauspieler zeichnen
sich vor den an den meisten Stellen schwülstigen Briefen Wagner’s
über die Seyler’sche Gesellschaft durch Bestimmtheit und Kürze
höchst vortheilhaft aus. Es wird in den einzelnen Kritiken weder
in übertriebener Weise gelobt, noch absprechend oder gar gehässig
getadelt. Jede Leistung erhielt eine ruhige objektive Beurtheilung,
welche um so mehr den Eindruck der Wahrheit macht, als sie sich
auf bestimmte dramaturgische Principien gründet und auch nicht die
geringste Beimischung individueller Vorliebe oder Abneigung auf¬
zuweisen hat. — Die Kritiken sind T — n unterzeichnet, wurden aber
ohne Zweifel von den theaterkundigen Herausgebern der Frankfurter
Beiträge : Philipp Jakob Rühl und Heinrich Wilhelm Seyfried selbst
verfasst.
Als eine Probe der besprochenen Recensionen möge hier die
Kritik über die Eröffnungsvorstellung der Kurcölnischen Gesellschaft
folgen , welche ohnehin als die erste in einem hiesigen Blatt er¬
schienene Theaterbeurtheilung für die Entwicklungsgeschichte der
dramatischen Kunst in Frankfurt von ganz besonderer Bedeutung ist.
»Dienstags den 28. März eröffnete zum ersten Mal die C h u r-
Cölnische Hof-Schauspieler-Gesellschaft unter der
Direktion der Herren Grossmann und Hellmuth mit Julius
von Tarent die hiesige Schaubühne. V or diesem Trauerspiel wurde
statt des Prologs ein artiges allegorisches Vorspiel in einem Aufzug,
die Ankunft betitelt, mit Arien und Chören gegeben. Die Personen
waren Apoll, Herr Opitz; Melpomene, Madame Fiala; Thalia,
Madame Grossmann; Euterpe Madame G e n s i k e ; der Schutzgeist
Frankfurts Mamselle Courta; Sänger und Sängerinnen. Ohngeachtet
die Idee nicht ganz neu war, so nahm sich dieses Vorspiel besonders
durch die Dekorationen sehr gut aus. Die ganze Schauspielergesell¬
schaft erschien auf dem Theater und empfahl sich. Herr Brand
und Madame Neefe sangen zum Willkommen eine Arie. Mamselle
Flittner und Mamselle Hellmuth, die erstere von 12 und die
andere von 7 Jahren, sangen ein Duett, für ihr Alter allerliebst. Die
Musik zu den Arien hatte Neefe, völlig dem Gegenstand angemessen,
gesetzt. Die Chöre fielen fürtrefflich in ’s Gehör.
Nach diesem Vorspiel folgte Julius von Tarent. Herr
Gross mann machte den Fürsten recht brav, natürlich, ohne Zwang,
und nicht überspannt. Nur war hauptsächlich in dem dritten Auf-
25*
388
zug in der ersten Scene, sein Affekt zu jugendlich, und er selbst
schien viel jünger als sein Bruder.
Herr Opitz machte den Julius. Wären mehrere Kenner
des Theaters dagewesen, so würde weniger gelacht und sein Spiel
mehr bewundert worden sein. Die Scene mit der Aebtissin und Blanka
gerieth ihm ohnstreitig am besten. Nur war anfänglich sein Feuer
etwas zu stark, und der Monolog im vierten Aufzug zu ruhig.
Herr Steiger den Gr u i d o. Gegen das Ende spielte er seine
Rolle besser als im Anfang, wo er seine Stimme zu stark angriff.
Herr Hellmuth den Erzbischof von Tarent. Wir finden
hier gar nichts zu erinnern, ausser was wir schon oben angeführt
haben, nämlich, dass er älter als sein Bruder schien.
Madame G e n s i k e die Gräfin C ä c i 1 i a. Sie dachte sich sehr
gut in ihre Rolle, und die Stelle, im zweiten Aufzug, sechsten Auf¬
tritt: Ihr Vater hat uns für einander bestimmt, gerieth
ihr ohnstreitig am besten.
Madame Fiala die Blanka. Ganz fürtrefflich, immer gleich,
unschuldig und zärtlich. Den vierten Auftritt im fünften Aufzug
machte sie meisterhaft. Nur war Blanka zu schön, sie sollte blässer
sein, die abzehrende Schwermuth mehr im Gesicht haben.
Herr D i e ze 1 den Graf Aspermonte. Mehr gut als schlecht.
Die Freundschaft drückte er etwas zu kalt aus. Die Stelle im vierten
Aufzug, sechsten Auftritt: Behalte deine Flüche für dich,
ich will mir selber schon fluchen, glückte ihm vorzüglich.
Aergerlich war es, als Aspermonte sich auf Julius Leichnam warf,
und zu Guido oberwähnte Worte sprach, dass das Publikum in
ein lautes Lachen ausbrach. Dieser Mangel an Fühlbarkeit verdiente
stärker hervorgezogen und gerügt zu werden, wenn er sich nicht
damit entschuldigen liesse, dass die meisten nicht wussten, warum
sie lachten.
Madame Neefe die Abtissin. Diese Rolle spielte sie sehr
gut ; hauptsächlich den ersten Auftritt im zweiten Aufzug.
Herr Gr ose machte den alten Bauer mit vieler Natur und
Gefühl.«516
Gegen die Zuschauer, welche bei ernsten Stellen lachen konn¬
ten, geht der Kritiker übrigens noch mehrmals tadelnd vor. Auch
verurtheilt er den Geschmack an französischen Operetten, »den«, wie
es in der Recension über die am 30. März 1780 aufgeführte schöne
Arsene heisst, »Marchand leider ! unserm Publikum beibrachte, Seyler
mit seinem Schaden zu vertreiben suchte, und Grossmann befriedigen
muss, wenn er nicht das Schauspielhaus leer sehen will«.
An die Aufführung von Julius von Tarent schliesst sich nun
noch eine Verhandlung an, deren Verlauf in drastischer Weise dar-
thut, wie abhängig das Theater damals noch von den individuellen
Ansichten einflussreicher Persönlichkeiten war und wie viel mehr man
38(J
die dramatische Kunst in Hinsicht auf die Darstellung einzuengen
beabsichtigte, als ihre freiwaltenden Schwestern, die Plastik und die
Malerei. Die Vorstellung von Julius von Tarent wurde von dem
kaiserlichen Gesandten von Roethlein besucht, welcher aber, weil der
in dem Stücke auftretende Bischof und die übrigen Geistlichen in
vollem Kirchenornat auf der Bühne erschienen, ein solches Aerger-
niss an der Aufführung nahm, dass er zuerst dem älteren Bürger¬
meister Fleischbein von Kleeberg seine Entrüstung mündlich aus¬
drückte und um die Einstellung der Komödie im Junghof bat. Als
aber der Bürgermeister den Direktoren nur eine schriftliche Recht¬
fertigung auferlegte und die Bitten Roethlein ’s nicht weiter berück¬
sichtigte, reichte dieser beim Rath eine lange Beschwerdeschrift gegen
Grossmann und Hellmuth ein. Roethlein gab in derselben zu be¬
denken, dass »ein Bischof oder Ertz-Bischof, ein in Hirarchiä Eccle-
siasticä respektabler Prälat nicht ohne öffentliche ärgernus in einem
Chor-Rock oder Stola mit einem Glass Wein in der Hand auf der
Schaubühne vorgestellet werden, noch weniger in seinem Ceremo-
niellen Kirchen-Omat als mit Staab, Inful und Pluvial auf dem
Theater gleich in einem Vauxhall herum spatzieren und damit lächer¬
lich gemacht werden könne.« Und ebensowenig, meint Roethlein,
liesse es sich mit dem Respekt vor dem Heiligen und mit den Regeln
der Ehrbarkeit vereinen, »dass man Nonnen in ihrem Ordenskleid vor
schändlicher Liebe rasend auftreten lasse und mit Küssen, ärger¬
lichen Umarmungen und andere dergleichen schändliche Frechheiten
entehrt« vorstelle. Roethlein, welcher die Aufführung als eine Be¬
leidigung der katholischen Kirche auffasste, berief sich sogar auf eine
Klausel des westphälischen Friedensschlusses, wonach keine Konfes¬
sion dulden dürfe, dass einer anderen tolerirten Religion Unbill
widerfahre und erinnerte daran, dass man höheren Orts nach vor¬
genommener Meldung einen solchen Vorfall sehr übel nehmen und
eine schwache Ahndung desselben als eine weitere Beschimpfung
des katholischen Glaubens auffassen werde.517
Bevor nun von dem weiteren Betreiben der Angelegenheit
durch Roethlein die Rede ist, soll erst angeführt werden, was die
Direktoren der Kurcölnischen Gesellschaft in der von Grossmann
verfassten Rechtfertigungsschrift zu ihrer Verteidigung vorbrachten.
Grossmann berichtete unter anderem Folgendes über die Gründe
zur Aufführung von Julius von Tarent. Er habe das Trauerspiel
nur gegeben, »weil solches an sich selbst ein vortreffliches Stück ist,
das Teutschland und dem Verfasser Ehre macht. Weil unseres
Wissens und Gewissens nichts Anstössiges wider Religion und Sitten,
welche uns als Christen und als Menschen heilig sind, darin ent¬
halten ist. Weil dieses Stück schon seit vier Jahren gedruckt ist,
öffentlich verkauft wird, und, so viel uns bekannt, an keinem Ort
der Welt verboten ist. Weil es an andern Orten, als Hamburg,
390
Berlin, Gotha u. s. w. ebenfalls aufgeführet wird. Weil Stücke ähn¬
lichen Inhalts und worinen geistliche Personen Vorkommen, als der
Galeerensclave, der Bischof von Lisieux, die Eroberung von Magde¬
burg, der Freigeist, Elfriede, Marianne und andere, welche in Frank¬
reich und in ganz Teutschland aufgeführet worden. Weil wir der
Meinung sind, dass ein Bischof so gut aufs Theater gebracht werden
könne, als Kaiser, Könige und Fürsten, und alsdann nur Aergerniss
gegeben wird, wenn der Geistliche in ein schlechtes Licht gestellt
ist. Dieses aber ist hier nicht der Fall, sondern er erscheint als
rechtschaffner Geistlicher, als ehrlicher Mann und als liebevoller
Bruder. Weil endlich das Theater (oder es müsste ein uns unbe¬
kanntes Verbot existiren) jeden Stand, den frömmsten und den recht¬
schaffensten Mann, so wie den abgefeimtesten Spitzbuben und den
grössten Schurken vorstellen darf, jenen zum Beispiel und zur Nach¬
ahmung, diesen zum Schrecken und zur Warnung« u. s. w.518
Diese Erklärung Grossmann’s wurde dem kaiserlichen Gesandten
von Roethlein in Abschrift zugeschickt, welcher aber durchaus nicht
mit der darin enthaltenen Rechtfertigung zufrieden war und sie sogar
»ein erbärmliches Komödiantengewäsche« nannte. Als auch auf seine
ausführliche Beschwerdeschrift nur den Direktoren mit einer Rüge
die fernere Auffiihrug des Stückes untersagt wurde, machte Roeth¬
lein, welcher eine bessere Genugthuung für die beleidigte katholische
Religion erwartet hatte, in Wien von dem Vorfall ausführliche An¬
zeige. Diese für den Rath höchst unangenehme Betreibung der
Sache hatte zur Folge, dass die Direktoren Grossmann und Hellmuth
nochmals wegen ihres Vergehens gegen die katholische Religion ver¬
warnt und bei ihrer Rückkehr in der Herbstmesse sehr ernstlich
ermahnt wurden, sich der Aufführung anstössiger und unschicklicher
Schauspiele zu enthalten. — So kam es, dass Julius von Tarent,
jenes vortreffliche Trauerspiel, welches Lessing sogar bei seinem Er¬
scheinen für ein Werk Goethe’s gehalten hatte, seit jener ersten Auf¬
führung bis zum Jahre 1786 nicht mehr auf der Frankfurter Bühne
zur Darstellung gelangte. Als das Stück in diesem Jahre wieder
gegeben werden sollte, forderte der kaiserliche Gesandte von Roeth¬
lein entweder dessen Verbot oder dessen Reinigung von den nach
seiner Ansicht die katholische Religion verletzenden Stellen. Aus
Rücksicht für den Kaiser musste dem letzteren Verlangen entsprochen
werden.
Dass aber der Rath schon im Jahre 1780 die Ansichten Roeth-
lein’s über Julius von Tarent keineswegs getheilt und den verklagten
Direktoren trotz den der Aufführuug nachfolgenden Unanehmlich-
keiten seine volle Gunst erhalten hatte, beweist die gleichzeitig mit
der ersten Rüge für die Herbstmesse 1780 ertheilte Erlaubniss.519
Auch unter den vielen Direktoren, welche sich um die Zulas¬
sung für die Ostermesse 1781 bewarben, erhielten Grossmann und
391
Hellmuth aufs Neue den Vorzug. Wie in den beiden vorigen Messen
spielten sie auch jetzt wieder im Komödiensaal zum Junghof und
zwar nach einer Mittheilung des »Frankfurter Staats-Ristretto« unter
solchem Beifall, dass man es deutlich merkte, das hiesige Publikum
war mittlerweile doch von dem leichten Getändel abgeleitet und dem
guten Geschmack an den Werken der deutschen Dichter und musi¬
kalischen Meister mehr und mehr zugeführt worden.
Da von der Wirksamkeit der Kurcölnischen Gesellschaft nur
der einzige in Beilage XXII veröffentlichte Theaterzettel aufzufinden
war und die Frankfurter Beiträge, wie schon früher erwähnt, im Jahre
1781 nicht fortgetetzt wurden, so können nur einige Vorstellungen
im Anschluss an das vollständige Repertoire aus der Ostermesse 1780
und zwar ebenfalls in Beilage Nr. XXI namhaft gemacht werden, welche
zum Besten der milden Stiftungen gegeben oder in den hiesigen
Blättern theils angezeigt, theils besprochen worden sind. Dass die
beiden Direktoren Grossmann und Hellmuth jedoch ihren bereits
früher geschilderten Kunststandpunkt nicht verlassen und um des
Erwerbes willen die deutsche Dicht- und Tonkunst keineswegs stief¬
mütterlich behandelt haben, dürfte aus der oben erwähnten Mitthei¬
lung des »Frankfurter Staats-Ristretto« und noch aus manchen andern
ebenfalls in hiesigen Zeitungen enthaltenen Bemerkungen über das
Wirken der Kurcölnischen Gesellschaft hinreichend hervorgehen. So
findet sich z. B. unterm 31. August 1780 in dem Staats-Ristretto
eine kurze Kritik, welche ihren Leistungen in der Herbstmesse des¬
selben Jahres die grösste Anerkennung zu Theil werden lässt.
Was den Direktoren Grossmann und Hellmuth ebenfalls hoch
angerechnet werden muss, ist die Rücksicht, welche sie auf die
Charakteristik der scenischen Bezeichnung und auf die Ueberein-
stimmung der Dekorationen mit den Requisiten nahmen. Grobe
Verstösse, wie sie auch auf der Frankfurter Bühne noch kaum
ein Decennium früher an der Tagesordnung waren, indem man ge¬
malte Eichen und Tannen noch für Palmen- oder Orangebäume
und eine mit groben Pinselstrichen hergestellte deutsche Burgruine
für das römische Capitol ausgab, kamen bei Grossmann und Hell¬
muth und auch bei ihrem hiesigen Vorgänger Seyler nicht mehr vor.
Weniger Günstiges lässt sich über die Kostüme der Kurcölni¬
schen Gesellschaft sagen, in welchen das Princip des Charaktjastischen
noch nicht gewahrt und eine Vermischung der antiken und mittelalter¬
lichen Tracht mit der modernen Kleidung noch nicht ausgeschlossen war.
So erschien Julie in »Romeo und Julie« von Weisse nach einer Kritik in
den Frankfurter Beiträgen anstatt in leichtem passendem Morgengewande
in vollem Staat und Frau von Capeilet anstatt in einem ihrem Alter und
der Zeit des Stückes angemessenen Trauerkleide ebenfalls in modernem
prächtigem Aufputz. Romeo, Capeilet, Benvoglio traten in spanischer
Tracht auf, der erstere sogar mit wallenden Federn auf dem Hut,
392
während es nach der Ansicht des Kritikers doch viel richtiger ge¬
wesen wäre, wenn er, wie früher auf dem Gothaischen Theater unter
Eckhofs Leitung und wie kürzlich auf der Mannheimer Bühne reise-
mässig und mit einem runden Hut, Oberrock und Hirschfänger
darüber dargestellt worden wäre. Auch wollte es dem Kritiker nicht
in den Sinn, dass Romeo gar zu sauber nach einer anstrengenden
Fussreise zu Julie in die Gruft trat, es erschien ihm natürlicher,
dass sein Anzug, wie in Gotha und Mannheim, etwas weniger glatt,
dass seine Stiefel mit Schmutz bespritzt seien.520
Derartige feine Winke, die auch noch in unserer Zeit der Be¬
herzigung werth sind, scheinen von Grossmann und Hellmuth weniger
berücksichtigt worden zu sein. Aber man wird ihnen dies Vergehen
gegen die Kostümtreue nicht so hoch anrechnen, wenn man bedenkt,
dass überhaupt erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, seit
Talma’s Kostümreformen in Paris , auch auf den deutschen Theatern
die treue Herstellung der verschiedenen Trachten in Schnitt und
Stoff allgemein Sitte wurde.
Um auf der engen Bühne im Komödiensaal zum Junghof
leichter grössere und kleinere Räume darstellen zu können, war auch
noch zu jener Zeit die aufrollbare Mittelwand gebräuchlich. Die
besonders im letzten Decennium gemachten Fortschritte in der Bühnen¬
einrichtung, welche in den Opern- und Schauspielhäusern so viel
zur Vervollkommnung der Darstellung beitrugen, konnten in dem
beschränkten Lokal zum Junghof noch keine Anwendung finden.
Auch in dieser Hinsicht war also die Gründung einer behaglichen
Wohnstätte für die dramatische Kunst in Frankfurt immer mehr zur
unerlässlichen Lebensbedingung geworden.
Wie der in Beilage No. XXII mitgetheilte Theaterzettel dar-
thut, waren die Preise für die Plätze und die Anfangszeit des Theaters
sich in den letzten zehn Jahren, wenigstens bei den besseren der
hier aufgetretenen Gesellschaften, vollständig gleich geblieben. Das
gleiche war mit dem sogenannten Standgeld der Fall, welches noch
immer 200 fl. für die Messzeit, 20 fl. für eine Spielwoche vor der¬
selben und 15 fl. für jede solche nachher betrug.
Viel weniger Künstler als Grossmann und Hellmuth war der
Direktor Johannes Böhm, welcher sich seit der Ostermesse 1779
mehrmals vergeblich um die Zulassung beworben und endlich auf
besondere Fürbitte des Kaiserlichen Gesandten, Grafen von Metternich,
vom Rath die Erlaubniss erhalten hatte, ebenfalls in der Herbstmesse
1780 seine Schaubühne hier eröffnen zu dürfen. 521 Böhm, welcher
sich den Deobald’schen Saal auf der grossen Bockenheimergasse
[spätere Harmonie] als Lokal erwählte, scheint aber erst in der letzten
Messwoche mit seinen Vorstellungen begonnen zu haben, wenigstens
liess sich keine frühere Ankündigung eines Stückes als vom 18.
September 1780 von ihm auffinden. Er ist der erste hier auftretende
393
Schauspieldirektor, welcher in einer hiesigen bedeutenden Zeitung,
in dem »Frankfurter Staats-Ristretto«, regelmässige Anzeige von seinen
Vorstellungen machte, weshalb es möglich ist, in Beilage No. XXIII
ein vollständiges Repertoire von seiner hiesigen Thätigkeit im Sep¬
tember, Oktober und November 1780 als Beleg für seine künst¬
lerische Wirksamkeit geben zu können. Theaterzettel von Böhm
waren nicht ausfindig zu machen, was aber nach Vorstehendem nicht
in Betracht kommen dürfte.
Die Hauptkraft des Direktors Johann Heinrich Böhm bestand
in der Aufführung von Sing- und Lustspielen mit nachfolgenden
Balletten. Die Pflege der ernsteren Stücke lag ihm in Frank¬
furt weit weniger am Herzen ; einestheils weil sie nicht so viel
Zuschauer wie die Operette verschaffte, anderntheils aber auch, weil
seine 47 Personen zählende Truppe für die letztere mehr geeignete
Kräfte aufzuweisen hatte. Hier sollen nur die hervorragendsten Mit¬
glieder derselben erwähnt werden. Die erste Sängerin, welche die
Partieen der Luise im »Deserteur« und die der Zemire in »Zemire
und Azor« gab, war Mamsell Jonasson, deren Organ weniger Um¬
fang als einen sympatischen Klang besass. Als zweite Liebhaberin
und erste Soubrette ist Madame Müller zu nennen , welche Rollen
wie Suschen im »Dorf barbier«, Lottchen in »Lottchen am Hofe« und
Lieschen in »Hänschen und Lieschen« ganz vortrefflich durchgeführt
haben soll. Im Singspiel und in der Oper wirkten noch Madame
Diestel und Madame Engst mit, deren Partieen jedoch wegen der
mangelnden Theaterzettel nicht genauer bestimmt werden können.
Einer Kritik im »Frankfurter Staats-Ristretto« zufolge muss die Letz¬
tere ältere Rollen im Singspiel, z. B. Mütter, Bäuerinnen und Hand¬
werkerfrauen, mit eigenartigem komischem Talent gegeben haben.
Als erster Liebhaber in der Operette und Oper glänzte Herr Grün¬
berg, der eiue ebenso vortreffliche Tenorstimme als schöne Aeusser-
lichkeit besass. Der erste Bassbuffo war Herr Stierle ; ein anderer
Sänger, Herr Brandt, scheint ebenfalls in diesem Fach thätig gewesen
zu sein.
Im Lustspiel that sich besonders die Tochter des Direktors,
Demoiselle Nanette Böhm, in naiven und zärtlichen Rollen, und
dessen Gattin, Madame Böhm, in jungen Wittwen- und Mütterrollen
hervor. Eine Madame Gallo hatte das Fach der sentimentalen Lieb¬
haberinnen und eine Madame Christel spielte mit mehr Glück zweite
Liebhaberinnen und Anstandsdamen als es Madame Gensike unter
der Direktion von Grossmann that.
Der erste Held und Liebhaber der Böhm’schen Gesellschaft
war Karl v. Trottberg, genannt Bielau, welcher aus dem Grunde
für die Geschichte des Frankfurter Theaters eine besondere Bedeu¬
tung hat, weil er später, am 19. November 1782, in der ersten
Aufführung von Schiller’s Räubern im neu erbauten Komödienhause
394
den Karl Moor mit hinreissendem Feuer und erschütternder Wahrheit
dargestellt hat. Charakter- und Chevaliersrollen spielte Herr Gallo ;
die Herren Müller und Schmitt waren im Lustspiel und in der
Operette als zweite Liebhaber thatig und ein Herr Rothe gab nach
dem Ausspruch eines Kritikers Heldenväter und ältere Charakter¬
rollen »bei weitem fürtrefflicher als mancher weit und breit be¬
rühmte Akteur es jemals zu thun vermochte.« Das Ballet stand im
Jahre 1780 unter Leitung eines Herrn Vogt; später scheint der
Italiener Amor an dessen Stelle getreten zu sein. — Es wäre jetzt
nur noch eine Demoiselle Ninette namhaft zu machen, welche jeden¬
falls die erste Tänzerin der Gesellschaft und ohne Zweifel dasjenige
Mitglied derselben war, welches nach Böhm’s eigenen Worten »nicht
allein denen Liebhabern der Tanzkunst, sondern auch denen Lieb¬
habern schöner Gestaltungen nach jeder Form genug zu thun ver¬
mochte.«
Die Gesellschaft gefiel schon bei ihrem ersten Auftreten derartig
in Frankfurt, dass sie bis Ende November 1780 spielen durfte und
gerne bis zum Jahresschluss Vorstellungen gegeben hätte, wenn ihrem
Direktor auf sein deshalb eingereichtes Gesuch ein günstiger Bescheid
zu Theil geworden wäre. Auch in der Herbstmesse 1781 und in der
Ostermesse des folgenden Jahres wusste er sich besonders durch die
Fürsprache des einflussreichen Grafen von Metternich noch eine
mehrwöchentliche Verlängerung der ihm anfangs bewilligten Spielzeit
zu verschaffen. Da die Kurcölnische Gesellschaft in der Herbstmesse
1781 und in der folgenden Ostermesse nicht in Frankfurt spielte,
gab Böhm seine Vorstellungen im Komödiensaal zum Junghof, dessen
Plätze für den ausserordentlichen Zuspruch, welcher denselben auch
jetzt wieder vom Frankfurter Publikum zu Theil wurde, meistens
nicht ausreichten.
Viel besser als Grossmann und Hellmuth es verstanden hatten,
wusste aber auch Böhm das öffentliche Interesse auf die Leistungen
seiner Gesellschaft hinzulenken. Er zeigte nicht allein seine Vor¬
stellungen in einer hiesigen Zeitung an , sondern veranlasste auch
dann und wann rühmende Kritiken über dieselben und wagte es
sogar, in Zusätzen zu den Ankündigungen der Vorstellungen seine
Dekorationen und Arrangements als etwas ganz Unübertreffliches
hinzustellen. In dem »Frankfurter Staats-Ristretto« vom 2. November
1781 findet sich eine jedenfalls von Böhm selbst ausgegangene Kritik,
welche seine Ballette über alles bisher in Frankfurt Gesehene erhebt,
und die Behauptung aufstellt, Frankfurt habe nie ein unterhalten¬
deres Schauspiel als das seine gehabt. Schliesslich wird noch sein
Fleiss und die grosse Sorgfalt hervorgehoben, mit welcher er sich
bestrebe, den Geschmack des Frankfurter Publikums in jeder Weise
zu befriedigen.
Johannes Böhm mag nicht ohne Verdienst gewesen sein, aber er war
305
ohne Zweifel, was man nach heutigem Sprachgebrauch einen Reklamen¬
helden nennt. Auch sein Auftreten dem Rathe Frankfurts gegenüber’
gibt von seiner ersten bis zur seiner letzten Bittschrift zu einer
solchen Bezeichnung die grösste Berechtigung. Bald erwähnt er seine
über 20,000 fl. kostende Garderobe, bald erinnert er daran, dass er
sogar wegen seiner »fürtrefflichen Leistungen« nach einer sieben¬
jährigen Thätigkeit in Brünn zu Seiner Kaiserlichen Majestät nach
Wien berufen worden sei, bald macht er auf Zeugnisse des Freiherrn
von Kienmayer in Wien und des Bürgermeisters Metzger in Salz¬
burg aufmerksam, welche allerdings sowohl seiner künstlerischen
Thätigkeit als moralischen Führung das grösste Lob hatten zu Theil
werden lassen.522
Böhm, der viel Unternehmungsgeist besessen zu haben scheint,
erklärte später auch , das neu erbaute Komödien haus gegen eine
jährliche Abgabe von 3000 fl. pachten zu wollen, wenn die Stadt
die Maschinen und Dekorationen selbst stelle. Für den Fall , dass
ihm alle Anschaffungen überlassen würden, wollte er 6000 fl. für
dieselben anwenden , zehn Jahre lang 2400 fl. Abgabe leisten und
nach dieser kontraktlich festzusetzenden Pachtzeit die Dekorationen
und Maschinen der Stadt als Eigenthum überlassen. Böhm war
schon beinahe der Annahme seines Antrags sicher, als ihm schliesslich
doch die noch mehr Garantie bietende Offerte des hiesigen Bürgers
und Waldeckischen Hofraths Tabor vorgezogen wurde.
Ton Januar bis auf Fastnacht 1781 wurde einem gewissen
Direktor Fischer, welcher sich vergeblich um Zulassung für die Herbst¬
messe des vorigen Jahres und die kommende Ostermesse beworben
hatte, die Erlaubniss zum Spielen zu Theil. Fischer hatte zwar eine
kleine gute Gesellschaft, aber die Aufführung seiner Operetten und
sonstigen Stücke streifte doch nicht im entferntesten an die von den
Direktoren der Kurcölnischen Gesellschaft und von Böhm veran¬
stalteten Vorstellungen; weshalb er auch für die Geschichte des
Frankfurter Theaters ohne besondere Bedeutung geblieben ist.
Im Spätjahre 1781 wurden alle Gesuche wegen der Spiel-
erlaubniss für die beiden folgenden Messen entweder abschlägig oder
unbestimmt beschieden, weil der Rath für die Zeit der Fertigstellung
des Schauspielhauses vorerst sich durch keine Zusage binden wollte.
Als man allmählich einsah, dass der Theaterbau im Frühjahr 1782
noch immer nicht vollendet sein werde, wurde Böhm, wie schon
früher erwähnt worden ist, für die Ostermesse angenommen, die Kur-
cölnische Gesellschaft aber unter vielen namhaften Mitbewerbern zur
Eröffnung der neuen ständigen Frankfurter Bühne in der Herbst¬
messe 1782 ausgewählt. 523
Nach langen Verhandlungen zwischen dem Rath und den
bürgerlichen Kollegien konnte endlich, am 20. Juli 1782, der bereits
oben erwähnte Pachtvertrag mit Hofrath Tabor, welcher auch schon
396
ein Jahr früher mehrmals, aber vergeblich den Vorschlag gemacht
hatte, für Frankfurt eine eigene Schauspielergesellschaft zu gründen,524
unter folgenden wesentlichen Bedingungen abgeschlossen werden.
Gegen eine jährliche von Messe zu Messe zur Hälfte voraus
zu bezahlende Summe von 3000 fl. pachtete Tabor das neue Komö¬
dienhaus auf 10 Jahre und zwar vom 1. September 1782 bis zum
1. September 1792. Bei der Unterzeichnung des Vertrags musste der
Pächter 1000 fl. Beitrag zu den Dekorationen entrichten und sich
ausserdem zur Erfüllung folgender wichtiger Punkte verpflichten.
Mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, der Advent- und Fastenzeit
durfte Tabor zwar das neue Komödienhaus das ganze Jahr über zu
theatralischen Vorstellungen benutzen, aber ohne obrigkeitliche Er¬
laubnis keine Bälle, Koncerte oder »Gastereien« in demselben ab¬
halten lassen. Dann musste er in jeder ersten Messwoche eine Vor¬
stellung zum Besten der milden Stiftungen geben und sich hinsichtlich
des darzustellenden Stückes und des Tages der Aufführung nach den
Bestimmungen der betreffenden Stiftsdeputirten richten.
Frankfurter Staatsunterthanen, Handlungsdiener, Gesellen, Sol¬
daten und fremde Minderjährige durfte Tabor nicht als Schauspieler
annehmen, ferner musste er das Publikum wegen Kreditgebens an
die Mitglieder der von ihm engagirten Truppe durch eine auf den
Theaterzetteln ständig angebrachte Bemerkung warnen. Nach Ablauf
der zehnjährigen Pachtzeit hatte er sowohl das Haus als auch die
Maschinen und Dekorationen in gutem Zustand an die Stadt zurück
zu geben.
Dagegen verpflichtete sich der Rath zur ausschliesslichen Kon-
cessionsertheilung an die von Tabor angenommenen Gesellschaften
und zur vollständigen Herstellung des Komödienhauses im Innern
und im Aeussern bis zum September 1782.
Wegen mannigfaltiger Hindernisse konnte freilich die letztere
Verbindlichkeit trotz des grössten Fleisses der an dem Bau selbst
und an den inneren Einrichtungen und Dekorationen beschäftigten
Arbeiter nicht ganz erfüllt werden, aber man kam bis zu dem fest¬
gesetzten Termin doch wenigstens so weit, dass die Eröffnung des
Komödienhauses nicht mehr verschoben zu werden brauchte.
Die Skizze zum ersten Vorhang der neuen Bühne, welche von
Johann Georg Schütz entworfen und in Gemeinschaft mit seinem
Vater Christian Georg Schütz ausgeführt wurde, ist diesem Buche
nach der Originalzeichnung in Lichtdruck beigegeben. Der Vorhang war
danach in demselben Styl gehalten wie die damals beliebten allegori¬
schen Vorspiele und soll einem Ausspruch Hüsgen’s in seinem Buch
»Artistisches Magazin« zufolge, ganz meisterhaft gemalt gewesen sein.
Unter den vom Architekten Hofrath Quaglio in Mannheim ge¬
lieferten, für die damalige Zeit höchst prächtigen Dekorationen befand
sich auch ein altertümlicher Saal, ein schönes Burgzimmer, ein
397
schauervolles Gefängniss und eine Waldpartie, vortrefflich gelungene
Stücke, die von dem Direktor Grossmann wo möglich in der
Eröffnungsvorstellung gezeigt werden sollten. Jedenfalls in Rück¬
sicht auf diesen Wunsch wählte derselbe das dreiaktige Schauspiel
»Hanno, Fürst im Norden« von Bock, in welchem die angegebenen
Dekorationen Verwendung finden konnten und zugleich den besten
Mitgliedern seiner Gesellschaft Gelegenheit geboten wurde, in höchst
wirksamen und wie für sie geschaffenen Rollen ihr Talent von der
vortheilhaftesten Seite zu zeigen.
»Hanno, Fürst im Norden«, ist eines der besseren dramatischen
Werke von Johann Christian Bock, welcher zuerst Theaterdichter bei
der Ackermann 'sehen Gesellschaft in Hamburg und dann in gleicher
Eigenschaft bei der Bondiui’schen in Dresden thatig war. Bock hat
sich hauptsächlich als Uebersetzer ausländischer Werke und als Be¬
arbeiter solcher tragischer und heiterer Stoffe hervorgethan, in welchen
weniger der Aufbau einer aus wichtigen Motiven hervorgehenden
grossartigen Handlung als die packende Zeichnung bühnenwirksamer
Charaktere die Hauptsache bildet.
Auch das Eröffnungsstück des Frankfurter Schauspielhauses be¬
sitzt diese Eigenschaften; es gehört zu jener reichhaltigen Gattung
von Ritter- und Heldenstücken, welche von einer grossen Anzahl
deutscher Bühnenschriftsteller bald nach dem Erscheinen von Goethe’s
»Götz von Berlichingen« verfasst worden sind. Die Fabel des Dramas
spielt in einer Zeit, in welcher die beleidigten Götter noch durch
den Opfertod einer reinen Jungfrau versöhnt wurden und die Unter-
thanen sich blindlings dem Machtspruch der Gebieter fügen mussten.
Hanno kann nicht als der eigentliche Held des Schauspieles bezeichnet
werden, sein ältester tapferer Sohn Esthwold und dessen heimliche
Gattin Rosswina nehmen durch das über ihnen schwebende Ver¬
hängnis die grösste Theilnahme für sich in Anspruch. Rosswina
hat das Loos getroffen, als Sühnopfer zu fallen; hieraus entstehen
alle Konflikte, welche noch dadurch eine Verschärfung erfahren, dass
ihr heftiger Vater Hiaskal sich gegen Hanno ’s grausamen Befehl
empört und dass der kaum aus dem Kriege heimgekehrte Esthwold
mit der reichen Prinzessin Ornithe vermählt werden soll. Schliess¬
lich erhalten alle Verwicklungen durch zwei bisher verborgene Doku¬
mente, auf denen Rosswina als Tochter Hanno’s und Esthwold als
ein Sohn Hiaskal’s bezeichnet wird, einen befriedigenden Abschluss.
Die dem Erben des Thron’s bestimmte Ornithe reicht nunmehr dem
einzigen Sohne Hanno’s, dem von ihr geliebten Selgar, die Hand, und
der tapfere Kriegsheld Esthwold tritt mit Freuden alle seine seit¬
herigen Rechte an den wirklichen Erben des Reiches ab.
Das Schauspiel hat besonders im zweiten Akt höchst wirksame
Scenen, aber auch manchen harten Verstoss gegen die Wahrschein¬
lichkeit aufzuweisen. Der Dialog ist in vielen Scenen zu breit, zu
398
sehr mit Reflexionen und Schilderungen gesättigt, wenn man ihm
an anderen Stellen auch dramatischen Fluss und — die damals ge¬
bräuchlichen Kraftausdrücke selbstverständlich ausgenommen — einen
gewissen poetischen Schwung nicht absprechen kann. Für unsere
Zeit ist das Schauspiel schon deshalb veraltet, weil in ihm auf histori¬
sche Treue nicht die geringste Rücksicht genommen und die senti¬
mentale Gefühlsschwelgerei der Werth er-Periode mit den grausamen
Sitten und Anschauungen der heidnischen Yorzeit zu einem wunder¬
lichen Ganzen zusammengeschmolzen sind.
Am Ende der siebziger und am Anfänge der achtziger Jahre
des vorigen Säkulums gehörten die Partieen des Esthwold und
der Rosswina zu den Bravourrollen vieler hervorragender Helden¬
darsteller und sentimentaler Liebhaberinnen. Eine gute Darstellung
des Stückes »Hanno, Fürst im Horden« hing aber auch hauptsächlich
von der glücklichen Durchführung dieser Aufgaben ab , deren
Wirkung der theaterkundige Dichter durch die von ihm gebotene
Gelegenheit zu den mannigfaltigsten Bühneneffekten ausserordentlich
zu verstärken gewusst hatte.
Für Montag den 2. September 1782 war die Eröffnung des
neuen Komödienhauses festgesetzt, als aber die nöthigsten Arbeiten
bis dahin noch nicht ganz vollendet waren, wurde sie bis zum
3. September verschoben.525 An diesem Tage fand vor vollständig be¬
setztem Hause und unter anhaltendem Jubel der Zuschauer die Ein¬
weihung der neuen Bühne mit »Hanno, Fürst im Norden« und einem
nachfolgenden Epilog statt, welcher, wie ein Augenzeuge jener Vor¬
stellung, Heinrich Sebastian Hüsgen, berichtet, wohl ausgedacht, durch
Gesang verschönt und mit verstärkter Musik unter schmetterndem
Trompeten- und Pauken schall aufgeführt wurde.
Mit Ausnahme der klassischen Dramen sind die meisten drama¬
turgischen Erzeugnisse, welche am Anfang der achtziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts in so grosser Gunst bei dem damaligen Publi¬
kum standen, von dem ewig wechselnden Geschmack bei Seite ge¬
worfen und zu literarischen Antiquitäten gestempelt worden. Bei der
bevorstehenden Gedenkfeier des hundertjährigen Bestehens der hiesi¬
gen Bühne soll aber das verschollene Schauspiel »Hanno, Fürst im
Norden«, wenn es auch an innerem Gehalt viele andere Stücke seiner
Zeit nicht überragt, als Zeuge des wichtigsten Tages in der Frank¬
furter Theatergeschichte der Vergessenheit entzogen und wieder auf
jene Bretter gebracht werden, welche es vor einem Säkulum zu
einem hohen Dienste eiuweihen durfte. Wie am 3. September 1782,
so werden auch an dem hundertjährigen Gedenktage die einzelnen
Rollen von hervorragenden Kräften gegeben werden; wie einst, wird
der Erfolg des Stückes auch diesmal wieder hauptsächlich von den
darstellenden Künstlern abhängeu.
399
Zur bleibenden Erinnerung an diese beiden denkwürdigen Vor¬
stellungen möge hier die Besetzung der bedeutendsten Rollen in
den Jahren 1782 und 1882 sowie die Namen der jeweiligen Bühnen¬
leiter Aufnahme finden.526
1782 Direktoren: Gustav Friedrich Wilhelm Grossmann und
Friedrich Hellmuth d. A.
1882 Intendant: Emil Claar.
Personenverzeichniss des Schauspiels »Hanno, Fürst im Norden.«
1782
1882
Hanno .
Herr Grossmann
Herr Zademack.
Selgar , Hanno’s vermeynter jüng¬
ster Sohn .
Herr Steiger
Herr Hoff mann.
Esthwold, Ilanno’s vermeynter
ältester Sohn .
Herr Opitz
Herr Salomon.
Rosswina, Esthwold’s geheime
Gemahlin .
Madame Fiala
Erl. Gündel.
Hilderich, ihr zweijähriger Sohn
Ornithe, die Prinzessin eines be¬
nachbarten Fürsten ....
Madame Gensike
Frl. Weisse.
Hiaskal, ein Grosser bey Hofe und
Kosswina’s vermeynter Vater
Herr Hellmuth
Herr Schneider.
Balderich, Oberster der Leibwache
und Hanno’s Favorit ....
Herr Diezel
Herr A. Müller.
Kiorban, Esthwold’s Vertrauter
Herr Santorini
Herr Strohecker.
Ein sprechender Soldat von
Hanno’s Leib wacht . . .
Herr Huber
Herr Diegelmann.
Opferpriester,
Soldaten, Gefolge.
Mit dieser Vorstellung war die Existenz der Schauspielkunst
in Frankfurt nach dreissigj übrigem Kampfe für alle Zeiten gesichert
und der Grundstein zu ihrer künftigen Grösse und Bedeutung gelegt.
In einem wichtigen Augenblick, bald nach der ersten Aufführung
von Schiller ’s Räubern in Mannheim, zog die dramatische Muse in
ihr eigenes Heim, dessen sie so sehr bedurfte, um dem neuen Auf¬
schwung der Literatur mit ganzer Hingebung dienen und eine wür¬
dige Trägerin des Edelsten sein zu können, was jemals der Geist
unseres Volkes durch die drei Heroen, Lessing, Goethe und Schiller
geschaffen. Und die Schauspielkunst in Frankfurt hat auch während
des letzten Jahrhunderts ihre Aufgabe treulich erfüllt, sie hat in fried¬
lichem Wettstreit mit der Dichtkunst um einen Lorbeer gerungen
und die hiesige Bühne wie in den alten Zeiten zu einer der ersten
Deutschlands erhoben.
Schluss.
Hundert Jahre sind seit der Einweihung der ersten ständigen
Bühne in Frankfurt entschwunden : das neue Komödienhaus ist in¬
zwischen zum alten Schauspielhaus geworden und in eine zweite
Heimstätte, wie sie prächtiger kaum gedacht werden kann, hat die
dramatische Muse ihren Einzug gehalten.
Zur Feier des hundertjährigen Jubiläums der Frankfurter Bühne
soll auch dort das grösste dichterische Meisterwerk der Deutschen :
Goethe’s Faust, zur Darstellung kommen. — In dieser Stunde ge¬
denken wir noch einmal aller hervorragenden Förderer der dramati¬
schen Kunst, welche sich im Laufe der Jahrhunderte um deren Ent¬
wicklungsgang in Frankfurt besondere Verdienste erworben haben.
Gleich den Erscheinungen der Ahnherren in der Sage vom ver¬
borgenen Schatz lassen wir ihre Gestalten hervortreten und vergegen¬
wärtigen wir uns ihre Gedanken über den jetzigen Zustand des
Theaters in Frankfurt.
Da treten zuerst ernst und würdevoll aus dem Hintergründe
einer fernen Zeit die Canonici und Vikare des Bartholomäus- und
Liebfrauenstiftes, welche die ersten geistlichen Spiele veranstaltet;
sie schütteln bedenklich das Haupt und begreifen es nicht, dass
diese Kunst nicht mehr im Dienste der Kirche steht und ein ganz
weltliches Wesen angenommen hat.
Dann kommen die wackeren Frankfurter Bürger aus dem Zeit¬
alter der Reformation. Ihre Führer Mathis Reuter und Ott Regen¬
bogen erstaunen über das prächtige Bühnengerüst und bedauern zu¬
gleich, dass sie mit ihrer Freude am Komödienspielen dreihundert
Jahre zu früh gelebt.
Auf ihren »Rüstwäglin« erscheinen dann die ersten englischen
Komödianten mit Robertus Browne und Thomas Sackeville an der
Spitze. Wie gebannt halten sie vor dem neuen Musen tempel und
vergleichen ihn mit dem ärmlichen Ballenhaus zum Krachbein und
mit »Herrn Martin Bauer’s seligen Behausung draussen auf der Zeilen«.
Dann treten sie auch in das Innere, beschauen die prächtigen De¬
korationen, bewundern die Darsteller in ihren goldgestickten Kostü¬
men und beobachten gespannt eine Verwandlung der Scene. Kaum
vermögen sie es jetzt noch zu begreifen, wie ihre Zuschauer einstmals
401
die einfachen »Wämslin« für kostbare Prachtgewänder und sechs
Ellen ausgespanntes blaues »Getüch« für den Hammel halten konnten.
Kein Ende aber findet ihr Staunen, als sie vernehmen, dass
heute auch ein »Faust«, aber nicht der ihres Landsmannes Marlowe,
sondern das bedeutendste Werk eines in Frankfurt geborenen Dich¬
ters zur Darstellung gelangen wird.
Auf die englischen Komödianten folgen Joris Jollifous, Hans
Ernst Hoffmann und Peter Schwarz. Auch sie stehen bewundernd
vor der grossartigen neuen Bühne, beschauen das Spiel und das
Publikum und denken: welche Erfolge würden wir erst erzielen,
wenn wir hier eine unserer erschrecklichen Blut- und Bachetragödien
mit dem Pickelhäring aufführen könnten ! Jollifous thut sich nicht
wenig darauf zu gut, dass er zuerst darstellende Frauen auf der
Frankfurter Schaubühne einführte, und Peter Schwarz freut sich
hauptsächlich darüber, dass diese Komödianten wegen der Spiel¬
erlaub niss sicher nicht mehr nötliig gehabt haben, den Bath Frank¬
furts zum »Taufzeugen von zween gesunden Sonntagssöhnlein« zu
bitten.
Nachdem einige schattenartige Gebilde vorübergezogen, tritt
eine hohe Erscheinung aus dem Dunkel: der Magister Johann Vel-
then. Er wundert sich freilich über die leisen Zurufe des Souffleurs,
aber er sieht seine kühnsten Träume mehr als verwirklicht und ist
hochbeglückt, dass seine hiesige Wirksamkeit zu einem so denk¬
würdigen Merkstein in der Entwicklungsgeschichte der dramatischen
Kunst in Frankfurt geworden ist. An Velthen’s Seite steht eine
würdige Frau, welche einst hier viel Bitteres erlebte, aber jetzt nicht
mehr mit Groll daran zurückdenkt. Versöhnlich blickt sie beim
Entschwinden auf ein verführerisch schönes Weib, welches jetzt,
gleich einer Siegesgöttin, in einer »Wolkenmaschine« vorüberschwebt
und sich scheinbar mit innerem Behagen an das Krönungsjahr
Kaiser Karl’s VI. erinnert, in welchem ein Wort von ihr mehr aus-
richten konnte, als alle Bittschriften des evangelisch-lutherischen
Predigerministeriums.
Eine Weile huschen nur abenteuerliche Erscheinungen flüchtig
vorüber, dann aber naht eine hehre Frauengestalt : es ist die Neuberin.
Sie steht gedankenvoll da und kann es nicht begreifen, dass dies
dasselbe Frankfurt ist, wo man sie einst so erbarmungslos behandelte.
Trotz des lebhaftesten Dankgefühles gegen ihre damaligen Helfer
aus der Noth kann die Neuberin anfangs eine bittere Empfindung
nicht unterdrücken ; aber bald wird dieselbe besiegt durch die
Freude an dem Fortschritt der Schauspielkunst und sie scheidet
mit dem von ihr in einer Tragödie so oft gesprochenen Worte der
sterbenden Heldin :
»Und ob es hart auch war, ich will es gern ertragen,
Seh’ ich es doch im Ost durch trübe Wolken tagen,
2G
402
Umsonsten war’s ja nicht, ich seh’s und scheid’ in Frieden,
Und lasse keinen Groll, nur Segen euch hienieden.«
Wallerotty, Schuch und Vater Bernardon treten jetzt an die
Stelle der entschwundenen Neuberin und theilen die Bewunderung
aller ihrer Vorgänger. Der Erstere findet jedoch die heutigen Stücke
nicht so wirksam wie seine »mit italienischen Arien garnirten Haupt-
und Staatsaktionen« und die beiden Letzteren vermissen nicht ohne
ernste Bedenken den buntscheckigen Hanswurst oder Harlekin. Als
sich Schuch und Vater Bernardon jedoch alsbald überzeugt haben,
dass die lustige Figur auch jetzt noch, nur in anderer Gestalt, auf
die hiesige Bühne kommt, scheiden sie mit der festen Ueberzeugung,
dass sie auch noch heute beim hiesigen Publikum bei weitem mehr
Beifall mit ihren komischen Leistungen ernten würden, als der beste
Darsteller eines sterbenden Helden.
Nun erscheint Marchand; er sieht mit freudiger Genugthuung,
dass die Opern und Singspiele auch in der Jetztzeit so grossen An¬
klang in Frankfurt finden und möchte gerne noch einmal zurück¬
kehren, um mit seiner Truppe in dem neuen prächtigen Opernhaus
eine Aufführung von »Zemire und Azore« zu veranstalten.
Abel Seyler, der jetzt langsam und ernst aus dämmerndem Zwie¬
licht näherschreitet, erkennt mit Stolz, dass sein Ringen nicht um¬
sonst gewesen, dass es den eigentlichen Schlusstein zum Grundbau
einer neuen Kunstaera Frankfurts werden sollte.
Grossmann und Hellmuth endlich schliessen den Reigen. Sie
freuen sich vor allem über die Aufführung von »Hanno, Fürst im
Norden« am hundertjährigen Gedenktage der von ihrer Truppe ein-
geweihten Bühne, und der erstere besonders sieht mit hoher Be¬
friedigung seinen einstigen prophetischen Ausspruch erfüllt, dass
Frankfurt immer mehr eine Warte der Kunst werden und in künf¬
tigen Tagen stolz in ’s weite Reich hinausschauen solle.
Die ältesten Ahnherren der Schauspielkunst in Frankfurt sind
vorübergeschwebt, ein neuer Reigen beginnt, der nicht minder glänzende
Gestalten, nicht weniger muthige Kämpfer aufzuweisen hat. Auch
ihrer werde heute rühmend gedacht und mit der Hoffnung geschlos¬
sen, dass Frankfurts Bühnen, ihrer glorreichen Vergangenheit ein¬
gedenk, auch in künftigen Zeiten stets eine sichere Heimstätte des
Wahren, Schönen, Guten und ein starkes Bollwerk deutscher Kunst
bleiben mögen.
Anmerkungen.
B. B. = Bürgenneisterbuch. R. P. = Raths-Protokolle. R. S. — Raths-Supplikationen.
1. Siehe von Oven »Das erste städtische Theater zu Frankfurt«, Neujahrs¬
blatt des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde für das Jahr 1872. Kriegk
»Deutsches Bürgerthum« im Mittelalter S. 435 ff. Kirchner »Geschichte von
Frankfurt« B. I S. 564 und »Thaliens Schicksale in Frankfurt« in Kirchner »An¬
sichten von Frankfurt.« B. I S. 356 ff. Fichard, »Frankfurter Archiv« B. UI
S. 131 ff. Devrient, »Geschichte der deutschen Schauspielkunst B. I S. 46 ff.
2. Ein näheres Eingehen hierauf ist schon deshalb nicht angezeigt, weil
bei der bevorstehenden Herausgabe des Frankfurter Passionsspiels von 1493 ein
spezielles Behandeln dieses Stoffes beabsichtigt ist.
3. B. B. 1455 f. 68.
4. B. B. 1462 f. 69.
5. Siehe Kriegk, »Deutsches Bürgerthum im Mittelalter« S. 454.
6. R. P. und B. B. vom 17. Juni 1591.
7. R. P. und B. B. vom 15. Juni 1592.
8. R. P. und B. B. vom 23. Juli 1545.
9. »Es ist zu der selbichten zeyt in der Hälfft der vierziger jarn (1595)
vff dem Romerberg von einem Schulmeister seinen knaben vnd den gesellen die
History Susanna von Paulum Perdicem (Rebhuhn) gar feinlich exhibiret worden,
so dass noch lange darvon mit Ruhm gelautet. Es waren auch gesänge darbey,
die fürnemblich allhierr stark belobet wurden.« (Allerhand neve und schöne
Historien so in vorigen Zeyten allhiero würklich passiret sind. Frankfurt 1615).
10. Siehe Paul Rebhun’s Dramen , herausgegeben von Hermann Palm.
(Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart B. XLIX S. 180).
11. Siehe ebenda S. 60.
12. Siehe ebenda S. 60 u. 61.
13. B. B. und R. P. 4. August 1545.
14. Siehe ebenda und B. 30. Juli 1545.
15. B. B. und R. P. 1546.
16. B. B. und R. P. vom 6. April 1546.
17. B. B. 12. April 1546.
18. B. B. und R. P. 31. Januar 1549.
19. B. B. 15. Januar 1549.
20. B. B. 29. Januar 1549.
21. B. B. Januar 1549.
22. R. P. und B. B. 13. Januar 1551.
23. R. P. 16. Februar 1563.
24. B. B. vom selben Tage.
25. Was die in der Folge im Text erwähnten Pestjahre und die Anzahl
der in denselben in Frankfurt verstorbenen Personen betrifft, so sei hiermit
auf »Pestjahre in Frankfurt« im Feuilleton der »Frankfurter Zeitung« vom 2. und
26*
404
3. März 1879 von Heinrich Pallmann und Stricker »Geschichte der Heilkunde in
Frankfurt« verwiesen.
26. R. P. und B. B. 9. Januar 1565.
27. R. P. und B. B. 13. Februar 1565.
28. R. P. und B. B. 2. Januar 1567.
29. R. P. 1571 Folio 72.
30. R. P. und B. B. 17. Januar und vom 14. Februar 1572.
31. R P. und B. B. 1578.
32. R. P. und B. B. 26. Februar und 12. März 1579.
33. Siehe Goedeke »Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung« B.
I S. 325.
34. Die geduldig und gehorsam marggräfin Griselda, ein comedi mit 13
Personen hat 5 aktus. (Hans Sachs, herausgegeben von Adalbert von Keller,
Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 103te Publikation II. Band).
35. Siehe ebenda.
36. R. P. und B. B. 9. Januar 1581.
37. R. P. und B. B. 14. Juni 1582.
38. Nach Acten des Stadtarchivs.
39. R. P. und B. B. 19. Februar 1583.
40. R. P. 31. März 1584.
41. B. B. vom selben Tage.
42. R. P. 23. März 1585.
43. B. B. vom selben Tage.
44. R. P. und B. B. 16. März 1591.
45. R. P. und B. B. 28. März 1586.
46. R. P. und B. B. 27. Dezember 1593.
47. Siehe »Siegmund Feyerabend, sein Leben und seine geschäftlichen
Verbindungen.« Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Heinrich Pallmann.
S. 72 ff. (Archiv für Frankfurter Geschichte und Kunst, neue Folge 7. Band).
48. R. P. und B. B. 22. Januar 1594.
49. Siehe Shakespeare in Germany by Albert Cohn XXVHI.
50. R. P. und B. B. 30. August 1592.
51. R. P. und B. B. 28. August 1593.
52. R. P. und B. B. 30. August 1593.
53. Ebenda.
54. R. P. u. B. B. 4. September 1593.
55. R. P. und B. B. 30. August 1597.
56. Siehe Pfaff, »Geschichte der Stadt Stuttgart« B. I S. 116.
57. Kurtze vnd Wahrhaffte / Beschreibung der Badenfahrt: / Welche der /
Dvrehleuchtig / Hochgeborn Fürst vnd Herr / Herr Friderich Hertzog zu Würt¬
temberg / vnnd Teckh, Grave zu Mümppelgart, HErr zu / Heidenheim, Ritter
der beeden Vhralten Königlichen / Orden, in Frankreich S. Michaels, vnnd
Hosen- / bands in Engelland, etc. In negst abgeloffe- / nem 1592. Jahr, / Von
Mümppelgart auß, In das weitbe / rümbte Königreich Engelland, hernach im
zu- / rück / ziehen durch die Niderland, biß widerumb gehn Mümppelgart, ver- /
richtet hat. / Auß J. F. G. gnedigem Bevelch, von dero Mit- / raisendem
Cammer-Sektrotarien [Jacob Rathgeb] auffs kürzist, von tag zu tag verzeichnet.
(Tübingen bey Erhardo Cellio; Anno 1602).
58. Max Mangold »Markschiffs Nachen, darinn nachgeführet wirdt, was in
dem nächst abgefahrnen Marckschiff außgeblieben etc. M. DXCVH.« Siehe sechs
Gedichte über die Frankfurter Messe, gesammelt von Dr. phil. Ernst Kelchner,
veröffentlicht in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthums¬
kunde in Frankfurt a. M. B. VI, zweites Heft.
59. Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig nach
alten Drucken und Handschriften herausgegeben von Dr. Wilhelm Ludwig Holland.
405
»Tragoedia Hibaldeha von einer Ehebrecherin« (Bibliothek des literarischen Vereins
in Stuttgart. B. XXXVI).
60. Siehe ebenda »Comoedia Hidbelepihal von Vincentio Ladislao« etc.
61. R. P. und B. B. 27. September 1597.
62. Ebenda.
63. R. P. und B. B. 29. September 1597.
64. Siehe Rommel, »Neuere Geschichte von Hessen«, Band H. S. 390.
65. R. P. und B. B. 27. März 1593.
66. Ebenda.
67. R. P. und B. B. 11. März 1595.
68. R. P. und B. B. 4. März 1600.
69. Siehe Rommel S. 444 ff.
70. R. P. und B. B. 26. März 1601. R. S. März 1601.
71. Siehe Rommel S. 399.
72. Zu finden in verschiedenen R. S. von 1601, 1602, 1603 u. s. w.
73. B. B. 4. September 1600.
74. R. S. 1601.
75. B. B. 12. und 17. März 1601.
76. B. B. März 1601, R. S. März 1601.
77. B. B. 24. März 1601, R. S. März 1601.
78. Siehe Rommel S. 390 ff. Siehe über Robert Browne in »Shakespeare
in Gennany« von Albert Cohn.
79. R. S. März 1601.
80. B. B. 1. September 1601. R. S. September 1601.
81. Siehe Rommel »Neuere Geschichte von Hessen«, 2. Band S. 400.
82. Siehe Albert Cohn »Shakespeare in Germany« S. CXV ff.
83. B. B. 1. September 1601.
84. B. B. 2. März 1602, R. S. März 1602.
85. B. B. 4. März 1602.
86. R. S. März 1602.
87. B. B. und R. P. 18. März 1602, R. S. März 1602.
88. R. S. September 1602.
89. R. P. und B. B. 7. September 1602.
90. B. B. 7. April, R. S. April 1603.
91. B. B. 31. März, R. S. März 1603.
92. Ebenda und B. B. 7. April.
93. B. B. 13. September, R. S. September 1603.
94. »Muse«, Blätter für ernste und heitere Unterhaltung, herausgegeben
von Hräxler-Manfred. B. I S. 156. (Enthalten in der Abhandlung : »Geschichte
der Musik und des Theaters am Hofe zu Darmstadt. Aus Urkunden dargestellt
von Emst Pasque).
95. R. S. März und September 1604.
96. B. B. und R. P. 4. September, R. S. September 1604.
97. R. S. März und September, B. B. 12. März 1605.
98. R. S. März 1605.
99. B. B., R. P. 5. und 7. September 1605.
100. R. S. August 1606.
101. B. B. 26. August 1606.
102. B. B. 17. März, R. S. März 1607.
103. B. B. 24. März, R. S. März 1607.
104. Siehe K. Weiss »Die Wiener Haupt- und Staatsaktionen« S. 37.
(Wien 1854).
105. Siehe Rommel »Neuere Geschichte von Hessen« 2. Band S. 401.
106. Siehe »Engelische Comedien vnd / Tragedien / Das ist: / Sehr Schöne,/
herrliche vnd außerlesene, / geist- vnd weltliche Comedi vnd / Tragedi Spiel, /
406
Sampt dem / Pickelhering, / welche wegen jhrer artigen / Inventionen, kurtzweilige
auch theils / warhafftigen Geschieht halber, von den Engelländern / in Deutschland
an Königlichen, Chur- vnd Fürst- / liehen Höfen, auch in vornehmen Reichs-
See- vnd / Handel Städten seynd agiret vnd gehalten / worden, vnd zuvor nie im
Druck auß- / gangen. / An jetzo, / Allen der Comedi vnd Tragedi lieh- / habern,
vnd Andern zu lieb vnd gefallen , der Gestalt / in offenen Druck gegeben, dass
sie gar leicht daraus / Spielweiß widerumb angerichtet, vnd zur Ergetzlichkeit
vnd / Erquickung des Gemüths gehalten wer- / den können. Gedruckt im Jahr
M.DC.XX.
107. B. B. 3. März, R. S. März 1608, auch B. B. 8. September und R. S.
September 1608, ferner B. B. 30. März, R. S. März 1609 und B. B. 7. September,
R. S. September 1609.
108. B. B. 8. März, R. S. März 1608.
109. K. M. Plümike »Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin.« S. 36 — 37.
(Berlin 1781).
110. R. S. August und September, B. B. 30. August 1610.
111. R. S. August 1610.
112. B. B. März 1607 und September 1610.
113. B. B. 30. August 1610.
114. R. S. September, B. B. 11. September 1610.
115. R. S. März 1611.
116. Ebenda.
117. Ueber die unter John Spencers Leitung stehende Compagnie siehe
Albert Cohn »Shakespeare in Germany«.
118. B. B. 7. März, R. S. März 1611.
119. R. S. September 1612.
120. R. P. und B. B. 5. September 1612.
121. Siehe Siebenkäs »Materialien zur Nürnbergischen Geschichte nach
handschriftlichen Chroniken« B. LH S. 52.
122. Siehe Albert Cohn »Shakespeare in Germany« S. LXXXV.
123. R. S. März 1614, siehe auch K. M. Plümike, Entwurf einer Theater¬
geschichte von Berlin S. 34. (Berlin 1781).
124. Siehe Schlager »Ueber das alte Wiener Hoftheater«, in Wiener
Skizzen B. HI.
125. R. S. September 1618.
126. B. B. 3. September 1618.
127. R. S. März 1620.
128. Ebenda.
129. R. S. April 1622.
130. R. P., B. B. und R. S. März und April 1626.
131. Siehe Albert Cohn »Shakespeare in Germany«.
132. R. S. August 1627.
133. R. S. März 1628.
134. Siehe Albert Cohn »Shakespeare in Germany« PI. H.
135. R. S. August 1628.
136. R. P., B. B. 15. und 17. März, R. S. März 1631.
137. R. P., B. B. 1. März, R. S. März 1649.
138. Siehe R. Genee »Lehr- und Wanderjahre des deutschen Schauspiels« S. 298.
139. B. B. 28. Februar, 6. März 1649.
140. Ebenda.
141. R. P. und B. B. 11. September 1649.
142. B. B. 13. September, R. S. September 1649.
143. R. S. März 1650, Sept. 1650, März 1651, August 1651.
144. Siehe H. Hettner »Geschichte der deutschen Literatur im achtzehnten
Jahrhundert.« B. I. S. 190.
407
145. B. B. 9. Sept. 1651. R. S. Sept. 1651.
146. Extracte aus den Ratksprotokollen Tom. II Nr. XVII Lit. S.
147. R. S. August 1652.
148. Siehe ebenda.
149. B. B. 8. Juni 1652.
150. B. B. 17. August 1652.
151. Rhein. Comödiantenbanden im vorigen und diesen Jahrh. (Cöln 1775).
152. Archiv für Geschichte und Alterthumskunde des Obermainkreises
B. 1. Bayreuth 1831. Aus einer Chronik der Stadt Windsheim.
153. B. B. 8. Sept. 1653, R. S. Sept. 1653.
154. Siehe ebenda.
155. K. Weiss »Die Wiener Haupt- und Staatsaktionen« S. 36.
156. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1855 S. 231. (Enthalten
in einem Artikel von Meyer von Knonau).
157. R. S. August 1654.
158. B. B. 8. August und 15. August 1654. Siehe auch Extracte aus den
R. P. Tom. H Nr. XVH Lit. S.
159. B. B. 15. August.
160. Siehe ebenda.
161. R. S. März 1655.
162. Ebenda Sept. 1655.
163. B. B. 25. März, R. S. März, April 1656.
164. R. P. und B. B. 11. September 1656.
165. Bairische Geschichten, B. IH S. 353.
166. Siehe E. J. Lipowsky »Karl Ludwig, Churfürst von der Pfalz und
Maria Susanna Louise, Rauhgrälin v. Degenfeld etc.« S. 79 (Sulzbach 1824).
167. R. S. März 1657.
168. Ebenda, Sept. 1657.
169. Siehe Battonn »Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main«
B. VI, S. 277.
170. R. S. Sept. 1657.
171. Liebeskampff, oder Ander Theil der Engelischen Comödien vnd Tra¬
gödien, in welchen sehr schöne auserlesene Comödien vnd Tragödien zu befinden
vnd zuvor nie in Druck außgegangen. Gedruckt im Jahre 1630 (Inhalt) 1. Comocdia
von Macht des kleinen Knaben Cupidinis. 2. Comoedia von Aminta und Silvia.
3. Comoedia von Prob getrewer Lieb. 4. Comoedia von Koenig Mantalor’s vn-
rechtmässigen Liebe vnd derselben Straff. 5. Singe Comoedie. 6. Singe Comoedie.
7. Tragi Comedia. 8. Tragoedi vnzeitiger Vorwitz.
172. Andreas Gryphius Freuden und Trauerspiele auch Oden und Sonette.
In Breslau zu finden bey Veit Jacob Treschern, Buchhändler. Leipzig, gedruckt
bey Johann Erich Hahn im Jahr 1663.
173. Extracte aus den R. P. Tom II Nr. XVIH Lit. S.
174. Ebenda.
175. R. S. August, September und October 1657.
176. B. B. 29. September 1657, R. S. 1657. Extracte.
177. R. S. October 1657.
178. B. B. October 1657.
179. R. S. Oct. 1657.
180. B. B. 15. October 1657.
181. R. S. Juni 1658.
182. Schlager »Wiener Skizzen aus dem Mittelalter.« Neue Folge 8° S. 252.
(Wien 1839).
183. Extracte aus den R. P. Tom II. B. B. 21. März 1661.
184. Siehe Keller’s Ausgabe von Grimmelshausens »Simplicissimus« (Bib¬
liothek des literarischen Vereins, Stuttgart 1862. B. IV. S. 654.)
408
185. R. S. September 1661.
186. Extracte aus den R. P. Tom. II. B. B. 13. März 1662.
187. R. S. Februar 1664. B. B. 11. Februar 1664.
188. Ebenda 9. u. 14. März 1665.
189. R. S. März 1666.
190. B. B. 1666.
191. B. B. September 1667. R. S. September 1667.
192. R. S. Januar 1668.
193. Siebe ebenda.
194. Eingebettet in die R. S. Januar 1668.
195. R. S. August 1668.
196. B. B. 6. und 15. October 1668.
197. B. B. 9. Februar 1671. R. S. Februar 1670.
198. Ebenda 9. März 1671.
199. B. B. 10. August 1671.
200. R. S. Juli 1679. B. B. 17. Juli.
201 . Siebe Devrient »Geschichte der deutschen Schauspielkunst«, B. I
S. 230; auch Fürstenau »Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe
zu Dresden.«
202. R. S. Sept. B. B. 9. und 25. September 1679.
203. Ebenda October 1679.
204. B. B. 8. October 1679.
205. Aus einer Sammlung von Lust- und Trauerspielen. VELL Stück.
(Frankfurt am Main bey Lorenz Telpiisch 1750).
206. R. S. October 1679.
207. Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in
Frankfurt a. M. III. B. S. 84.
208. B. B. 5. Februar, 11. und 30. März 1680.
209. B. B. August 1680.
210. Siehe Karl Christian Becker »Beiträge zu der Kirchengeschichte der
evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Frankfurt am Main etc.« S. 163.
211. B. B. 20. April 1682.
212. Extracte aus den R. P. Tom. II Nr. XVIII Lit. S.
213. R. S. September 1682.
214. B. B. 21. September 1682.
215. Siehe Devrient »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« B. I. S. 227.
216. R. S. September 1684. B. B. 14. August, 4. und 9. September 1684.
217. Extracte aus den R. P. Tom. II Nr. XVII Lit. S. B. B. 14. Sep¬
tember 1686.
218. Siehe Devrient, »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« S. 260 ff.
Auch R. Prölss, »Geschichte des Iloftheaters zu Dresden« etc. (Dresden 1878).
219. Siehe ebenda.
220. R. S. September 1686.
221. Siehe Devrient »Geschichte der der deutschen Schauspielkunst« S. 263.
222. Siehe Cohn »Shakespeare in Germany« Part. II 263 ff.
223. R.. P., B. B. und R. S. vom März und September 1687.
224. B. B. 13. Juni 1695, R. S. 1695.
225. R. P., B. B. 27. August 1695.
226. B. B. 4. December 1696.
227. R. S. December 1696.
228. Siehe Becker »Beiträge zu der Kirchengeschichte der evangelisch
lutherischen Gemeinde zu Frankfurt a. M.« S- 163. B. B. 13. Januar und 11. Mai 1698.
229. B. B. 16. April 1698.
230. R. S. April 1698,
231. Ebenda,
409 -
232. Siehe Becker »Beiträge zur Kirchengeschichte« etc. S. 163.
233. R. S. April und August, B. B. 16. August 1698.
234. Siehe »Chronologie des deutschen Theaters von H. Schmid und Dyck«,
Leipzig 1775, S. 39.
235. R. S. August 1698.
236. Ebenda Juli 1698.
237. R. S. August 1700.
238. B. B. 3. August 1700.
239. Rheinische Comödienbanden im vorigen und diesen Jahrhundert
(Cöln 1775), R. S. August 1700.
240. R. S. September 1700.
241. Ebenda.
242. B. B. 9. August 1701, R. S. August 1701.
243. R. S. September 1705 und B. B. 3. September 1705.
244. R. S. und B. B. 12. August 1706.
245. Ebenda 28. und 13. September 1708.
246. Ueber die Elenson und ihre Truppe siehe »Chronologie des deutschen
Theaters« (Leipzig 1775), Devrient »Beschichte der Schauspielkunst«, B. I. »All¬
gemeines Theater-Lexikon« von Blum, Herlossohn und Marggraf, »Rheinische
Comödienbanden im vorigen und diesen Jahrhundert«, Kirchner, »Ansichten von
Frankfurt«, I. Theil (Abschnitt »Thaliens Schicksale in Frankfurt«), v. Reden-Esbeck
»Biihnen-Lexikon« und »Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen« u. s. w.
247. Siehe »Chronologie des deutschen Theaters«, Leipzig 1775, S. 34 — 35.
248. B. B. und R. P. September 1710, auch R. S. und B. B. März 1711.
249. B. B. 18. Juni 1711, R„ S. Juni 1711.
250. R. P. und B. B. 30. Juli 1711.
251. R. S. August 1711.
252. R. S. October 1711.
253. R. S. December 1711, B. B. 1. December 1711.
254. B. B. und R. P. 8. December 1711.
255. Siehe Kirchner »Ansichten von Frankfurt a. M.« B. I. S. 360.
256. R. P. und B. B. 23. Juli und 1. August 1715.
257. Ebenda 28. Januar 1716.
258. R. S. Januar 1716.
259. Ebenda März und August 1717. B. B. 5. August 1717.
260. B. B. 20. und 29. August 1720, R. S. August 1720.
261. B. B. und R. P. 28. August 1725.
262. R. S. Juni 1725, B. B. 28. August 1725 und 11. April 1726.
263. Siehe Rechnungshauptbuch der Freien Stadt Frankfurt von 1727.
264. B. B. vom 20. Juli und 17. August 1728.
265. B. B. 10. und 17. März 1729 und 7. März 1730.
266. Siehe »Chronologie des deutschen Theaters«. Leipzig 1775. S. 56.
267. R. S. März, B. B. 6. März 1731.
268. B. B. 15. März 1731.
269. Abhandlung »Ueber die teutsche Schaubühne,« Quartheftchen von 8
Blättern, Frankfurt a. M. 1756. Siehe auch Devrient »Geschichte der deutschen
Schauspielkunst« B. I. S. 354.
270. R. S. April 1731, B. B. 19. April 1731.
271. R. S. Juli 1731, B. B. 19. Juli 1731.
272. R. S. August 1731.
273. R. S. August 1731, B. B. 7. und 16. August 1731.
274. Siehe Battonn »Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt a. M.«
B. H. S. 290.
275. R. S. März 1733.
410
276. Rechnungshauptbuch (Herbstmesse 1735). Ueber Karl von Eckenberg
Näheres in der Monographie L. Schneider’s über den »starken Mann« Berlin 1848.
277. R. S. September 1735.
278. Ebenda Februar 1736.
279. Eingeheftet in die R. S. Februar 1736.
280. R. S. Februar, B. B. 28. Februar 1736.
281. Ebenda.
282. R. S. Februar, B. B. 28. Februar 1736.
283. R. S. Juni B. B. 12. Juni 1736.
284. Ebenda.
285. B. B. 31. Juli 1736.
286. Ueber die Mitglieder der Neuber’schen Gesellschaft siehe v. Reden-
Esbeck »Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen«. Ferner Devrient »Geschichte
der deutschen Schauspielkunst«, »Chronologie des deutschen Theaters« (Leipzig
1775), »Abhandlung über die teutsche Schaubühne« u. s. w.
287. Siehe v. Reden-Esbeck »Caroline Neuber« etc. S. 185.
288. Ebenda 107 ff.
289. Ebenda S. 234.
290. Schütze »Hamburger Theater-Geschichte« S. 286.
291. »Die deutsche Schaubühne in Wien« Y. Theil. 1754. S. 3 ff.
292. Siehe ebenda »Britannicus« S. 20 ff.
293. R. S. März 1737.
294. Siehe v. Reden-Esbeck »Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen«
S. 200—201.
295. Rechnungshauptbuch 1737. R. P. und R. S. April und Mai 1737.
296. R. S. Januar 1738.
297. R. S. Januar und Februar 1738. B. B. 9. Januar u. 4. Februar 1738.
298. R. S. Februar ohne Datum, Rechnungshauptbuch Ostermesse 1738.
299. R. S. Juni 1738.
300. B. B. 10. Juni 1738.
301. R. S. Juli, B. B. 7. Juli 1739.
302. Siehe Devrient »Geschichte der deutschen Schauspielkunst.« B. I. S. 447.
303. R. S. Januar 1741, B. B. 17. Januar 1741.
304. Ebenda 31. Januar 1741.
305. R. S. Mai 1741.
306. Ebenda.
307. Johann Michael v. Loen »Kleine Schriften« H. Theil, VI. Brief.
308. R. S. Juni 1741.
309. R. S. (ohne Datum) 1742.
310. B. B. 2. Januar 1742.
311. Fragment einer Brochure, in welcher Ereignisse während der Wahl
und Krönung Karls VH. erzählt sind.
312. Actenstiicko aus Kriegk’s Nachlass, veröffentlicht in »Frankfurter
Hausblätter aus der Vergangenheit und Gegenwart«, herausgegeben von Franz
Rittweger in Nr. 1. und 2. der neuen Folge II. Theil (8. u. 15. April 1882).
313. B. B. 22. März 1742. R. S. März 1742.
314. Siehe ebenfalls »Frankfurter Hausblätter« herausgegeben von Franz
Rittweger (15. April 1882).
315. Siehe Rudolph Genee »Lehr- und Wanderjahre des deutschen Schau¬
spiels S. 349.
316. Siehe ebenda S. 351.
317. R. S. 1741 (ohne Datum).
318. Fragment einer Brochure, in welcher Ereignisse während der Wahl
und Krönung Karls VII. erzählt sind.
319. B. B. 7. und 23. Nov. 1741.
411
320. R. S. April 1742, B. B. 24. April 1742.
321. R. S. März und Mai, B. B. 8. März und 17. Mai 1742.
322. Fragment einer Brochüre u. s. w.
323. Siehe v. Reden-Esbeck »Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen«
S. 276 ff.
324. B. B, 13. Mai 1745.
325. B. B. 21. September 1745, R. S. September 1745.
326. Siehe v. Reden-Esbeck »Caroline Neuber« etc. S. 297 — 298.
327. B. B. 13. Sept. 1745.
328. R. S. December 1745.
329. B. B. 2. November 1745, R. S. November 1745.
330. R. S. December 1745.
331. B. B. 2. December 1745.
332. R. S. December 1745.
333. B. B. 7. December 1745.
334. R. S. Januar 1746.
335. B. B. 6. Januar 1746.
336. B. B. 14. März 1748, R, S. März 1748.
337. Ueber Franziskus Schuch siehe Flögel »Geschichte des Grotesk-
Komischen«, »Allgemeines Theater-Lexikon«, von R. Blum, K. Herlosssohn und
Marggraff, VI. Band. »Joh. Christian Brandes Lebensgeschichte« Berlin 1799 — 1800.
Eduard Devrient »Geschichte der deutschen Schauspielkunst«. Danzel »Gottsched
und seine Zeit«. »Chronologie des deutschen Theaters« von Dyck und Schmid,
Leipzig 1775. »Lose dramaturgische Blätter«, Frankfurt 1780 (einige Anekdoten
über Schuch’s hiesige Thätigkeit enthaltend).
338. »Chronologie des deutschen Theaters« S. 144.
339. Siehe ebenda S. 135.
340. B. B. 14. Januar unn 16. März 1749, R. S. Januar und März 1749.
341. R. S. März 1749.
342. B. B. 10. Juli 1749.
343. R. S. Juli 1749.
344. B. B. 15. und 24. Juli 1749.
345. R. S. August 1749, B. B. 12. August 1749.
346. B. B. 15. Januar 1750.
347. Näheres über dieses Stück in Dr. Wilhelm Creizenach’s »Zur Ent¬
wickelungsgeschichte des neueren deutschen Lustspiels«. (Halle 1879). S. 30 ff.
348. R. S. April 1750.
349. Ebenda September 1750.
350. B. B. 12. Januar 1751. R. S. Januar 1751.
351. B. B. 11. und 18. Mai 1751.
352. Acta ecclesiastica Tom. VT TT.
353. Schuch’s in Frankfurt aufgefühlte und von Uhlich verfasste Vor¬
spiele. Nr. 3.
354. R. S. Januar 1752.
355. R. S. März 1756, B. B. 2. März 1756.
356. R. S. September 1758. B. B. 5. September 1758.
357. B. B. 3. und 10. April 1753.
358. R. S. April 1753.
359. Denkwürdigkeiten des Jacob Casanova von Seingalt. B. VIII. C. H.
360. B. B. 29. August 1754, R. S. 1754.
361. B. B. 8. October 1754.
362. R. S. October 1754.
363. Ebenda März 1755.
364. B. B. 11. März 1755.
365. B. B. 20. März 1755.
412
366. Ebenda 1. Mai 1755. R. S. April, Mai.
367. Dramaturgische Blätter, Frankfurt 1780.
368. R. S. Juli, B. B. 31. Juli 1755.
369. R. S. Juli, August 1755.
370. B. B. 1. September 1756.
371. R. S. Oktober, B. B. 7. Oktober 1756.
372. B. B. 13. Juli 1756.
373. B. B. 8. März 1757.
374. Siehe F. L. W. Meyer, »Friedrich Ludwig Schröder« I. Theil S. 71.
375. Siehe ebenda.
376. »Der poetische Dorfjunker,« übersetzt von L. A. V. Gottsched, ent¬
halten in der Wiener Schaubühne, X. Theil.
377. Siehe F. L. W. Mayer »Friedrich Ludwig Schröder« I. Theil S. 33 ff.
378. Eine Abbildung des Komödiensaales im Junghof enthalten in: von
Oven »Das erste städtische Theater zu Frankfurt a. M.« (Neujahrsblatt des Ver¬
eins für Geschichte und Alterthumskunde für das Jahr 1872.)
379. Lectum in Senatu 3. April 1759.
380. Lectum in Senatu 3. April 1759.
381. Aus den Surprise- Acten F. 644.
382. B. B. 9. April, R. S. April 1759.
383. Lectum in Senatu 9. April 1759.
384. B. B. 10. April 1759, R. S. April 1759.
385. Lectum in Senatu 20. April 1759. (Aus den Surprise- Akten.)
386. Siehe »Goethe’s Werke, nach den vorzüglichsten Quellen revidirte
Ausgabe,« Berlin, Gustav Hempel. XX. Theil »Dichtung und Wahrheit« mit Ein¬
leitung und Anmerkungen von G. v. Loeper S. 306.
387. Siehe ebenda. Die Operette »Annette et Lubin« enthalten in Favarts
Theätre choisi Tom. I. S. 205 — 267.
388. Goethe’s »Wahrheit und Dichtung«, drittes Buch.
389. Lessing’s Uebersetzung dieses Stückes in »Das Theater des Herrn
Diderot H.«, ausserdem ist dasselbe auch zu finden in der »Wiener Schaubühne«,
Xn. Theil.
390. Goethe’s Werke nach den vorzüglichsten Quellen revidirte Ausgabe
(Berlin, Gustav Hempel) XXXI. Theil. »Rameau’s Neffe,« herausgegeben und
mit Anmerkungen begleitet von Fr. Strehlke S. 126 ff.
391. »Die Philosophen« von Palissot enthalten in »Theätre et Oeuvres diverses
de M. Palissot de Montenoy. Londres, 1763. Tome II. Vergleiche auch das 86. Stück
von Lessing’s Dramaturgie und Loeper’s Anmerkungen zu »Dichtung und Wahrheit«
in der Ilempel’schen Ausgabe von Goethe’s AVerken (XX. Theil, S. 306 und 307).
392. Siehe Goethe »Dichtung und Wahrheit« (Drittes Buch).
393. B. B. 20. Juni und R. S. Juni 1759.
394. R. S. Januar und B. B. 10. Januar 1760.
395. Protocolle der Audienzen des jüngeren Bürgermeisters. 1759 S. 1701.
396. Lectum in Senatu 6. Dezember 1760.
397. Lectum in Senatu 6. Dezember 1760. Aus den Surprise-Acten.
398. Ebenda. Lectum in Senatu 9. Dezember 1760.
399. B. B. 10. Dezember 1760.
400. R S. Dezember 1762, B. B. 6. Januar 1763.
401. R. S. Dezember 1762.
402. R. S. Juni 1759.
403. Denkwürdigkeiten von Jacob Casanova von Seingalt VIH. Theil, erstes
Kapitel.
404. Lectum in Senatu 18. Februar 1762.
405. R. S. Mai und B. B. 11. und 13. Mai 1762.
406. Siolio F. L. Meyer »Friedrich Ludwig Schröder« I. Theil, S. 108.
- 413
407. Siehe über beide Vorfälle ebenda S. 109 f. f.
408. Historisches Taschenbuch von Riehl (Brockhaus 1873). Aus dem
Komödiantenleben des vorigen Jahrhunderts 8. 390.
409. B. B. 6. Januar 1763.
410. B. B. 'und R. S. Januar 1764.
411. Aud. cons. jun. 16. März 1764.
412. Ebenda.
413. Nach einer Anzeige in der »Frankfurter Oberpostamts-Zeitung«.
414. B. B. 22. Dezember, R. S. Dezember 1763.
415. R. S. April 1764.
416. R. S. März 1764.
417. B. B. 24. April, R. S. April 1764.
418. Siehe »Frankfurter Concert-Chronik« von 1713 — 1780, zusammen¬
gestellt von Carl Israel. S. 43 ff. (Neujalirsbiatt des Vereins für Geschichte
und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main für das Jahr 1876.)
419. Siehe ebenda S 44; auch R. S. März 1763.
420. R. S. April 1764.
421. R. S. April 1764.
422. B. B. 19. April 1764.
423. Ebenda, 24. April 1764.
424. R. S. August und September, ferner B. B. vom 30. August, 6. und
11. September 1764.
425. R. S. Mai, B. B. 1. Mai 1764.
426. Barizon’sche Akten (Kriegk’s Nachlass No. XI )
427. Aud. cons. jun. 19. Mai 1764.
428. Barizon’sche Akten (Kriegk’s Nachlass No. XI.)
429. Ebenda.
430. R. S. Mai, B. B. 29. Mai 1764.
431. R. S. September, B. B. September 1764. B. B. 12. Februar, R. S.
Februar 1765.
432. B. B. 7. Mai, R. S. Mai 1765.
433. B. B. 19. September 1765.
434. »Chronologie des deutschen Theaters« von Ch. II. Schmied und Dyck.
S. 214, 231, 314.
435. R. S. April und Juni, und B. B. 24. April und 17. Juli 1766.
436. R. S. August, B. B. 7. August 1766.
437. R. S. Oktober, B. B. 9. Oktober 1766.
438. R. S. Oktober, B. B. 7. Oktober 1766.
439. Kurz-Richter’scho Akten, die Errichtung einer Komödienhütte betreffend.
440. Ebenda.
441. B. B. 11. März 1767.
442. B. B. 22. September, R. S. September 1767.
443. Theater-Journal für Deutschland (Gotha 1782) 19. Stück.
444. Siehe F. L. "W. Mayer »Friedrich Ludwig Schröder« etc. I. B. S. 162 ff.
445. Siehe ebenda, H. B. S. 144 und 145.
446. Siehe ebenda, I. B. S. 163.
447. Acta ecclesiastica, Tom. Vm.
448. Ebenda.
449. R. S. Dezember, B. B. 3. und 10. Dezember 1767.
450. R. S. Mai, B. B. 26. Mai 1768.
451. Siehe F. L. W. Mayer »Friedrich Ludwig Schröder« etc. I. B. S. 171.
452. Acta ecclesiastica, Tom. VIH,
453. Kurz’sche Akten wegen Erbauung einer Komödienhütte.
454. »Pflichten des Christlichen Dichters in dem Dramatischen und Beur-
theilung der Jungfer Mayem, Pnilippine Damien und des Marmonteli sehen Belisaire«
414
S. 23 f. f. von Dr. Johann Balthasar Kölbele. (Frankfurt am Mayn 1769 in der
Andreä’schen Buchhandlung.)
455. R. S. April 1768.
456. R. S. April, B. B. 21. April 1768.
457. B. B. 27. September 1768.
458. R. S. September 1768, B. B. 6. Oktober 1768.
459. R. S. November, Dezember 1768 und Januar 1769. B. B. 15. November,
29. Dezember 1768 und 3. Januar 1769.
460. B. B. 7., 9. und 14. März 1769.
461. R. S. April 1769.
462. Ebenda.
463. B. B. 11. April, R. S. August 1769.
464. Akten, den Principal Joseph Sebastiani betreffend.
465. Ebenda.
466. B. B. 31. August 1769.
467. R. S. Mai 1769.
468. B. B. 21. Mai 1770.
469. Supplikation mit Rathsbeschluss November 1770.
470. R. S. Januar 1771. Siehe auch Jacob Petli »Geschichte des Theaters
und der Musik zu Mainz« S. 45 ff.
471. R. S. Januar 1771.
472. B. B. 14. März, 11. April, R. S. März, April 1771.
473. R. S. Mai, B. B. 28. Mai 1771.
474. R. S. Dezember, B. B. 19. Dezember 1771.
475. Ein Theil dieser in der Andreä’schen Buchhandlung erschienenen Stücke
ist im VI. Band der von Marie Belli, geb. Gontard unter dem Titel »Leben
in Frankfurt am Main« zusammengestellten Auszüge aus den Frag- und Anzeigungs-
Nachrichten S. 5 und 6 zu fmden.
476. Siehe Jacob Peth »Geschichte des Theaters und der Musik zu Mainz« S. 49
477. Siehe »Chronologie des deutschen Theaters« von Schmid und Dyck
S. 348. (Leipzig 1775.)
478. Siehe ebenda.
479. Siehe Jacob Peth »Geschichte des Theaters und der Musik zu Mainz« S. 48.
480. Siehe »Goethe’s Werke nach den vorzüglichsten Quellen revidirte Aus¬
gabe«, herausgegeben von Gustav Hempel, Berlin. XXIII. Theil »Dichtung und
Wahrheit« mit Einleitung und Anmerkungen von G. v. Loeper. Anmerkung No. 642
zum XVII. Buch gehörig.
481. Siehe ebenda, auch »Urania« S. 92.
482. Marie Belli geb. Gontard »Leben in Frankfurt« etc. VI. S. 38.
483. Siehe Goethe’s Werke etc. XXIII. Theil. Anmerkung 643, zum XVII.
Buche von »Dichtung und Wahrheit« gehörig.
484. Siehe Goethe’s »Wahrheit und Dichtung«, XVII. Buch.
485. R. S. Oktober 1773.
486. B. B. 28. Oktober 1773 und 15. März 1774.
487. Nach den Einzeichnungen in das Rechnungshauptbuch der Stadt Frank¬
furt; und nach den Bürgermeisterbeschlüssen und verschiedenen Bittschriften
Marchand’s zusammengestellt.
488. Nacli Angaben Marchand’s in mehreren seiner Bittschriften aus den
Jahren 1771—1777.
489. R. S. November 1774.
490. B. B. 3. November 1774.
491. Die Ziehung des »Manheimer Lotto« ist in den »Frag- und An¬
zeigungs-Nachrichten« am 6. April 1773 gemeldet und sämmtliche Stücke dabei
angeführt. Siehe auch Marie Belli geb. Gontard, »Leben in Frankfurt« etc.
VI. ß. S. 30.
415
492. "Heber Marchand’s Streit mit dem Grafen von Nesselrode siehe
»Chronologie des deutschen Theaters«, Leipzig 1775. Alles Weitere ist den beiden
Broschüren »Kritik über die Marchandisclie Schauspielergesellschaft« und »An den
Verfasser der Schmähschrift unter dem Titel »Kritik über die Marchandisclie Schau¬
spielergesellschaft« entnommen.
493. Auch veröffentlicht in Marie Belli geh. Gontard »Leben in Frankfurt« etc.
VI. B. S. 75.
494. Veröffentlicht ebenda, S. 93 und 94.
495. ß. S. Januar 1777.
496. B. B. 16. Januar 1777.
497. Briefe die Seylerische Schauspielergesellschaft und ihre Vorstellungen
zu Frankfurt am Mayn betreffend von H. L. Wagner S. 91. (Frankfurt am Mayn
bei den Eichenbergischen Erben 1777).
498. Ebenda S. 25.
499. Siehe »Allgemeines Theater-Lexikon etc.« herausgegeben von R. Blum,
K. Herlosssohn, H. Marggraff. IV. B. u. v. Reden-Esbeck, Deutsches Bühnen -Lexikon.
500. Das Motto des Vorhangs Ridendo castigat mores (Lachend bessert sie
die Sitten) ist auch in Wagner’s Briefen über die Seyler’sche Gesellschaft S. 41
erwähnt.
501. Alle kritischen Auszüge in diesem Abschnitt sind dem aus achtzehn
Briefen bestehenden Werke H. L. Wagner’s über die Seyler’sche Gesellschaft
entnommen.
502. Orang-Outang ist der bekannte Buckhändler Nicolai in Berlin, welcher
nach dem Erscheinen von Goethe’s »Werther’s Leiden« 1774 eine Art Parodie auf
dieses Werk »Freuden des jungen Werther’s, Leiden und Freuden Werther’s des
Mannes« geschrieben hatte. Hierfür wurde er in der von H. L. Wagner verfassten
Satyre »Prometheus, Deukalion und seine Recensenten« hart mitgenommen. Wie
alle in derselben auftretenden Personen, so erschien auch Nicolai unter einer Thiermaske
und zwar als grässlicher Orang-Outang vor welchem die göttlichen entsetzt fliehen.
503. B. B. 19. August 1777.
504. Siehe Frankfurter Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Künste und
Wissenschaften I. B. IV. Stück (vom 27. Januar 1780).
505. B. B. 7. Mai 1778.
506. R. S. September, B. B. 22. September 1778.
507. R. S. September, B. B. 17. September 1778.
508. Siehe Dr. Erich Schmidt »Heinrich Leopold Wagner, Goethe’s Jugend-
genösse« S. 22 und 23 (Jena, Verlag von E. Froman, 1875).
509. Näheres über »Evchen Humbrecht« etc. und die Beziehungen dieses
Stückes zu anderen dramatischen Erzeugnissen jener Zeit findet sich in der
ebengenannten Monographie Dr. Erich Schmidt’s in dem Abschnitt »Die Kinder-
mörderinn, ein Trauerspiel«.
510. B. B. 22. Oktober, R. S. Oktober 1778.
511. R. S. Oktober, B. B. 20. Oktober 1778.
512. Ebenda Dezember 1778.
513. R. S. Februar 1780.
514. B. B. 17. Februar 1780.
515. Die kritische Abhandlung über die Grossmann und Hellmuth’sche
oder Kurcölnische Schauspieler-Gesellschaft, enthalten in dem XXXH., XXXIV.
und XXXVI. Stück des H. Bandes der Frankfurter Beiträge zur Ausbreitung
nützlicher Künste und Wissenschaften vom 10. und 24. August und 7. Sep¬
tember 1780.
516. Die Kritik über »Julius von Tarent« von Leisewitz findet sich in dem
XIV. Stück des I. Bandes der »Frankfurter Beiträge« etc.
517. Akten, die am 28. Mai 1780 stattgefundene Aufführung von Julius
von Tarent betreffend.
#
416
518. Ebenda, wie anch alle anderen auf die Verhandlungen über das
genannte Trauerspiel bezüglichen Mittheilungen.
519. B. B. 18. April 1780.
520. Kritik über die am 7. April 1780 gegebene Vorstellung des Weisse’schen
Trauerspiels »Romeo und Julie«, enthalten im XVI. Stück des I. Bandes der
»Frankfurter Beiträge«.
521. Aud. cons. jun. Weitere auf den Direktor Böhm bezügliche Senats¬
beschlüsse: B. B. den 22. Februar, 15. März, 1. Mai, 18. September 1781.
522. R. S. September 1779. April und Mai 1780. Februar, März, Mai und
September 1781. März, April und Mai 1782.
523. B B. 0. November 1781.
524. R S. November und Dezember 1780 und März 1781. B. B. 28. No¬
vember, 28. Dezember 1780 und 13. März 1781.
525. Anzeige im »Frankfurter Staats-Ristretto« vom 2. September 1782.
»Die im neu erbauten Stadt-Komödienhause auf heute angesetzte Vorstellung,
kann wegen einiger im Bauwesen vorgefallenen Hindernisse erst Morgen, Dienstags
den 3. September, gegeben werden, welches hiermit schuldigst anzeigen wollen
Grossman n.«
[Der »Frankfurter Staats-Ristretto« ist das bedeutendste hiesige Blatt der
80er Jahre des vorigen Jalu'himderts, es enthält wichtige Theaternachrichten und
bringt die ersten regelmässigen Anzeigen der abzuhaltenden Vorstellungen.]
526. Die Besetzung des Stückes Hanno, Fürst im Norden, ist nach dem
Personalbestand der Kurcölnisehen Gesellschaft im Jahre 1782 und genau nach
der damaligen Vertheilung der verschiedenen Rollenfächer festgestellt worden.
Beilagen.
I.
Einladungsschrift von L. A. Denner zur Magistratskomödie, Herbstmesse 1731.
Denen Hoch-Edel-Gebohrnen, Gestrengen, Hoch-Edlen, Yest-
und Hoch-gelahrten, Wohlfürsichtigen, und Hochweisen, Ehren-Yesten
und Wohlweisen Herrn, Herrn Schultheiss, Bürgermeistern, Schöffen
und Rath der löbl. Freyen- Reichs- Wahl- Crönungs- und Handel-Stadt
Frankfurt am Main,
Meinen Gnädigen und Hochgebiethenden Herrn Wolte Folgende
Haupt-Aktion nebst vorhergehenden Musicalischen Prologo, von vier
Th eilen der Welt genannt
LE CID
Oder Streit zwischen Ehre und Liebe,
In der Person Roderichs und Chimene.
Als ein Zeichen seiner unterthänigen Pflicht und Schuldigkeit,
gehorsamst aufführen und verbundenst dediciren,
deroselben unterthäniger Diener
Leonhard Andreas Denner.
Der Königl. Gross. Britt. und Churfürstl. Braunschw. Lüneburg
Hof-Akteurs Prinzipal.
Lasst Eurer Gnade uns Gedächtnüss-Säulen setzen,
Dieweil dieselbe Wir vor Wunder- Werke schätzen;
Ihr Häupter dieser Stadt, ihr Yäter voller Macht,
Die ihr vor Karols Thron als muntre Adler Wacht.
Wer ehrt die Weisheit nicht mit tausend Lorbeer-Zweigen?
Yor welcher jedermann zur Erde sich muss neigen,
Wer schauet nicht gebückt den Thron der Hoheit an
Der mit dem Sieges-Krantz und Palmen angethan.
Wie sollten wir auch nicht uns dankbar heut erzeigen,
Und vor den Bäumen uns und dessen Blättern neigen,
Die ihren Schatten uns vergönnt in sichrer Ruh,
Drumb wollen wir uns jetzt vollkommen nahenzu
Auf Euren Gnaden-Blick die Hoffnung heut zu gründen,
Wir bitten, lasset Euch bey unserem Schauplatz finden.
Entzieht dem hohen Ambt den angeflammten Geist,
Der sonst für Land und Leuth Euch allzeit sorgen heisst,
21
418
Ihr seid die Sonnen ja, wir nur die Sonnen-Wende
Wir neigen uns vor Euch, umfangen Knie und Hände;
Dann unser Schatten-Werk folgt Eurem Lorbeer nach,
Wann Ihr uns stets beschützt trifft uns kein Ungemach.
Es ist der Götter-Arth, dass sie niemals verschmähen
Des Weyrauchs schlechten Dampff, wann sie von Tempeln gehen.
Das Perlen-reiche Meer nimmt kleine Bächlein auf,
Die Wasser zinsen nur mit ihrem schnellen Lauff.
So zweifeln wir auch nicht, ihr Häupter vieler Glieder,
Dass sich die Hoheit wird zur Demuth lassen nieder.
Der Abriss ist gemacht, der Pinsel sich verführt,
Wann Eurer Sonnen-Gold uns nur zu rechte führt.
Es werde Euer Ruhm mit mehr dann tausend Zungen
Anjetzo wie zuvor in aller Welt besungen.
Wo Lieb und Einigkeit die Stadt noch fester macht,
Als würden hundert Wäll’ und Graben drum gebracht.
Der Himmel lasse stets Euch weise Väter grünen,
Dass sie noch ferner fort dem Regimente dienen,
So weislich, als sie thun, und vormahls schon gethan,
Es reiche diss Ihr Lob bis zu der Sternen Bahn.
Es blühe immerdar, es müsse nie vergehen,
Ein solches Regiment, so durch sie kan bestehen.
Noch dieses wünschen wir, ach blühet, blühet fort,
Nehmt uns in Eure Gnad, habt Dank mit einem Wort.
In dem Theatro sind folgende Emblemata zu sehen:
I. Ein Herz, so von allen 4 Haupt-Winden angeblasen wird, cum
lemmate :
Stat immotum, Cor devotum.
II. Zwey aus denen Wolken gehende Hände, so ein Herz umfassen
mit der Ueberschrift :
Corda cuncta, Sic sint juncta,
III. Ein Herz an einen Felsen geschmiedet mit denen Worten :
Ante Scutum Cor flat tutum.
IV. Ein unter einem Palmen-Baume ruhender Wanders-Mann, mit
der Umschrift:
Sub hac Palma Quies Alma.
Actiones in Prologo.
Asia, America, Africa Europa.
Hierbei folgt ein Musikalischer Prologus, von vier Theilen
der Welt.
Asia.
Pegu Adern gläntzen,
In der Türken Gräntzen,
Darum bleibt der Vorzug mein,
419
Kann auch von Bornäens Steinen,
Ein berühmter Jaspis scheinen,
Und nicht ganz verächtlich seyn ? da Capo
A f r i c. a.
Und mein was soll das Streiten ?
Ich weiss was zu bedeuten
Hat meiner Mohren Macht:
Wenn ich mit Pfeil und Bogen
Komm einmahl aufgezogen,
So muss dein Glantz erbleichen
Und vor mir Segel streichen, da Capo
America.
Wo bleib dann ich,
Dass Ihr nicht mein gedenkt
Und meine Ehre kränkt.
Es bleibt dabey ja, ja,
Ich bin Herr hier und da.
Mein Säbel soll Euch weisen,
Wie meine Macht zu preisen,
Darum vereinet mich! da Capo
E uro p a.
Ach schweigt mit eignen Loben
Und lasst vielmehr die Proben
Von Eurer Demuth spüren,
Und was Euch will gebühren.
Weil heut so viele Sonnen,
Des Frankfurts Zierd und Wonnen,
Sich zeigen hell und klar.
Drum theuerste Väter lebet!
In höchsten Freuden schwebet
Unzehlig lange Jahr!
Chorus.
Auf Ihr Helden und thut Euch bereiten
Mit Europa in vollen Freuden,
Ja lasset da Vivat uns gar nicht verhehlen:
Dieser Stadt Väter sollen Nestors Jahr zehlen !
Kurze Content a.
Es Hesse sich der König von Arragonien gefallen, den alten
Don Diego, als des Roderichs Vater wegen seiner treu geleisteten
Dienste, zu einem Ober-Hofmeister seines Prinzen zu erkiesen, diese
Ehre missgönnet ihm Don Gormas, der Chimene Vater, und da sie
beyde in einen Wortstreit gerathen, griffen sie letzlich zu den Waffen;
und wird der alte Don Diego von dem Graf Gormas disarmirt. Und
da Don Diego sich aufs höchste beschimpft siehet, übergibt er die
Rache seinem Sohn Don Roderich, welcher auch in einem Duell
21*
420
den Don Gormas erleget. Und da Ehr und Liebe sowohl in Rode-
richs als Chimenes Brust einen starken Wett-Streit halten, behält
doch die Ehre die Oberhand. Letztlich fasst der König auf Chimene
vielfältiges Anhalten den Schluss, dass Don Sanche ihr Recht durch
einen Zwey-Kampf vertheidigen soll, wer nun überwinden würde, der
sollte mit Chimene vermählt werden, da es dann Roderich glücket,
dass er Sanche ebener massen überwindet, und übergiebt ihm der
König Chimene zu einer Gemahlin mit der Bedingung, dass nach
Vollendung des Trauer- Jahres Roderich mit Chimene soll vermählet
werden.
Hierbey folgen die Arien so in der Comoedie gesungen werden.
Aria der Chimene.
Ach ihr unglückseelge Augen,
Werdet doch zum Thränen-Fluss,
Weint ach! weint mit herben Schmertzen,
Weil doch eurem treuen Herzen
Aller Trost verschwinden muss. Da Capo.
Aria der Infantin.
Wann du deinen Schatz wirst küssen,
Küss ihn auch einmahl vor mich.
Dann ich hab ihn auch geliebet,
Doch da er sich dir ergiebet,
Will ich meine Liebe schliessen,
Nur noch darum bitt ich dich. Da Capo.
Aria der Elvire.
Seyd einst gütig schönste Augen,
Martert doch mein Herz nicht mehr;
Lasst aus eurem holden Wesen
Mich ein süsses Trost- Wort lesen,
Quälet mich doch nicht so sehr. Da Capo.
Aria der Chimene.
Geliebter Roderich, ich will gar gerne sterben,
Und durch den Tod verderben,
Vergiss nur meiner Treue nicht,
Wann mir der blasse Tod das matte Herze bricht.
Der güt’ge Himmel lasse dich, nach meinem Tod
Noch viel verjüngte Jahre zehlen.
Er wolle dir dieselben gönnen, die ich noch hätte leben können.
Ich aber geh’ mich mit dem Tode zu vermählen.
Sobald mein mattes Herze bricht, so soll mein Geist noch raffen.
Mein Roderich ach! vergiss Chimene nicht.
Aria.
Wann mich mein Roderich noch liebet,
So geh’ ich willig in den Tod,
421
Mein Seuffzen, meine Thränen,
Die sollen dich versöhnen,
Man läutet mir zum Grabe,
Ich sterbe ohne Noth. Da Capo.
n.
Einladung-sschrift der Neuberin zur Magistratskomödie Herbstmesses 1736.
( Titelblatt.)
Einem Hoch-Edlen und Hochweisen MAGISTRAT des Heil. Reichs
freyen Stadt Frankfurt am Mayn zu Ehren und schuldigsten
Dankkbarkeit wird heute ein deutsches Schauspiel, genannt:
DIE HORATIER
Oder: Die vor ihre Vaterstadt treu gesinnten Patrioten,
Hebst einem neu dazu verfertigtem Vorspiele, genannt:
Die Herbstfreude,
Zugeeignet und vorgestellt von den Königl. Pohln. Churfürstl.
Sächsischen, imgleichen Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb. Wolffenb.,
Nunmehro auch Hoch-Fürstl. Schleswig-Holsteinischen
Hof-Comödianten.
Freitag, den 2. November 1736.
(Zweites Blatt.)
Ihr Väter dieser Stadt!
Die Frankfurts Wohl vermehren,
Wir müssen Euch mit Dank und wahrer Demuth ehren,
Dass Eure Güt und Huld uns hier geschützet hat.
Es fehlt an Kräften zwar, doch findt der Wille statt,
Wenn er sich dankbar zeigt; denn Hoheit, Pracht und Gaben,
Die können in der Welt nicht alle Leute haben.
Wir sorgen nur dafür, dass unsere Schuldigkeit
Das Danken nicht vergisst. Wir sind dazu bereit.
Die Zuflucht müssen wir zu Eurer Weisheit nehmen,
Wenn diese für uns spricht, so kann uns nichts beschämen,
Wenn die uns schützen hilft, so trift die Hofnung ein:
Es wird Euch unser Dank, das Spiel, gefällig seyn.
Zumahl wenn unser Fleis dadurch ein Zeugnis giebet,,
Wie man die Bessrung sucht, wie sich ein jeder übet,
Derselben nachzugehn. Wenn die Erfahrung spricht:
Es fehlet fast itzund an keinem Umstand nicht,
Es ist zum wenigsten der grösste Theil gehoben,
Es giebt uns Frankfurt nun die allerbesten Proben.
Wie sittsam höret man nicht einem Schauspiel zu?
Was zeigt man für Verstand, wie liebt man Zucht und Ruh?
Es hat sich der Geschmack, was Gutes anzusehen,
Jetzund weit mehr erhöht, als es vordem geschehen.
422
Die Menge fehlt zwar noch; allein der Anfang zeigt,
Dass immer nach und nach das Gute höher steigt.
Ihr Yäter dieser Stadt! Die Menge guter Gaben,
Die müssen Euch zum Grund, zu ihrer Yorschrift haben:
Denn Eure Weisheit gönnt der Tugend ihren Platz,
Die giebt Euch und erhält dadurch den grösten Schatz,
Denn Eurer Bürger Ruhm, der muss auch Euch erfreuen,
Yon Ihrer Tugend kömmt der Seegen, das Gedeyen,
Ihr Ansehn bringt Euch Ruh, dass Euch die gantze Welt
Bey Eurem Regiment durch sie geseegnet hält.
Erlaubt uns, dass auch wir das Gute recht erkennen,
Das Euer Frankfurt ziert, und lasset uns nicht trennen
Yon Eurer Gütigkeit. Nehmt unsre Demuth an,
Und bleibt uns künftig auch mit Güte zugethan!
Der Himmel seegne Euch in allem Thun und Lassen,
Dass Euch so gar kein Feind vermögend ist zu hassen,
Dass jeder gute Theil sich immer besser zeigt,
Dass Euer Glück und Ruhm noch immer höher steigt !
Was die Gelehrsamkeit ergründet, forscht und siehet,
Was durch die Kauffmannschaft vor reicher Seegen blühet,
Was jedem Bürger nützt, was jeder Fremde bringt,
Was List und Schaden dämpft, was Neid und Feind bezwingt,
Was Friede macht, was schützt, was Euren Ruhm vermehret,
Was Eure liebe Stadt in jedem Stand ernähret,
Yergnügt und glücklich macht, das werde täglich neu!
Dass unser Wunsch erfüllt, der Dank geseegnet sey.
(Drittes Blatt.) Das Yorspiel wird genannt:
Die Herbst - Freu de.
Personen :
Der
Die
Der
Die
Die
Die
Die
Die
Der
Der
Der
Der
Der
Der
Der
Der
Der
Herbst.
Mässigkeit, als eine Schäferin.
Genuss, als ein Schäfer.
Yernunft, als eine Heldin.
Freude, als ein Yorsteher des Tempels der Yernunft.
Thorheit, |
Frechheit,
Y erschwendung,
Uebermuth,
Undank,
Müssiggang,
Ernst,
Fleiss,
Gehorsam,
Handel,
W ohlstand,
Nutzen,
als Bäuerinnen.
als Bauern.
als Schäfer-Knaben.
423
Die Wahrheit,
Die Frömmigkeit,
Die Arbeit,
Die Hofnung,
Die Liebe,
Das Vergnügen,
Ein Schutz-Geist.
> als Schäfer-Mädchen.
Die Schaubühne stellet eine Allee von fruchtbaren Bäumen
vor. In der Mitte stehet eine mit Weintrauben und dergl. Herbst-
Früchten geschmückte Hütte. Vor der Hütte stehet auf der einen
Seiten ein Tisch mit goldenen Körben, in welchen Trauben und
andere Früchte Kegen. Auf der andern Seiten ein Tisch mit ein¬
geschenkten Glässern und vollen Wein-Flaschen. Am Theater siehet
man auf der einen Seiten das Bild der Tugend als ein junges
Frauenzimmer. Auf der andern Seiten das Bild der Grosmuth, als
ein Frauenzimmer mit einer Krone. Ueber dem Theater zwey
fliegende Kinder, welche das Franckfurter Wappen halten. In der
Hütte sitzet der Herbst und bev ihm die Mässigkeit und der
Genuss. Zu ihnen kommen der Uebermuth, die Thor heit,
der Undank, die Frechheit, der Müssiggang und die Ver¬
schwendung. Die sind empfindlich darüber, dass sie nicht auch
zu diesem Feste gebethen worden. Es öfnet sich die hintere Wand
an der Hütte, alwo man im Prospecte auf beyden Seiten Weingärten,
in der Mitten aber den Tempel der Vernunft siehet, welcher durch
eine Sonne beleuchtet wird. Es treten auf: Die Vernunft als
eine Heldin, die Freude als Vorsteher aus dem Tempel der Ver¬
nunft; für ihnen her gehen: Die Arbeit, die Wahrheit, die
Frömmigkeit als die Töchter der Tugend, die Hofnung, die
Liebe, das Vergnügen, als die Töchter der Unschuld.
Es geseUen sich zusammen :
Die Wahrheit und der Ernst
Die Frömmigkeit und der Fleiss.
Die Arbeit und der Gehorsam.
Die Hofnung und der Handel.
Die Liebe und der Wohlstand.
Das Vergnügen und der Nutzen.
Das übrige wird angenehmer zu sehen und zu hören als zu
lesen seyn.
Dieses Vorspiel ist verfertigt von Friederica Carolina
Neuberin.
Hierauf folgt das Schauspiel, genannt:
424
tt
DIE HORATIER
Oder: Die vor ihre Yater-Stadt treu gesinnten Patrioten.
Personen:
Horatius, der Vater, ein Römischer von Adel [Herr Kohlhardt.]
Horatius, der Sohn . [Herr Schönemann.]
Curiatius, ein Albaner, der Camilla Bräutigam [Herr Suppig.]
Camilla, des alten Horatius Tochter, und Cu¬
riatius versprochene Braut . [Madm. Schönemann.]
Clelia, des jungen Horatius Tochter . . . [Jgfr. Philippine Turnier.]
Taraninius, des jungen Horatius vertrauter
Freund, in die Clelia verliebt .... [Herr Koch.]
Valerius, ein römischer Bürger, und Be¬
kannter des Horatius . [Herr Türpe.]
Ein römischer Soldat.
[4. Blatt.] Kurzer Yorbericht.
Rom hatte den Albanern die Geburt des ersten Stifters Ein¬
hundert und sieben, dem sorgsamen Romulus aber die glückliche
Erbauung ein und achtzig Jahre zu danken , als Tullus Hostilius
durch gemeine Wahl und Bestätigung der Yäter, Haupt und König
wurde. Ein kleiner Missverstand, der sich zwischen den Albanern
und Römern auf dem Lande ereignete, gab ihm vollkommene Ge¬
legenheit, die Liebe zum Kriege unter dem Mantel Landsväterliche
Vorsorge zu verbergen. Metius Suffetius, der nach des Clecilius Tode
zum Könige in Alba ernennet worden, flöhe hingegen den Krieg, so
sehr, als ihn jener suchte. Desswegen bewegte er den Römischen
König dahin, dass die harte Schlacht, zu welcher man sich schon
auf beyden Theilen schickte, eingestellt, und auf jeder Seite drey
tapfere Kämpfer ausgesucht wurden, welche miteinander um die Ober¬
herrschaft fechten sollten. Römischer Seiten fiel das Loos auf drey
Brüder des Geschlechts der Horatier, und die Albaner begehrten
gleichfals drey Brüder aus dem Hause der Curiatier. Alle sechse
verehrten den verstorbenen Sequinius , einen vornehmen Albaner,
als ihren Gross-Yater. Selbiger hatte zwo Töchter, die Zwillinge waren.
Eine davon vermählte er an den Yater der Horatier, die andere aber
an den Yater der Curiatier. Beyde hielten an einem Tage Hochzeit,
und nach einem Jahre gebahr jede drey Söhne, nehmlich diese sechs
Kämpfer, welche nun miteinander streiten solten. Ein Curiatius
richtete seine Augen wieder auf die Schwester der Horatier und ver¬
liebte sich in die Camilla. Er erhielte auch das Jawort, doch war
die Hochzeit wegen des entstandenen Krieges aufgeschoben worden,
denn das gemeine Wohl ging hier dem eignem vor. Der dreyzehende
Brachmonaths-Tag des 3284. Jahres nach Erschaffung der Welt, und
des sechs und achtzigsten nach Erbauung der Stadt Rom, machte
Natur und Liebe zu Sclaven der Ehre. Die Wahlstadt Yeigte schon
zwene tode Horatier, kein Curiatius aber war gefallen, ob sie schon
425
alle drey verwundet waren. Und da sich der noch lebende Horatius
dreyen zu wiederstehen zu schwach befand, nahm er die List zu
Hülfe, und erhielte also dasjenige, warum seine Brüder das Leben
eingebüsset. Camilla war ganz ausser sich selbst kommen, weil ihr
Liebster getödtet worden. Sie stiess wieder ihren Bruder die em¬
pfindlichsten Schmäh-Worte aus, und folgte, aus übermässiger Raserey
angetrieben, ihrem geliebten Curiatius im Tode nach. So erfreut der
alte Vater Horatius ist über den Sieg seines Sohnes, so sehr betrübt
er sich hingegen über die Unart seiner Tochter Camilla.
Den Beschluss macht ein Nachspiel.
Die Bedienten können ohne Bezahlung nicht, eingelassen werden.
Wer sich bevm Eingänge nicht lange auf halten will, kan des
Morgens von 8 bis 10 Uhr Billets bezahlen und abholen lassen. Die
Person giebt auf den Logen 4 Kopfstück, anf dem ersten Platze 2
Kopfstück oder 10 Batzen, auf dem zwevten Platze 6 Batzen, und
auf dem dritten Platze 4 Batzen. Gold kann nicht angenommen und
gewechselt werden.
Der Anfang ist um 5 Uhr, auf dem Liebfrauenberge in Frank¬
furt am Mayn,
Frey tags, den 2. November 1736.
Johann Ne über.
III.
Einladungssehrift der Neüberin zu der Vorstellung am 9. November 1736.
Allen Zuschauern zu Ehren und schuldigster Dankbarkeit wird heute
ein Deutsches Vorspiel zugeeignet und aufgefiihret, dabey auch ein
Deutsches Schauspiel vorgestellet werden von den Königl. Pohln.
Churftirstl. Sächsischen imgleichen Hochftirstl. Braunschw. Lünb.
nunmehro auch Hoch-Fürstl. Schleswig-Holsteinischen
Hof-Comödianten.
Frankfurt am Mayn, den 9. November 1736.
Das Vorspiel wird genannt:
Die Umstände der Schauspielkunst in
allen vier Jahres-Zeiten.
Personen :
Der Frühling. Mercurius.
Der Sommer. Die Hochachtung.
Der Herbst. Melpomene, oder:
Der Winter. Die Schauspielkunst.
Die Schaubühne stellet vor: Die Wohnung des Frühlings, des
Sommers, des Herbsts und des Winters,
426
Hierauf folget das Schauspiel, genannt :
BRITANNICUS.
Ist aus dem Französischen des Herrn Racine in Hamburg über-
sezt und in Niedersächsischen Nachrichten von gelehrten neuen Sachen
Nr. XCIII p. 805 den 28. November 1735 bekannt gemacht worden.
Personen :
Nero ein Sohn Domitii Enobarbi, und Agrippinä. [Herr Suppig.]
Britannicus, Kaysers Claudius Sohn, den Nero
aus Liebe zur Junia, und Furcht vor Ver-
liehrung seines Throns mit Gift hinrichtete. [Herr Koch.]
Agrippinä, die Mutter des Nero, und seines Va¬
ters, des Domitius Enobarbus Wittwe. Her¬
nach von ihrer andern Ehe, des Kaysers
Claudius Wittwe und des Britannicus
Stief-Mutter .
Junia, des Britannicus Liebste . . .
Burrhus, des Nero Hofmeister . . .
Narcissus, des Britannicus Hofmeister
Albina, der Agrippinä Vertraute . .
Hierauf folget anstatt des Nach-Spiels:
Le galant coureur
ou L’ouvrage d’un moment.
Comedie en un Acte, par Mr. le Grand
Der Lauffer.
Lucinde, die Präsidentin, \ . ^ ^ w.Hnrm [Frau Neuber.]
[Frau Gründler.]
[Herr Koch.]
[Herr Suppig.]
[Jgfr. Ehlich?]
[Herr Fabrizius.]
[Frau Neuber.]
[Frau Koch.]
[Herr Lorenz.]
[Herr Steinbrecher.]
[Jgfr. Ehlich?]
. j. n , hinge Wittwen . . .
Donmene, die Grahn ] J °
Marquis de Floribel, des Chevaliers Freund . .
Chevalier, der Lucinde Liebhaber .
Marton, der Lucinde Mädchen .
Rustaut, des Chevaliers Kutscher, in Marton verliebt
Champagne, des Chevaliers Diener . [Herr Lorenz.]
Criquet, der Präsidentin Diener . [Herr Schröter.]
Die Bedienten können ohne Bezahlung nicht eingelassen werden.
Wer sich beym Eingänge nicht lang aufhalten will, kan des
Morgens von 8 bis 10 Uhr Billets bezahlen und abholen lassen. Die
Person giebt auf den Logen 4 Kopfstück, auf dem ersten Platz 2
Kopfstück oder 10 Batzen, auf dem zweyten Platze 6 Batzen, und
auf dem dritten Platze 4 Batzen. Gold kann nicht angenommen und
gewechselt werden.
Der Anfang ist um 5 Uhr auf dem Liebfrauenberge in
Frankfurt am Mayn.
Die 2 dabey gedruckten Bogen sind vor 2 Batzen zu bekommen.
Johann Neuber.
427
IV.
Eiiiladungssclu’ift Eckenbergs, des sogenannten starken Mannes, zur
Magistratskomödie, Herbstmesse 1738.
Das aus danckbaren Hertzen stammende Lust- und Freuden-Opfer,
vorgestellet in einem gebundenen
PROLOGO.
Frankfurt, den 2. Octobris 1738.
Zu hoher Ehr- und Danck-Bezeigung Denen Wohlgebohrnen,
Hoch- Wohl- Edel-Gebohrnen, Hoch-Edlen, Gestrengen, Edel vesten,
Wohl Ehren vesten, Fürsichtigen, Hoch- und Wohlweisen Herren
Bürgermeistern und Rathen allhier, Unseren Gnädig, Hochgebietend,
Grossgünstig- und Hochgeehrtesten Herren.
Durch des von Eckenbergs, oder so genannten Starken Manns,
Königl. Preus. privilegirten Comoedianten-Bande in schuldigst
geziemender Submission und gehorsamster Beflissenheit aufgeführt,
und nebst einer besonders ausgesuchten historischen Staats-Action,
betitult :
Der mit weiser Gerechtsame eher Sterben- als Laster billigende
Römische Rechts-Gelehrte,
AEMILIUS PAULUS PAPINIANUS,
wobey, zu abwechslender Gemüths-Ergötzung, ein kluger Phantast
und verrückt- doch wahrhaffter Calendermacher erscheinen wird.
In tieffester Veneration dediciret.
Vereintes Väter Zwey und Ihr berühmte Stützen,
Da Euer wachend Aug auf Frankfurts Wohlfahrt sieht,
Die Ruhm-verdiente Sorg, dieselbe zu beschützen,
Ist recht verwunderlich, so Tags als Nachts bemüht.
Es muss die gantze Welt die schöne Eintracht preisen,
Und sich die Burgerschafft mit Dank gehorsam weisen.
Vergönnet, Gnädige, uns auch anheut zu zeigen,
Wie Pflicht und Schuldigkeit von unserm Fleiss begehrt;
Vor Eurer Güte will die Danckbarkeit sich neigen,
Da Euer hoher Ruhm durch Eintracht wird geehrt.
Papinianus hat in Rom das Beyspiel geben,
In Frankfurt wolt Ihr stets Papinianisch leben.
Das Theatrum ist eine angenehme Gegend am Mayn-Strohm,
allwo obige Personen erscheinen.
Sc. 1.
Ehren-Ruf.
Ehren. Was vor ein unverhoffter Tag
Will alles heut in Freude setzen?
428
Man hört von nichtes, als Ergötzen,
Yon Jauchzen, Schertzen, Lust,
So in der treuen Brust
Dankbarer sich lässt finden.
Drum will ich mich auch ebenfalls bequemen,
Den Thon der Freuden anzunehmen.
Aria.
Frohlocket und jauchzet mit fröhlichem Hertzen,
Es blüh der Rath von Frankfurt mit Seegen becrönt,
Lasst jetzo aus Freuden die Sayten-Spiel schertzen,
Bis Himmel und Erde von Freuden erthönt. Da Capo.
Sc. II. D anckb arkeit.
Danck. Woher entstehet solche Lust?
Ich kann es nicht ergründen,
Warum in deiner Brust
Sich nichts, als Fröhlichkeit lässt finden.
Ehren. Yernimm, diss sind die offt verlangten Stunden,
So sich, zu unserm Glück, heut eingefunden;
Diss ist der Tag,
An dem die Stützen dieser Stadt
Yor unserm Schauplatz sind erschienen,
Und darum fordert unsre Pflicht,
Dass wir nach Möglichkeit Dieselbige bedienen.
Danck. Dein Will erinnert mich an meine Schuldigkeit,
So ich den Yätern dieser Stadt
Danckbarlichst muss erzeigen.
So bin ich ebenfalls mit Dir bereit
Zur Danckbarkeit.
Aria.
Frankfurt, dein Glücke
Geh nie zurücke,
Dein Wohl besteh.
Des Himmels Seegen
Geh dir entgegen
Und dich erhöh.
Sc. in. M e r c u r i u s.
Mcrcur. Wie find ich euch allhier,
Ich glaube sicherlich,
Dass ihr auch, gleich wie ich,
An diesen Ort seyd gekommen,
429
Damit ihr eure Schuldigkeit
Den werthen Vätern dieser Zeit
Durch eure Wünsche könt beweisen,
Wie auch Ihr Gnädigseyn
Mit Danck und Opfern preisen.
Aria.
Durch Euch blühen die Gesetze,
Und die wahren Gnaden-Schätze
Müssen jedem offen stehn.
Allhier kan man sicher leben
Und den Ruhm der Ordnung geben,
Auch den schönsten Frieden sehn. Da Capo
Ehren. So lasst uns dann, die Freuden zu vermehren,
Uns noch mit diesen Wünschen hören:
Lebt Nestors Jahr, Ihr treuen Väter dieser Stadt,
Eu’r klug und gutes Regiment
Nehm nie ein End.
Euer grosser Namen schwinge sich
Bis zu dem Sternen-Pol;
Des Höchsten Gnaden reiche Weissheits-Stralen,
Die müssen stets auf Eure Häupter fallen.
Chorus.
Lebt und steigt zu allen Zeiten
Als ein Bild der Seltenheiten
In der grössten Pracht empor.
Selbst das gütige Geschicke
Gönne Euch vergnügte Blicke,
Dieses wünschet unser Chor.
Y.
Repertoire dar französischen Komödianten 1741—1742.
PAR PERMISSION DU VENERABLE MAGISTRAT
LES COMEDIENS FERONT L’ OUVERTÜRE DE LEUR THEATRE
DKVIAIN
SAMEDI 17. JUIN 1741.
PAE
LE COMTE D’ESSEX, TRAGEDIE DE MR. CORNEILLE,
StTTVIE DU
GALANT-COUREUR,
COMEDIE FRANOISE EN UN ACTE ORNEE DE CHANTS ET DE DANSES,
On prendra au Theatre, Premieres Loges & Orchestre deux
florins, ä FAmphitheatre quatre Kopstück, aux secondes Loges un
florin, au Parterre & au Paradis un denn florin.
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Le Theatre est ä la Rue du Tous les saints dite ALLER-
HEYLI GEN-GASSE dans maison nommee le Lange-Gang.
On commancera ä cinq heures precises.
Se n’est point permis aux Gens de Livree d’entrer, meme en payant.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
MAGISTRATS,
Werden Morgen als Sonnabend, den 17. Juni 1741.
Die Französische Comedianten Ihro Schau-Bühne zum erstenmahl
eröffnen mit folgendem Stück:
DER GRAF VON ESSEX,
Trauer-Spiel des Herrn Corneille,
Worauf folgen wird ein französisches Lustspiel, genannt
LE GALANT - COUREUR.
Wobey getantzt und gesungen wird.
Man zahlt auf dem Theatro, in der ersten Loge und Orchestre
zwey Gulden, auf dem Amplii-Theatro vier Kopffstück, in der zweyten
Loge einen Gulden, auf dem Parterre und Paradiess 30 kr.
Der Schausplatz ist auf der Allerheiligen-Gassen in dem Langen-
gang. Der Anfang wird mit dem Schlag 5. Uhr gemachet.
Livree-Bediente werden nicht eingelassen, auch nicht vor Zahlung.
19. Junii. LES MENECHMES oder die Zwillingsbrüder, Lustspiel des Herrn Regnard,
ein französisches Nachspiel genannt L'4pveuve reciproque. Nach welchem
ein Jalousie en pas de trois getantzt wird, und wird der Ballet-Meister
Mr. Gherardi zwischen denen beyden Comedien die Sabotiere tantzen.
21. Junii. Ein Italiänisches Lustspiel TIMON LE MISANTROPE, in drey Auftritt.
Zwischen jedem Auftritt wird ein Intermezzo gespielet und getantzet werden,
der Prologus aber vorangellen, worauff zum Nachspiel folgen wird Arlequin
Bulla mit Musique und Tantzen ausgezieret, zuletzt wird getantzet werden
eine Chaconne de Charactere , worinnen Mr. Gherardi, Sohn, tantzen wird
den Scaramuuche. Mad. Baudau wird eine Italiänische Arie singen.
22. Junii. L’ECÖLE DES MARIS oder die Schule der Männer, Lustspiel in drey
Auftritt von dem Herrn Moliere, worauf folgen wird ein Frantzösisches
Nachspiel von dem Herrn Regnard Die verliebte Thorheiten in drey Auf¬
tritt und zum Schluss wird die Niaise en pas de deux getantzet werden.
24. Junii. TARTUFFE oder der Betrüger, Lustspiel in fünff Auftritt von dem Herrn
Moliere. Sodann ein frantzösisches Nachspiel von dem Herrn Dancourt
L'iti des Coquettes oder Der Sommer des Galanten Frauenzimmers.
26. Junii. LE DISTRAIT, oder der Verworrene, Lustspiel in fünff Aufftritt von
Herrn Regnard, worauf folgen wird ein Frantzösisches Lustspiel von Deut¬
lichem Verfasser, genannt Attendez moy sous Vor me , wobey getantzt und
gesungen wird.
28. Junii. Lustspiel auf dem Theatro Italien, LA SURPRISE DE L’AMOUR, oder
ARLEQÜ1N und LELIO auf dem Lande in drey Auftritt mit Lustbarkeiten
ausgezieret, worauf zum Nachspiel eine lustige Opera , die Liebes- Intriguen
von nanterre in einem Auftritt folgen wird.
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29. Junii. Der verliebte DEMOCRITUS Lustspiel in fünff Auftritt von dem Herrn
Regnard, worauf folgen wird ein Frantzösisches Nachspiel Der Geist des
Widersprechens. Zum Beschluss werden einige Täntze aufgeführt, wobey
Mi-. Gherardi Sohn ein Pas de deux mit Tiirckischen Trommeln tantzen wird.
3. Julii. DAS SPIEL DER LIEBE UND DES ZUFALLS, oder Arlequin Herr
und Knecht. Italiänisches Lustspiel in drey Auftritt aus dem Herrn
de marivaux, worauf folgen wird ein frantzösisches Nachspiel, genant
der durch die Liebe höflich gemachte Arlequin in einem Aufftritt aus
eben demselbigen Verfasser mit zwei Intermediis von Music und Däntzen
gezieret, Mr. Gherardi wird den Polichinel dantzen und damit den Beschluss
machen.
ß. Julii. DER SPIELER, Lustspiel in fünff Auftritt von dem Herrn Regnard,
worauf eine Jalousie en pas de trois getantzt werden wird, ln Erwartung
Der Alzire, Trauer-Spiel aus dem Herrn Voltaire.
10. Julii. DER WILDE ARLEQUIN, Italiänisches Lustspiel in drey Auftritt mit
Music und Täntzen begleitet, worauf zum Nachspiel folgen wird Der von
der Liebe wohlgezogene Arlequin in einem Auftritt, gleichfals mit Music
und Täntzen begleitet. Eine Haupt-Täntzerin , welche erst von Hannover
angekommen, wird zwischen beiden Stücken Les Caracteres de la danse tantzen.
13. Julii. PHEDRA, Trauerspiel aus dem Herrn racine, worauf folgen wird ein Frantzö¬
sisches Lust-Spiel, genannt ARLEQUIN in der Insul derer Sclaven in
einem Aufftritt aus dem Herrn von marivaux, durch und durch mit
Täntzen gezieret.
14. Julii. DER HAUPT-ERBE, Lustspiel in fünff Aufftritt aus dem Herrn Regnard,
worauf folgen wird ein Frantzösisches Nachspiel, genannt Der Kenner des
Galanten Frauenzimmers in einem Aufftritt. Zu Ende derselben wird unsere
neue Täntzerin mit Tantzung einer Pohlnischen Dragone den Beschluss machen.
15. Julii. DER GRAFF VON ESSEX aus dem Herrn Corneille, worauf ein kleines
Frantzösisches Nachspiel in einem Aufftritt, Der Scharffsehende Blinde
betitult, folgen wird. Am Ende desselben wird man ein Ballet geben, in
welchem die Dem. Baudau und der Sr. Gherardi ein Entree de Niais & de
Niaise dantzen werden.
19. Julii. DIE DOPPELTE UNBESTÄNDIGKEIT, oder die Liehe des Arlequins
und der Silvia, Italiänisches Lustspiel in drey Aufftritt, wobey gedantzt
und gesungen wird. Zum Nachspiel folget Arlequin allzeit Arlequin in
einem Aufftritt mit Music und Däntzen gezieret.
24. Julii. Lustspiel DIE COMEDIANTEN ALS SCLAVEN, solches enthält drey
Stück in sich, ein Verzeychniss derer Sclaven, ein Trauerspiel unter dem
Titul Argagambis, und eine lustige Opera betitult Arlequin der irrende
Ritter, oder Die Zauberin, das dumme Peterle. Diese Stücke sind durchaus
mit Music und Täntzen gezieret. Mr. Gherardi der ältere wird in der
Lustigen Opera die Rolle eines Poetens vorstellen, wie er es in Paris
bereits gethan hat.
26. Julii. DIE VERLIEBTE THORHEITEN, Frantzösisches Lustspiel in drey
Auftritt, worauf folgen wird Eine Piece en Vaudeville, betitult Arlequin
und der dumme Peterle in der umgekehrten Welt, mit Täntzen gezieret.
29. Julii. Frantzösisches Lustspiel DER VERHEU RATHETE WELTWEISE in
fünff Auftritt aus dem Herrn Nericault Destouches, in welcher Herr le
Coq den Weltweisen vorstellen wird, worauff folgen wird Ein Tantz von
Caractbres und wird der jüngere Herr Gherardi den Scaramouche und die
Demoiselle Delisle die Arlequine tantzen und in einem Zwischen- Auftritt
die Niaise.
31. Julii. Frantzösisches Lustspiel DIE SCHULE DER WEIBER in fünff Auftritt
aus dem Herrn Moliere , worauff ein kleines Nachspiel folgt , betitult :
Der scharffsehende Blinde , in einem Auftritt. Sodann wird ein Ballet ge¬
macht werden, worinnen die Herren Gherardi und Grand-Champs einen
pas de deux als Zwerge tanzen werden.
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2, Augusti. Trauer-Spiel RADAMISTTIE und ZENOBIA, aus dem Herrn von
Crebillon, worauf folgen wird ein klein Italiänisches Lust-Spiel, betitult
Ich weiss nicht was, in einem Auftritt mit Music und Täntzen gezieret,
nebst einer Musik-Scene, welche eine Critique über den Sing- und Tanz-
Meister derer Yenetiani’ sehen Feyertägen in sich enthält.
5. Augusti. Italiänisches Lustspiel DIE BESCHWERDE DERER REICHTHÜMER
oder Die Liebe zwischen Arlequin und Chloe in drey Aufftritt mit Music
und Tänzen geziert, worauff eine Englische Pantomime mit allen Zugehören,
und am Ende derselben ein Contre-Tantz folgen wird. In Erwartung des
Vorurtheils nach der Mode oder Der Sieg derer Frauenzimmer.
9. Augusti. LE MISANTROPE, chef d’oeuvre de Mr. de Moliere, Comedie en
cinq Actes, suivie de la Pantomime Angloise, en Attendant Le Ballet des Ages ,
precedee d’un Prologue, et au premier jour on |donnera Gustave Vaza.
Tragedie de Mr. Piron.
12. Augusti. Italiänisches Lust-Spiel DER FALCK, und die Gänse aus dem
Boccace in drei Abhandlungen, in welchem Arlequin alle Weiber vor Gänsse
ansieht. Es verdienet solches eine kleine Opera genannt zu werden, wegen
denen Annehmlichkeiten, so mit jeder Abhandlung verknüpfet sind. Der
junge Herr Gherardi und die Dem. Delisle werden mit einem Pas de deux
mit Türckischen Trommeln aufwarten. Hemachmaklen folget ein kleines
Nachspiel betitult: Der Franzos in London in einer Abhandlung. Nächster
Tagen wird Gustav Vaza , Befreyer des Königreichs Schweden gespielt werden.
In Erwartung Des Alters in einem Ballet, mit einem Prologo und dazu
gehörigen Auszierungen.
14. Augusti. Trauerspiel ALZIRE, aus dem Herrn von Voltaire, welche uns
wieder szu Spielen befohlen worden. Ein Französisches Nachspiel Die
Procurator- Ferien in einer Abhandlung und wird dabei getantzt und gesungen
werden. Nächster Tagen wird Gustav Vaza , Befreyer des Königreichs Schweden
gespielet werden. In Erwartung Des Alters in einem Ballet mit einem
Prologo und dazu gehörigen Auszierungen.
19. Augusti. Trauer-Spiel GUSTAV VAZA aus dem Herrn von Piron, worauf
folgen wird Der Plauderer , kleines Lustspiel in einer Abhandlung und
wird zwischen diesen beyden Stücken Eine Jalousie en pas de Trois ge-
tantzet werden.
25. Augusti. Auf hohen Befehl Ihro Excellence des Herrn Marechal von Be 1 le¬
is le Französisches Lust-Spiel DER GALANTE LÄUFER, in einer Abhand¬
lung mit Lustbarkeiten gezieret, worauf folgen wird Arlequin allezeit
Arlequin , kleines Italiänisches Lustspiel in einer Abhandlung, welches gleich¬
falls mit Lustbarkeiten gezieret ist. Hernach wird man vorstellen Die Liehe
zwischen Arlequin und Colombine, eine Englische Pantomime, worauf ein
Oontre-Tanz den Beschluss nehmen wird. Es wird jedermann Umsonst
und Ohnentgeltlich eingelassen werden; und wird man alsdann precis
um 3 Uhr anfangen.
28. Augusti. Heroisches Lust-Spiel ESOPUS BEI HOF, in fünff Abhandlungen
von Herrn De Bourseault, worauf ein Lust-Spiel in einer Abhandlung
folgen wird genant Die Nacht-Music und nächster Tage wird Das Alter in
einem Ballet Pantomime mit allen seinen Auszierungen aufgeführet werden.
30. Augusti. Italienisches Lust-Spiel DIE BESCHWERLICHKEIT DES REICH¬
THUMS, oder die Liebe zwischen Arlequin und Chloe, in drey Abhandlungen
mit Musik und Täntzen gezieret darauf Ballet-Pantomime genant, Das Alter.
Morgen wird folgen Alzire und die Insel der Sclaven wobei Ihre Excellence
die Frau Marechallin von Belle-Isle sich einfinden wird.
31. Augusti. Trauerspiel von Herrn von Voltaire, genant ALZIRE, und nachher
ein Italiänisches Lust-Spiel in einer Abhandlung mit Täntzen ausgezieret,
Die Insel der Sclaven , zwischen diesen beiden Vorstellungen wird die Dem.
de L’Isle die Charaotor vom Tantz täntzen.
8. September. Italienisches Lust-Spiel TIMON der MENS CHEN-FEIND in drey
Abhandlungen mit Intermediis von Musie und Täntzen mit vorhergehendem
Prologo darauf wird folgen Arlequin Hulla mit Täntzen den Beschluss
wird ein Tantz von Caraderes machen in welchem der jüngere Herr
Gherardi den Scaramouche und die Dem. L’Isle die Arlequine vorstellen wird.
9. September. Frantzösisches Lust-Spiel Der VOBUBTHEIL nach der MODE
oder Der Sieg des Frauenzimmers in fünff Abhandlungen worauf folgen
wird ein Französisches Nachspiel genannt L'Epreuve Reciproque nach
welchem der Herr Gherardi die Sabotiere und die Dem. de l’Isle einen
Tantz von Caraderes tanzen wird.
12. September. Lustspiel DAS SPIEL DER LIEBE UND DES ZUFALLS, oder
Arlequin, Herr und Knecht zugleich, in drey Abhandlungen. Zum Beschluss
erfolget der durch Liebe wohlgezogene Arlequin in einer Abhandlung mit
Music und Täntzen ausgezieret.
13. September. Trauer-Spiel des Herrn Corneille, genannt DER CID, worauf
folgen wird Der Geist des Wiedersprechens in einem Lust-Spiel von einer
Abhandlung.
14. September. Lust-Spiel von Herrn Moliere DIE SCHULE DER WEIBER,
in fünff Abhandlungen, worauf zum Nachspiel folgen werden Die vernünf¬
tigen Thiere, ein kleines Stück en Vaudeville mit Täntzen geziert. Morgen
als Freitag soll aufgeführt werden Der wilde Arlequin und Sonnabends
Der Simson. In Erwartung der Ines von Castro und der Agnes von Chaillot.
15. September. GEORG DANDIN, ein aus dreyen Abhandlungen bestehendes
Lust-Spiel aus dem Herrn Moliere vor welchem wird aufgeführt werden :
Der Listige Advocat , ein gleichfalls aus drey Abhandlungen bestehendes
Lust-Spiel. Die Jungfer Delisle und der Herr Grandchamp werden zwischen
beiden Stücken als Bauer und Bäuerin täntzen.
18. September. Lust-Spiel DER PRAHLER, in fünf Abhandlungen von dem
Herrn Des Touches worauf zum Nachspiel erfolgen wird : Der Franzos in
London. Nächster Tagen wird aufgeführt werden Ines von Castro und
Agnes von Chaillot.
19. September. Französisches Lust-Spiel DER SPIELER in fünff Abhandlungen
von dem Herrn Regnard, worauf eine kleine Piece en Vaudeville erfolgen
wird, genannt Die Liebesgeschichte von Nanterre, mit Täntzen.
20. September. Italienisches Lust-Spiel DER UEBERFALL DER LIEBE, oder
Arlequin und Lelio auf dem Lande, in dreyen Abhandlungen mit Music
und Täntzen. Zum Nachspiel würd darauf folgen Arlequin , Fürst und Bauer
zugleich, mit Täntzen. Auf den Samstag wird abermahl vorgestellet werden
Der Simson und künfftig Arlequin, als eine Statua, als ein Kind, als ein
Lehn-Stuhl und als ein Papagey.
21. September. Frantzösisches Trauer-Spiel GUSTAV WASA, Befreyer des König¬
reichs Schweden von dem Herrn Piron. Zum Nach-Spiel folget Der
Sommer des galanten Frauenzimmers.
22. September. Frantzösisches Lust-Spiel DER VERLIEBTE DEMOCRITUS, oder
die Fürstin als eine eingebildete Bäuerin in fünf Abhandlungen des Herrn
Regnard. Zum Nachspiel erfolget Der Mangel der Procurateur, mit Music
und Täntzen.
23. September. DER SEMSON, ein mit verschiedenen Lustbarkeiten vermischtes
Trauer-Spiel und prächtigen Auszierungen der Schaubühne, wie auch die
Zerstörung des Tempels.
25. September. Italiänisches Lust-Spiel ARLEQUIN, als ein Bild, Kind, Lehn-Stuhl,
Papagey, Sterndeuter, Schornsteinfeger, Todten-Gerüppe u. d. g. in fünff
Abhandlungen mit Täntzen. Die Dem. de L’Isle wird in denen zwischen
Handlungen den sogenanten Tantz Des Caraderes täntzen, und nach ge¬
endigter Comedie wird die Chaconne der Caraderes getantzt werden darinnen
der junge Herr Gherardi den Scaramouche und die Dem. de l’Isle die
Arlequine vorstellen werden.
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'26. September. Französisches Lust-Spiel DIE VERLIEBTEN THORHEITEN in
drei Abhandlungen. Nach diesen erfolget Der auf allerlei Räncke denkende
Jurist , zwischen beiden Lust-Spielen wird der junge Herr Gherardi und
die Dem. de L’Isle deu Tambourins mit Trommeln tantzen.
27. September. DER BEWEIBTE WELTWEISE, ein aus 5 Abhandlungen be¬
stehendes Lust-Spiel des Herrn Nericault Destouches, nach welchem
folgen wird Das Werk in einem Augenblick, ein aus einer Abhandlung be¬
stehendes Lust-Spiel. Künfftigen Sonnabend soll Agnes von Castro, ein
Trauer-Spiel vom Herrn de La Motte nebst der darauf gerichteten Parodi,
Agnes de Chaillot betitult, vorgestellt werden.
30. September. INES VON CASTRO, Trauer-Spiel des Herrn De La Motte, worauf
die Parodie dieses Trauer-Spiels, Agnes von Chaillot mit Täntzen erfolget.
Nächster Tagen wird vorgestellet werden Arlequin der Doctor Faust, eine
Pantomime mit verschiedenen Auszierungen und Täntzen.
2. October. ARLEQUIN DOCTOR FAUST in einer Englischen Pantomime mit
Auszierungen und Maschinen von Flug-Werk und Däntzen, so allhier nocli
niemahl zum Vorschein gekommen, vorher aber wird vorgestellet werden
Die Ausschiveiffende Familie , ein Französisches Lust-Spiel von einer Ab¬
handlung. Nächster Tagen soll das Lust-Spiel das Vormunds-Kind genannt
auffgeführt werden.
14. October. GEORG DANDIN, ein aus dreyen Abtheilungen bestehendes Lust-
Spiel aus dem Herrn von Moliere, vor welchem wird aufgeführet werden
Der Listige Advocat , ein gleichfalls aus drey Abhandlungen bestehendes
Lust-Spiel. Die Jungfer de l’Isle und der Herr Grandchamp werden zwischen
beyden Stücken als Bauer und Bäuerin tantzen.
16. October. DER HAUPT-ERBE, ein aus fünff Abhandlungen bestehendes Lust¬
spiel des Herrn Regnard, in welchem ein Neu- Angekommener die Person
des Crispins vorstellen, und ein allgemeines Wohlgefallen zu erhalten sein
mögliches anwenden wird. Ein Tantz von der Erfindung des Herrn
Grandchamps wird sodann den Beschluss machen.
18. October. TARTÜFFE, oder der Scheinheilige von fünff Abhandlungen aus
dem Herrn von Moliere. Darauf Der Wuchernde Edelmann , ein Lust-Spiel
aus einer Abhandlung. Nächstens wird man mit Vorstellung des Lügners
aus dem Herrn von Corneille aufwarten.
20. October. DER LÜGNER, ein aus fünff Abhandlungen bestehendes Lust-Spiel
des Herrn von Corneille, auf welches so dann folgen wird Der scharfsich¬
tige Blinde , ein Lustspiel in einer einigen Abhandlung. Zwischen beiden
Stücken wird ein Tantz von 2 Personen getantzt werden.
21. October. DER ZERSTREUTE, oder In Gedanken Vertiefte, ein aus fünff Ab¬
handlungen bestehendes Lust- Spiel des Herrn von Regnard. Darauf folgen
wird Das Vormunds Kind. Die Jungfer de l'Isle wird zwischen beiden
Spielen als eine Dame Gigogne tantzen.
23. October. DER GRAF VON ESSEX, ein Trauer-Spiel aus dem Herrn Corneille,
worauf folgen wird Der Teuffel bey der Liebe , Ein Lust-Spiel von dem
Herrn Le Grand mit Gesängen.
24. October. DIE SCHULE DER WEIBER, ein Lust-Spiel aus dem Herrn von
Moliere, worauf folgen wird Der Wuchernde Edelmann. Ein Lust-Spiel mit
Gesängen und Täntzen.
25. October. DER VERLIEBTE DEMOCRITUS. Ein aus dem Herrn Regnard
aus fünff Abhandlungen bestehendes Lust-Spiel, darauf folgen wird Die
Ausschweifende Familie , ein Französisches Lust-Spiel von einer Abhandlung.
26. October. AGNES VON CASTRO, ein Trauer-Spiel des Herrn de la Motte,
worauf folgen wird , Die beyderseits angestellte Probe , ein kleines Lust-
Spiel in einer Abhandlung. Die Jungfer De L’Isle und der Jüngere Herr
Gherardi werden zwischen beyden Stücken mit Drommeln Tantzen.
28. October. DAS VORURTIIEn. NACH DER MODE. Ein aus fünff Abhand¬
lungen bestehendes Lust-Spiel des Herrn Nericault Destouches. Darauf
Der Sicilianer oder der zum Mahler gewordene Liebhaber. Ein aus einer
Abhandlung bestehendes Lust-Spiel des Herrn Moliere.
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30. October. DER FALCKE oder die Gänse des Bocace. Ein aus drey Abhand¬
lungen bestehendes Lust-Spiel aus dem sogenannten Theatre Italien, in
welchem Arle quin das Frauenzimmer für Gänse ansiehet. Zwischen beyden
Abhandlungen wird gesungen und getantzt und nachher vorgestellet werden
Arlequin Hulla , ein Lust-Spiel aus einer Abhandlung aus dem nehmlichen
Theatre Italien, nach welchem eine Chaconne, darinnen die Jungfer de l’Isle
eine Arlequine und der Junge Herr Glierardi als Scaramouche tantzet, den
Bescliluss machen wird. Nächster Tage soll IPHIGENIA, ein Trauer-Spiel
des Herrn Racine aufgeführet werden.
31. October. IPHIGENIA, ein Trauer-Spiel des Herrn Racine, auf welches folgen
wird Der zugleich Schiedsrichter-Stelle vertrettende Procurator. Ein aus
einer Abhandlung bestehendes Lust-Spiel. Zwischen beyden Stücken wird
ein Bauern-Tantz von drey Personen aufgeführet werden.
2. November. DAS TODTEN-GASTMAHL, oder der Bestraffte Ruchlose. Ein aus
fünff Abhandlungen bestehendes Frantzösisehes Lust-Spiel mit Täntzen.
4. November. Die GRÄFIN von ORGUEIL oder Der MARQUIS von LORGNAC,
ein aus fünff Abhandlungen bestehendes Lust-Spiel, worauf folgen wird
Das Vormunds-Kind , ein aus einer Abhandlung bestehendes Lust-Spiel
mit Gesängen.
G. November. TIMON der MENSCHEN FEIND, ein aus drey Abhandlungen
bestehendes Italiänisches Lust-Spiel. Darauf Der von der Liebe geäffete
Weltweise, ein neues Italiänisches Lust-Spiel, welches mit Täntzen, darunter
auch ein Chaconne, in welcher die Jungfer de l’Isle als eine Dame Gigogne
und der Junge Herr Gherardi als ein Polichinel täntzen wird.
11. November. RODOGUNE, ein Trauer-Spiel des Herrn von Corneille, darauf
folgen wird Der zugleich Schiedsrichter seyende Procurator. Es wird ein
Ballet von Zwergen getantzet werden.
13. November. DIE ZWILLINGE, ein Lust-Spiel aus dem Herrn Regnard. Darauf
folgen wird Der Teuffel bei der Liebe , ein Frantzösisch Lust-Spiel von
einer Abhandlung. Zwischen beyden Stücken wird von drey Personen ein
Bauern-Tantz und auf das Nach-Spiel die Chaconne des caracteres auf¬
geführet werden, in welcher der Herr Gherhardi als Polichinel und die
Jungfer de l’Isle als Dame gigogne täntzen wird.
15. November. DER SPIELER, ein frantzösisehes Lust-Spiel aus dem Herrn
REGNARn von 5 Abtheilungen. Darauf Das Oraculum , eine neue Frantzö-
sische Comedie mit Gesängen und Täntzen. Erstei' Tagen soll vorgestellt
werden Belphegor oder Arlequin in der Hülle.
16. November. ALZIRE, oder die Amerikaner, ein Trauer-Spiel des Herrn von
Voltaire, welches man zu sehen verlanget' hat, und worauf folget Der
Franzoß in London , ein Frantzösisehes Lust-Spiel von einer Abhandlung.
Nächster Tagen wird Belphegor oder Arlequin in der Hölle vorgestellet
werden. Ja man versichert auch mit einem Die Lustbarkeiten zu Frankfurt
genannt ehestens aufzuwarten.
17. November. BELPHEGOR, oder Arlequin in der Hölle, ein Italiänisches Lust-
Spiel von drey Abhandlungen mit Zwischen-Spielen und Täntzen nach
jedweder Abhandlung. Darauf folgen wird Der von der Liebe geäffte Welt¬
weise , ein Italiänisches Lust-Spiel, welches mit Täntzen und Gesängen
wird beschlossen werden. Dabey der junge Herr Gherhardi und die Jungfer
de l’Isle mit der Trummei täntzen. Nächstens Die Lustbarkeiten in Frankfurt.
18. November. Der durch die Liebe höfflich gemachte ARLEQUIN, ein Italiä¬
nisches Lust-Spiel von einer Abhandlung mit Gesängen und Täntzen, vor
welchem hergehen wird Die Ausschweif f ende Familie , ein Frantzösisehes
Lust-Spiel von einer Abhandlung. Darauf wird folgen Die Liebe ein
Mahler, oder der Sicilianer, gleichfalls ein Frantzösisehes Lustspiel von
einer Abhandlung mit Täntzen.
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20. November. DIE SCHULE DER MÄNNER, ein Lust-Spiel von einer Ab¬
handlung aus dem Herrn Moliere. Darauf Die Ankunft der Lustbarkeiten
in Frankfurt, ein neues Lust-Spiel mit Gesängen und Täntzen, sodann
Die Liebes-Begebenheiten des Gros- Sultans oder Die Verliebte Türckey , eine
lustige Opera von einer gantz neuen Einrichtung.
21. November. Auf Verlangen verschiedener Standespersonen, DAS ORACULUM,
Ein neues Frantzösisches Lust-Spiel mit Täntzen, vor welchen hergehen
wird Die Liebe des Arlequins und seiner Gloe oder Die Unruhe bey
dem Reichthum, ein neues Italiänisches Lust-Spiel von drey Abhandlungen
mit Gesängen und Täntzen.
24. November. DIE UNBESTÄNDIGKEIT DES ARLEQUINS und der SILVIA,
Ein Italiänisches Lust-Spiel von 3 Abhandlungen mit Täntzen. Darauf
folgen wird Arlequin ich weiss nicht was, ein Lust-Spiel von einer Ab¬
handlung, welche einen musicalisch- und critischcn Auftritt eines Musique-
und Tanz-Meisters aus der Opera Die Venetianische Lustbarkeiten genannt,
dabey auch getantzt wird.
25. November. DIE SCHULE DES WEIBES, ein Lust-Spiel von fünff Abhand¬
lungen aus dem Herrn Moliere. Darauf Die Serenade , Ein Frantzösisches
Lust-Spiel von einer Abhandlung.
2. December. OEDLPUS, ein Trauer-Spiel des Herrn von Voltaire, worauf folgen
wird Der u-uchernde Edelmann , ein Lust-Spiel von einer Abhandlung.
Nächstens wird aufgeführet werden Die wieder Vereinigte Verliebte, ein
Lust-Spiel aus dem Theatre Italien.
4. December. DER ZÄNCKER, ein aus drey Abhandlungen bestehendes Lust-
Spiel. Darauf folgen wird Arlequin , der Poltergeist, eine neue Pantomime.
7. December. DER STOLTZE, ein aus fünff Abhandlungen bestehendes Lust-
Spiel des Herrn Nericault Destouciies, welches wieder aufzuführen ver¬
langet worden, darauf folgen wird Arlequin, Herr und Diener, oder Die
Insul der Sclaven, ein Frantzösisches Lust-Spiel von einer Abhandlung
mit Täntzen. Zwischen beyden Stücken wird ein Ballet getanzt. Nächstens
aber wird vorgestellet werden die wiederVereinigte Verliebte, ein Italiänisches
Lust-Spiel von drey Abhandlungen.
8. December. ARLEQUIN IN DER HÖLLE, ein Italiänisches Lust-Spiel in drey
Abhandlungen mit Music und Täntzen. Darauf folgen wird Arlequin als
Fürst und Bauer. Ein Lust-Spiel von einer Abhandlung. Nächster Tagen
wird vorgestellet werden: Die wieder Vereinigte Verliebte.
9. December. DIE WIEDER VEREINIGTE VERLIEBTE, ein Italiänisches Lust-
Spiel in drey Abhandlungen mit Täntzen, darauf folgen wird Die Gelegenheit ,
ein kleines Lust-Spiel en Vaudeville in einer Abhandlung mit Täntzen.
11. December. AGNES VON CASTRO, ein Trauer-Spiel des Herrn De La Motte,
worauf folgen wird Agnes von Chaillot, eine critische Parodie dieses Trauer-
Spiels, in welcher Arlequin die Person des Land-Richters vorstellt und der
Beschluss davon wird mit einem Tantz gemacht. Nächstens soll ein neues
Lust-Spiel aufgeführt werden, welches betitult wird Der für Närrisch an¬
gesehene Democritus.
12. December. Der für närrisch gehaltene DEMOCRITUS, ein Lust-Spiel aus dem
Theatre Italien, welches noch niemahl ist aufgeführt worden, darauf wird
folgen Die Liebes-Begebenheiten von Nanterre , eine kurtzweilige Opera
von einer Abhandlung.
23. December. AMPHITRION, ein emsthafftes Lust-Spiel des Herrn von Moliere
mit allen gehörigen Veränderungen und Auszierungen der Schaubühne,
worauf folgen wird Der Sicilianer, ein Frantzösisches Lust-Spiel von einer
Abhandlung mit Täntzen und Gesängen.
27. December. In höchster Gegenwart Sr. Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
DER LÜGNER, ein frantzösisches Lust-Spiel von fünff Abhandlungen des
Herrn von Corneille, worauf folgen wird Der Franzoß zu London, ein
Frantzösisches Lust-Spiel von einer Abhandlung. Nächster Tagen soll der
Krancke in der Einbildung aufgeführet werden.
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30. Deeember. DER BEWEIBTE WELTWEISE, oder: Der Ehemann, der sich
schämet es zu seyn, ein Frantzösisches Lust-Spiel von fünff Abhandlungen,
worauf folgen wird Der wuchernde Edelmann. Nächster Tagen wird vor¬
gestellt werden Der verlohme Sohn aus dem Herrn von Voltaire.
1742.
1. Jannari. DER VERLOHRNE SOHN, ein Neues Lust-Spiel aus dem Herrn
von Voltaire, welches allhier noch niemahlen ist vorgestellet worden,
welchem folgen wird Die ausschweifende Haushaltung , ein Lust-Spiel von
einer Abhandlung mit Täntzen.
16. Januari. TARTHFFE. oder Der Betrüger , ein Lust-Spiel in ftinff Abhand¬
lungen des Herrn von Moliere, worauf folgen wird Die Pr ocurator- Ferien,
ein Lust-Spiel von einer Abhandlung mit Täntzen. Nächster Tagen wird
vorgestellet werden : Zayre.
18. Januari. ZAYRE Ein Trauer-Spiel des Herrn von Voltaire, welches allhier
noch niemahls auffgeführet worden. Zum Beschluss erfolget Der Plauderer,
ein kleines Lust-Spiel von einem Aufzug.
20. Januari. DER GALANTE MARKURIUS, ein Lust-Spiel des Herrn Bursault,
welches hier noch niemahls auffgeführet worden. Den Beschluss wird ein
Lust-Spiel machen betittult Crispin der Nebenbuhler seines Herrn.
26. Januari. DER PRAHLER, ein Frantzösisches Lust-Spiel von fünff Abhand¬
lungen, darauf wird folgen Das Orakul , ein neues Lust-Spiel von einer
Abhandlung mit untermengten Lustbarkeiten.
30. Januari. DER SPIELER, ein Lust-Spiel des Herrn Regnard in fünff Aufzxigen.
Zum Beschluss erfolget Erwarte mich unter dem Ulmen-Baum, ein Frant¬
zösisches Lust-Spiel von einem Aufzuge. Nächster Tagen wird der Sirnson
vorgestellet werden.
3. Februari. DIE VERLIEBTEN THORHEITEN, ein Lust-Spiel von drey Ab¬
handlungen des Herrn Regnard, worauf die Pantomime erfolget Der Eifer¬
süchtige Kranke. Um das Ansehen dieser Schauspiele prächtiger und leb¬
hafter zu machen, wird man diese drey Tage des Carnevals in Verkleidungen
eintreten. Und um den Aufwand deshalb zu erleichtern wird auf dem
Theatre, Orchestre und in den ersten Logen einen Ducaten, in der zweiten
Loge zwey Gulden auf dem Parterre und auf dem Paradiess aber wie
gewöhnlich bezahlt werden. Auf Montag (5 Febr.) wird Zaire und das
Vormunds-Kind vorgestellet.
17. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
DER SLMSON, ein mit Lustbarkeiten abwechsehides Trauer-Spiel nebst
der Zerstörung des Tempels. Nach diesen wird die Dem. Lyonnais täntzen.
20. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von
Cölln DER GRAF VON ESSEX, ein Trauer-Spiel des Herrn Corneille, wo¬
rauf Der Wuchernde Edelmann erfolget, ein Lust-Spiel mit Gesang und
Täntzen. Künfftig wird vorgestellet, Der Bürgerliche Edelmann.
22. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von
Cölln DER ZÄNCKER, ein Lust-Spiel des Herrn Polapprat, darauf wird
folgen Die Gelegenheit, ein kleines Musikalisches Lust-Spiel mit Täntzen.
Künfftig wird vorgestellet Der Bürgerliche Edelmann.
23. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
DAS VORURTHEIL NACH DER MODE, ein Lust-Spiel des Herrn Niaule
De la Chausse. Zum Nachspiel erfolget Der Geist des Widersprechens,
’ wobey getantzt wird.
24. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
PHEDRA UND HYPOLITIS, ein Trauer-Spiel des Herrn Racine, worauf
Die beyderseitige Probe erfolgen wird.
29. Februari. In höchster Gegenwart Seiner Churfiirstliclien Durchlaucht von Cölln
DER VERHEIRATHETE WELTWEISE, ein Lust-Spiel des Herrn Nericault
Destouches, worauf ein Ballet erfolgen wird.
2. März. TARTÜFFE, i oder die Scheinheiligen, ein Lust-Spiel des Herrn von
Moliere, worauf ein Ballet von Polichinello und Gigogne erfolgen wird.
438
3. März. DIE ZWLLLINGSBRÜPER, ein Lust-Spiel des Herrn Regnard, worauf
Die Nacht-Musik, ein kleines Lust-Spiel erfolget.
5. März. Das Spiel der LIEBE und des GLÜCKS, ein Lust-Spiel von dreyen
Abhandlungen aus dem neuen Theatre Italien, worauf folgen wird Arlequin
Hulla, ein Lust-Spiel von einer Abhandlung aus dem nämlichen Theatre
Italien mit Gesängen und Täntzen. Ein Comediant von einem fremden
Hof wird in beiden Lust-Spielen die Person des Arlequins vorstellen.
9. Mertz. In Höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
DER BÜRGERLICHE EDELMANN, ein Lust-Spiel des Herrn von Moliere
mit mancherlei Lustbarkeiten von Musik und Täntzen. Künftig wird Sylphide
vorgestellet werden.
10. Mertz. In höchster Gegenwart Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln
DIE SCHULE DER WEIBER, ein Lust-Spiel des Herrn Moliere. Darauf
Der durch die Liebe höflich gemachte Arlequin, ein Lust-Spiel aus dem nouveau
Theatre Italien von Music und Täntzen. Der neue Acteur wird den Arlequin
und in dem Vorspiel den Arnulphum vorstellen.
14. Mertz. Die Erantzösischen Comedianten werden in höchster Gegenwart
Seiner Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln und insonderheit Der neue
Arlequin auf ihrer Schaubühne vorstellen : ARLEQUIN ein Sterndeuter,
Schwätzer, Kind, Statua, Mohr, Todten- Gerippe und Pappegay, ein Italie¬
nisches Lust-Spiel, in welchem die Dem. Le Cocq den Pierrot vorstellen wird.
17. Mertz. Werden die Erantzösischen Comedianten in höchster Gegenwart Seiner
Churfürstlichen Durchlaucht von Cölln bei dermaligem Beschluss ihrer
Schaubühne zum letztenmahl vorstellen : DEN FLUSS DER VERGESSEN¬
HEIT, ein italiänisches Lust-Spiel aus dem nouveau Theatre, welches hier
noch niemals aufgefiihret worden, vor welchem hergehen wird Die Beschwerde
des Reichthums , ein Italienisches Lust-Spiel mit Music und Täntzen. Der
neue Arlequin wird in beyden Stücken seine Rollen spielen.
7. April. DER VERLIEBTE DEMOCRITUS, ein Lust-Spiel von Herrn Regnard,
darauf die drey Eiff er sichtige Brüder , ein Lust-Spiel von Herrn la Font,
welches noch nicht aufgeführet worden. Ein Acteur, welcher noch nicht
auf der Schaubühne allhier gewesen, wird in diesen beyden Stücken die
lustige Person vorstellen.
12. April. CRISPINI DER ARZT, ein Lust-Spiel, welches hier noch niemahls
aufgeführet worden, worauf der listige Advocat und nächster Tagen der
Mann von gutem Glück erfolgen wird.
17. April. ANDROMAGUE, ein Trauer-Spiel des Herrn Racine, welchem ein
Lust-Spiel Die drey eiff er süchtigen Brüder und künfftig Das Leben ist ein
Traum erfolgen wird.
19. April. DER ARZT WIDER SEINEN WILLEN, ein Lust-Spiel des Herrn
von Moliere, welches hier noch niemahls aufgeführt worden. Darauf er¬
folget Die Nacht Musik und nächster Tagen Das Leben ist ein Traum.
20. April. Auf Befehl Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht Prinz Wilhelms DAS
ORACLE und Crispin der Arzt. Nächster Tagen wird vorgestellet werden
Das Leben ist wie ein Traum.
23. April. DER ZERSTREUTE, ein Lust-Spiel von dem Herrn Regnard, worauf
Die unvermuthete Wiederkunft , von eben diesem Verfasser, erfolgen wird.
Nächster Tagen wird Die Frau als Richter und Parthey aufgeführt werden.
24. April. DER MENSCH VON GUTEM GLÜCKE, ein Lust-Spiel des Herrn
Baron, welches besonders ist verlanget worden, darauf wird Die Provenciale
erfolgen.
26. April. DIE FRAU ALS RICHTER UND PARTIE, ein Lustspiel des Herrn
von Mont Fleury, welches hier noch niemahls aufgeführet worden. Darauf
wird folgen Der tvuchemde Edelmann , ein Lustspiel des Herrn le Grand
mit Music. Nächster Tagen Die Sucherin des Verstandes.
28. April. DER SPIELER, ein Lust-Spiel des Herrn Regnard, welchem Der Geist
des Wiedersprechens , ein Lust-Spiel des Herrn du Presny folgen wird.
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30. April. DAS LEBEN EIN TRAUM , ein Italiänisches Lust-Spiel, welches
abermahls ausdrücklich verlanget worden. Zum Nachspiel erfolget Der
wieder gefundene Ehemann , ein Lust-Spiel des Herrn Dancotirt mit
Music und Täntzen, welches allhier noch niemahls gesehen worden. Nächster
Tagen wird Britannicus aufgeführet werden.
4. Mai. HERODES UND MARIANNE, ein Trauer-Spiel von Herrn von Voltaire
worauf Die beiderseitige Probe, ein Lust-Spiel von dem Herrn Alain,
nächster Tagen Das Suchen des Verstandes erfolgen wird.
7. Mai. Auf Befehl des Herrn Herzogs von Gesures DIE SUCHERIN DES
VERSTANDES, vor welchem der von der Eifersucht befreyte Mann auf¬
geführet werden wird, ein Lust-Spiel des Herrn Champitron, ist noch
niemahl vorgestellet worden. Ein neu angekommenes Frauenzimmer ist
die Person der Sucherin des Verstandes.
11. Mai. ATHALIE, ein Trauer-Spiel des Hefrn Racine, welches er aus der
Bibel gezogen , worauf Das den Verstand suchende Frauenzimmer zum
Beschluss erfolgen wird.
15. Mai. DIE WIEDER VEREINIGTEN VERLIEBTE, ein Lust-Spiel aus dem
Nouveau Theatre Italien. Zum Nachspiel Crispin der Neben-Buhler seines
Herrn. Ein Lust-Spiel von Herrn Le Sage. Nächster Tagen wird Bri¬
tannicus aufgeführet werden.
17. Mai. DER HAUPT-ERBE, ein Lust-Spiel von Herrn Regnard, worauf Der
Fluss der Vergessenheit , ein Lust-Spiel von Herrn Le Grand und kiinfftig
Britannicus erfolgen wird.
19. Mai. Die ZWLLLINGSBRÜDER, ein Lust-Spiel von Herrn Regnard, sodann
das Vormunds- Kind , ein Frantzösisches Lust-Spiel. Nächster Tagen er¬
folget Britannicus und der Tumme.
23. Mai. BRITANNICUS, ein Trauer-Spiel des Herrn Racine, so noch niemahlen
allhier ist aufgeführet worden. Zum Nachspiel erfolget der ohne Vermuthen
sich wieder gefundene Ehemann.
25. Mai. DER TUMME, oder das wiederwärtige Schicksal, ein Lustspiel des
Herrn von Moliere, worauf ein Tantz von zweien Personen erfolgen wird.
YI.
Repertoire (1er deutschen Komödianten 1741—1742.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
MAGISTRATS werden die allhier substistirende Hoch-Toutsche
Comödianten
Heute Mittwochs [30. August 1741]
Eine gewiss galante, mit vielen Täntzen, Arien und unterschiedlichen
Auszierungen möglichst decorirte recht charmante und intrigante
Piece vorstellen, betitult:
DER RACHGIERIGE, DOCH ZULETZT BETROGENE JUDE
VON VENEDIG
Oder: Der Weibliche Rechts-Gelehrte.
Und: Die Intrigante aber übel ausgeschlagene Verrätherey,
Mit Hannss-Wurst einem unglückseeligen Schiff-Knecht, von Schulden
gequälten Herren-Diener, und endlich beglückten Amanten einer
italienischen Servetta.
440
Avertissement.
Das heutige Werk ist etwas ausserordentliches, und wird unter
andern Merkwürdigkeiten auch ein ordentlicher masquirter Ball vor-
gestellet, in welchem nebst unterschiedlichen Masquen, auch unter¬
schiedliche Täntze zum Vorschein kommen; insonderheit aber werden
unsere Täntzer und Täntzerinnen mit 3 charmanten Ballets ihre
Geschicklichkeit zeigen.
NB. Man versichert, dass ein gnädig- und sämtlich geneigtes
Auditorium alle Satisfaction finden werde. Die Lustbarkeit des Hannss-
Wursts, die zum Vorschein kommende theils gescheide, theils närri¬
schen Masquen, die Verkleidungen und Arien unserer Sängerin wer¬
den ein merckliches zu jedermanns Vergnügen beitragen.
Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
NB. Es dienet zur Nachricht, dass Parterre nur 6 Batzen,
auf dem andern Platz 4 Batzen und auf dem letzten Platz 2 Batzen
bezahlt wird.
Die Stunde wird gesetzt um 4 Uhr, mit Versicherung, dass
puncto 5 Uhr der Anfang, und längstens um 8 Uhr der Schluss ge¬
macht werden soll.
Der Schau-Platz ist in der grossen neu-erbauten Hütte auf der
Bockenheimer-Gass.
NB. Es sind auch Logen monatlich, wöchentlich, oder täglich
zu verleimen. [Ein Logenplatz kostete 1 fl., eine ganze Loge 4 und
8 fl., je mit 5 und 9 Plätzen.] Und ist allerzeit bey jeder Loge ein
Bedienter frey.
Dieselben werden heute Donnerstag [26. October 1741]
Eine mit vielen neuen extra lustigen Arien, besonders inventirten,
und mit vielen Unkosten verfertigten Theatralischen Auszierungen
und Flug-Werken besonders versehenen Piece-Comique vorstellen,
Betitult :
SICH SELBST UBERWINDEN IST DER GRÖSSTE SIEG.
Oder Die merkwürdige Lebens- und Liebes-Begebenheiten
der Printzessin LODISSE, und des Printzen PYRANDRO.
NB. Dieses ist der Titul der serieusen Materie, es dienet auch
zur Nachricht, dass in der gantzen Comödie nur 4 serieuse Scenen
sind, die übrigen alle lustig, welche den Titul führet:
DIE EGIPTISCHE ZAUBERIN ZORINDE
Oder Der Präcedonz Streit zwischen denen Herrn
Studenten und Herrn Soldaten.
Mit Hannss-Wurst und Scapin, zweyen eyfersüchtigen Liebhabern.
441
Personen in der serieusen Materie.
1. Sarmante, König in Creta, und Liebhaber der
2. Lodissa, Printzessin aus Ithaca, einer versprochenen Braut des
3. Pyrandro, eines Printzen aus Ithaca, und Gefangenen des Sar¬
mante.
4. Eurimene, Tochter des Königs Sarmante, und Liebhaberin des
Pyrandro.
5. Argeste, des Königs getreuer Rath.
Personen in* der lustigen Materie oder Intermediis.
1. Zorinde, eine gebohrne Egypterin, in der Magischen Kunst er¬
fahren, Liebhaberin derer Herrn Studenten.
2. Colombina, eine Dienerin der Printzessin Eurimene, Liebhaberin
derer Herrn Soldaten.
3. Scapin, welcher bald als Hannss-Wurst, bald als Scapin agiret.
Bräutigam der Zorinde.
4. Hannss-Wurst, ungetreuer Liebhaber der Zorinde, und Bräutigam
der Colombina.
Besondere Auszierungen.
1. Es kommt eine kleine Wolcke, diese zertheilet sich über das
Theatrum, in mitten der Wolcke sitzet Printz Pyrandro schlaffend,
dieser erwacht, steiget heraus, die Wolcke aber verschwindet.
2. Ein Canape, auf welchem Scapin schiäffet, verwandelt sich in
schröck ende Furien, Scapin aber verwandelt sich öffentlich in
den Hannss-Wurst.
3. Ein Stock, in welchem Hannss-Wurst als ein Gefangener ein¬
gesperrt ist, verwandelt sich in einen Hunds-Stall, dieser aber
in einen gedeckten Tisch.
4. Cupido, kommt aus der Lufft auf die Erde geflogen, in der einen
Hand eine Schüssel mit Speisen, in der andern Hand aber eine
Bouteille Wein haltend.
5. Der Geist der Lodisse kommt aus der Erde, erscheinet dem Py¬
randro, und verschwindet wieder in die Erde.
6. Hanss-Wurst hat einen Flaschen-Keller auf dem Kopf, welcher
sich öffentlich in einen Gefängniss-Thurm verwandelt.
7. Hanss-Wurst will den Scapin erstechen, Scapin aber flieget durch
die Luft davon.
8. Eine Machine, welche bald den Scapin, bald aber einen Advo¬
katen vorstellet.
Ueber dieses alles werden 8 neue extra lustige teutsche Arien
gesungen, welche in gedruckten Büchlein vor 8 kr. verkauffet werden
Man versichert anbey, dass auf hiesigem Theatro niemahls eine
solche Action gesehen worden.
Nebst einem Tantz wird auch mit einem Ballet und. einer
Nach-Comödie aufgewartet werden.
Anfang praecise 6 Uhr.
442
Dieselben werden [am 10. Mai 1741] aufführen eine unvergleichliche,
und wegen ihrer ausnehmenden Vollkommenheiten sehenswürdige
Haupt- und Staats- Aktion, Betitult:
MARS IN DER TIEFSTEN TRAUER,
Bey denen blutigen Cypressen der Schwedisch-Carolinischen Leiche
Das ist: Der unglückseelige Todes-Fall des Allerdurch¬
lauchtigsten Grossmächtigsten
CAROLI XII.
Der Schweden Gothen und Wenden Königs, glorwürdigster Gedächt-
niiss, welcher in den Aprochen vor Friedrichs-Hall, in der Nacht
zwischen dem 11. und 12. December Anno 1718 seinen
Heldenmüthigen Geist aufgegeben.
Av ertissement.
Was ist die Welt anders, als ein grosses Theatrum, auf welchem
die Sterbliche die Acteurs, und unser Lebens-Lauf bald diese, bald
jene Piece präsentiret. Vergönne unparteyisches Europa! dass man
sich eines Heldens erinnere, welchen die Hand der Himmlischen
Providenz zu aller Menschen Verwunderung auf diessem grossen
Schau-Platz aufgestellet. Carl XII. der Schweden, Gothen und Wenden
König, Glorwürdigsten Andenckens ist es, auf welchen ich allhier ziele,
und gleichwie der gantze Lebens-Lauf dieses Welt-berühmten Heldens
eine vollkommene Martis-Schule gewesen, also bezeuget auch die Er¬
fahrung, dass derselbe sich schon in seiner ersten Wiege, diese Worte
zu seinem Svmbolo erwählet:
Et genus et proavos et quae non fecimus ipsi,
Vix ea nostra puto.
Den Stamm der Ahnen Reih, und was wir nicht gethan,
Kann ich als unser Thun und Werk kaum führen an.
Gantz Europa weiss , wer diesser Held gewesen , das weit-ent¬
legene Orient hat denselben zu Bender gesehen, und gantz Schweden
muss bekennen, dass der gantze Lebens-Lauf dieses Königes, wie
glorieux als auch voller Fatalitaeten gefunden werde. Was nun,
curieuser Leser, das schwedische Verhängnüss auf dem grossen Theatro
der Welt in der Person des XII. Carls heute praesentiret , davon
sollst du auf unserm, obgleich kleinen Schau-Platz, eine vollständige
Vorstellung sehen. In dem ersten Aktu wird der Schwedische Marsch
auf Norwegen beschlossen; in dem andern gehet derselbe glücklich
vor sich, und in dem dritten verliehret dieser Nordische Held sein
Leben. In dem Epilogo sollst du sehen, den König auf seinem Parade-
Bette, bey welchem die Fama in tieffster Trauer den Tod dieses Königs
mit einer lamentablen Aria beklaget, Bellona die Nichtigkeit der Welt
entwirfft, Mars in einer gebundenen Rede seine traurige Gedancken
über den Verlust seines heldenmüthigen Sohnes zusammenfasset und
endlich Bellona bey dieser Königlichen Leiche einen solennen Pane-
gyricum halten wird.
- 443
Gönne demnach, geneigter Leser! unserer Schau-Bühne heute
deine Gegenwart, und siehe einen Heiden sterben, dessen Siege du
gerne gelesen. Wir geben dir die Versicherung, dass, was die Historie
betrifft, nichts soll vergessen werden.
Wir versichern hiermit, dass nicht nur allein diese Piece an
sich selbsten, sondern auch die Dokorationes und Auszierungen des
Theatri, absonderlich das Feuerwerck und Bombardement der Stadt
und Festung Friederichs-Hall an heute mit sonderbarem Aestim zu
admiriren sein wird. Hebst einigen guten Arien und 2 Ballets wird
auch das Castrum Doloris dieses glor würdigsten Helden vorgestellt
werden.
Dieselben werden wiederum heute Montag [5. März 1742] eine gewiss
vortreffliche intrigante und extra lustige Haupt- und Staats-Aktion
vorstellen, betitult:
Die Höchst-Löbliche Regierung der Gr ossmüthigen
BIANCA
Königin von Tyro und Phoenicien,
Oder:
Der zu gleicher Zeit geliebte und verfolgte Feind.
Kurzer Inhalt:
Sychaeo, König von Phoenicien, ermordete hinterlistiger Weise
den Sysimetro, König von Tyro, Cratero aber ein getreuer Vasal des
ermordeten Königs Sysimetri nähme dessen noch in Windeln liegenden
Cron-Printzen Torismeno zu sich, erdichtete allenthalben seinen Tod,
zöge ihn aber unter dem Nahmen Clearco als seinen Sohn gantz sorg¬
fältig auf. Nach dem Tode des Sychaei schwunge sich dessen Tochter
Bianca mit Gewalt sowohl auf den Thron von Tyro, als Phoenicien,
Torismeno aber unter dem Nahmen Clearco wurde zu ihrem Feld-
Herrn ervvehlet, und da die Königin sich in Clearco verliebet, hörte
sie auch, dass Torismeno der würkliche Rron-Erbe noch solte am
Leben seyn, welcher kommen würde, sie von dem Throne zu stossen,
hat sie sich demjenigen zur Gemahlin versprochen, welcher ihr den
Torismeno tod oder lebendig lieffern würde, und weilen Torismeno
unter dem Nahmen ihres Bräutigams Clearco verborgen wäre, hat sie
folglich ihren Feind zu gleicher Zeit geliebet und gehasset, welches
zu den angenehmsten Intriquen Anlass giebet, welches alles nebst
der Treue des Cratero mit besonderm Gusto auf dem Theatro zum
Vorschein kommen.
Es wird auch mit einigen guten Italiänischen Arien aufgewartet
werden.
Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet.
Den Beschluss machet eine modeste, Nach-Comödie.
444
1741.
4. April. Eine neue, historische und moralische Haupt- Action, betitult: Die mit
Tugend vereinbahrte Tapferkeit, oder IIANIBAL IN CAPUA. Hanss-Wurst,
Finette und Scapin werden mit modester Lustbarkeit eine angenehme Ver¬
änderung machen. Nach der Action folget ein Ballet von 6 Personen, den
völligen Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
5. April. Eine gewiss vortreffliche, intrigante und extra lustige Haupt- und Staats-
Action, betitult : DIE HÖCHST-LÖBLICHE REGIERUNG DER GROSS-
MÜTBHGEN BIANCA, Königin von Tyro und Phoenicien , oder der zu gleicher
Zeit geliebte und verfolgte Feind. Hanss-Wurst wird sich heute beson¬
ders lustig erzeigen. Es wird auch mit einigen guten Italiäuischen Arien
aufgewartet werden. Nach der Action folget ein Ballet und eine lustige
Nach-Comödie.
6. April. Eine gewiss vortreffliche intrigante und extra lustige Haupt- und Staats-
Action, betitult: CHI NON SA FINGERE, NON SA VJYERE oder Wer in
der heut’gen W eit zu leben ist beflissen , muss als Politicus sich zu ver¬
stellen wissen. Oder aber: DER GALANTE UND GETREUE VAS AL.
Mit Hanss-AVurst, einem einfältigen Kuppler und liederlichen Sohn einer
dem Trunck ergebenen Branntwein-Lutzel. Unsere Sängerin wird mit ga¬
lanten Arien ihre Schuldigkeit bezeigen. Nach der Action folget ein Ballet
und eine lustige Nach-Comödie.
7. April. Eine neue, charmante Action, betitult: DIE TYRANNISIRENDE LIEBE,
in der Persohn einer lasterhafften, verrätherischen und ungetreuen Frauen,
oder DER, DURCHLÄUCIITIGE STERN-SEHER, mit Hanss-AVurst, einem
uugliickseeligen AVandersmann und Ertz-Feind der bösen AVeiber. Com-
ponirt von Franz Anton Nuth. Nach der Aktion folget ein Ballet. Statt
einer Nach-Comödie wird heute ein Operette- Comique oder Musicalisches
Lustspiel aufgeführet, welches aber durchaus zum Lachen eingerichtet ist.
Genannt : Das lustige Elend zwischen zwey versoffenen Eheleuten. NB. In
dieser Operette-Comique werden 9 Teutsche lustige und 1 Italienische
Aria gesungen, welche bey dem Eingang in gedruckten Büchlein vor 2
Batzen zu bekommen sind.
9. April. Eine historische Tragöedia, betitult: II Figlio Creduto nemico della sua
Madre das ist: der von seiner Mutter vor den grössten Feind gehaltene
Sohn, oder DIE GESTÜRTZTE REGIER-SU CHT. Hanss-AArurst stellet vor
einen im Gehirn verrückten Advocaten. Componirt von Franz Anton Nuth.
Nebst guten Arien wird auch mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie
von Hanss-AVurst und Pantalon aufgewartet werden.
10. April. Eine gantz neue, folglich noch niemahls gesehene Haupt- Action, be¬
titult: DER STUMME REDNER, oder DIE UNBESTÄNDIGKEIT DES
GLÜCKES dargestellet in dem erstaunenswürdigen Fall des reichen CROESI.
Hanss-AVurst als ein lustiger Brüllen- Krämer wird heute mit besonderer
Lustbarkeit aufwarten. Unsere Sängerin wird sich in guten Arien bestens
signalisiren. Den Beschluss machet ein Ballet und eine lustige Nach-
Comödie.
12. April. Eine neue intrigante und gewiss extra-ordinaire lustige Musicalische
Action, betitult : COLOMBINA P0L1TA, oder: Die listige, durchtriebene, und
Super-kluge KAMMER- JUNGFRAU. Oder: AVenn auch ein alter Greiss,
der an dem Stecken geht, nnd mit dem einen Fuss schon in dem Grabe
steht, sich suchet eine Braut, und will noch Hochzeit machen, so kann die
junge AVelt darüber billich lachen. Hanss-AVurst stellet vor einen durch
den Korb gefallenen Amanten. Den Beschluss machet ein Ballet und eine
lustige Nach-Comödie.
14. April. Eine unvergleichliche sinnreiche Haupt- und Staats-Action, betitult:
Der aus Liebe entsetzlich tyrannisirende, und endlich in seinem eigenen
Blut erstickende TAKTARISCIIE AVÜTERICH. Oder : die mit Amors Pfeilen
verwundete, listig überwindende, und die Tyranney besiegende PERSIA-
NISCIIE AMAZONIN. Mit Hanss-AVurst einem unglückseeligen und zu
vielerlei Marter verdammten Sclaven, verzagten Soldaten und von vielerley
Furien entsetzlich geplagten Aufseher vor das verliebte F rauenzimmer. Com¬
ponirt von Franz Anton Nutii. Nach der Action folget ein Ballet, statt
445
einer Nach-Comödie aber wird eine Operette-Comiqne oder musicalisch.es
Lust-Spiel aufgeführet, betitult : Der in die Länder reisende dumme Peterl ,
mit dem Hanss-Wurst dem neu- einfältigen Hoffmeister. NB. Es werden
10 Teutsche lustige Arien gesungen.
15. April. Eine moralische doch aber mit erlaubter- Lustbarkeit durchaus unter¬
mengte historische Haupt- Action, betitult : IL TRADITORE DI SE STESSO,
das ist: Der sich selbst verrathende Verrätlrer, oder: Wer eine Grube gräbt,
dem andern zum Verderben, der fallet selbst hinein, und muss mit Schande
sterben. Hanss-Wurst stellet vor einen unglückseeligen Bedienten eines
verliebten Herrn. NB. Unsere Sängerin agiret die Haupt-Person und wird
mit guten Arien aufwarten. Es kommen auch besonders gute theatralische
Auszierungen zum Vorschein. Den Beschluss machet ein Ballet und eine
lustige Nach-Comödie.
17. April. Eine recht-auserlesene, intrigante, aus einer wahrhafftigen Historie
gezogene Haupt- Action, betitult : Montaldo Furioso , das ist : DER RASENDE
MOND ALDO, oder: Die unglückseeligen Früchte des weiblichen Vorwitzes,
und der von übermässiger Liebe zur Verzweiflung gebrachte Götzen-Diener.
Mit Hanss-Wurst einem neu inventirten Doctor Die Narren gescheid zu
machen. Componirt von Franz Anton Nuth. Nebst guten Arien wird
auch mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
18. April. Eine allhier erst Neu-Componirte, aus einer wahrhafften Historie ge¬
zogene Haupt-Piece betitult: DER DURCHLAUCHTIGE HIRTE, oder:
DIE AUS EINEM TRAUM ENTSTANDENE TYRANEY. [Jugendge¬
schichte des Cyrus] Componirt von Franz Anton Nutii. In der Action
sind 5 extra lustige Intermedia unter dem Titul Der verliebte Maussfallen-
Kr'ämer. Es werden 6 Teutsche und 2 Italiänisehe lustige Arien ge¬
sungen. Den Beschluss machet ein Ballet und so es die Zeit, leydet eine
lustige Nach-Comödie.
19. pril. Eine allererst allhier neu-verfertigte, mit unterschiedlichen merckwür-
digen Auszierungen des Theatri und vielen lustigen Musicalischen Arien
decorirte extra ordinair lustige Action, betitult: WER DAS GLÜCK HAT
BEKOMMT DIE BRAUT und GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH
GERN, oder: der durch viele lächerliche, gescheide närrische und traurige
Zauberey sich selbst beglückende SCAPIN. Wann die Vergnügungssonn
im Ehstand soll erscheinen, muss Gleich mit Gleichem sich in selbigem
vereinen; dann Kalt und Warm beysammen, thut wahrlich selten gut,
Wie die Erfahrung uns fast täglich lehren thut. Hanss-Wurst stellet vor einen
durch vielerley Fatalitaeten fast zur Verzweiflung gebrachten Wochen- Laquey.
Es dienet zur Nachricht, dass heute viele neu-componirte lustige Arien, so
wohl von Manns- als Weibs-Personen gesungen werden. Den völligen Be¬
schluss aber machet em Tantz mit recht lustiger Nach-Comödie.
20. April. Eine neue historische recht vortreffliche Haupt- Action, betitult: IL
FIGLIO DI SUOI GESTI, das ist: Der Sohn seiner eignen Thaten, oder:
der Durchlauchtige Waldmann. Mit Hanss-Wurst Einem lustigen Schäfer-
Knecht. Nebst guten Arien wird mit einem Ballet und recht lustiger Nach-
Comödie aufgewartet werden.
21. April. Eine allererst neu-componirte, folglich noch niemahlen gesehene mit
vielen Auszierungen des Theatri, Flugwerken, und besonders durchgehende
Lustbarkeiten angefüllte Piece, betitult: der durch Betrug, Zauberey und
Meichelmord sich auf den Persischen Thron schwingende SERASTE, oder
die Bewundernswürdige Zufälle zwischen Belsiro Cron-Printzen von Persien,
und Fridoro, einem wegen Verrätherey durch den Strang hingerichteten,
durch Zauberey wieder belebten Sclaven. Mit Hanss- Wurst einem unglück¬
seeligen Bedienten eines aus Liebe rasenden Herrn. Nach einem Ballet
wird, statt einer Nach-Comödie ein Operette-Comique aufgeführt, betitult :
Die Charmante Schäfferey. In dieser werden 10 lustige teutsche Arien
gesungen.
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22. April. Eine neu-componirte, wegen des lustigen Inhalts, vielen vorkommenden
Decorationen, insonderheit aber wegen charmanter Vocal UDd Instrumental
Musique hörens und sehenswürdige Capital-Piece, betitult : LA STRIGARIA
CAUSATA PER AMORE, OYERO: AURELIA PER AMORE FATA 1N-
CANTATRICE, das ist : Die aus Liebe zur Zauberin gewordene AURELIA.
Mit Hanss-Wurst und Scapin zweyen unglückseeligen und von Gespenstern
auf vielerley Arth geplagten und verfolgten Bedienten. NB. Dieses ist
eine besondere Fatique unsrer Primier- Agentin , welche heute die Aurelia
vorstellen und durch viele geschwinde Verkleidungen sowohl als auch in
vielen Italiänischen und Teutschen Arien ein Meister-Stück erweisen wird.
Den völligen Beschluss machet ein Ballet und eine Nach-Comödie.
25. April. Eine allhier erst componirte, mit neuen Arien sowolil als verschie¬
denen Auszierungen des Theatri decorirte, auserlesene intrigante und extra-
ordinair lustige Piece Comique betitult: DIE VERLIEBTE ZAUBERIN,
oder: DAS COLLEGIUM VERLIEBTER STUDENTEN. Heute werden
zwey Hanss-Würste das Theatrum betretten und beyde mit Lustbarkeit also
aufwarten, dass ein jeder sich bemühen wird, wie er dem andern den Rang
könne streitig machen. Ein zahlreiches Auditorium richte sich heute nur
zum Lachen, dann dazu wird es gewiss Gelegenheit haben, dieses ver¬
sichert der Compositeur der heutigen Actiou, Franz Anton Nuth. Der An¬
fang dieser Bourlesque wird mit einem Ballet von Hexen gemacht. Den
völligen Beschluss machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
20. April. Eine zwar kurtze, doch durch und durch extra lustige Bourlesque,
betitult: HANS-WURST DER DUMME KNECHT, oder : Bernardon der ein¬
fältige Schlosser- Jung, und Pantalon der betrogene Schwieger- Vatter. Wei¬
len aber die Action so kurtz ist, so wird statt einer Nach-Comödie mit
einer recht lustigen Operette-Comique oder Musicalischen Lust-Spiel auf¬
gewartet werden, betitult: Die lustige Jägerey. Mit Hanss- Wurst einem
verliebten Forst-Knecht, ln dieser Operette-Comique werden 10 Teutsche
recht lustige Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein vor 2 Batzen
zu bekommen sind.
27. April. Eine noch niemahlen gesehene, mit vielen, besonders inventirten Aus¬
zierungen, Flug-' Werken und Machinen auf das beste decorirte, recht
lustige Piece, Betitult: Die Ertz-Zauberin Circe, oder: Der von dem Thra-
cischen Helden SORGESTRO erlegte MINOTAURUS. Mit Hanss-Wurst
einem verzauberten Esel, und unglückseeligen Liebhaber. Nebst guten
Arien wird auch mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödien aufgewartet
werden.
28. April. Eine neue, aus dem Spanischen Helden- Cabinet gezogene, unvergleich¬
liche, und allen beruffenen Martis-Söhnen zu beliebiger Ergötzung zusam¬
men geetragene Haupt-Piece, betitult : Der grosse, wegen seiner unbegreif¬
lichen Leibes-Stärke billich genannte andere HERCULES. In Person des
unüberwindlichen teutschen Helden ROLAND, oder: Die gleiche Waag-
Scliaale recht-gebohrner Kinder der Kriegerischen Belonae, zwischen Man-
ducoeur, einem Französischen Helden, und zwischen Roland einem Vetter
Caroli Magni. Oder aber: Das in dem achten Jahrhundert der Welt er-
öffnete Kriegs- und Liebes-Theatrum, auf welchen der von Amor gestürtzte
Mavors doch über die Liebe den Triumpf erhaltet. Mit Hanss-Wurst einem
durchgegangenen Soldaten, von seinem Vater aus dem Hause gejagten
Sohn, sehr strapitzirten Stall-Knecht bey des Roland seinem Pferd, von
einem Berg geworffenen unglückseeligen Bedienten und von seinem närri¬
schen Herrn sehr geplagten Post-Klepper. Den Beschluss machet ein
Reuter-Ballet und lustige Nach-Comödie.
29. April. Eine gewiss charmante, historische, lustige und extra bizarre Piece,
betitult: DER SCHAU-PLATZ DER UNGLÜCKSEELIG VERLIEBTEN
oder: Die Würkung einer unmenschlichen Zauberey und der wider seine
eigene Tochter tyrannisirende Vatter. Mit Hanss- Wurst einem interessir-
ten Ambassadeur, lächerlichen Courier, und endlich imschuldig gehenkten
Intriquanten. Unter der Action wird ein Tantz gemacht, nach der Action
folget dasjenige Ballet, in welchem Arlequin durch das Fenster springet,
und eine extra lustige Nach-Comödie.
447
1. Mai, Eine besonders intrigante, aus einer wahrhafftigen Historie gezogene
Piece, betitidt: PER LEBENBIG-BEGRABENE STELLAPORO, oder: Per
von Verrätherey stark angefochtene, von der Treue hingegen unterstützte
Thron von Castilien. NB. Hanss-Wurst wird heute besonders mit lustigen
Zwischen-Scenen aufwarten. Pen Beschluss machet ein Ballet und lustige
Nach-Comödie.
2. Mai. Eine extra- ordinair lustige, intriquante, und mit den lächerlichsten Pas¬
sagen angefüllte Bourlesque, betitult: LA PRECAITTION INUT1LE, das
ist: die vergeblichste Vorsichtigkeit ist: Verliebte von ihrer Meynung ab¬
zuhalten, wobey Pantalon als ein eigensinniger, und doch zuletzt betrogener
Kauffmann, und Vatter der Isabella agiren wird. Pen Beschluss machet ein
Ballet und lustige Nach-Comödie.
4. Mai. Eine, obwolilen schon bekannte, doch nicht weniger beliebte Tragoedie,
betitult: EX BOCTRINA INTERITUS,. oder: Pie unglückseelige Beiehr¬
samkeit, dargestellet in dem Leben und verzweiffelten Tode PR. JOANNIS
FAUSTI. Mit Hanss-Wurst einem von vielerley Gespenstern verfolgten
Famulo. Pen Beschluss machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
Besondere Vorstellungen, welche produciret werden.
1. Bluto erscheint auf einem Brachen durch die Lufft fahrend.
2. Hanss-Wurst kommt in Fausti Zauber-Creyss und wird von denen
Geistern verfolget.
3. Mephistophiles kommt durch die Luft in Fausti Zimmer gepflogen.
4. Stellet Faustus dem Herzog von Parma folgendes vor Augen : Pie Plagen
Tantali : item des Tity Geyer : item des Sisiphy-Stein item Pompey-Tod.
5. Ein Weibs-Bild wird öffentlich in eine Furie verwandelt.
0. Wird Faust unter einem Geister-Ballet von denen Furien zerrissen.
9. Mai. Eine neue recht intrigante, und durchaus lustige Piece, betitult: PIE
POLITISCHE PAME, oder : Schön, Politisch, Klug und Reich, ist ein In¬
disch Himmel-Reich. Mit Hanss- Wurst, einem lächerlichen Katzen-Praecep-
tor, das ist: Hanss- Wui-st, der um alles das Seinige listig betrogene, und
endlich in das Toll-Hauss gebrachte Handelsmann. NB. Nach der Action
folget ein Ballet, statt einer Nach-Comödie aber wird mit einer Musica
Bernesca oder Operette-Comique aufgewartet werden, welche an Lustbar¬
keit wenig ihres gleichen hat, betitult: La Lucretia Romana , die Römische
Lucretia oder: Scapin der einfältige König der Latiner, und Hanss-Wurst
dessen rebellischer Feld-Herr Brutus. In dieser extra lustigen Bernesca
werden 17 Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein vor 2 Batzen
zu bekommen sind.
12. Mai. Eine gewiss besonders intrigante, aus einer wahrhafften Historie gezo¬
gene Haupt-Piece, betitult: Per Weibliche Printz MANPANE, oder die
Wahrheit in den Lügen, mit Hanss-Wurst einem unglückseeligen König
in der Einbildung. NB. Unsere Primier-Agentin, stellet diesen Weiblichen
Printzen vor, welche sich heute besonders signalisiren wird. Unter der
Action wird ein Tantz gemacht, nach der Action folget ein Ballet, den
völligen Beschluss aber machet, eine extra lustige Operette-Comique, be¬
titult: Das lustige Soldaten- Leben, mit Hanss- Wurst einem unglückseeligen
Musquetier. In dieser Operette Comique werden 10 Teutsehe Arien ge¬
sungen, welche in gedruckten Büchlein vor 6 Kr. zu bekommen sind.
13. Mai. Eine aus dem Frantzösischen in das Teutsehe übersetzte Capital-Tra-
goedie, betitult: LE CIT, oder: Per Streit zwischen Ehre und Liebe, dar¬
gestellet zwischen Roderich und Chimene. NB. Pie Chimene agiret unsere
Sängerin, und wird sich in einigen Arien besonders signalisiren. Nach der
Action folget ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
15. Mai. Eine gewiss charmante Haupt-Piece, welche mit extra guter Lustbar¬
keit untermenget ist, betitult : Pie wunderbarsten Glück- und Unglücks-
Fälle keuscher und getreuer Liebe, dargestellet in ATALO und ARSINOE
mit Hanss-Wurst einem lächerlichen Bräutigam eines affectirten Cammer-
Mädels. Unsere Primier Agentin wird sowohl in Vorstellung der Arsinoe
als auch im Singen einer Italiänisch- und Teutschen-Aria sich bestens
recommandiren. Nach der Action folget ein Ballet und lustige Nach-Comödie,
448
16. Mai. Eine extra lustige, aus dem Italienischen in das Teutsche übersetzte
Bourlesque, betitult: L’OGGETTO ODIATO, oder DIE VERHASSTE BRAUT.
Mit Hanss-Wurst einem unglückseeligen, und durch unterschiedliche Fata¬
litäten schier zur Verzweiflung gebrachten Diener eines treulosen Herrn.
Ueber dieses werden unsere Tantz-Meister mit 2 guten Ballets aufwarten.
Den völligen Beschluss aber machet eine lustige Nach-Comödie. NB. Auf
gnädiges, hohes und vielfältiges Begehren, wird sich heute der dumme
Schlosser-Jung wiederum praesentiren.
17. Mai. Eine mit sehr vieler Lustbarkeit untermengte Piece-Comique, betitult:
DIE VERKEHRTE WELT, oder: Wer will die Thorheit nicht der jetz’gen
Welt belachen, da sie aus Narren will gescheide Leute machen. Gleich
wie das gute Geld man kennet an dem Klang, die Freunde in der Noth,
den Vogel am Gesang, auf gleiche Weiss kennt man den Adel am Ge-
bliite, der Tugendreiche Geist beseelet das Gemüthe. Hanss- Wurst stellet
vor: 1. Einen einfältigen Bauren-Sohn. 2. Einen durch Missverstand er¬
klärten Printzen. 3. Einen von einem Philosopho gequälten, von einem
Sprachmeister exercirten, von einem Fechtmeister strapizirten von einem
Dantzmeister und Bereither fast zum Narren gemachten Scholaren. Nach
der Action folget ein Ballet, statt einer Nach-Comödie aber wird auf hohes
und vielseitiges Begehren eine neue extra lustige Operette-Comique auf-
gefiihret werden, betitult: Der verliebte Mauss-Fallen- Krämer. In dieser
extra lustigen Operette werden 6 Teutsche und 2 Italiänische Arien ge¬
sungen, welche in gedruckten Büchlein vor 6 Kr. zu bekommen sind.
18. Mai. Eine extra lustige, und intrigante Bourlesque, betitult: IL PADRE
AVARO, IL FIEGLIO PRODIGO oder: Je geitziger der Vater, Je lustiger
der Sohn. Pantalon, Hanss- Wurst und Scapin werden durch unterschied¬
liche lustige Passagen zeigen, dass diese Bourleske eine derer besten seye.
Unsere Primier- Agentin wird als ein lustiges Mädel in guten Arien Dach¬
ten, ein gnädiges Auditorium bester Massen zu contentiren. Den Beschluss
machet nebst einem Ballet von 7 Personen auch eine lustige Nach-Comödie.
23. Mai. Eine aus denen merkwürdigsten Römischen Begebenheiten gezogene
Haupt- Action, betitult: Der grossmüthig-sterbende Rechts-Gelehrte, EMI-
LIUS PAULUS PAPINIANUS. Welcher unter der Regierung Passiani
des Römischen Kaysers, öffentlich ist enthauptet worden. Hanss- Wurst
stellet vor einen im Gehirn verrückten Stemseher. Den Beschluss machet
ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
24. Mai. Eine aus dem Italiänisch gezogene extra lustige Bourlesque, Betitult :
LA VENDETTA PUNITA, oder Harlechino ein Zaubrer aus Rache, und
Hanß Wurst einem durch die Banditen ausgeraubten Passagier. NB. Die
heutige Bourlesque ist aus vielen andern erwehlet worden, um unserm
neuen Harlechin Gelegenheit zu geben, seine Force zu zeigen, -welcher nebst
Pantalon, Hanß-Wurst und Colombina sich besonders bemühen wird, mit
extra guter Lustbarkeit ein gnädiges Auditorium zu contentiren, ingleichen
werden unterschiedliche Theatralische Auszierungen zum Vorschein kommen.
Unsere Täntzer werden mit 2 Ballets aufwarten, den Beschluss macht
eine lustig Nach-Comödie.
25. Mai. Eine charmante mit gewissem Fleiß componirte Action, Betitult:
IL TRIOMPIIO DELLA CONSTANZA TjFEDELTA, oder: Der Triumpf
der Beständigkeit und Treue In Zwey'vest und keusch verbundenen
Hertzen. Mit Hanß-Wurst einer von Geistern erschrökten Schildwacht, ver¬
zagten Duellanten und lächerlichen Scharfrichter. Den Beschluss machet
ein Ballet, statt einer Nach-Comödie aber, wird eine neue Operette-Comique
oder Teutsch-Musicalisches Lust-Spiel produciret, Betitult: » Das lustige
Elend zwischen zwey versoffenen Eheleuten. « In dieser Operette werden 10
Teutsche extra lustige Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein
vor 6 Kr. verkaufft werden.
2G. Mai. Eine recht sehens-wiirdige durch und durch lustige Action, Betitult:
DAS GESPRÄCH IM REICH DER TODTEN, durch Betrug mitten Im
Reich derer Lebendigen. Zu mehrerer Gemüths- Vergnügung wird ein Ballet
gemacht, den völligen Beschluss aber macht eine extra lustige Nach-Comödie.
449
29. Mai. Eine gantz neue sinn-reiche mit einem guten Moral sowohl, als ge¬
ziemenden Lustbarkeiten , wie nicht weniger verschiedenen wohlgesetzten
Arien, durchaus vermischte Hof-, Liebes- und Staats-Action, Betitult :
DER DURCHLAUCHT I G TE GÄRTNER. Oder: Die auf den Thron erho¬
bene Weisheit und Tugend. Mit Hanß Wurst einem von Hunger und
Liebes - Grillen geplagten philosophischen Famulo. NB. Dieses ist ein
Meister-Stück einer Teutschen-Comödie , und flattrrt sich unser Theatrum
heute besonders Ehre einzulegen. In der Action werden unsre Tantz-
meister mit 2 neuen Ballets aufwarten, den völligen Beschluss aber macht
Arlequin und Pantalon mit einer extra lustigen Nach-Comödie.
31. Mai. Eine der galantesten, neuen, wohl ausgearbeiteten Haupt- und Staats-
Actionen, betitult DER PROBIERSTEIN UNGLAUBLICHER GEDULD,
Oder: Die unüberwindliche Großmuth einer tugendhaften Seele, in der
getreuen und beständigen Griselda, die von Qualtero, König in Sicilien,
zur Gemahlin erhobene , hernach wegen Aufruhr derer, dessentwegen
widersinnigen Land - Stände, zum Schein verstossene , und wieder auf’s
neue durch eine (Eire mehr als adeliche Tugend zu bestättigen) sonder¬
bahr merckwiirdige Erfindung erklärte Königin von Sicilien, Mit Hanß
Wurst einem interessirten Hof-Narren. NB. Diese merckwürdige , wahr¬
hafte Historie hat Anlass gegeben eine der allerbesten Comödien daraus
zu machen, und wird sonderlich unsere Primier- Agentin sowohl in Vor¬
stellung der Griselda als auch in guten Arien sich bestens recomman-
diren. Nebst 2 Ballets wird unser Arlequin auf vieles und hohes Begehren
mit einer lustigen Nach-Comödie aufwarten, Betitult : Arlequin die ver¬
soffne Sybilla.
13. Juni. Eine aus dem Frantzösischen in das Teutsche übersetzte Haupt-
Tragoedie, Betitult: LE COMTE D’ESSECK, Oder: Der unverhoffte ge¬
waltsame Tod des Welt-berühmten Engelländischen Generals , Grafen von
Esseck, wobey Hanß Wurst, und ein im Hirn verrückter Kapitain mit
lustigen Zwischen-Scenen aufwarten werden. Die ersten 2 Actus werden
jeder mit einem Tantz beschlossen, nach der Action folget ein Masquen-
Ballet von 7 Personen, statt einer Nach-Comödie wird mit einer gleichfalls
hegehrten Operette - Comique, oder Musicalisches Lust - Spiel aufgewartet
werden. Betitult : Die Charmante Schuf ferey , mit Scapin einem alla-
modischen Prahl-Hansen. Es werden 10 Teutsche lustige Arien gesungen
welche in gedruckten Büchlein vor 6 Kr. zu bekommen sind.
14. Juni. Eine neue, recht lustige, mit vielen Intriguen bestens versehene Bour-
lesque, betitult: L’AMORE VUOL POLITICA : Verstand muß bey der Liebe
seyn, Sonst fällt man in den Korb hinein. Oder aber : Das verliebte
Nacht-Gespenst, Mit Hanß Wurst einem durch vielerley Fatalitäten endlich
beglückten Bräutigam. NB. Diese ist eine _ extra lustige, und durchaus
Intriguante Bourlesque, welche aus wahrhaften Begebenheiten von einer
Saty rischen Feder zusammen gezogen worden, diese nun noch aggreabler
zu machen, wird in dem ersten Actu mit einem Tantz, und in dem letzten
mit einem neuen und noch niemahlen gesehenen Ballet aufgewartet werden.
Den Beschluss machet eine extra lustige Nach-Comödie.
16. Juni. Eine unvergleichliche , neue, aus einer wahrhaften Historie gezogene
Haupt-Piece, Betitult : Die wundersame Lebens und Liebes-Geschiehte
der verwittibten Königin ARTEMISIA, Oder : Der zu gleicher Zeit geliebte
und biß auf den Tod verfolgte Bräutigam, W obey Hanß W urst mit lustigen
Zwischen-Scenen aufwarten wird. [Nachher Ballet und Nachkomödie].
21. Juni. Eine, mit vielen neuen extra lustigen Arien, besonders inventirteu
Theatralischen Auszierungen versehene Piece-Coniique (Auf hohes und viel¬
fältiges Begehren.) Betitult: SICH SELBST ÜBERWINDEN IST DER
GRÖSSTE SIEG, Oder: Die merckwürdige Lebens- und Liebes-Begeben-
heit der Prinzeßin Lodisse , Und des Printzen Pyrandro. NB. Dieser ist
der Titul der serieusen Materie, es dienet auch zur Nachricht, dass in der
gantzen Comüdie nur G serieuse Scenen seynd, die übrigen «alle lustig
29
450
welche lustige Materie folgenden Titul führet: Die Egyptische Zauberin
Zorinde. Mit Hanß Wurst und Scapin zweyen eyfersüchtigen Liebhabern,
lieber dies alles werden 6 neue extra lustige teutsche Allen gesungen;
welche bey dem Eingang in gedruckten Büchlein verkauft werden.
22. Juni. Eine extra lustige, aus dem ' Frantzösischen gezogene Piece-Comique
betitult: L’ETOURDI, Oder: Der dumme Herr und kluge Knecht.
NB. Diese Piece wird auch sonsten betitult: Was der eine gut macht,
verdirbt der andere. Unter der Action wird ein Tantz gemacht, nach der
Action folget ein Ballet, und zuletzt eine lustige Nach-Comödie.
23. Juni. Eine gewiss charmante, recht bewegliche, historische Haupt- Action, be¬
titult: DIE BEWUNDRRNS- WÜRDIGE GEDÜLT UND BESTÄNDIGKEIT
GETREUER EHE-LEUTHE, dargestellet in Aleran einem Teutschen
Fürsten und Adelheid einer Prinzessin Kaysers Ottonis Magni, Oder : Der
durchlauchtige Kohlen-Brenner, Mit Hanß Wurst einem lustigen Kohlen-
Händler. Es würd mit Arien, einem Tantz, einem Ballet und einer lustigen
Nach-Comödie aufgewartet werden.
26. Juni. Eine gantz neue Moralische recht vollkommene aus einer wahrhafftig
geschehenen Historie gezogene Haupt- und Staats-Action, Betitult: LA
FORZA DEL HONORE NEL CORE D’UNA — DONNA NOBILE, Das
ist : Die Wirkung der Ehre In dem Hertzen Einer edlen Dame. Oder Der
vor den grössten Feind gehaltene wahre Freund. Den Beschluss machet
ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
27. Juni. Eine intrigante, und extra lustige Bourlesque, Betitult: MÄNNER
LIST IST BEHEND, WEIBER LIST HAT KEIN END. Oder: Die
lächerlichen Wind-Machereyen eines affectirten Teutschen Frantzosen. In
der Persohn des Neuen Baron Zwickels, Hanß Wurst stellet vor einen
ungliickseeligen Bedienten einer intriganten Marquisin, Harlechino aber einen
lächerlichen Edelmann alla mode, und einfältigen Advocaten. NB. Dieses
ist eine derer lustigsten Bourlesquen, so noch auf unserm Theatro auf-
geführet worden, und wird sowohl mit guten Arien als auch mit einem
Tantz, zuletzt aber mit einem Ballet und extra lustigen Nach-Comödie
aufgewartet werden.
28. Juni. Eine aus denen alten Historien gezogene Piece, Betitult : Der mit zwey
und fünffzig Cronen prangende Thracische Hirt TARTARKAM TAMERLAM,
Oder: Der in einem verächtlichen Yogel-Hauß sterbende Baizet. Wobey
Hanß Wurst als Diener der Printzessin Maecha, welche sich in schlechte
Bauern Kleider verhüllet und sich vor des Hanß Wursts Sohn ausgiebet, mit
unterschiedlichen lustigen Zwischen-Scenen aufwarten wird. NB. Unter der
Action wird mit einem Tantz, zuletzt aber mit einem Ballet und extra
lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden. Betitult: Die neueste Mode
Schulden zu bezahlen, Oder: Der intereßirte Advocat.
29. Juni. Eine vortreffliche Haupt- Aktion, Betitult: DAS LEBEN UND TOD
Des Ertz-Zauberers Hanß Wurst. NB. Man versichert, daß heute niemand,
der eine rechtschaffene Comödie liebet, sich beklagen solle, sein Geld oder
die Zeit verschwendet zu haben , weil diese Piece so sehens-würdig ist,
als vielleicht sechs andere zusammen, derer allerbeste Stücke nicht sind:
absonderlich wird Colombine und Lavinia in einigen Dialogues oder Unter¬
redungen, so aus der berühmten Frantzösischen Action : La Fille Scavante
genannt, zum Theil gezogen, sich zum allgemeinen Vergnügen derjenigen,
so gerne etwas galantes und recht schönes hören, signalisiren. Den Be¬
schluss machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
30. Juni. Eine Bourlesque, welche an Lustbarkeit wenig ihres Gleichen hat,
Betitult: JE NÄRRISCHER, JE BESSER, Oder: Hans Wourst Le Mar-
chand Ruine. Das ist: Hanß Wurst der durch seine Gutheit um alles das
Seinige listig betrogene, und endlich in das Toll-Hauß gebrachte Handels-
Mann Oder aber: Hanß Wurst der lächerlich betrogene Bräutigam ohne
Braut. In der heutigen Bourlesque wird unser Hanß Wurst von Anfang
biß zu Ende sich bestens bemühen, ein respective allerseits Hochansehn¬
liches Auditorium zu contentiren, mit einem Wort, wer Lust zu lachen
hat und eine honette Lustbarkeit liebet, der wird alle Satisfaction finden.
451
NB. Der Wienerische Bernardon wird mit einer lustigen Scene und einer
lustigen Aria aufwarten, den Beschluss machet ein Ballet und extra lustige
Nach-Comödie, Betitult Die neueste Mode alte Weiber jung zu machen.
3. July. Eine neue, durchaus lustige und besonders Intrigante Piece-Comique,
Betitult: Die Tartarische Zauberin ASTBONILDA, oder: Der in seinem
eigenen Blut erstickende Türkische Wiitterich. Mit Hanß-Wurst einem
unglückseeligen Schulmeister in der Türkey. Den Beschluss machet ein
Ballet und lustige Nach-Comödie, Betitult: Hanss Wurst der gezwungene Doctor.
4. .Tuly Eine aus dem Italiänischen gezogene, mit HanJß Wurst und Arlequins
Lustigkeit durchaus versehene Piece-Comique, Betitult: PANDOLEO
IMBROGLIATO CON, AEICHIENO MEDICO YOLANTE ET HANS
WÖLBST SPIA EEDEL DEL SUO PADBONE oder: ABLEQUIN,
der listig betrügerische Medicus, und HANSS WURST, der getreue
Spion seines Herrn. Statt einer Nach-Comödie wird auf vielfältiges Be¬
gehren eine Operette-Comique gemacht, betitult: Geld regirt die Welt. Es
werden 10 teutsche lustige Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein
vor 6 Kreutzer zu bekommen sind.
5. July. Auf hohen Befehl und vielfältiges Begehren eine recht galante Haupt-
Piece, Betitult: Die in XIMINDO untergehende, und in BALACIN wieder
aufgehende Reichs-Sonne von PEGU oder: Die Asiatische BANISE. Nebst
guter Lustbarkeit wird auch mit 3 Ballets aufgewartet werden. Statt einer
Nach-Comödie aber wird mit einer gleichfalls begehrten Operette-Comique
der völlige Beschluss gemacht werden. In dieser Operette-Comique werden
10 extra lustige teutsche Arien gesungen.
G. July. Eine hier noch niemahlen producirte, extra lustige, und intrigante
Comique-Piece, Betitult: HANSS WURST ROBINSON, oder: Hanss der
lächerliche König auf der Insul Lumbonibaz und Isabella die verliebte
Götzen-Dienerin. Es wird auch mit 2 Täntzen und einer lustigen Nach-
Comödie aufgewaftet werden.
7. July. Eine extra- ordinair Fatique unserer Primier- Agentin, Betitult: COLOM-
BENA MAGA oder : Die besonders seltsame Liebes- und Lebens-Geschichte
der Printzessin Dorisbe, wobei Hanss Wurst und Scapin mit besonderer
Lustbarkeit aufwarten werden. NB. Nebst guten Arien wird auch mit
einem Tantz, Ballet und einer lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
11. July. Eine neue, mit besondem Intriguen und durchaus gehender Lustbar¬
keit angefüllte Piece-Comique, Betitult : DER WEIBLICHE GRENADIER¬
HAUPTMANN, und Arlequin der politische und beglückte, Hanss Wurst
aber der einfälltige und betrogene Liebhaber. In dieser extra lustigen Action
werden 9 Teutsche, aus einer allhier erst componirten Operette, gezogene
Aiden gesungen. Es werden heute 3 Ballets gemacht unter dem Titul:
Die lustige Bauern- Hochzeit. Den völligen Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie. Es dienet zur Nachricht, dass eine neu angelangte Agentin
sich heute das erste mahl zeigen werde, und weilen zur heutigen Piece
man besondere Mühe und Unkosten angewendet , hat, zweiffelt m^u um
desto weniger an einer zahlreichen Frequenz. Die Arien seynd beym Eingang
zu bekommen.
13. Jnly. Ein aus dem Theatre Italien des Mr. Gerardi, übersetzte Bourlesque,
Betitult: LA PRECAUTIO INUTILE oder: Die vergeblichste Vorsichtig¬
keit ist Verliebte von ihrer Neigung abzuhalten. Welches Hanss Wurst
durch viele listige Vorstell- und Verkleidungen auf eine lächerliche Art
an dem eigensinnigen Gofiochon genugsam beweiset. Es wird nebst lustigen
Arien auch mit 3 Täntzen und einer lustigen Nach-Comödie aufgewartet
werden.
15 July. Eine extra-ordinair lustige Comique-Piece, Betitult DER DRESSNER
FRAUEN-SCHLENDRIAN, mit Hanss Arlequin einer rechts und gelehrten
Frauen und Hanss Wurst dieser gelehrten Frauen lustiger Diener. Diese
Piece ist allhier noch niemahlen, ausser einmahl von der Frau Neuberin,
und zwar mit grösstem Applausu produciret worden. Ingleichen wird eine
neu-angekommene Täntzerin sich das erste mahl in einem Solo zeigen.
29*
452
Den völligen Beschluss dieses vollkommenen Werks machet eine lustige
Nach-Comödie, Betitult : Das bezauberte Bistoleste.
18. July. Eine historische mit durchgehender Lustbarkeit untermengte Comödie,
Betitult : DER REISENDE IM SCHLAFF oder : W o die Gefahr am grössten,
dort ist die Hülff am nächsten. NB. In dieser Action wird sowohl mit an¬
genehmen Arien als auch guter Lustbarkeit des Hanss-Wursts aufgewartet
werden. Unter der Action wird eine in 3 Ballets bestehende Bantomime
gemacht, unter dem Titul : Der bezauberte Garten. Den völligen Beschluss
machet Arlequin mit einer lustigen Nach-Comödie.
20. July. Eine aus denen merkwürdigsten Historien gezogene Haupt- Action, Be¬
titult : DER WETTSTREIT ZWISCHEN EHRE UND LIEBE oder Gerechtig¬
keit erhaltet Cron und Scepter, dargestellet : In dem jungen Keyser Ardemio.
Diese serieuse Materie wird mit guten und lustigen Zwischen-Scenen und
Arien untermischt werden. Unsere Tanzmeister werden zu mehrerer Ge-
müthsbelustigung mit zwei Täntzen aufwarten. Den Beschluss machet eine
extra lustige Nachkomödie.
21. July. Eine extra lustige Intrigante Piece-Comique, Betitult : DIE UNBESTÄN¬
DIGKEIT DER LIEBHABER, Bestraffet durch Arlequin einem politischen
Ehemann, und listigen Unterhändler seiner eignen Frauen mit dem durch
seinen eigenen Betrug selbst betrogenen Frantzosen Monsieur D’Appetit.
NB. Es dienet zur Nachricht, dass dasjenige Pantomimme mit 3 Ballets
repetiret, welches verwichenen Dienstag das erste mahl ist produciret
werden, in welchem unsere Tantzmeister sich besonders recommandiren
werden. Nebst guten Arien wird auch mit extra lustigen Nach-Comödie
aufgewartet werden.
27. July. Eine nach der vollkommenen Theatralischen Regul mit besonderer
Mühe componirte Piece-Comique, betitult: JEAN DE FRANCE, oder: Der
Teutsche Franzose, wobey Arlequin unter dem Nahmen Pierre des Jean
de France Diener, ingleichem Hanss- Wurst als ein Hauss-Knecht, nicht
weniger Martha eine Dienst-Magd, welche sich bey dem Jean vor eine
Frantzösische Dame ausgiebt, mit besonderer Lustbarkeit aufwarten werden.
Unsere Sängerin wird mit einer Aria, unsere Täntzer aber mit 3 Täntzen
aufwarten. Den völligen Beschluss machet eine extra lustige Nach-Comödie,
Betitult Arlequin die böse Gretha.
28. July. Eine neu componirte, lustige, doch kurtze Piece-Comique, Betitult:
DIE YERMÄHLUNG DER VIER JAHRESZEITN, wobey Arlequin und
Hanss Wurst mit durchgehender Lustbarkeit aufwarten werden. Ingleichen
werden auch 6 lustige Arien gesungen. NB. Unsere Tantzmeister werden
mit 4 Ballets aufwarten, unter dem Titul: Die abwechselnde Lustbarkeit
der vier Jahres- Zeiten. Die Ballets sind componirt worden von Monsieur
le Breun. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
I. August. Eine mit vielen Intriguen, und durchgehender Lustbarkeit des Hanss
Wursts und Arlequins untermengte Piece-Comique, Betitult: ARLEQUIN
DIE AFFECTIRTE GRÄFIN VON MARLET, UND HANSS WURST DER
LUSTIGE DRAGONER-HAUPTMANN. [Ballet wie am 28. July.]
3. August. Eine Moralische, aus der Bibel gezogene Tragödie, welche eine voll¬
kommene Haupt- und Staatsaction vorstellen kann , Betitult : DAVIDS
V ATTER - THRÄNEN über den unglückseligen Untergang ABSALONS
oder: Die Straffe ungehorsamer Kinder, und die Rettung frommer Eltern
aus dem durch übel ertheilten Rath erfolgten Unglück. Bey Vorstellung
dessen wird unser Theatrum nichts versäumen, sowohl in guter Elaboration
der Piece, als auch in der Schrifftgemässen Decorationen. Letztlich wird
Davids Klag-Rede, jn Versen, über den frühzeitigen Untergang des Absa¬
lons dem Auditorio ein vollkommenes Vergnügen erwecken. Nebst guten
Arien wird auch mit 2 Täntzen und einer extra lustigen Nach-Comödie
aufgewartet werden.
II. August. Eine neue, aus dem Italiänischen in das Teutsche übersetzte Piece-
Comique, Betitult: LA POLITICA DELLE DONNE, oder: Männer- List
ist behend, Weibor-List ist ohne End. Mit Arlequin und Hanss-Wurst
453
z weyen eigennützigen Intriganten. Wobey Pantalon, Anselm o und Geronte
drey mit ihrem besonderen Nutzen betrogene Ehemänner. Nebst 2 Täntzen
wird auf vielseitiges Begehren mit einer Operette-Comique aufgewartet werden
unter dem Titul : das lustige Elend. In dieser werden 10 lustige Arien ge¬
sungen, welche in gedruckten Büchlein zu bekommen sind.
15. August. Eine gantz neu componirte, folglich noch auf keinem Theatro ge¬
sehene, galante, intrigante, mit vielen sonderlich inventieusen Auszierungen
und guter Lustbarkeit des Hanswursts decorirte Haupt- Action, Betitult :
Die verliebte regiersüchtige und rachgierige EGYPTERlN. Oder die ge¬
stürzte lasterhafte HOF-POLITIC. Wann eüi Politicus auf sein Interesse
tracht und auf den Untergang des Yolkes ist bedacht, so wird das Pub¬
licum in seinem Herzen sagen : das Unglück solle dich du schlauer Schelm
erschlagen. Hit Hanss-Wurst einem durch viele Zaubereyen fast rasend
gemachten Intriganten, unglückseeligem Diener eines lasterhaften Hof¬
schmeichlers. Unter der Aktion wird ein Tantz gemacht, statt einer Nach-
Comödie wird aber eine neue Operette-Comique aufgeführet unter dem
Titul: Die lustige Juden- Hochzeit, wobey alle gewöhnliche Copulations-Cere-
monien zum Vorschein kommen. Diese Operette wird mit einem neuen
Juden-Ballet geendigt.
17. August. Eine gantz neue, folglich allhier noch niemahls gesehene Haupt-
Aktion, Betitult: SIVAX und VIRIATE, oder die über Neyd, Missgunst
und Rache triumphirende Unschuld, Dargestellet in der Person der gross-
miithigen Viriate, Prinzessin von Numidiern Mit Arlequin einem lustigen
Hof-Diener und kurtzweiligen Amanten einer abgelebten alten Frauen.
NB. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie, betitult: Hanss-
Wurst der Hollen-bestürmende Hercules.
18. August. Eine unvergleichliche, mit denen Sinnreichesten Intriguen und recht
guter Lustbarkeit angefüllte Haupt- und Staats- Action, Betitult; DER
STREIT ZWISCHEN RACHE UND LIEBE, sonnsten auch genannt: Die
politische Dame. Mit Hanss-Wurst einem verzagten Soldaten und affec-
tii'ten Windmacher nach der heutigen Mode. Unsere Sängerin agiret, die
Haupt-Parthie, und wird sowohl im Singen als Agiren ihre Force zeigen.
Statt einer Nach-Comödie wird gemacht: Arlequins gesungener Hochzeit-
Schmaus.
23. August. Eine Bourlesque, welche an Lustbarkeit wenig ihres gleichen hat,
Betitult: JE NÄRRISCHER. JE BESSER, oder: Le Marchand Ruine, das
ist: Arlequin der listig betrogene, und endlich in das Toll-Haus gebrachte
Handels-Mann oder aber: Arlequin der lächerlich betrogene Bräutigam
ohne Braut. In der heutigen, Bourlesque wird unser Arlequin von An¬
fang biss zu Ende sich bestens bemühen, ein respective allerseits Hoch¬
ansehnliches Auditorium zu contentiren, mit einem Wort, wer Lust zu
lachen hat und eine honette Lustbarkeit liebet, der wird alle Satisfaction
finden. Unter dem Actus wird ein Tantz gemacht, statt einer Nach-Co¬
mödie wird eine Operette-Comique aufgeführet, Betitult: Die lustige Juden-
Hochzeit, welche mit einem Juden-Ballet beschlossen wird.
24. August. Eine wohl elaborirte sehens-würdige lustige Action Betitult: DIE
ZWEY CRONEN-STREITENDE SCHWESTERN AURORA UND STELLA,
oder: Die triumphirende Unschuld. Mit Arlequins Lustbarkeit durch und
durch untermischt. In dieser Action werden die 3 neu-eomponirte Ballets
wieder vorgestellet werden, den völligen Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie.
29. August. Eine gantz neue, recht charmante Historische Action, Betitult: DIE
IN DER TREUE GEGALUBT UNTREUE, oder: Der Durchlauchtige
Mahler Orimantes und Die Majestätische Schäfferin Anagilde. Mit Hanss-
Wurst einem einfältigen Jäger, und närrischen Mahler- Jung. Unter der
Action wird ein Tantz gemacht, nach der Action folget ein Ballet von
6 Personen, statt einer Nach-Comödie folget eine Operette Comique, Beti¬
tult: Les Prescieus Ridicules, oder: Die affectirte Welt. Mit Arlequin und
Scapin zweyen lächerlichen und angebrennten Edelleuthen. In dieser
Operette werden 9. lustige Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein
vor 6 Kr. zu bekommen sind.
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1. September. Eine gewiss galante und lustige, Haupt- und Staats-Action, Beti-
tult: DER UNSTERBLICHE RUHM EINES HOCHGEBOHRNEN ADELS,
oder: Der durch die Treue gestürzte, und von eben derselben wieder er-
liöhete Minister. In der Person eines galanten Staats-Manns und politischen
Cavaliers. Mit unserer lustigen Person verwirrten Hof-Streichen, und ein¬
fältigen Sohn seiner Mutter Pasquella. NB. Unter der Action folget ein
Tantz, den Beschluss aber machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
2. September. Eine extra lustige, intrigante gantz neue, folglich hier noch nie-
mahls gesehene, mit vielen Arien und besonderen Theatralischen Auszie¬
rungen auf das möglichste angefüllte Comique-Piece, Betitult: Hj GANI-
MEDE NELL’ AMORE FORTUNADO, das ist: Der Liebe strenge Macht
schaut keine Hoheit an, da sie die Götter selbst zu Sclaven machen kann.
Oder : Die vergötterte Kauffmanns Tochter. Mit Lisette, als der Quint-
Essentz einer verschmitzten und galanten Dienst-Magd. Unter der Action
wird ein Tantz gemacht, von Götter und Göttin, zuletzt folget ein Ballet,
den völligen Beschluss aber machet eine lustige Nach-Comödie.
5. September. Eine gewiss so charmante als intrigante Haupt- Action, Betitult :
LA V1RTU NELL SANGUE das ist: Die Tugend in dem Gebliite. Mit
Hanss-Wurst einem verzagten Meuchel-Mörder. Nebst guten Arien wird
mit 2 Täntzen und einer Nach-Comödie von Arlequin aufgewartet werden.
9. September. Eine aus dem Frantzösischen übersetzte, ungemein bizarre und
veritable Hof- und Haupt-Piece, Betitult: LES FRERES CONFONDUS,
Die verwirrten Brüder. Oder: (Das abgehandelte Sujet deutlicher auszu¬
drücken) Die wegen wundersamer Gleichheit und Aohnlichkeit ihrer
Leibes-Gestalt, Gebärden und Aussprache, durch theils lächerliche, theils
gefährliche Zufälle, in die äusserste Verwirrung und Bestürzung gebrachte
Zwilling- Brüder. Hanss-Wurst dem hey vorfallender Erbschafft eigen¬
nützigen Unterhändler, und partheyischen Schied-Richter, hiemächst in
der moralischen Frauenzimmer- Anatomie wohlerfahrene Practico. Nebst
2 Ballets wird auch statt einer Nach-Comödie mit einer extra lustigen
Operette-Comique aufgewartet werden, unter dem Titul : Der verliebte
Schneider. In dieser Operette werden 10 lustige teutsche Arien gesungen,
welche in gedruckten Büchlein vor 8 Kr. zu bekommsn sind.
13. September. Eine charmante und gewiss sehenswürdige, moralische, mit er¬
laubter Lustbarkeit vermengte Action, Betitult : DIE TYRANNISIRENDE
LIEBE. In der Person einer laste rhafften, verrätherischen und ungetreuen
Frauen, oder: Der Durchläugtige Stern-Seher. Mit Hanss-Wurst, einem
unglückseeligen Wandersmann, und Ertz-Feind der bösen Weiber. Ein
gnädiges uditorium wird uns Beyfall geben, dass dieses eine der besten
Comödien seye, so jemahls hier gesehen worden. Statt einer Nach-Comödie
wird heute eine Operette-Comique oder Musicalisches Lust-Spiel aufgeführet,
welches aber durchaus zum Lachen eingerichtet ist, es führet den Titul :
Die lustige Jägerey. Mit Scapin einem lächerlichen Prahl-Hanss. In diesem
Musicalischen Lust-Spiel werden 10 lustige Teutsche Arien gesungen,
welche in gedruckten Büchlein bey dem Eingang verkaufft werden.
18. September Eine Historische, und gewiss recht charmante Action, Betitult:
DER IJNGLÜ CKSEELICHE REICHTHUM, oder: Der stumm-gebohrne
Redner. Mit Hanss-Wurst einem lächerlichen Dollmetsclier. Nebst guten
Arien werden in dieser Action 3 neucomponirte Ballets vorgestellet werden.
Diese Ballets sind componirt worden von Monsieur Kurz. Den Beschluss
machet eine lustige Nach-Comödie.
19. September. Eine allhier erst neu componirte, aus einer wahrhafften Historie
gezogene Haupt-Piece, Betitult: DER DURCHLAUCHTIGE HIRTE, oder:
Die aus einem Traum entstandene Tyrannay. NB. Zwischen denen seri-
eusen Scenen werden 5 lustige Intermedia gemacht, unter dem Titul : Der
verliebte Maussfallen- Krämer. In diesen Indermediis werden 8 lustige Arien
gesungen, welche in gedruckten Büchlein zu bekommen sind. Unter der
Action wird ein Tantz gemacht, nach der Action folget ein neues von
Monsieur Mecur componirtes Ballet von 2 Zwergen, Arlequin und Arle-
quinin 4 Bauern und Bäuerinnen Den Beschluss machet eine Nach-Comö-
455
die. NB. Derjenige übel-riechende Wasserfluss, welcher sonsten durch
die Hütte gelaufen, ist nunmehro abgegraben, dass also niemand mehr
damit wird incommodiret werden.
20. September. Eine sehens-würdige Haupt- und Staats- Action, Betitult: DAS
AMAZONISCHE CORSICA und ALLARMIRTE GENUA, das ist: Das
wider sich selbst rebellirende Vaterland, in der Person: Theodor des ersten
Königs von Corsica, sonsten auch genannt : Baron von Neuhof. Mit Arle¬
quin, einem curieusen Luft-Tracteur und Hanss- Wurst einem eyfersüch-
tigen Venus-Calefactor. Dieses ist eine neue, folglich hier noch niemahlen
gesehene Action, in welcher unterschiedliche, gantz besondere Decorationes
zum Vorschein kommen. Unter der Action ist ein Tantz, nach der Comö-
die folget ein Ballet von 6 Personen, statt einer Nach-Comödie wird eine
extra lustige Operette- Comique gemacht, Betitult: Geld regiert die Welt.
Es werden 10 lustige Teutsche Arien gesungen.
21. Septemper. Eine extra lustige, neue ohnlängst von Wien erhaltene Piece
Comique, betitult: ARLEQUIN DESERTEUR, oder: Arlequin der wegen
vielfältigen Fatalitäten durchgegangene Soldat und listige Kupier. NB. Auf
vielfältiges Begehren werden 4 Ballets, die 4 Jahrs-Zeiten, vorstellend,
repetiret. Unter dem Titul: Die abwechselte Lustbarkeit der vier Jahrs-
Zeiten. Diese Ballets sind componirt worden von Monsieur Le Breun. Den
Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
22. September. Eine intrigante, auserlesene, aus der Römischen Historie gezogene
Haupt- und Staats- Action, Betitult: GLI SPONSALI PER L’IMPERO, das
■ ist: Die aus Staats-Interesse geschlossene Vermählung, oder: Der intri¬
gante, den Römischen Hof, in die grösste Verwirrung setzende Politicus.
Mit Hanss-Wurst einem Ertz-Feind eines alten verliebten Weibes. Unsere
Sängerin wird sich in dieser vollkommenen Piece besonders signalisiren.
Den völligen Beschluss machet ein Tantz, Ballet und recht lustige Nach-
Comödie.
23. September. Eine neue, intrigante, mit Täntzen, Arien und vielen Verklei¬
dungen unserer Primier- Actrice ausgezierte Comique-Piece, Betitult: DIE
PHILOSOPHISCHE BRAUT, Oder Der weibliche, verliebte und durch
List sich selbst beglückende Student, Mit Hanß Wurst und Arlequin
zweyen lustigen Bedienten bey denen verliebten Studenten. NB. Es ist
eine gantz besondere Fatique, womit man auch gewiß versichert ist , alle
Satisfaction zu geben, deswegen man auch an einem vollkommenen Andi-
torio nicht zweifelt. Unter der Action ist ein Tantz, der Beschluss aber
wird gemacht mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie.
26. September. Eine intrigante, und wegen sonderbahren Intriguen gewiss sehens¬
würdige Haupt- Action, Betitult : IL VERO AMORE NON VU < )L POLITICA,
Das ist Wahre Liebe leydet keine Verstell urig, Oder: Der erstlich be¬
grabene, hernach vermählte König. Arlequin stellet vor einen einfältigen
Erb-Printzen, unter dem Nahmen Don Salame. Unter der Action wird
ein Tantz gemacht, zum Beschluß folget ein Ballet und lustige Nach-
Comödie.
27. September. Auf hohen und specielen Befehl: Ein Heroisches und sehr be¬
liebtes Schauspiel, welches mit Einmischung so wohl Welschen als Teutschen
Arien, auch andern vorkommenden Auszierungen des Schau-Platzes decorirt
ist, Betitult : Der Sieg Tugendhafter und wahrer Liebe, In dem herrlichen
Beyspiel der Asiatischen B ANISE, Oder: Die in Xemindo untergehende,
und in Balacin wieder aufsteigende Reichs-Sonne von Pegu. Mit Hanß
Wurst, dem in der Irre herum vagirenden Ritter. In dieser Action werden
die 3 neu-componirte Ballets wiederum vorgestellet , den Beschluss macht
eine lustige Nach-Comödie.
28. September. Eine allererst neu-componirte extra lustige Piece-Comique, Be¬
titult: DER SCHMAROTZER, oder die unnöthige Höflichkeit und die
lustige Spazier-Eahrt nach dem Sau-Steg, mit Arlequin einem lustigen
Lieder-Sänger, und lächerlichen Taschen-Spieler. Nebst 2 Ballets wird
auch mit einer lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
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29. September. Eine neue charmante Haupt- Action , Betitult: Der durch Ver-
rätherey sich auf den Thron schwingende, zuletzt aber wieder gestürtzte
rebellische Hirt A RHENI ONE oder die triumphirende Römische Großmütig
mit Hanß Wurst einem furchtsamen Soldaten und unglückseeligen Ge-
fangen-Meister. NB. Nebst 2 Täntzen wird auf Hohes und vieles Begehren
statt einer Nach-Comödie mit einer Operette-Comique aufgewartet werden,
unter dem Titul : Die lustige Jägerey.
30. September. Eine extra lustige Piece , welche an Lustbarkeit wenig ihres
Gleichen hat, Betitult: DER FLÜCHTIGE YIRENUS, oder: Hanß Wurst
der König im Traum. NB. Heute werden die 4 Ballets, die 4 Jahrs-Zeiten
vorstellend, noch einmahl und zwar zum letzten mahl vorgestellet werden,
Betitult die abwechslende Lustbarkeit der vier Jahrs-Zeiten. Die Ballets
sind componirt worden von Monsieur' Le Breun. Ein gnädiges Audi¬
torium vollkommen zu contentiren, wird mit einer Operette-Comique der
Beschluss gemacht werden, Betitult: Der dumme Peterl, mit Hanß Wurst
dessen einfältigen Hof-Meister. In dieser Piece werden 10 lustige Arien
gesungen.
3. Oetober. Eine derer allerbesten Italienischen Bourlesquen, Betitult ARLEQUlN
DER* DURCH ZAUBERET SICH SELBST BEGLÜCKENDE LIEBHABER,
und Hanß Wurst Neben-Buhler seines eigenen Herrn. Unter der Action
wird ein Tantz gemacht, nach der Action folget das Zwergen-Ballet, den
Beschluß aber machet eine lustige Nach-Comödie.
4. Oetober. Eine gewis charmante Haupt- Piece, welche mit extra guter Lust¬
barkeit untermenget ist, Betitult : DIE WUNDERBARSTEN GLÜCK- UND
UNGLÜCKS-FÄLLE KEUSCHER UND GETREUER LIEBE, oder: Der
tugendhaffte Betrug, mit Hanß Wurst einem lächerlichen Bräutigam eines
affectirten Cammer-Mädels. Nach der Action folget ein Ballet und lustige
Nach-Comödie.
5. Oetober. Eine gewiss intrigante, mit vielen neuen Musicalisehen Arien deeo-
rirte, und 'mit sonderbaren Auszierungen des Theatri wTohl versehene extra
ordinaire Fatique, Betitult : DIE GENAUE UNTERSUCHUNG wegen Hand-
habring der Gerechtigkeit in der untern Welt , oder : Der intrigante Geist.
Vor der Action wird ein poetischer Prologus gemacht, in der Action Selbsten
werden 7 neue Arien gesungen, ingleichem auch ein neuer Tantz, von
einem Schwäbischen Bauern und Bäuerin. Den völligen Beschluss machet
ein Ballet und eine lustige Nach-Comödie.
6. Oetober. Eine Moralische, doch aber mit erlaubter Lustbarkeit durchaus
untermengte Historische Haupt- Action, Betitult: Die unschuldig verfolgte,
zuletzt aber getreu befundene Kayserin ENGELBERTA, Gemahlin Ludovici
des H. römischen Kaysers, oder: Wer eine Grube gräbt, dem andern zum
Verderben, der fället selbst hinein und muss mit Schande sterben.
Aiiequin stellet vor
1. Einen listigen hintergangenen Schulden-Cassirer.
2. Einen übel belohnten Kuppler.
3. Einen von seinem eigenen Geist verfolgten Nachtschwärmer.
4. Einen samt seinem Bette durch die Lufft reisenden Passagier.
5. Einen Secundanten der verliebten Cammer-Jungfem.
6. Einen durch viele Fatalitäten beglückten Bräutigam.
Hanß Wurst stellet vor einen unglückseeligen Bedienten eines verliebten
Herrn. Unsere Sängerin agiret die Haupt-Person, und wird mit guten
Arien aufwarten. Es kommen auch besonders gute theatralische Aus¬
zierungen zum Vorschein. Unter der Action wird ein Tantz gemacht, den
völligen Beschluss aber macht eine lustige Nach-Comödie.
9. Oetober. Eine gemäß denen theatralischen Regeln mit besonderm Fleiß ein¬
gerichtete lustige und dabey intrigante Piece-Comique, Betitult: DAS
GESPENST MIT DER TRUMMEL, oder: Der seiner Gemahlin wahrsagende
Ehe-Gemahl mit Aiiequin und Hanß Wurst zweyen lustigen, und von
dem Gespenst mit der Trummei auf vielerley Art geplagten Bedienten.
Diese ist eine der berühmtesten englischen Comödien, welche wregen ihrer
Trefflichkeit von dem welt-bekannten Hrn, Professor Gottsched in Leipzig
«
457
nach denen wahren theatralischen Regien in teutscher Sprache heraus¬
gegeben worden, wie nun dieses Werck von diesem so berühmten Mann
uns vorgeschrieben worden, wird selbiges von Wort zu Wort von uns
produciret werden. Unter der Action wird mit einem Tantz, nach der
Action mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
11. Oetober. Eine aus dem Italiänischen gezogene recht galante und intrigante
Bourlesque, betitult: DER BETROGENE ERTZ-FEIND DES FRAUEN¬
ZIMMERS, oder: Die bezauberte Trinck-Schaale, mit Arlequin und Hanß
Wurst zweyen lustigen Bedienten. NB. Unter der Action wird mit einem
Tantz, nach der Action aber mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie
aufgewartet werden.
12. Oetober. Eine remarquable historische Piece, betitult : Der sich selbst auf
den Thron schwingende und wieder gestürtzte Gothische PHAETON oder :
Der durch verstellte Thorheit sich beglückende Schäffer. Hanß Wurst als
ein lustiges Quodlibet wird mit einem verliebten und dabey affectirten
Mädel mit verschiedenen recht aggreablen Zwischen-Scenen aufwarten.
Unter der Action wird ein Tantz gemacht von einem schwäbischen Bauern
und Bäuerin. Nach der Action wird auf hohes Begehren dasjenige Ballet
gemacht, in welchem Arlequin durch den Spiegel springet, und endlich
aus einem Stück in die Luft geschossen wird. Den völligen Beschluss
machet statt einer Nach-Comödie eine lustige Operette-Comique, in welcher
10 lustige teutsche Arien gesungen werden.
13. Oetober. Eine der berühmtesten , von Monsieur Moliere entlehnte, aus dem
Erantzösischen übersetzte, durchaus lustige Action, betitult: GENTIL
HOME POURGEOIS, oder : Der bürgerliche Edelmann, wobey Hanß Wurst,
Arlequin, ein Capell- Tantz- und Fechtmeister, ingleichen auch ein
Schneider, mit vier Gesellen mit durch-gehender Lustbarkeit aufwarten
werden. Der Inhalt dieser Piece wird aus dem Erantzösischen genugsam
bekannt seyn, deswegen hat man selbigen hierbey zu setzen nicht vor
nöthig befunden. In der Action sind 3 Täntze, ein Schneider-Tantz, ein
Koch-Tantz und ein türkischer Tantz. Den Beschluß machet eine lustige
Nach-Comödie.
16. Oetober. Eine derer besten und intrigantesten Piecen, so auf einer teutschen
Schau-Bühne vorgestellet worden, betitult: DER ZU GLEICHER ZEIT
GELIEBTE UND VERFOLGTE FEIND oder Bewunderungs-volle Helden-
und Liebes-Geschichte der groß-müthigen Bianca, Königin von Tyro und
Phönicien, wobey Hanß Wurst und Rosette ein lustiges Mädel mit ver¬
schiedenen lächerlichen Zwischen-Scenen aufwarten werden. Nebst einem
Tantz wird auch mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet
werden.
17. Oetober. Eine neue, folglich noch nie mahl hier gesehene Piece - Comique,
betitult: DIE DURCHLAUCHTIGSTE BÄUERIN, oder : Die erfindungs-volle
Macht einer aufrichtigen Liebe, wobey Hanß Wurst, Arlequin und ein
lustiges Müller-Mädel mit durchgehender Lustbarkeit aufwarten werden.
NB. Bemardon wird als ein einfältiger Schreiner mit einer besonders
lustigen Seena und einer Aria sich bestens recommendiren. Unter der
Action wird ein Tantz gemacht, nach der Action folget ein Ballet von
Arlequin und Arlequinin, Scaramuz und Scaramuzin, Pirot und Pirotin,
in welchem Arlequin einen Affen und Scaramuz einen Mahler vorstellet.
Den völligen Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
18. Oetober. Eine extra-ordinair-intrigante, recht vollkommene Haupt- und Staats-
Action, betitult: ALLA GELOSIA IL VENTO STESSO E SOSPETOSO,
overo : La Gelosia Fortunata. Es ist die Eifersucht ein Kind der wahren
Liebe, Doch giebt sie dem Gemüth viel schmertzens-volle Triebe, Dieweil
sogar der Wind ihr offt verdächtig ist, Und deme, der sie nährt, Hertz,
ja die Seele frist. Sonsten wird diese Piece auch betitult : Amore Masque-
rado oder: Das Methamorphosirte Frauenzimmer mit Hanß Wurst einem
intereßirten Hof-Spion. NB. Die heutige Piece ist eine besondere Fatique
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vor unsere Premier- Agentin, welche sowohl in Agiren, als guten Arien
sich bestens signalisiren wird. Unter der Action wird ein Tantz gemacht,
nach der Action folget ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
,21. Ociobor. Eine aus dem Italiänischen übersetzte Haupt- Action , betitult: LA
ÜERITA NELL INGANNO oder: Die Wahrheit in dem Betrug zwischen
Atalus und Arsinoe, wobey Ha riß Wurst ein politischer Gefangenmeister
und embarasirter Amant einer affectirten Cammer-Jungfer. Unsere Sängerin
wird sich besonders mit einer NB. italiänischen und teutschen rasenden
Aria bestens zu signalisiren suchen. Den völligen Beschluss machet ein
Ballet und lustige Nach-Comödie.
23. Ootober. Eine extra galante und lustige Haupt- Action, betitult : Der tyran¬
nische, doch mißverstandene BRUDER-MORD, oder Der gerechte Vatter
und strenge Richter mit dem Denk-Spruch : Lieber die Krone frey willig
verschenken, Als die Gerechtigkeit wissentlich kränken. Mit Hanß Wurst
dem lustigen Schadenfroh und Narr in allen Gassen. Nebst einem Tantz
wird auch mit einem Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
'27. Öcitober. Eine gantz besondere, mit durchgehender Lustbarkeit angefüllte
Piece-Comujue, betitult : THIMON LE MISANTHROPE oder : Der von
undankbaren Freunden verleitete, von dem Himmel aber auf bessere Ge¬
danken gebrachte Menschen-Feind. Mit Arlequin einem ehrlichen Dieb,
curieusen Einkauffer auf dem politischen Tandel-Marckt, und unparthey-
ischen Critico der menschlichen Schwachheiten. Diese Piece ist aus der
Frantzösischen Action des Herrn de L’Isle, so in dem 5. Theil des neuen
Theatro Italien befindlich, von einer geschickten Feder übersetzet worden.
Unter der Action ist ein Tantz , nach der Action wird mit einem Ballet
und lustigen Nach-Comödie der völlige Beschluss gemacht werden.
28. Ootober. Eine durchaus lustige, und intrigante Piece- Gomique, betitult:
DAS GECRÖNTE SCHAFFER, -PA AR.. Oder: Die verlohrne und wieder
gefundene Fürsten-Kinder. Mit Arlequin einem lustigen Zigeuner. Heute
werden 4 Ballets, die vier Jahreszeiten vorgestellet werden. Die Ballets
sind componirt worden von Monsieur le Breun.
1. November. Eine aus dem Gherardischen Theatre Italien gezogene Piece-
Comique, betitult: LA FIELE SAVANTE, das gelehrte Frauenzimmer,
oder: Die galante Kriegs- und Liebes-Schule des schönen Geschlechts.
Hanß Wurst stellet vor:
1. Einen lustigen Apotheker.
2. Eine wohl erfahrne Cammer-Jungfer.
3. Einen wohl ausstudirten Liebes-Professeur.
4. Einen poßirlichen Baron von Fontessec.
Unsere Sängerin wird in Vorstellung eines lustigen Grenadier-Hauptmann’s
ingleichen in guten Arien sich bestens zu signalisiren trachten. Unter
der Action ist ein Tantz, den Beschluß machet ein Ballet und lustige
Nach-Comödie.
3. November. Eine gantz neue, folglich noch niemahl producirte Historische
Haupt- Action, betitult: DER UNERSCHROCKENE JAGER, oder: Die
Helden- müthige Lebens-Geschichte Maximiliani, Statthalters in Hispanien.
AVobey Hanß AVurst und Arlequin mit durchgehender Lustbarkeit auf¬
warten werden. NB. In dieser Action werden die 3 neu componirte
Ballets wiederum vorgestellet. Diese Ballets sind componirt worden von
Monsieur kurtz. Den Beschluß machet eine lustige Nach-Comödie.
<j. November. Eine allhier erst neu componirte Piece, welche aus einer walir-
h afften Historie gezogen worden, betitult : Die wunderbahren Glücks- und
Unglücks-Fälle der verstossenen Königin ERMELINDA. Diese gantze
serieuse Action spielet nicht länger als eine Stunde, deß wegen sind unter
der Action 5 extra lustige Intermedia, unter dem Titul : Der im Reich der
Toden betrogene Ansehno, Bernardon der verliebte Schneider. In einem jeden
Actu werden 3 Arien gesungen, welche vor 8 Kr. zu bekommen sind.
Den Beschluss machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
450
7. November. Eine aHhier noch nie gesehene, von dem Italiänischen Theatro
entlehnte und durchaus wohl intriguirte Haupt - Action, betitult: Da¬
zwischen zweyen Gleich- Verliebten ZWEIFELHAFFTE LIEBHABER, oder
Liebes-Wahl macht Hertzens-Quaal, mit Arlequin einem von zweyen Ehe¬
weibern sehr gequälten und von seinen eigenen Freunden listig betrogenen
Ehemann. Unter der Äction ist ein Tantz, den Beschluss machet ein
grosses Ballet und lustige Nach-Comödie.
9. November. Eine aus einer wahrhaften Historie gezogene Haupt-Piece, betitult :
Der durch Tugend und Tapferkeit Italien besiegende Held HANNIBAL IN
CAPUA oder : Die ruhmreiche Eigenschafft des Gemüths besieget die
Neigung des Hertzens. Hanß "Wurst wird vermittelst der affectirt.en
Finette mit etlichen lustigen Zwischen-Scenen aufwarten. Den Beschluss
machet ein Tantz, Ballet und lustige Nach-Comödie.
10. November. Eine allererst neu-componirte, folglich noch niemahlen gesehene,
mit vielen Auszierungen des Theatri, Flugwerken, und besonders durch¬
gehender Lustbarkeit ungefüllte Piece, betitult : LA STRIGARIA CAUSATA
PER AMORE, OVERO : AURELIA PER AMORE FATA IN C ANT ATRICE
das ist: Die aus liebe zur Zauberin gewordene AURELIA. Mit Hanss-
Wurst und Scapin zweyen unglückseeligen, von Gespenstern auf vielerley
Art geplagten und verfolgten Bedienten. Den Beschluss machet ein Ballet
und lustige Nach-Comödie.
11. November. Eine intrigante, wahrhaffte, und extra ordinaire gute Haupt-Piece
welche aller Orten admiriret worden, betitult: DIE IN DER GEGLAUB¬
TEN YERRATHEREY BESTÄTIGTE TREUE, oder: Die in dem Glück
aufrichtige, in dem Unglück aber wanckelbahre Frauen-Liebe, mit Hanss-
Wurst einem dem Spielen ergebenen Liebes-Unterhändler. In dieser
remarquablen Haupt-Piece sind 3 Täntze, unter welchen der letzte Arle-
quins Spiegel-Sprung seyn wird, da dann Arlequin endlicli aus einem Stück
in die Luft geschossen wird. Den Beschluss machet eine lustige Nach-
Comödie.
16. November. Eine extra lustige, aus dem Italiänischen gezogene Bourlesque,
betitult: IL FINTO PRENCIPE, oder: Der durch Zauberey in die grösste
Verwirung gebrachte Hof von Belvideur, mit HanssWurst, einem lächer¬
lichen Fürsten, und Colombine einer einfältig verliebten Gärtnerin. Diese
heutige Comique-Piece ist durchaus mit Lustbarkeit angefiillet, und wird
sich in selbiger besonders Hanss-Wurst, Pantalon, Anselmo und Colombine
lustig erzeigen. Der Wienerische Bernardon aber wird als ein Tischler
mit einer lustigen Aria aufwarten. Unter der Action ist ein Tantz, nach
der Aktion folget ein Ballet, statt einer Nach-Comödie aber wird mit einer
extra lustigen Operette-Comique der völlige Beschluss gemacht werden,
betitult: Les Precieus Ridicnlease , oder: Das aff'ectirte Frauenzimmer, mit
Arlequin und Scapin zweyen angebrandten von Adel. In dieser werden
10 lustige Arien gesungen, welche in gedruckten Büchlein vor 8 Kr. zu
bekommen sind.
17. November. Eine auserlesene, moralische und recht galante Tragödie, betitult :
DIE WAAGSCHALE ENGLISCHER GERECHTIGKEIT, oder: Der wegen
Behauptung der Gerechtigkeit enthauptete Thomas Morus, Reichs-Cantzler
in Engelland. NB. Auf Befehl Ihro Excel! des Herrn Grafen von Montijo,
wird bey Gelegenheit des einfallenden höchsten Nahmens-Festes Ihro Maje¬
stät der Königin in Hispanien, Morgen eine Frey-Comödie aufgeführet
werden. Unter der Action ist ein Tantz, nach der Äction folget ein Ballet,
den Beschluss aber machet eine lustige Nach-Comödie.
18. November. Auf hohen und gnädigen Befehl, Seiner Excellentz des Hoch-
Gebohmen Herrn, Herrn Grafen von Montijo, Ausserordentlichen und
bevollmächtigten Bottschaffter Sr. König! Cathol. Majestät in Hispanien,
wird heute den 18. November als an dem Vor-Abend des höchst-erfreu¬
lichen Nahmens-Festes der glorwiirdigst- regierenden Königin Eli sab etha,
ein Poetischer Prologus bey vollständiger Illumination und Decoration des
Theatri, unter dem Titul: DIE FROHLOCKENDE SPANISCHE TREUE,
nebst einer auserlesenen Historischen Haupt- Action, genannt : Die gecrönte
460
Grossmuth. Mit Untermengung 3 Ballets und einigen Arien, unter Trom¬
peten und Paucken auf dem Teutschen Theatro gratis, oder frey aufgeführet.
Der Anfang ist puncto 3 Uhr.
22. November. Auf gnädigen Befehl einer hohen Noblesse, eine extra lustige,
intrigante, und mit vielen neuen Arien versehene Comique-Piece, betitult:
DIE NEUE MODE DES EHESTANDES, oder Bernardon der affectirte Herr
von Pappendeckel, mit Arlequin einem lustigen Stallmeister. NB. Unter
der Action ist ein Tantz, nach der Action folget ein Ballet, den Beschluss
aber machet eine lustige Nach-Comödie. Auf Befehl einer hohen und
gnädigen Noblesse wird künftig jederzeit puncto 5 Uhr angefangen werden.
24. November. Eine durchaus lustige, mit besonderen Intriquen versehene, aus
dem Italiänischen gezogene Piece-Comique betitult: DER UNDANKBARE
GAST, oder : Der Rachgierige Bettler und verliebte Dienst-Magd. Hanss-
Wurst wird sich heute durchaus besonders bemühen, mit durchgehender
Lustbarkeit jedermänniglich bestermassen zu contentiren. Unter der Ac¬
tion ist ein Tantz, nach der Action ein Ballet, den Beschluss aber machet
statt einer Nach-Comödie eine lustige Operette-Comique, betitult: Der in
die Länder reisende dumme Peterl. Mit Hanss- Wurst dessen einfältigen
Hofmeister. Es werden 10 Teutsche lustige Arien gesungen, welche vor
8 Kr. zu bekommen sind. NB. Auf Befehl einer hohen und gnädigen
Noblesse wird kiinfftig jederzeit puncto 5 Uhr angefangen.
25. November. Demjenigen Prologus, welcher verwichen Samstag zu höchsten
Ehren Iliro Königl. Cathol. Maj. in Hispanien, produciret worden, auf
hohes und vielfältiges, Begehren mit vollständiger Illumination und Deco-
ration repetiren, nach diesem folget eine auserlesene Römische Haupt-
Action, betitult .- DIE GENAUE HANDHABUNG DER GERECHTIGKEIT,
Dargestellet in dem römischen Bürgermeister Tito Manlio. NB. Weilen
wegen dem allzu grossen Zulauff derer gemeinen Leuthe viele hohe Stan-
des-Personen den Prologum nicht haben sehen können und denselben doch
Zusehen begehret haben, hat man allen unterthänigen Respect zu bezeigen,
heute denselben zu repetiren vor gut befunden. Unter der Action sind
2 Täntze nach der Action folget ein Ballet, den Beschluss aber machet
eine lustige Nach-Comödie.
27. November. Eine durchaus lustige, neue Piece-Comique, betitult: LE GLO-
RIEUX oder: Le Petit Maitre de Paris, das ist: Der Prahler von Paris
oder das wegen Schulden flüchtig gewordene, und zuletzt doch beglückte
kluge Frauenzimmer. Hanss- Wurst stellet vor, einen lustigen Bedienten
des flüchtigen Frauenzimmers, Arlequin aber einen affectirten Laquay des
Prahlers vor. Auf gnädigen und hohen Befehl werden die 4 Ballets, die
4 Jahres- Zeiten vorstellend, nebst untermischten Arien vorgestellet. Den
völligen Beschluss aber machet eine lustige Nach-Comödie.
28. November. Ein Meister-Stück eines Trauer-Spiels, betitult: DER STERBENDE
CATO. Dieses Trauer-Spiel ist in 5 Abhandlungen in Versen herausge¬
geben worden von dem berühmten Joh. Christ. Gottsched, Professor der
Poesiae in Leipzig. NB. Zwischen diesem Trauer- Spiel ist ein Tantz, den
Beschluss aber machet ein Ballet und recht lustige Nach-Comödie.
2. December. Eine gantz neue, folglich noch nieniahls gesehene Historische
Haupt- Action, betitult: Die Grossmuths-volle Helden- Geschichte zwischen
CLEOPATRA und FIGRANE König von Armenien und der in seinem
Braut-Stand aufgehenckte, durch ein lächerliches Verhängniss aber wieder
erledigte Arlequin. Nebst guten Arien, wird auch mit einem Tantz, Ballet
und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
4. December. Eine wohl elaborirte sehens- würdige luftige Action, betitult: DIE
ZWEY CRONEN -STREITENDE SCHWESTERN, oder: Die triumphirende
Unschuld. Mit Arlequins Lustbarkeit durch und durch untermischt. In
dieser Action werden die 3 Ballets vorgestellet werden, welche zuletzt mit
einem Combatement sich endigen. Den Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie,
461
6. December. Eine neue intrigante, durch und durch mit Lustbarkeit angefüllte
Piece, betitult: DIE LISTIGE DAME, oder: Schön, Politisch, Klug und
Eeich, ist ein Irrdisch Himmelreich. Mit Hanss-Wurst einem dummen
Musicant en. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben aber ein be¬
sonders charmantes Ballet. Weilen diese Piece aber sehr kurtz ist, so wird
statt einer Nach-Comödie die mit einer in 5 Abhandlungen bestehenden
Musica Bernesca aufgewartet werden, unter dem Titul : La Lucretia Romana ,
das ist: Die Komische Lucretia. Dieses AVerk in Versen und mit 16
lustigen Arien versehen.
7. December. Eine mit neuen Arien sowohl, als verschiedenen Auszierungen des
Theatri decorirte, auserlesene, intrigante und extra-ordinair lustige Piece-
Comique, betitult: DIE VERLIEBTE ZAUBERIN, oder: Das Collegium
verliebter Studenten. Heute werden zwey Hanss-Würste das Theatrum
betreten und beyde mit Lustbarkeit also aufwarten, dass ein jeder sich
bemühen wird, wie er dem andern den Rang könne streitig machen. Unsere
Sängerin aber wird die Primier Person, und sowohl in neuen Arien als
guter Action sich bestens signalisiren. NB. Unsere zwey Hanss-Würste
aber, da einer vom andern nichts weiss, stellen solche Verwirrung an,
dass man es mit Verwunderung ansehen wird. Der Anfang dieser Bour-
lesque wird mit einem Ballet von Hexen gemacht, den Beschluss aber
machet ein Ballet und lustige Nach-Comödie.
8. December. Eine neue, aus einer wahrhafften Historie gezogene remarquable
Piece, betitult: DES MENSCHEN LEBEN IST EIN TRAUM, oder: Die
Bewunderungs-würdige Lebens-Geschichte Sigismundi, Cron-Printzen aus
Pohlen. Nach dieser Tragico-Comoedia wird ein figurirtes Pohlnisclies
Ballet gemacht, in welchem ein Polack seinen Bären tantzen läßet, den
völligen Beschluss aber machet : Arlequin's gesungener Hochzeit- Schmauß.
11. December. Eine aus denen Persischen Geschichten gezogene, intrigante dabey
aber durchaus lustige Action, betitult : DIE MISSVERSTANDENE LIEBE,
oder : Die mit vielen Bewunderungs-würdigen Zufällen vermischte Lebens-
Geschichte der durchlauchtigen Griechin Anagilde. Mit Hans AVurst einem
einfältigen Gefangenmeister. NB. Es werden heute 2 besonders gute Ballets
representiret, in welchem unsere Tantzmeister sich besonders signalisiren
werden. AV eilen die Action kurtz ist, so wird auf gnädig und hohes Be¬
gehren eine Operette-Comique gemacht, betitult: Die lustige Jägerey. Es
werden 12 teutsche lustige Arien gesungen.
12. December. Eine durch und durch extra lustige Bourlesque, betitult : HANS
WURST DER DUMME, UND ARLEQUIN DER KLUGE KNECHT, oder:
AVas der eine gut macht, verderbt der andere, und Pantalon der betrogene
Schwieger- Vater. NB. Den Beschluss machet ein Ballet und lustige
Nach-Comödie.
13. December. Eine extra ordinair intrigante Historische und dabey durchaus
lustige heroische Haupt-Piece, betitult: L’AMORE VUOE POLITICA, das
ist: Bey der Liebe muss Verstellung seyn, oder: Die aus AVeiblichem
Vorwitz entstandene, und durch die Liebe unterstützte Raserey. Nachspiel:
Der verliebte Musicant und der Studenten Feind.
16. December. Eine charmante aus einer Italiänischen Opera gezogene Tragico-
Comoediam, betitult: IL TADITORE TRADITO overö: L’INNOCENZA
TRIOMEANTE, das ist: Der verrathene Verräther, oder: Die siegende Un¬
schuld. Die Haupt-Person in dieser remarquablen Piece stellet Monsieur
de Wallerotty vor. Unsere Sängerin aber wird sowohl in charmanten Ita¬
liänischen Arien als guter Action zeigen. Unter der Action ist ein Tantz,
nach derselben aber ein Ballet, den Beschluss machet eine aus Monsieur
Moliere gezogene Nach-Comödie, betitult: Georg Dandein , oder: der arme
George. AVegen der Kälte ist nichts ferner zu besorgen, weilen in 6
Machinen beständig eingeheitzet wird.
462
19. December. Eine durchaus lustige, aus dem Italiänischen gezogene Bourlesque,
betitult: LE DONNE POLITE, das ist: Männer- List ist behend, Weiber-
List bat kein End. Oder: Hanss-Wurst der lustige Stemseher, verstellte
Wein-Wirth, überstudirter Medicus, und brutale Soldat und Arlequin die
tleissige Köchin, interessirten Apotheker, lächerlicher Hauss-Knecht, und
Trommelschläger in der Einbildung. Diese Bourlesque ist von einem be¬
rühmten Compositor, Nahmens Zagonini herausgegeben, in Wien aber in
das Teutsche übersetzet worden, aus dem Titul kan man die Lustbarkeiten
genugsam erkennen, ein mehreres aber wird mit besonderm Gusto in der
Action selbsten zu sehen seyn. Nebst einem Tantz wird auch mit einem
Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden. NB. Wegen der
Kälte ist nichts ferner zu besorgen, weilen in 6 Machinen beständig ein-
geheitzet wird.
20. December. Eine als zwar bekannte doch nicht weniger sehr beliebte historische
Tragico-Comödiam, betitult: Der mit zwey und fünfzig Cronen prangende
HIRT TARTARKAM TAMERLAM, oder: Der in einem verächtlichen Vogel-
Hauss sein Leben jämmerlich beschliessende türkische Kayser Bajazetli
und der doppelte Hanss-Wurst. Unter der Action ist ein Tantz, nach der¬
selben aber ein grosses türkisches Ballet, den Beschluss aber machet eine
lustige Nach-Comödie, in welcher sonderlich unser Arlequin sich bemühen
wird, sich bestens zu insinuiren.
22. December. Eine neue, sowohl intrigante als lustige Haupt- Action, betitult:
DER WEIBLICHE STRASSEN-RÄUBER oder Die Rache in der beleidigten
Ehre und die wundersame Liebes- und Lebens-Geschichte der verkehrten
und wieder bekehrten ISABELLA mit Hanss- Wurst einem von Gespenstern
und Strassen-Räubern sehr geängstigten Nacht-Schwermer. Dieses ist eine
besondere Fatique unserer Sängerin, welche sowohl als unser Principal
sich heute alle Mühe geben werden, ein gnädiges Auditorium möglichst
zu contentiren. Unter der Action ist ein Tantz, nach der Action aber ein
Ballet, den Beschluss macheteine lustige Nach-Comödie, betitult: Lo Sposo
Senza Sposa. Das ist: Der Bräutigam ohne Braut oder die 2 im Gehirn
verrückten Rechts-Gelehrten.
24. December. Eine remarquable aus deren Spanischen Historien gezogene Tragödie,
betitult: LE CID, oder: Der Streit zwischen Ehre und Liebe, dargestellet
zwischen Roderich und Chimena. Diese Piece ist nach denen wahren
Theatralischen Reguln in Versen herausgegeben worden, von dem berühmten
Herrn Professor Gottsched. Unter der Action ist ein Tantz, nach der
Action aber ein Ballet, den Beschluss machet eine Nach-Comödie. Wegen
der Kälte ist nichts ferner zu besorgen weilen in 6 Machinen beständig
eingeheitzet wird.
28. December. Eine gantz neue, noch niemahls producirte extra Piece-Comique,
betitult : DER LUSTIGE WEIBER-KRIEG, mit Hanss Wurst und Arlequin
zweyen unglückseeligen Schwägern. NB. In der heutigen extra lustigen
Piece werden 11 agirende Frauenzimmer das Theatrum betreten und wird
sich des Herrn Principals kleinste Tochter Sophia, sowohl im agiren als
singen bestens recommandiren. In dem ersten Actu ist ein Tantz, in dem
zweyten Actu praesentiret das Theatrum ein von denen Amazoninen be¬
wohntes und mit Stücken versehenes Schloss , welches endlich durch
Feuer von denen Männern erobert wird, der dritte Actu wird beschlossen
mit einem neu componirten Ballet, betitult: Die um die Hosen streitende
Weiber. NB. Es werden 8 neu componirte lustige Arien gesungen. Es
dienet zur schuldigen Nachricht, dass den 1. Januarii in dem teutschen
Comödien-Hauss die Ball en Masque puncto 11 Uhr den Anfang nehmen
wird. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie. [Dieser Zettel wurde
erst nach dem bereits erfolgten Druck des Textes aufgefunden.]
30. December. Eine noch niemahls producirte, durchaus sowohl mit Arlequins
als Hanss Wursts Lustbarkeit angefüllte Piece-Comique, betitult: Arlequin
der lustige Baron ZWICKEL, und Hanss Wurst der intressirte Richter
mit Bernardon dem verliebten Schneider unter dem Nahmen Fingerhut.
Dieses ist eine extra lusige Piece, solche nun noch aggreabler zu machen,
sind 8 Teutsche Arien eingemischet worden. Zu Ende des ersten Actu ist
463
ein Tantz, nach, der Piece folget ein Ballet, den Beschluss machet eine
lustige Nach-Comödie. Es dienet zur schuldigen Nachricht, das den 1.
Januarii in dem teutschen Comödienhauss die lustigte Zusammenkünften
puncto 11 Uhr den Anfang nehmen werden. Weilen das Amphi-Theatre
ummehro gantz bequem, und denen Logen gleich eingerichtet worden, so
zahlet die Person auf selbiges 2 Kopfstück.
1742.
3. Januar. Eine extra ordinair galante Piece-Comique, betitult: DER WEIBLICHE
JURIST, oder: Colombina die lustige Zigeunerin , wobey Hanss-Wurst und
Arlequin mit durchgehender Lustigkeit aufwarten werden. NB. Diese
heutige Piece ist eine besondere Fatique unserer Primier- Agentin , welche
sowohl in vielen Verkleidungen, als auch theils Italiänischen, theils Teutschen
Arien sich gantz besonders bemühen wird, ein gnädiges Auditorium bester-
inassen zu contentiren. Unter der Action ist Tantz, nach der Action folget
ein Ballet. Den völligen Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
Auf dem Amphi-Theater bezahlet man 6 Batzen, wie auch auf Parterre.
Wegen der Kälte ist nichts ferner zu besorgen, weil in 6 Machinen be¬
ständig eingeheitzet wird.
5. Januar. Eine extra lustige, aus dem Frantzösischen übersetzte Piece Comique,
betitult: DER POETISCHE DORF-JUNKER, ein Lust-Spiel in fünft' Acten.
Aus dem Frantzösischen des Herrn Destouches, übersetzt von dem be¬
rühmten Herrn Professor Joh. Christ. Gottscheden. Unter der Action ist
ein Tantz, nach der Action folget ein Ballet, den völligen Beschluss machet
eine lustige Nach-Comödie. Es dienet zur Nachricht, dass heute, ingleichen auch
an allen anderen Tagen, da lustige Zusammenkunft gehalten wird, die Comödie
puncto 5 Uhr angefangen und längstens um 8 Uhr geendiget werde, damit
man desto bessere Gelegenheit habe, zu dem Ball alles nöthige zu präpariren.
9. Januar. Eine aus dem Italienischen entlehnte durchaus lustige Bourlesque,
betitult: IL PAGA DEBITI ALLA MODA, das ist die neueste Mode
Schulden zu bezahlen, mit Arlequin einem ehrlichen Betrüger. Den Be¬
schluss machet eine Nach-Comödie.
10. Januar. Eine aus einer wahrhaften Historie gezogene Tragico-Comödiam, be¬
titult: Der gegen seine Tochter unmenschlich TYRANNISIRENDE V ATTER,
oder: Die ungliickseeligen Früchte einer aus Verzweiflung ergriffenen
Zauberey, wobey Hanss- Wurst einen lustigen Hof-Schmarotzer vorstellet.
NB. In dieser Tragico-Comödiam kommen unterschiedliche gantz besondere
Decorationes zum Vorschein. Unter der Action ist ein Tantz und nach
der Action wird mit einem Ballet aufgewartet werden unter dem Titul:
Die Eule. Den völligen Beschluss aber machet statt einer Nach-Comödie
eine lustige Operette- Comique, betitult: Das lustige Elend, zwischen zvoey
versoffenen Eheleuten. Es werden 8 Teutsche und 1 Italiänische Arien
gesungen.
11. Januar. Eine Intrigante imd gewiss vollkommene Haupt- Action , betitult:
NIEMAND SOLL SICH VOR SEINEM ENDE GLÜCKLICH SCHÄTZEN,
oder: Die Würkung der Kindlichen Liebe. NB. Diese Haupt-Piece ist aus
dem Italienischen gezogen, allwo sie betitult wird : La Forza Deila Natura.
Unsere Sängerin agiret die Haupt-Person, und wird mit guten Italiänischen
Arien aufwarten, Hanss -Wurst aber wird sich bemühen, mit lustigen
Zwischen-Scenen seine Schuldigkeit zu bezeigen. Unter der Action ist ein
Tantz, nach derselben ein Ballet, den völligen Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie. NB. Weilen nunmehr der Carneval seinen Anfang genommen,
so stehet einem jeden frey, gleich wie in anderen berühmten Städten en
Masque der Comödie beyzuwohnen.
12. Januar. Eine aus dem Italiänischen gezogene durchaus lustige Bouxdesque,
betitult: IL PADRE AVARO ED IL FIGLIO PRODIGO, das ist: Je geiziger
der Vatter, desto lustiger der Sohn. Wobey Hanss -Wurst einen lustigen
Diener des verschwenderischen Sohnes vorstellet. In dieser heutigen Bour¬
lesque wird sonderlich Pantalon und Hans- W urst mit durchgehender Lust¬
barkeit sich bemühen, alle gehörige Satisfaction zu geben. Unter der Action
ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet, den völligen Beschluss machet
eine lustige Nach-Comödie.
— 464
13. Januar. Eine besonders intrigante und sehens-würdige Historische Action,
betitult : IL FIGLIO CREDUTO NEMICO DELLA SUA MADRE, das ist:
der von seiner eignen Mutter vor den grössten Feind gehaltene Sohn. Wobey
Hanss Wurst einen närrischen Advocaten vorstellet. Unsere Primier- Agentin
wird sich sowohl im agiren als guten Italiänischen Arien bestens signali-
siren. Unter jedem Actu ist ein Tantz, den völligen Beschluss machet
Arlequin mit einer lustigen Nach-Comödie.
15. Januar. Eine durchaus lustige, mit gantz besondern Intriguen angefüllte Piece-
Comique betitult: GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN, oder:
Der durch viele Verwirrungen sich selbst beglückende Liebhaber und
Scapin sein selbst eigner Kuppler. NB. Nebst 7 Teutschen und einer
Italiänischen Aria wird auch mit einem Tantz , zuletzt aber mit einem
Ballet und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden. Weilen nunmehro
der Carneval seinen Anfang genommen, so stehet es einem jeden frey
gleichwie in andern berühmten Städten enMasque der Comödie beizuwohnen.
16. Januar. Eine aus einer walirhafften Historie gezogene recht charmante Haupt-
Action, Betitult: DIE MAJESTÄTISCHE SCHÄFFRIN, oder: Die über
Tyranney und Verfolgung obsiegende Treue, mit Hanss Wurst einem
listigen Kuppler und verzagten Duellanten. Diese gantz besondere Liebes¬
und Staats-Action ist mit vielen angenehmen Intriquen und durchgehender
Lustbarkeit angefüllet, dabey aber kurtz und recht gut. Nebst 2 Täntzen
wird auch mit einer lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden, hetitult:
Der durch Zauherey betrogene Pantalon.
22. Januar. Eine gantz neue auserlesene , aus denen Spanischen Historischen
gezogene Haupt- und Staats-Action Betitult : EIN GUTER REGENT KOMMT
VON DEM BIMMEL, oder: Die mit vielen Bewunderungs-würdigen Be¬
gebenheiten angefüllte Lebens- und Liebes-Geschichte Friderici, Königs in
Sicilien. NB. Bey dieser intriganten Hof-Piece wird Hanss Wurst nicht
ermangeln, mit angenehmen Intermediis aufzuwarten wozu ihm absonder¬
lich Anlass gegeben wird, die Gleichheit zweyer Personen, indeme bald
dieser bald jener vor den wahren König angesehen wird. Nebst 2 Täntzen
wird auch mit einer lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
23. Januar. Eine aus dem Italiänischen entlehnte, durchaus lustige und intrigante
Bourlesque, betitult: IL FARNARO GELOSO oder: Hanss Wurst der
eyfersüchtige Geck, und Pantalon der betrogene Liebhaber. NB. Bey dieser
extra lustigen Bourlesque wird man sich auch mit guten Arien bestens
recommandiren. Nebst 2 Täntzen wird auch mit einer lustigen Nach-
Comödie aufgewartet werden.
25. Januar. Eine aus dem Italiänischen gezogene durchaus lustige Bourlesque,
betitult: HANS WURST IL PITTORE BALARDO, das ist: Hanss Wurst
der ungeschickte Mahler, oder: die rasende Liebe. NB. Heute wird ab¬
sonderlich Pantalon und Hanss Wurst trachten, sich besonders zu signali-
siren. Unter der Action ist ein Tantz von einem besoffenen Bauren und
Bäurin, nach der Action aber wird ein Ballet von 6 Personen gemacht.
Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
24. Februar. Eine gewiss charmante, mit denen angenehmsten Intriquen angefüllte
Piece-Comique, betitult: DER POETISCHE DORP- JUNKER, oder: Der in
der Poesie und Liebe verwirrte Herr von Massuren. NB. Dieses extra
galante Stück ist aus dem Frantzösischen in das Teutsche übersetzet wor¬
den von dem berühmten Herrn Professor Gottsched, er hat sich auch be¬
sondere Mühe gegeben, die darinnen vorkommende Lustbarkeit so angenehm
als modest vorzustellen, wir aber werden dieses von Wort zu Wort also
produciren, wie es uns von diesem berühmten Mann vorgeschrieben worden.
Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet. Den Beschluss
machet eine modeste Nach-Comödie.
1 . März. Eine derer allerbesten Römischen Geschichten in einer sehr beweglichen
Tragödie, betitult: Der in seinem Leben und Tod Grossmüthige Römische
Rechts-Gelehrte, PAULUS AEM1LIUS PAPINIANUS. NB. Die zwischen
einem überstudirton Astrologo und gescheid seyn wollenden Juristen vor-
4 05
kommende lustige Scenen werden eine angenehme Abwechselung ver¬
schaffen. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet. Den
Beschluss machet eine modeste Nach-Comödie.
3. März. Eine recht charmante, von einem berühmten Meister in Wien componirte
Haupt- Action , betitult: L'INNOCENSA RICOGNOSCUTA, das ist: die
wieder erkannte Unschuld. Der Autor aber nennet diese Action : Den Degen
und die Braut soll man vor sich behalten, und auch den besten Freund
nicht drüber lassen walten. Diese Haupt-Piece ist sowohl mit erlaubter
Lustbarkeit als auch denen angenehmsten Intriquen angefüllet, anhey wird
auch unsere Sängerin nicht ermangeln, mit einigen guten Arien aufzuwarten.
Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet. Den Beschluss
machet eine modeste Nach-Comödie.
C. März. Eine auserlesene Moralische und recht auferbauliche Historie, betitult:
L’INNOCENZA TRIOMFANTE Das ist: Die überwindende Unschuld,
dargestellet : In der unschuldig verfolgten und Tugend-samen GENOVEVA,
Pfaltz-Gräfin von Trier. Der Innhalt dieser Action ist so bekannt, dass
man nicht vor nöthig befunden hat, dneselben allhier heyzusetzen, und
ohnerachtet diese Piece allhier schon gesehen worden, wird man doch
einen merklichen Unterschied finden, indeme unsere Sängerin die Genoveva
vorstellet, und nebst guter Action, auch mit einigen besonderen Arien sich
heute signalisiren wird. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben
ein Ballet, den Beschluss machet eine modeste Nach-Comödie.
7. März. Eine allhier erst neu componirte Piece, welche aus einer wahrhafften
Historia gezogen worden, betitult : Die wunderbahren Glücks- und Unglücks-
Fälle der verstossenen Königin ERMELINDA. Diese gantze serieuse Action
spielet nicht länger als eine Stunde, deswegen sind unter der Action 5
modeste und lustige Intermedia, unter dem Titul : Der eyf er süchtige Mauß-
F 'allen- Krämer. Es werden viele theils Teutsche theils Italiänische Arien
gesungen. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet, den
Beschluss machet eine modeste Nach-Comödie.
8. März. Das Glorwiirdigste und höchst-erfreuliche Krönungs-Feste der Allerdurch¬
lauchtigst- und Gross-mächtigsten Fürstin und Frauen, Frauen MARIA
AMALIA Römischen Kayserin, in Germanien und Böhmen Königin etc.
W ölten In einem Poetischen Prologo, betitult : Die gekrönte Tugend, nebst
einer Historischen Haupt- Action , genannt: Die in Glück und Unglück
grossmüthige Assyrische Fürstin Arsinoe. Mit aller-unterthänigster Devotion
befrolocken die allhier sich befindenden Teutschen Comödianten.
12. März. Eine extra galante, wahrhaffte Historiam, welche aus einer berühmten
Italiänischen Opera gezogen worden, betitult : DIE BESTÄNDIGKEIT EINER
GETREUEN GEMAHLIN erkennt man in Abwesenheit ihres Gemahls. NB. Nebst
2 Täntzen wird auch mit einer aus dem Möllere entlehnten Nach-Comödie
aufgewartet werden, betitult : Meder in malgre luy. Das ist : Der gezwungene
Doctor.
14. März. Auf hohen und gnädigen Befehl, denjenigen PROLOGUS, welcher zu
allerhöchsten Ehren Seiner Mayestät, der Allerdurchlauchtigst- und Gross¬
mächtigsten Fürstin und Frauen, Frauen Maria Amalia, Römischen Kayserin,
in Germanien und Böhmen Königin, produciret worden, noch einmahl, mit
vollständiger Hlumination repetiret, nach dem Prologo folget: Eine neue,
auserlesene, recht charmante Haupt- und Staats-Action, betitult: Die von
dem Neyd verfolgte , und von dem Himmel beschützte Grone auf dem Haupt
eines Tugendhafften Printzen. NB. Dieses ist eine Action, dass ein jeder
wird bekennen müssen, keine bessere gesehen zu haben, unsere Sängerin
stellet die Haupt-Person vor und wird mit 3 charmanten Arien , unsere
Täntzer aber mit 3 Ballets aufwarten. Den Beschluss machet eine modeste
Nach-Comödie.
IG. März. Auf expresse hohe Ordre noch eine Piece-Comique, betitult La
POLITTCA DELLE DANNE, oder: Weiber -List ist nicht zu ergründen,
Sonsten auch genannt : Die drey lächerlich betrogene Männer, wobey son¬
derlich Pantalon , Anselmo , Gratiano , und ein listiger Bedienter sich mit
modester Lustbarkeit signalisiren werden. NB. Unsere Tantzmeister
30
4G6
werden mit 2 Täntzen aufwarten. Den Beschluss machet eine müdeste
Nach-Comödie, betitult: Li Empereur clans la lune. Das ist: Der Kayser in
dem Mond.
27. Marz. Eine aus denen Komischen Historien gezogene , neue Haupt- Action,
betitult: Der großmüthige, alle Vergnügung der Liehe verachtende römische
Kayser TRAJANUS, oder: Die intressirte Wahrsagerin, und Hanß Wurst
der lustige Sternseher. NB. Unter der Action ist' ein Tantz, nach der¬
selben ein Ballet, den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
28. März. Eine durchaus lustige, neue folglich noch niemahl producirte Hof-
Action, betitult : DER VERLIEBTE SECRETARIUS, oder : die viermahlige
Braut Emelinde, wobey Hanß Wurst als ein Diener des Secretarii mit
durchgehender Lustbarkeit aufwarten wird. Anbey wird unsere Sängerin
nicht ermangeln, mit einigen lustigen Arien aufzuwarten. Unter der Action
ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet, den Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie.
31. März. Eine neue, folglich hier noch niemahlen gesehene, mit sinnreichen
Intriquen und abwechslender Lustbarkeit angefüllte Haupt-Piece betitult:
WER EINE GRUBE GRÄBT dem andern zum Verderben , Der fället selbst
hinein , und muß mit Schanden sterben. Dargestellet und erwiesen in dem
Gantz Persien in Verwirrung bringenden, mit List, Betrug und Schmeicheley
vor allen andern prangenden Ertz-Verräther Miriweis. Wobey Hanß Wurst
und Scapin als ein dummer Bauer mit abwechslender Lustbarkeit auf¬
warten werden. Den Beschluss machen 2 Ballets und lustige Nacli-
Comödie.
2. April. Eine auserlesene Intrigante und durchaus lustige Haupt-Piece, betitult :
DHE UNGLÜCKSEELIGEN FRÜCHTE einer unbegründeten Eifersucht , dar¬
gestellet in Herode, Vierfürsten von Jerusalem und Mariamne seiner tugend¬
haften Gemahlin, oder: Die merkwürdige, und höchst-rühmenswürdige
Lebens-, Liebes- und Heldengeschichte Augusti Octaviani. Mit dem aus
einem seltsamen Fürsten in einen lächerlichen Gallioten verwandelten
Hanß Wurst. Unsere Primier- Agentin stellt die Mariamne vor, wird mit
guten Arien aufwarten. Nebst einem Tantz wird auch mit einem Ballet
und lustigen Nach-Comödie aufgewartet werden.
3. April. Eine aus dem Italiänischen entlehnte , intrigante , und extra lustige
Bourlesque, betitult: IL SERUO SCIOCCO, das ist: Der dumme Knecht,
oder: Was der eine gut macht, verderbet der andere, und Pantalon der
listig betrogene Liebhaber. In dieser recht lustigen Bourlesque wird unsere
Sängerin ein lustiges Mädel mit einigen neuen Arien aufwarten, Hanß
Wurst aber als der dumme Knecht, ingleichen auch Pantalon und Scapin
werden mit besonders lächerlichen Passagen jedermann zu vergnügen sich
befleissen. Nebst zwei Täntzen wird auch mit einer lustigen Nach-Comödie
aufgewartet werden.
4. April. Eine extra ordin air-intrigante , recht vollkommene moralische Haupt-
Action, betitult: EX DOCTRINA INTERITUS, Die unglückseelige Gelehr¬
samkeit, dargestellet : In dem ruchlosen Leben und erschröcklichen Tod
des Welt-beruffenen Ertz-Zauberers D. Joannis Fausti. Mit Hanß Wurst
einem von denen Geistern geplagten Wandersmann, ungliickseeligen Diener
und einfältigen Nacht- Wächter. Ohngeachtet diese Action schon hier ge¬
sehen worden , so versichert man doch , dass heute gantz besondere Aus¬
zierungen des Theatri, Machinen und Arien zum Vorschein kommen werden.
Das Morale in dieser Action bestehet in diesem, dass die Gerechtigkeit des
Himmels zwar eine Zcitlang zusehe, aber hernach desto schärffer straffe.
Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet, und so es die
Zeit leidet, eine lustige Nach-Comödie.
fi. April. Eine gantz neue extra lustige und Intrigante, aus dem Italiänischen
gezogene Bourlesque, betitult: LTNGIUSTA GELOSIA DI MAKITATI,
con: Pantalone Vendicativo et Ubbriaco per Amore. Das ist: Die ungerechte
Eyfersucht derer Verheyratheten , mit Pantalon einem aus Liebe gantz
betrunkenen und Rachgierigen Alten. Hanss Wurst stellet vor einen ein-
467
faltigen Wirth. In dieser extra lustigen Piece wird unsere Sängerin mit
einigen lustigen Teutschen Arien aufwarten. Unter der Action ist ein Tantz,
nach derselben ein neues Ballet, den Beschluss machet eine lustige Nach-
Comödie.
11. April. Eine auserlesene, intrigante, extra ordinair galante Fatigue, betitult:
LO SPLRITO FOLETTO, oder: Angiola der verliebte Polter-Geist, dieses
ist der Italienische Spirito Folletto. NB. Hanss Wurst, Pantalon und
Anselmo werden in der heutigen Action also vexiret, dass es zu lachen
genug gehen wird. Vor der Action wird ein Poetischer Prologus recetiret.
und zuletzt ein Ballet und kurtze Nach-Comödie gemacht werden. NB. Wegen
der Kälte ist nichts ferner zu besorgen, weilen in G Machinen beständig
eingeheitzet wird.
IG. April. Eine unvergleichliche, sinnreiche Action, betitult: Per aus Liebe ent¬
setzlich tyranisirende, und endlich in seinem eignen Blut erstickende
TARTARISCHE WÜTERICH, oder: Die mit Amors Pfeilen verwundete
listig überwindende und die Tyranney besiegende Persianische Amazonin.
Mit Hanss Wurst einem unglükseeligen, und zu vielerley Marter ver¬
dammten Sclaven, verzagten Soldaten und von vielerley Furien entsetzlich
geplagten Aufseher vor das verliebte Frauenzimmer. NB. Es kommen auch
besondere Auszierungen des Theatri zum Vorschein. Unter der Action ist
ein Tantz, nach derselben ein Ballet. Den Beschluss machet eine Operette-
Comique, betitult : Die charmante Schäfferey. Es werden 10 lustige Teutsche
Arien gesungen.
18. April. Eine allererst allhier neu-verfertigte, mit unterschiedlichen merkwür¬
digen Auszierungen des Theatri, und vielen lustigen Musicalischen Arien
decorirte, extra-ordinair lustige Action, betitult : WER DAS GLÜCK HAT
BEKOMMT DIE BRAUT und Gleich und Gleich gesellt sich gern, oder:
Der durch viele lächerliche, gescheidte, närrische und traurige Zauberey
sich selbst beglückende Scapin, Wann die Vergnügungs-Sonn, im Ehestand
soll erscheinen, Muss Gleich mit Gleichem sich in selbigem vereinen ;
Dann Kalt und Warm beysamen, thut wahrlich selten gut, Wie die Er¬
fahrung uns fast täglich lehren thut. NB. Es werden auch viele neu-com-
ponirte lustige Arien gesungen. Hanss Wurst wird gleichfalls mit durch¬
gehender Lustbarkeit aufwarten. Unter der Action ist ein Tantz, nach der¬
selben ein Ballet, den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
19. April. Eine recht charmante, durchaus lustige Piece-Comique, betitult: GLI
CIOC'HI DI FORTUNA das ist: Die seltsame Zufälle des Glückes oder:
Hanss Wurst der verstellte und lustige Baron von Scanderbeck. Dieses
ist eine recht unvergleichliche lustige Piece, welche an Lustbarkeit wenig
ihres gleichen hat. Ünter der Action ist ein Tantz , nach derselben ein
Ballet. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie betitult: Der
verliebte Holländer Student.
21. April. Eine aus dem Italiänischen gezogene recht lustige Piece-Comique,
betitult: 1L BASILISCO DI BARNAGASSO oder: Der aus Missverstand
rachgierige Bettler und Hanss-Wurst der wegen allzugrosser Gutheit rui-
nirte und ins Narren-Spital gebrachte Kauffmann. Sonsten wird auch diese
Piece genannt: Gar zu gut, ist niemabl gut. NB. Unser Herr Principal
stellet den Basüisco vor und wird sich bemühen, Ehre einzulegen. Auf
gleichmässiges Begehren, stellet Bernardon einen verrückten Capellineister
vor. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein Ballet. Von
einer hohen Noblesse ist zur Nach-Comödie verlanget worden: Sybilla
trinckt kein Wein.
24. April. Eine extra lustige mit vielen neuen Arien und gantz besonderer Lust¬
barkeit durch und durch angefüllte Piece-Comique, betitult: DIE VER¬
LIEBTE BÄURIN oder: Die Liebens-würdige Einfalt, mit Hanss- Wurst
und Scapin zwey unglückseeligen Schwägern und Ertz-Feind aller bösen
Weiber. NB. Unsere Primier- Agentin wird die verliebte Bäurin vorstellen
und werden in dieser lustigen Piece 8 Teutsche extra lustige Arien gesungen.
Anbey werden unsere Täntzer in 2 Täntzen trachten sich besonders zu
signalisiren. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
30*
468
27. April. Eine neue, intrigante, durchaus lustige Satyrische Piece-Comique,
betitult : PER SCHAU-PLATZ DER JETZIG-VERKEHRTEN UND AF-
FECTIRTEN WELT, oder: Der neue Baron Zwickel. Mit Hanss-Wurst
einem lächerlich-spitzfindigen Critico wobey Bernardon einen lustigen
Schneider vorstellet. Unter der Action ist ein Tantz, nach derselben ein
neues Reuter-Ballet. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
30. April. Eine unvergleichliche, mit sinnreichen Intriguen und guter Lustbar¬
keit angefüllte Haupt- und Staats-Action, betitult: DER WEIBLICHE
STAATS-MINISTER, oder:' Der Streit zwischen Rache und Liebe. Mt
Hanss-Wurst einem verzagten Soldaten, eyfersiichtigen Liebhaber, und
affectirten Windmacher nach der heutigen Mode. Unsere Sängerin agiret
die Haupt-Parthie, und wird als der weibliche Staats-Minister sowohl im
Singen als Agiren ihre Force zeigen. Unter der Action ist ein Tantz, nach
derselben ein Ballet. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
1. Mai. Eine aus dem Italiänischen entlehnte, durchaus lustige Piece-Comique,
betitult: HANSS- WURST DER EULENSPIEGEL, oder: Pantalons betro¬
gene Sorgfältigkeit. NB. Anbey wird unsere Sängerin mit einigen lustigen
Arien, unsere Täntzer aber mit einem Tantz, und zuletzt mit einem Ballet
aufwarten. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
3. Mai. Eine aus dem Italiänischen gezogene durchaus lustige und intrigante
Piece-Comique, betitult : ANSELMO IMBROGLIATO CON HARLECHINO
MEDICO VOLANTE et HANS-WURST SPIA FEDELE DEL SUO PA-
DRONE oder: Arlequin ein flüchtiger und listig betrügender Medicus. Mit
Hanss- Wurst einem getreuen Spion seines Herrn. Es wird nach einem
jeden Actu ein Tantz und folglich 3 Täntz präsentiret, statt einer Nach-
Comödie aber wird auf hohes Verlangen eine Operette-Comique aufgeführet,
genannt: Der dumme Peterl. Mt Hanss-Wurst dessen einfältigen Hof-
Meister, Es werden 10 lustige Teutsche Allen gesungen.
4. Mai. (Die Vorstellung war der vom 3. Januar 1742 gleich.)
5. Mai. Eine aus dem Italiänischen gezogene, recht lustige Bourlesque, betitult :
IL FINTO PRENCIPE, oder der durch einen rachgierigen Zauberer in die
grösste Verwirrung gebrachte Hof von Belvideur. Mit Hanss Wurst einem
verrückten Printzen. NB. Statt einer Nach-Comödie wird eine Operette-
Comique aufgeführet, Betitult: Der gestraffte Hochmutli der affectirten
Weibs- Bildern, mit Hanss Wurst und Scapin zweyen angebrannten Edel-
Leuthen. Es werden 10 Teutsche lustige Arien gesungen, welche in ge¬
druckten Büchlein zu bekommen sind.
8. Mai. Eine neue, hier noch niemahl producirte, aus dem Italiänischen ent¬
lehnte, durchaus lustige Bourlesque, Betitult: EINEM JEDEN LAPPEN
GEFÄLLT SEINE KAPPEN oder die seltsame Neigung der Liebe, mit
Arlequin einem verstellten Affen, und Hanss Wurst einem geplagten Diener
einer verliebten Jungfrauen. NB. In dieser neuen Piece wird sich nebst
unserm Hanss Wurst auch ein Italiänischer Arlequin besonders befleissen,
ein gnädiges Auditorium bester massen zu contentiren. Auf hohen Befehl
wird nebst einem Tantz auch mit einer Pantomime aufgewartet werden,
in welcher Arlequin durch einen Spiegel springt und zuletzt aus einem
Stück in die Lufft geschossen wird. Den Beschluss machet eine lustige
Nach-Comödie.
9. Mai. Eine aus dem Italiänischen gezogene durchaus lustige Bourlesque, be¬
titult: LA DONNA BIZZARA CASTIGATA, das ist: die listige und doch
betrogene Betrügerin, mit Scapin einem durchgetriebenen Intriganten, und
Hanss Wurst einem lustigen Türcken und lächerlichen Bräutigam. In der
heutigen Piece wird sich besonders Hanss Wurst, Scapin und unsere
Sängerin bestens signalisiren, und diese ohnedem lustige Bourlesque noch
aggreabler machen. Unsere Täntzer werden unter der Action mit einem
Tantz, nach derselben aber mit einem Ballet von Bauern und Bäuerinnen
aufwarton. Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie.
IG. Mai. Eine neue, durchaus lustige Piece-Comique, betitult: DIE GALANTE
OFFICIERS-FRAU, oder: Der in dem Quartier behertzte, und bey dem
Treffen krank liegende Soldat. Mit Hanß Wurst einem Rccrouten und ge-
469
plagten Ehemann einer verliebten Marquetenterin. In dieser neuen extra
lustigen Piece wird unsere Sängerin die galante Officiersfrau vorstellen,
anbey werden auch 8 Arien und ein Duetto gesungen. Ein jeder Actu
wird mit einem Tantz beschlossen, und zuletzt folget ein Ballet von
Reutern. Den Beschluss machet eine lustige Naeh-Comödie.
17. Mai. Eine durchaus lustige, intrigante und mit lustigen Arien untermengte
Bourlesque, betitult : AVER DAS GLÜCK HAT, FÜHRT DIE BRAUT
NACH HAUSS. Oder- Hanß "Wurst der lächerlich betrogene Bräutigam.
Diese heutige Bourlesque, in welcher sich besonders Pantalon und 2 Hanß
AVTirste signalisiren werden, rühmet sich billig, dass sie an Lustbarkeit
keine ihres gleichen habe, wobey unsere Täntzer nicht ermangeln werden,
ihre Force zu zeigen, nach der Action aber folget ein Ballet. Den Be¬
schluss machet eine lustige Nach-Comödie.
18. Mai. Die blühende Gerechtigkeit wird heute in einem poetischen Prologo
nebst einer moralischen und auserlesenen Haupt- Action unter dem Titul-
GERECHTIGKEIT ERHALTET DAS GEMEINE AVOHL denen Iloch-
AVohl-gebohrnen. Hoch-Edel- gebohrnen , Yest- und Hoch-gelahrten, auch
Fürsichtig- und Hoch-AVeisen insonders gnädig- Hochgeehrtest und Hoch¬
gebietenden Herrn Bürgermeistern und Rath, der Löbl. freyen Reichs-
Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn, statt einem schuldigsten
Dank-Opfer vor ertheilte Hohe Gnaden, in unterthänigster Devotion und
Ergebenheit dedeciret, von denen Hoch-Teutschen Comödianten.
Heute Donnerstags [ohne Datum]. Eine bewegliche , dabey aber doch mit ab-
abwechslender Lustbarkeit untermengte Haupt- Action , betitult : DER
"WUNDERBARE AVECHSDL DES GLÜCKES UND UNGLÜCKS, dar-
gestellet : In der theils grossmüthigen theils tyrannischen Regierung des
Römischen Kaysers Diocletiani. "Wobey Hanß "Wurst und Arlequin als
Ertz -Feind derer Soldaten mit durchgehender Lustbarkeit aufwart, en werden.
Unter der Action ist ein Tantz, nach der Action folget ein Ballet.
VII.
Festspiel der Schuch’sehen Gesesellseliaft 1751.
Einer Gnädigen und Hochgebietenden Obrigkeit der Kayserlichen
freyen Reichs- Wahl- und Handels-Stadt Frankfurt am Mayn ward
für die bisherige gnädigst ertheilte Erlaubniss dieses
VORSPIEL
gehorsamst zugeeignet von Francisco Schuch, Principal einer
Gesellschaft deutscher Schauspieler.
Personen:
Frankfurt in Gestalt eines Frauenzimmers.
Die Weisheit, als Minerva. Die Gelehrsamkeit, als Apollo.
Die Handlung, als Mercur. Die Schifffahrt, als Neptun.
Das Schauspiel als ein Held. Die Dankbarkeit.
Der erste Auftritt.
Das Schauspiel. Die Weisheit.
Die Weisheit.
Ja, ja, dich deckt mein Schild, wenn Wahn und Neid dich kränkt,
Wenn, Schauspiel, dich ein Feind zu unterdrücken denkt;
470
Denn dass du duldbar bist, hast du schon längst bewähret;
Wo lebt ein Kluger wohl, der dich nicht liebt und ehret?
Es sieht auch Teutschland itzt, wie viel du nützest, ein,
Denn deine Handlungen sind lehrreich, gut und rein,
Die Wahrheit, die sich offt nicht an das Licht darff wagen,
Kanst du dem Menschen frey und und voller Lachen sagen ;
Du zeigest ihm sein Bild, er sieht es und erschrickt,
Durchs Auge wird der Seel das meiste eingedrückt,
Das Ohr lässt meistentheils die beste Lehr verfliegen.
Drum denk an nichts, als stets zu lehren, zu vergnügen.
Das Schauspiel.
Dein Beystand, Weisheit, rührt und freut mich ungemein,
Bleibst du bey mir, so kan kein Feind mir schädlich seyn;
Wiewohl ich schelte nicht, dass man kein Glück mir gönnet;
Weil eine Misgebuhrt, die sich nach mir genennet,
Die frech und frey gelebt, manch Hertze irr gemacht,
Das Gute nicht gekannt, die Regeln nur verlacht,
Durch Spott und Schande sich manch schnödes Glück erworben,
So hats den wahren Ruhm der Schauspiel-Kunst verdorben,
Doch mancher Ort schenkt mir noch Unterhalt und Gunst,
Besonders liebt und ehrt und schätzt man meine Kunst,
Da, wo der stille Mayn an ewge Mauren schläget,
Der manch belastet Schiff auf seinem Rücken träget;
Du kennst die Stadt, weil du in ihrem Römer bist,
Wo man nichts ohne dich beurtheilt und beschliesst.
Die Stadt, die Teutschland schon so manchen Kayser geben,
Die schon bey tausend Jahr ihr Haupt empor kan heben,
In der so mancher Bund erst seine Kraft erreicht,
Aus welcher nimmermehr Treu, Lieb und Eintracht weicht.
Zu der die Fremden sich im Jahre zwevmal dringen,
Die mit sich neues Glück und neuen Seegen bringen.
Kurtz : Helenopolis, das man itzt Frankfurt nennt,
Hat mildreich mir bisher gewünschten Schutz vergönnt;
0 könnt ich ihm dafür so vieles Heil erflehen,
Als es bereits besitzt! Doch man wirds nicht verschmähen,
Wenn meine Dankbegier sich nur in etwas weisst,
Weil man so grosse Huld niemals vollkommen preisst.
Die Weisheit.
Erheb dich dann vor sie; dein Dank wird sie erfreuen
Und sie wird künfftig dir die vorige Gunst verleihen.
Der zweyte Auftritt.
Die Mittelwand gehet auf; Frankfurt sitzt auf einem erhabenen
Throne, über ihr brennet das Stadt- Wappen ; zu ihrer Rechten stehen
die Weisheit und Gelehrsamkeit, zur Linken die Handlung
und Schifffahrt.
471
Das Schauspiel.
Ich beuge mich vor dir, die du mir Schutz verliehn,
0 lass mir solchen nie Zeit oder Neid entziehn,
Ich will desselbigen mich niemals unwerth zeigen,
Und in der Ferne nicht dein Lob der Welt verschweigen.
Frankfurt.
Steh auf, ich schütze gern, wer meinen Schutz verdient;
Sagt ihr, durch deren Rath mein Wohl gleich Cedern grünt,
Ob ich dem Schauspiel nicht kan Schutz und Gunst verleihen
Mein Bürger soll sich auch nach Schweiss und Müh erfreuen,
Ich will nicht, dass er sich durch zu viel Arbeit schwächt,
Und er belustigt sich, wenn sie geschelm, mit Recht;
Nun wüsst ich keine Lust, die so unschuldig wäre;
Denn man verletzt bey ihm nicht so Verstand und Ehre,
Als da, wo man den Trank unmässig in sich stürtzt,
Wo man flucht, spielt, und sich das Leben wild verkiirtzt.
Die Gelehrsamkeit.
Ich, der ich nimmermehr aus deinen Mauren weiche,
Der ich zum Nutzen dir, sowie zur Zier gereiche,
Ich bin dem Schauspiel nie im Glücke hinderlich,
Denn was es reitzend macht, bekömmt es erst durch mich ;
Kein wahrer Weise soll auf seine Bühne schmähen,
Indem wir uns nicht mehr in jenen Zeiten sehen,
Wo man im Wissen blind und seicht im Urtheil war,
Und wo das Schauspiel auch nur Schimpf zur Frucht gebahr.
Das Schauspiel.
Was Hertzen irren kan, was Tugend kan versehren,
Das soll kein Mensch jemals aus meinem Munde hören.
Die Handlung.
Durch mich besteht dein Flor, glückseelig werthe Stadt,
Den mein Bemühn so lang im Glantz erhalten hat.
Der Fleiss führt meine Söhne und wird sie nie verlassen,
Doch darum sollen sie nicht das Vergnügen hassen.
Wenn sie in meinem Dienst das ihrige gethan,
Sehn sie alsdann mit Recht ein lehrreich Schauspiel an.
Das Schauspiel.
Zum Himmel steigt mein Wunsch aus gantz getreuer Seele,
Dass deiner Handlung es niemals am Glücke fehle.
Die Schiffahrt.
Ich Schutz-Gott eines Stroms, der dir viel Nutzen thut,
Ich bringe darum ehr so manches Seegens-Guth,
Dass du mit selbigen die Dürfftgen sollst erquicken,
Und den, der dir zum Schimpf nicht lebt, damit beglücken;
Schenkst du dem Schauspiel nur davon den kleinsten Theil,
So ist sein Wunsch erfüllt, so liats gnug Glück und Heyl.
472
Das Schauspiel.
Es muss, o Mayn ! kein Feind sich deinen Ufern nahen,
Und Frankfurt ewiglich durch dich viel Guts empfahen.
Die Weisheit.
Sieh, Schauspiel! wie sich itzt dein Schicksal günstig zeigt,
Sey allzeit dessen werth, und nie mir abgeneigt.
Frankfurt.
Beweiss den Vätern nun, die meinen Staat beschützen,
Die mit vereinter Treu an meinem Ruder sitzen,
Wie sehr dich ihre Gnad und grosse Huld gerührt.
Und fleh, dass sich die Gunst für dich niemals verliert.
Wiewohl, so lange du der Tugend-Spuren gehest,
So lange du im Werth bey wahren Klugen stehest,
So lange lindst du auch bey ihnen Brod und Gunst,
So lange hält man dich für eine edle Kunst.
Das Schauspiel.
So komm, o Dankbarkeit, und wünsche meinetwegen
Den hohen Gönnern Heil und längst verdienten Seegen.
Wird dieser Wunsch erfüllt, so bin ich überzeugt,
Dass ihre theure Huld sich niemals von mir neigt.
So wird mir stets allhier mein nöthig Glücke blühen,
So kann mirs Dummheit, Wahn und Missgunst nicht entziehen.
Die Danckbarkeit
tritt hervor und hält folgende Rede.
Nehmt, Väter! dieser Seegensstadt,
Das Opfer gnädig an, das Euch die Demuth reichet,
Wenns schon nicht Eurer Würde gleichet,
So glaubt, dass Treu und Pflicht es doch gezeuget hat.
Dass Ihr aufs neu uns Schutz gegeben,
Dass Ihr zum fünftenmal uns mildreichst wohlgethan,
Kann unser Mund nicht gnug erheben,
Wir sehn nur so viel Huld in stiller Ehrfurcht an.
So wenig wir sie auch verdient,
So gnädig seyd Ihr doch, sie uns nie zu entziehen,
Ihr macht, dass Staat und Handlung blühen,
Dass jede Wissenschaft in Euern Gränzen grünt.
Drum helft der Bühn in hohen Gnaden,
Die auch ein Zweig vom Stamm der freyen Künste ist:
Sie bringt nie einem Staate Schaden,
Wenn man aus ihrem Thun nur stets das Beste liesst.
Der Himmel, den das Wohlthun freut,
Ersetz Euch tausendfach, was Ihr uns hold geschenket!
Bleibt stets von Feinden ungekränket,
Und Eurer Häuser Flor zernichte keine Zeit.
473 —
Das Glück weich nie aus Euern Mauern,
Die Handlung blüh darin, und die Gelehrsamkeit
Muss immerdar in solcher dauern!
Kurz: jeder, wer hier lebt, leb in Zufriedenheit.
VIII.
Zettel zu (1er von der Schuch’sclien Gesellschaft gegebenen Magistrats-
Komödie Herbstmesse 1748.
Donnerstags den 3. October 1748
Wird zu höchsten Ehren und unsterblichen Ruhm denen Wold- auch
Hoch-Edelgebohrnen, Gestrengen, Hoch-Edeln, Vest- und
Hoch-Gelahrten, Wohl, Fürsichtigen, und Hoch-Weisen, Ehren-Vesten
und Wohl Weisen Herrn Herrn Schultheiss, Bürgermeistern, Schöffen
und Rath der freyen Reichs- Wahl- und Handels-Stadt
Frankfurt am Mavn unsern allerseits gnädig-gebietend, und
respective Hochzuverehrenden Herrn Herrn
DIE DANKBARKEIT,
Ein in reinen Versen verfertigtes Vor-Spiel von einem Aufzug nebst
einem vortrefflichen, und von dem berühmten Herrn Joh. Christian
Schlegel in deutschen Versen verfertigten Trauer-Spiel, genannt:
CANUT
in fünf Aufzügen
Zu schuldigster Dancksagung vor die ertheilte Gnädigste Erlaubnuss,
bissherigen Hohen Schutz, und vielerley andere erwiesene Gnaden
in Demuths-voller Pflicht unterthänigst gewidmet und zugeeignet von
der bissanhero anwesenden Hoch-Teutschen Gesellschaft unter der
Direction Francisci Schuchs.
Ihr Väter dieser Stadt, von Geist und hohen Würden,
Hier kommt die Danckbarkeit mit diesem schlechten Spiel,
Sich seiner Schuldigkeit in etwas zu entbürden,
Nehmt selbes gnädig an, so hat man was man will,
Drum zörnet also nicht, wann man sich will verpflichten,
Zu Eurem hohen Ruhm ein Schau-Spiel aufzurichten.
Kan schon die Dürfftigkeit Euch keinen Tempel bauen,
Wo Euer Nähme soll in Gold geätzet stehn,
So solle Ihr doch davor ergebne Hertzen schauen,
Die heute Demuthsvoll zum Opfer-Tische gehn,
Straft nicht die Thorheit ab, das flüchtige Erkühnen,
Wir bringen anders nichts, als Schwachheit unsrer Sinnen.
Dann unser Brand-Altar hat keine Specereyen,
Wie das Arabien zündt ihren Göttern an:
474
Drum lasset Euch davor den schlechten Dunst erfreuen,
Den unsre Dürftigkeit Euch heute geben kan.
Ach lasst den Armuths-Rauch vor Eurer Grossmuth stehen,
So wird man dessen Glantz um desto besser sehen.
Ihr Väter dieser Stadt, nun folget unser Bitten:
Man lad’t Euch tief gebeugt zu diesem Schau-Spiel ein,
Wir wollen uns anheut der Schuldigkeit entschütten,
Und bloss zu Eurem Ruhm bereit und fertig seyn.
Doch ja! die Gütigkeit, so Euch ist angebohren,
Sagt, Arme, tröstet euch, die Bitt’ ist nicht verlohren.
So können wir getrost die schwachen Reimen Schlüssen,
Es sincket Hertz und Muth samt diesem schlechten Blat,
Mit Demuths-vollem Geist zu Euren Gnaden-Füssen,
Da man Euch sonsten nichts zu überreichen hat,
Und weil Aurora kan auch schlechten Staub ertragen,
So lasset Euch vor heut ein schwaches Nichts behagen!
Personen des Vor-Spiels:
Juno, j
Venus, < drey Göttinnen.
Pallas, '
Paris, ein Schäfer.
Die Danckbarkeit.
Der Schau-Platz stellet vor einen mit verschiedenen Sinnbildern
ausgezierten Ehren-Tempel.
Personen des Trau er - Spiels:
Canut, König von Dänemarck, Engelland, Norwegen, und einem
Theile von Schweden.
Estrithe, dessen Schwester.
Gunilde, Ihre Vertraute.
Ulfo, Estrithens Ehgemahl.
Ha quin, j j£riegs-Bediente des Canut.
Godewin, ]
Godschalck, Printz der Slaven.
Die Wache.
Nach aufgeführtem Trauer-Spiel wird unsere Principalin ein
Dancksagungs-Rede in Versen in Unterthänigkeit abstatten.
Den völligen Beschluss aber macht ein sehenswürdiger Tantz.
Der Schau-Platz ist auf dem Liebfrauen-Berg in der neu-erbauten
Hütten. Die Person zahlt auf denen Logen 1 fl. Auf dem Parterre
8 Batzen. Auf dem zweyten Platz 4 Batzen, und auf dem letzten
2 Batzen. Der Anfang ist um halb 6 Uhr.
475
NB. Wer sich beym Eingang nicht lang aufhalten will, kan
am Bley-Hauss bey Herrn Busch, Bierbrauer, Billet bis 4 Uhr Nach¬
mittags bekommen. Wozu ergebenst einladet
Franciscus Schuch,
Principal.
Mit Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen Magistrats wird
heute die allhier anwesende Hoch-Teutsche Gesellschafft abermahls
ihre Schaubühne eröffnen und auf selbiger vorstellen ein aus dem
Frantzösischen des Herrn von Voltaire übersetztes Trauer-Spiel, genannt :
ALZIRE,
Oder Hie Amerikaner.
In fünf Aufzügen.
Personen:
Gusmann, Stadthalter in Peru.
Alvares, Gusmanns Vater und vormahliger Stadthalter.
Zamora, Regierender Fürst des Potosischen Gebietes.
Alzire, Tochter des Montaza.
Emire, und Cephane, Ihre Vertrauten.
Alonzo, Ein Spanischer Hauptmann.
Einige Spanier.
Einige Amerikaner.
Den Beschluss wird machen nebst einem Tanz HANSS- WURST mit einem
überaus lustigen Nach-Spiel.
Der Schauplatz ist auf dem Liebfrauen-Berg in der neuerbau¬
ten Hütte. Die Person zahlt auf denen Logen 1 fl. Auf dem Par¬
terre 8 Batzen. Auf dem zweiten Platz 4 Batzen und auf dem letz¬
ten 2 Batzen.
NB. Wer sich beim Eingang nicht lang auf halten will, kan
auf dem grossen Korn markt im weissen Engel Billets bis 4 Uhr
Nachmittags bekommen.
Der Anfang ist precise um 6 Uhr.
Wozu ergebenst einladet
Freitags, den 10. May 1748. Franziskus Schuch,
Principal.
Auszug: aus dem Repertoire Franziskus Schuch’s während der Messen 1750,
1751 und 1752.
Heute 4. April [1750] wird die allhier befindliche Schuchische
Gesellschaft Deutscher Schauspieler aufführen
Das von der Frau Professorin Gottschedin in Leipzig verfasste und
allhiero mehrmalen mit vielem Plaisir gesehene Lustspiel, genannt:
476
DIE PIETISTEREY IM ELSCHBE1NR0CKE.
Hierauf folgt
Ein pantomimisches Ballet.
Den Beschluss macht
Hans Wurst in allerley Gestalt
Oder
Komm’ nur, lachen musst du bald.
Am 11. Mai 1750 werden dieselben aufführen
Ein mit vieler Mühe und Unkosten verfertigtes Schau-Spiel, genannt:
DER EMPFUNDENE SCHMERTZ UNSERER ERSTEN ELTERN
ADAM UND EYA
über den ungerechten Todtschlag ihres Sohnes Abels.
Den Beschluss macht ein gantz neu verfertigter
Pantomimen Tantz, imgleichen ein lustiges Nach-Spiel.
Am Mittwoch 3. April [1751] eine sehr lustige extra galante Comödie:
Die geschmähte, aber doch endlich triumphirende LIEBESTREUE
mit Hanswurst, einem lustigen und schlauen Diener.
Hierauf folgt
Hans-Wurst in einem Ey
Oder wart, ich komm dich bey.
Den Beschluss macht ein feinartiges wohl componirtes Ballet.
Am Freitag 8. April [1751] werden dieselben aufführen
Ein sehenswürdiges Lust-Spiel, betitelt:
DAS REICH DER TODTEN
Oder Die Elisäischen Felder im Reiche der Lebendigen.
Hierauf folget Hans- Wurst in einem lustigen Nachspiel
Wie er wird den Kummer stillen
Und vertreiben alle Grillen.
Den Beschluss macht ein sehenswürdiges Ballet.
Am Montag 17. April [1752] werden dieselben aufführen
Wiederhohlung der ALZIRE, Oder Die Amerikaner.
Hierauf folget ein sehenswürdiges Ballet.
Den Beschluss macht Hanns-Wurst mit einem lustigen Nachspiele.
Am Donnerstag 4. May [1752]
Ein von Herrn Georg Behrmann, berühmten Kauf- und Handelsmann
in Hamburg verfertigtes Trauer-Spiel, genannt:
TIMOLEON, DER BÜRGER FREUND.
Hierauf folget ein pantomimisches Ballet.
Den Beschluss macht Hanns-Wurst mit einem lustigen Nach-Spiele.
Am Samstag 23. September [1752] werden dieselben aufführen
TARTÜFFE, Oder: Der scheinheilige Betrüger.
Ein Lustspiel von Moliere.
477
Hierauf folget ein pantomimisches Ballet unter dem Titel :
Der verliebte Vogel-Steller.
Den Beschluss macht Hanns-Wurst mit einem lustigen Nachspiel.
Hit gnädigster Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats werden heute die Schuchischen Kinder eine sehenswürdige
Pantomime vorstellig machen, unter dem Titul :
LA NAISSANCE D’ABLEQUIN, Oder Die Geburt des Arlequins.
In drey Aufzügen.
Inhalt der Pantomime:
Erster Aufzug. 1. Das Theater stellet einen Wald vor,
worinnen Ziegeuner sich nach ihrer Art belustigen ; sie verfallen end¬
lich auf den Gedanken, ein physikalisches Experiment zu machen;
sie verfertigen nemlich ein Ey, um zu sehen, was die Sonne aus
selbigem brüten wird. 2. Wenn das Ey auf dem behörigen Orte
liegt, bricht die Sonne durch das Gewölcke hervor, und brütet end¬
lich durch die Hitze ihrer Strahlen aus dem besagten Eye einen
Arlequin. 3. Zu dem noch unbelebten und fühllosen Arlequin
kommt eine Hexe, welche ihn zum Gebrauch ihrer Zauber-Künste
stehlen und in einem Sacke davon tragen will ; die Ziegeuner ver¬
folgen sie aber und jagen ihr den Raub ab; doch da sich Arlequin
in dem Sacke verwandelt, so setzt er seinen Befreyer als ein Mon¬
strum selbst in grosses Schrecken, und verjagt ihn. 4. Die Hexe
bringt den rechten Arlequin und belebt ihn durch ihre Zauberey,
giebt ihm auch ein Schnupftuch, mit welchem er alles verrichten
und zaubern kan, was er nur will. 5. Arlequin kommt zu einer
Bauern-Hochzeit, da er dann die Braut entführet. Die Bauern ver¬
folgen ihn, er aber springt in einen Brunnen, welches Pierot siehet.
Dieser Einfältige will ihn herauf ziehen, er sinkt aber selbst hinein
und befrevet also den Arlequin. 6. Ein Bauer will Wasser schöpfen;
er siehet den Pierot im Brunnen, rufft deswegen die Bauern zu
Hülfe, welche dann auch kommen und ihn aus demselben ziehen.
7. Da Pierot vieles Wasser geschluckt, wollen ihn die Bauern zu
einem Arzt führen. Arlequin stellet deshalb einen Doctor vor und
nimmt den Patienten an; giebt zu verstehen, dass man ihm das
Wasser abzapfen müsse; die Operation wird mit einem grossen
Bohrer vorgenommen, in derselben aber Pierot so stark vexiret, dass
er davon lauffen muss.
Der zweyte Aufzug. 1. Arlequin legt sich ganz Schlaf¬
trunken zur Ruhe. Die Hochzeit-Leute finden ihn, binden denselben,
und führen ihn zum Richter. 2. Vor dem Richter wird die Klage
gegen Arlequin erhoben. Derselbe fällt das Urtheil, dass er gehenckt
werden soll. Arlequin verwandelt aber Kraft seines Tuches des Rich¬
ters Kopf in einen Ziegen-Kopf. 3. Befreyet er sich von den Bauern;
da ihn diese aber verfolgen, springt er durch einen Spiegel. 4. Da
478
er noch nicht sicher ist, springt er aus einem Porzellain-Schrancke
heraus. 5. Sie verfolgen ihn noch immer, und er springt in den
Gamin, in welchem ein lebendiges Feuer brennet. Die Bauern sind
froh, weil sie glauben, er werde verbrennen. 6. Der Camin ver¬
wandelt sich in ein Yogel-Haus, darinnen Arlequin als ein Papogey
sitzt. Er tritt endlich heraus und hat seinen Schabernack mit den
Bauern. 7. Kömmt Colombine, die Braut, und liebkoset den Papo¬
gey, Arlequin giebt sich ihr zu erkennen und läufft mit ihr davon.
Da die Bauern den Betrug sehen, verfolgen sie ihn aufs neue.
8. Die Bauern berathschlagen und bewaffnen sich, um den Arlequin
gewaltsamer Weise zu fangen.
Der dritte Aufzug. 1. Der Hintertheil der Bühne stellet
ein Yestungs-Werck vor; aus dessen Thore kömmt ein betrunckener
Artillerist. Die Bauern fragen ihn nach dem Arlequin; bestechen
ihn und bitten, selbigen aus dem Wege zu räumen. 2. Der Artille¬
rist suchet den Arlequin auf; erblickt ihn endlich mit Colombinen
an einem Fenster; er klopft an, wird aber begossen; als er hierauf
die Thüre aufbrechen will, schlägt ihn Arlequin darnieder. Dieses
erbittert den Artilleristen dergestalt, dass er ihm nachsetzt. Arlequin
weiss sich nicht anders zu retten, als dass er in eine Canone springt.
3. Der Artillerist ladet die Canone und schiesst den Arlequin in
die Luft. 4. Die Bauern freuen sich, dass sie den Arlequin loss
sind; dieser aber zeiget sich mit Colombinen in dem Yestungs-Thore.
Sie wollen ihn anfallen; das Gregitter fällt aber vor das Thor. Die
Hexe kömmt und macht der Verwirrung ein so freudiges Ende, dass
solche mit einem lustigen Contre-Tantze beschlossen wird.
Hierauf folget ein Lust-Spiel von drey Aufzügen
mit Hanns Wursts durchgängiger Lustbarkeit.
Der Schau-Platz ist auf dem Rossmarkt in der neu erbauten
Hütte; der Anfang ist um halb 6 Uhr. Die Person zahlt auf den
Logen oder ersten Platz 16 Batzen, auf dem zweyten Platz oder
Parterre 8 Batzen, auf dem dritten 4 Batzen und auf dem letzten
2 Batzen.
Freytags den 24. September [1752J.
IX.
Auszug1 aus dem Repertoire der Italienischen Scliauspielergesellscliaft unter
Direktion von Domenico Bassi und Gervasio Sillani, Comici Italiani. Oster¬
und Herbstmesse 1753.
Mit gnädigster Bewilligung eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
MAGISTRATS wird heute Mittwoch den 9. May 1753 die Gesellschaft
italienischer Schauspieler aufführen eine serieuse Haupt-Action betitelt :
— 479
DER GLÜCKLICHE BETRÜG DERER VERLIEBTEN
und
Harlequin eine verkleidete Frau
um den Brigella zu betrügen, und lächerlicher Portrait-Mahler.
Nach dieser Aktion wird heute zum erstenmahle ein neues musikalisches
Nach-Spiel gesungen werden, welches sich betitelt:
DIE LISTIGE ZIGEUNERIN, oder DER NÄRRISCHE ARZT.
Nebst einem neuen Ballet.
Der Schau-Platz ist auf dem Ross-Markt, Der Anfang ist prae-
cise um halb 6 Uhr. Die Person zahlet auf dem ersten Platz 1 fl.,
auf dem zweyten 8 Batzen und auf dem letzten 4 Batzen.
NB. Die gedruckte Bücher von dem Nach-Spiel, nebst denen Biletten
seynd sowohl im goldenen Brunnen, als auf dem Ross-Markt
in der Boude zu bekommen.
Am Dienstag 15. May 1753 werden dieselben aufführen eine be¬
sondere grosse Haupt-Aktion, betitelt:
DIE UNSCHULDIG GEKAUERT UND WIEDER
VERKAUFFTE BRAUT,
oder
die Unschuld wird beschützet.
Nach der Aktion wird heute zum letztenmal dieses neue musikalische
Nach-Spiel vorgestellt werden, welches sich betitelt:
DIE NACH DER MODE LEBENDE EHEFRAU, WELCHE
IHREN MANN ZU EINEM LUMPEN MACHET
oder
die im Zank lebende, und endlich geschiedene Eheleut.
Es wird auch heute ein Cravatten-Ballet von einem neuen Täntzer
getantzet werden.
Am Donnerstag, den 17. May 1753, ein sehenswürdig und durchaus
lustiges Schau-Spiel, betitult:
EIN HAUS DAS ZWEY EINGANG HAT,
ist hart zu bewahren, und
Harlequin desperater Liebhaber.
Nach dem Lust-Spiel wird ein neues musikalisches Nach-Spiel
vorgestellt werden, welches sich betitelt:
DER C A PELL-MEISTER UND DIE SCHOLARIN
oder die Sing-Schule
Es wird auch heute ein Türken-Ballet von einem neuen Täntzer
getantzt werden.
480
Am Donnerstag, 24. May 1753, ein sehenswürdig und durchaus
lustiges Schau- Spiel, betitelt:
DIE BETRÜGEREYEN DES HARLEQUINS,
um seinem Herrn in Liebes - Affairen zu helfen.
Nach dem Lust-Spiel wird heute zum erstenmal dieses musikalische
Nach-Spiel gesungen werden, betitelt:
DIE ZUR FRAU GEWORDENE DIENSTMAGD.
Nebst einem Ballet.
Den Beschluss machet ein sehenswürdiges Lust-Feuerwerk, welches
zwey Stern-Kronen im Anfang, und dazwischen mit allerhand Farben
vermischte Räder, wie auch ein grosses Maltheser Kreutz sich
praesentiren wird.
Am Freytag, 21. September 1753, eine sehr lustige componirte
Pantomime, welche sich betitelt:
DAS UNGLÜCK, GLÜCK, UND LIEBES - AFFAIREN
DES HARLEQUINS,
Oder
Wann die Noth am grössten, ist das Glück am nächsten.
In dieser Pantomime befinden sich acht Machinen und ist
mit gantz neuer Music versehen.
Heute wird zum erstenmal das musikalische Nach-Spiel gesungen
DON TABARAN und DIE SCHÖNE BÄUERIN.
Nebst einem Türken -Ballet.
Einladung'ssehrift der italienischen Schauspieler zur Magistrats-Komödie
Herbstmesse 1753.
Einer Gnädig- und Hochgebietenden Obrigkeit der Kayserlichen
freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Frankfurt am Mayn, wird
heut zur schuldigsten Dankbarkeit für die bisherige gnädig ertheilte
Erlaubniss auf der italiänischen Schaubühne ein
MUSICALISCHES VORSPIEL VOR DER COMOEDIE
abgesungen werden.
Gnädig und Hochgebietende Obrigkeit.
Unser so keckes Unternehmen, dieses kleine Schwachheits-
Werklein einem so gnädig- und Hochgebietenden Magistrat zu dedi-
ciren, würde ohne Zweifel einen Verweiss verdienet haben, wann wir
nicht unseren Grund-Stein auf Hoch Deroselben unschätzbare Gütigkeit
und genereuse Gemüther (von welchen wir unzahlbare Proben zeither
erfahren) gegründet hätten; Und eben dieses wäre unser eintzige Hoff¬
nung, die uns angefeuret, um die in unseren Hertzen ewig eingedruckte
Pflicht eines so Höchst-gnädigen Magistrats der gantzen Welt kund
zumachen.
4SI
Wir leben also vergnüget, wann dieses von ausländisch Ehr¬
vollen Hertzen entsprossene Werklein mit gnädigen Augen von einem
Hochgebietenden Magistrat angesehen wird , und werden uns ewig
rühmen, dass wir die Ehre, eine so Hoch-Adeliche Herrschafft mit
unserer Wenigkeit zu bedienen gehabt haben; geben uns also die
Ehre in tieffster Denmtli allzeit zu beharren
Eines Gnädig- und Hochgebietenden Magistrats unterthänigst
ergebene Knechte Domenico Bassi | Comici
Gervasio Sillani j Italiani.
Der Ne yd.
Was soll das Getümmel, so ich höre, bedeuten?
Wer seynd die Ereuden-volle Stimmen
Die man aller Orten höret klingen?
Wem ist dieses Ereuden-Fest gewidmet?
Dann mein Zorn, meine Wutli sich sehr erhebet,
Wann die Welt, in Fried und Freuden lebet.
Aber was soll der im Gestirne geschriebene Name bedeuten,
Ach! zu meinem Verdruss erkenne ich ihn,
Es ist jener mir zu widrige Namen
Den ich schon viel hundert mahl
Zu vertilgen gesuchet habe,
Doch niemahlen zu meinem Endzweck gereichen können.
Wann meine Rache wird erfüllt,
So schwimmt mein Hertz im Freuden-Meer,
Wann meine Wutli wird seyn gestillt,
Bin ich vergnügt, verlang nichts mehr.
Kein grössere Freud ist auf der Welt
Als wann meine Rache geht zu End,
Und wann der mir zu Füssen fällt,
Der vor mit Lorbeer war gekrönt.
(Es wird sich eine grosse Wolke eröffnen, woraus die Göttin Pallas steiget.)
Die Pallas.
Du abscheulich höllische Furie!
Wende dein Neyd-volles Gesichte gegen mir
Sage: AVarum bist du aus deiner Hölle gestiegen
Um allhier die sanffte Ruhe zu stöhren?
Der Neyd.
W eil ich unmöglich erdulten kan,
Dass der Mayn so prächtig geworden,
Und damit sein hochsteigender Ruhm
In umliegenden Gräntzen nicht bekant werde.
Die Pallas.
0 entsetzlich unterirdisches Ungeheuer
Verberge dich vor meinem Anblick,
31
482
Ich beschütze die vielberühmte Stadt,
Und es wird ewig nicht geschehen,
Das ein Abentheuer ihre Ruhe stören soll.
Der N e y d.
Aber was kanst du für Ruhm Proben auftragen
Weilen du sie sammt allen Göttern besitzest?
Die Pallas.
Sollen dann die Götter
Die Tugend nicht beschützen? Betracht nur
Den gnädigen Magistrat, wo die Gerechtigkeit
Selbsten ihren Wohn-Sitz genommen,
Wo die Gütigkeit beständig an der Seiten sitzet,
Wo man gleichgüldig belohnet, und straffet,
Dass der Gerechte erfreuet, und der Schuldige zitteret,
Deswegen erstaunet die gantze Welt,
Weil Tugend, Yerstand, und Wahrheit sich hier auf hält.
Der Neyd.
Also muss ich zu meinem grössten Verdruss
Mich alle Augenblick überwunden sehen!
Ach, ich will mich an ihme rächen
Und ihme seinen Sieges-Zweig zerbrechen.
Die Pallas.
0 grosser Fürst des Himmels-Zier
Du Herrscher aller Dingen,
Ach tödte Jenes wilde Thier
Das uns will Unheil bringen.
(Es kommt ein Donner-Keil und schlaget den Neyd unter die Erden.)
Nun haben wir obsiget,
Nun ist mein Hertze Freuden-voll,
Weil wir den Neyd bekrieget,
Weissheit und Tugend leben soll.
Nun will ich in meine Wohnung kehren,
Und dein Ruhm, so viel ich kan, vermehren,
Ich werde sein gleich dem Trompeten-Klang
Wo ich hinkomme, wird seyn diss mein Gesang:
Es lebe in steter Ruh Frankfurt an dem Mayn,
Es leb die Stadt, und alle die darinnen seyn.
Lebe glückselig in Fried und Freuden
Die Götter werden all Unglück scheiden,
Ich bitt, verzeih mein Unternehmen,
Nimm meine Schwachheit für gültig an
Dich stets zu ehren wird mich nichts hemmen,
Biss ich sterb dich nicht vergessen kan.
483
X.
Auszug aus dem Repertoire der italienischen Operisten unter Direktion von
Girolamo Boni, auch Hieronymus Bony und Monsieur Bon genannt.
Herbstmesse 1754, Ostermesse 1755.
Mit gnädigster Bewilligung u. s. w.
Werden heute, Donnerstag den 19. September 1754,
Die italienische Operisten Sr. Hochfürstl. Durchl. von Thurn und
Taxis auf ihrem Schau-Platze vorstellen, eine grosse serieuse Opera
oder Pastorale, (welche extra begehrt worden). Die Repraesentation
besteht in 6 Personen, betitelt:
IL LEUCIPPO,
unter allen Opern und Pastoralen hat diese den Vorzug gefunden.
Die Musik und Composition ist von dem berühmten Herrn Hasse
ersten Compositeur Ihro Königliche Majestät in Polen. Diese Opera
ist durchaus mit schönen Arien, Duetten und Cori versehen, wie dann
auch ein jeder Actus mit einem Tantz beschlossen wird, welche ihren
Beyfall finden werden.
Der Schauplatz ist auf dem Rossmarkt. Der Anfang ist prae-
cise um 6 Uhr. Die Person zahlet auf den Logen 1 Reichsthaler,
im Parterre 1 Gulden, auf dem dritten Platz 30 Kreutzer, auf der
obern Loge 20 Kreutzer, und auf dem letzten Platz 12 Kreutzer.
NB. Man avisiret an das ehrsame Publicum, wer sich will mit ver¬
sehen ein Tantum vor die gantze Zeit zu geben als man hier
bleibt, der beliebe sich in des Steinmetz Herrn Scheideis Be¬
hausung zu melden.
Die Billets sind bey dem Directeur in des Steinmetz Herrn Scheideis
Behaussung zu haben.
Am Freytag den 4. April 1755 werden dieselben aufführen das schöne
und unvergleichliche Divertissement, betitelt:
LA SERVA PADRONA,
Oder
Die herrschende Magd.
NB. Dieses Stück ist allezeit gesehen worden in 2 Personen, und
2 Acten nunmehro aber wirds vorgestellet werden in 3 Actus
und in 3 Personen.
Mit schönen Arien und mit vielen stummen Personen,
welches, wie wir hoffen, Vergnügen geben wird.
Wie auch mit seltsamen Equilibers.
Am Samstag den 5. April 1755 eine gantz neue und grosse
lustige Opera Comique, betitelt:
TL GIOCATORE,
Oder
Der Spie h ler.
Diese Opera wird in 3 Akten repraesentirt werden , wie auch
mit vielen schönen Arien und Duetten ripieniert seyn. Die Music ist
31*
484
von dem Herrn Hasse, Capellmeister von dem König in Pohlen.
Wie auch mit zwey extra schönen Täntzen.
Am Montag den 7. April 1755 eine extra schöne und serieuse
Haupt-Opera, betitelt :
DEMETRIUS.
Diese Opera wird mit 6 Stimmen repraesentirt werden.
Wie auch mit zwey extra schönen Täntzen.
Am Samstag den 12. April 1755. Ein lustiges Intermezzo
in 3 Abtheilungen, betitelt:
LI QUATRO AMANTI, IN UN AMANTE SOLO,
Die vier Liebhaber in einer Person.
Dieses Stück ist mit den lustigsten Arien und Duetten versehen,
wie dann auch Täntze und Ballets solches noch angenehmer machen
werden.
Am Montag den 14. April 1755 eine gantz neue und grosse lustige
Opera Comique, betitelt :
IL CALANDRANO.
Diese Opera bestehet in 3 Akten, und wird von 5 Stimmen
oder 5 Personen repraesentirt werden. Wie auch mit vielen schönen
Arien und Duetten ripieniert seyn. Die Music ist von dem Herrn
Hasse, Capellmeister von dem König in Pohlen. Wie auch mit
seltsamen Equilibres.
Am Montag, den 21. April 1755, eine gantz neue und grosse
lustige Opera Comique, betitelt :
LE PHILOSOPHE.
Diese Opera bestehet in 3 Acten, wie auch mit vielen schönen Arien
und Duetten ripieniert seyn.
Von diesem Stück wird die letzte Repraesentation seyn.
Unser hochberühmter Engelländer wird seine Equilibres wiederum
vorstellen mit allerley neuen Sachen, worunter die vornehmste Stücke
seyn , mit einem Bret aufm Drath gehen , zweitens mit dem Kopff
auf dem Drath stehen, drittens eine Piramide von 30 Glässern tragen.
Am Mittwoch, den 23. April 1755, eine gantz neue und grosse
Opera Comique, betitelt:
IL NEGLIGENTE,
Der Nachlässige oder Der Gedankenlose Mensch.
Diese Opera wird von 7 Stimmen oder Personen repraesentirt.
Jeder Aufzug dieses überaus schönen Stückes soll mit Arien, Duetten,
Terzetten und Quartetten ripienirt.
Unser hochberühmter Engelländer wird seine Equilibres wiederum
vorstellen mit allerley neuen Sachen, worunter die vornehmste Stücke
seyn, mit einem Bret aufm Drath gehen, zweitens mit dem Kopff
auf dem Drath stehen, drittens eine Piramide von 30 Gläsern tragen.
— 485
XI.
Auszug aus dem Repertoire der Aval di v. Wallrotty’s 1755 und 1756.
Mit gnädigster Bewilligung etc. werden heute, Montags 8. September
1755, die allhier anwesende würklich decretirte Chur-Bayrische Hof-
Acteurs ihren Schauplatz eröffnen und auf selbigem vorstellen. Ein
neues mit gantz besondern Verwirrungen und guter Lustbarkeit
untermengtes Lust-Spiel, unter dem Titel :
DLE MÜ SS VERSTANDENE LIEBE,
Oder
Harlequin, der lächerliche Vorgeiger bey einem
verliebten Tanzmeister.
V o rberich t.
Von dem heutigen Lust-Spiel ein kleines Licht zu geben, dienet
zur Nachricht : dass Anselmo, ein reicher "Wechsel Herr in Strassburg
zwey Töchter hatte, die Ältere, Namens Aurelia, schickte er nach
Lion zu seinem Freund Gerote, um sie sowohl in der Französischen
Sprache, als anderen einem Frauenzimmer wohl anständigen Wissen¬
schaften vollkommener zu machen. Diese versprach sich mit einem
reichen Bürgers-Sohn in Lion; da aber ihr Vater sie wieder nacher
Strasburg berufte, erschiene sie in Manns-Kleidern, und gab sich für
Elavio , den Sohn ihres Kostherrns in Lion aus: da nun Lelio, ihr
versprochener Bräutigam ihr nacher Strasburg nachgefolget, in denen
Manns-Kleidern sie aber nicht kennet, giebt solches zu denen an¬
genehmsten Verwirrungen Gelegenheit.
Personen:
Anselmo, ein reicher Wechsel-Herr in Strasburg.
Aurelia, unter dem Namen Elavio, seine ältere Tochter.
Isabella, ihre Schwester.
Lelio, ein Bürgers-Sohn von Lion, der Aurelia Liebhaber.
Octavio, ein Bürgers-Sohn von Strasburg, der Isabella Liebhaber.
Arlequin, des Lelio Diener. Ein Bothe.
Den Beschluss macht ein klein-lustiges Sing-Spiel. Genannt:
DAS LUSTIGE ELEND ZWISCHEN ZWEI
VERSOFFENEN EHELEUTEN.
In diesem Stück werden 7 lustige Arien gesungen, so gewiss nicht
missfällig sein werden.
Der Schau-Platz ist auf dem Rossmarkt. Der Anfang ist praecise
um 6 Uhr. Die Person zahlet auf den Logen 1 Gulden, auf dem
Parterre 30 Kreutzer, auf dem andern Platz 16 Kreutzer, auf dem
dritten Platz 8 Kreutzer.
NB. Die Billets sind bey dem Directeur in dem goldenen Brunnen
täglich bis um 2 Uhr Nachmittags zu haben.
486
Am Dienstag den 23. September 1755 werden dieselben auffiihren
ein aus den Trojanischen Geschichten genommenes Haupt- und Staats-
Schau-Spiel, genannt:
Der tapfere und grossmüthige Geld-Herr PYRRHUS,
Und
Die mit Hohheit und Kinder-Liebe streitende
Königin ANDROMACHA.
Den Beschluss machet eine lustige Nach-Comödie zwischen
Pantalon und Hanns-Wurst, genannt:
HANNS -WURST DER LISTIGE RAUCHFANGKEHRER.
Am Mittwoch den 24. September 1755. Ein neues vom Wiener
Theater entlehntes Lust-Spiel, betitult:
Die Unbeständigkeit der Liebhaber, bestrafet durch
HANNS- WURST,
Einen politischen Ehemann, und listigen Unterhändler seiner eignen
Frauen, mit dem durch seinen Betrug selbst betrogenen
MONSIEUR D’ AP PETIT.
Den Beschluss machet ein lustiges Nach-Spiel in Yersen, genannt:
HERTZ OG MICHEL.
Am Montag den 13. Octobris 1755. Ein aus dem wiirklichen Italiä-
nischen Original übersetztes, und wegen seiner vielen angenehmen
Yerwirrungen, Arien, Auszierung- und Verkleidungen sehen sw ürdiges
Lust-Spiel, genannt:
LO SPIRITO FOLETTO
oder A.NGIOLA, Der verliebte Polter-Geist. Sonsten:
Die durch Zaubereyen verwirrte Hausshaltung des PANTALONS.
Am Samstag den 18. Octobris 1755 werden dieselben aufführen ein
von dem Herrn Grimm aus Regensburg in Teutschen Yersen
verfertigtes Trauer-Spiel, genannt:
BANISE.
Hierauf besehliesst ein lustiges Nach-Spiel.
Am Samstag den 25. Octobris 1755. Fin recht sehenswürdiges, und
mit verschiedenen Auszierungen des Schau-Platzes versehenes
Lust-Spiel, betitult:
DIE PROBE VERLIEBTER NEIGUNG,
Oder: Die Möglichkeit, dem Willen eines verliebten
Frauenzimmers nachzuleben.
Sonst genannt:
Die ihren Zweck durch Zauberey zur Vollkommenheit bringende
CLORINDE MIT HANNS-WURST,
487
einem von denen Furien sehr beängstigten Diener, und wegen einem
andern sehr geplagten Amanten.
Den Beschluss macht ein Tantz und lustige Nach-Comödie.
Am Montag 6. October 1756 wird die allhier anwesende Königliche
Pohlnische und Churfürstlich Sächsiche privilegirte teutsche Gesellschaft
unter der Direktion von Franz v. W allerotty heute abermahl ihren
Schau-Platz eröffnen, und auf selbigem eine unvergleichliche, und mit
besondern Vorstellungen des Theatri, angefüllte Sehenswürdige Haupt-
und Staats- Aktion vorstellig machen, betitult:
DIE UNERSCHROCKENE KÜHNHEIT EINES HELDEN
Oder:
Die durch Zauberey fliegende Liebe.
Das ist: Der zwar schwer scheinende, aber gantz leicht
erfochtene Sieg mit Hannswurst, einem verzagten Reise-Gefährten,
und in die grösste Furcht gesetzten Diener.
Den Beschluss macht ein Ballet und eine recht lustige Nach-Comödie.
Am Donnerstag, 17. October 1756, werden dieselben aufführen :
Ein aus dem Französischen des Herrn von Moliere in das Teutsche
übersetztes, und gewiss sehenswürdiges Schau-Spiel, genannt:
LE FESTIN DE PIERRE
Oder
Das steinerne Gastmahl des Don Pietro mit Hanns-Wurst, einem
unglücklichen, doch dabey lustigen Bedienten des Don Jean
Den Beschluss macht nebst 3 sehenswürdigen, und gantz neuen
Täntzen, ein ungemein lustiges Nach-Spiel, genannt:
Ende gut, alles gut.
Heute gantz gewiss zum allererstenmahl.
Der Schau-Platz ist auf dem Ross-Markt in der neuerbauten
Hütte, der Anfang ist praecis um halb 6 Uhr, die Person zahlt auf
der Gallerie 1 Gulden, auf Parterre 8 Batzen, auf dem mittlern Platz
4 Batzen und auf dem letzten 2 Batzen.
XII.
Theaterzettel (1er Ackermann’schen Gesellschaft während und nach
den beiden Messen 1757.
Mit gnädiger Bewilligung eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats, wird heute Dienstag den 3. May 1757
die Ackermannische Gesellschaft deutscher Schauspieler aufführen:
DER CANAL
Zu einem Amte zu gelangen,
Ein deutsches Lust-Spiel in Prosa und 5 Aufzügen.
4K8
Der Graf, ein Patron der
Candidaten.
Die Gräfin.
Yalere, ein Fähndrich.
Chry sander, ein Licentia-
tus Juris.
Hermann, des Grafen
Personen :
Arnhold, Hofmeister bey den Söhnen
des Grafen.
Fräulein Christinchen , Chrysanders
Braut.
Caroline, der Gräfin Kammerjungfer.
Johan, des Fähndrichs Diener.
Valentin, des Grafen Laquai.
Secretarius.
Dieses schöne Stück so voller Morale und Lustbarkeit ist, hat
sonsten unter dem Titul die Candidaten, an allen Orten in Deutsch¬
land den grössten Beyfall gefunden, wir werden mit allen Kräfften
dahin streben auch hier den Beyfall zu erwerben.
Hierauf folget ein Ballet.
Ein lustiges Nach-Spiel wird beschlossen.
Mit gnädiger Bewilligung eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats wird heute Mittwochs den 4. April 1757 die Ackermannische
Gesellschaft deutscher Schauspieler, nochmahlen aufführen :
Das berühmte Bürgerliche Trauer-Spiel, von fünf Handlungen, welches
von der geschickten Feder des Magisters Lessings verfertigt ist.
MISS SARA SAMPSON.
Personen:
Sir Sampson . [Herr Ackermann.]
Miss Sara, dessen Tochter . [Mad. Hensel.]
Mellefont . [Herr Mylius.]
Marwood, Mellefonts alte Liebste .... [Demoiselle Merleck.]
Arabella, ein junges Kind der Marwood
Tochter . [Karoline Ackermann.]
Waitwel, ein alter Diener des Sampson . . [Herr Starke.]
Norton, Bedienter des Mellefont .... [Herr Antusch.]
Betty, Mädgen der Sara . [Demoiselle Fuchs.]
Hanna, Mädgen der Marwood . . . . . [Mad. Antusch.]
Der Gastwirth [Herr Silbernagel) und einige Nebenpersonen.
Nachricht.
Von diesem Trauerspiele kan man mit Wahrheit sagen, dass
es das einzige in seiner Art ist, welches der deutschen Schaubühne
zur Zierde gereichen muss. Der Verfasser hat es nach dem Ge¬
schmack der Engländer eingerichtet, aber weiter nichts, als die Namen
von ihnen geborgt. Die Charaktere sind darinnen so prächtig ge¬
schildert, dass dieses Trauerspiel selbst auf der englischen Schau¬
bühne für ein Musterstück könnte gehalten werden. Es weicht wenig
von den Regeln der Zeit ab, und die Einheit des Orts ist, wo nicht
ganz, doch wahrscheinlich, beobachtet. Die Personen stehen in der
vollkommensten Verbindung mit einander, so sehr sie auch gegen
— 489 —
einander abstechen, und ihre Handlungen und Unglücksfälle werden
bey den Zuschauern alle mögliche Leidenschaften rege machen. Es
würde zu weitläuftig sevn, den ganzen Inhalt dieses schönen Trauer¬
spiels hieher zu setzen. Wer es gelesen hat, und wem die Ver¬
dienste des Herrn Verfassers für die Schaubühne bekannt seyn, der¬
selbe wird die Vorstellung mit eben so vielem Vergnügen ansehen,
als ein Vergnügen für uns ist, die Bühne mit einem so fürtreflichen
Muster deutscher Dichtkunst bereichert zu sehen. Wir werden uns
bemühen, die Personen so vorzustellen, dass wir Bevfall damit zu
verdienen glauben.
NB. Da diese heutige Piece sehr lang, so wird mit einem gantz
neuen Pantomimischen Ballet der Beschluss gemacht werden.
Der Schauplatz ist auf dem Rossmarckt und wird mit dem
Schlage 6 Uhr geöffnet, die Person zahlet auf den Logen 1 Gulden,
auf dem Parterre 30 Kreutzer, auf dem zweiten Platz 16 Kreutzer
und auf dem dritten 8 Kreutzer.
NB. Die Billets sind bey dem Directeur im goldenen Brunnen
täglich bis um 2 Uhr Nachmittags zu haben.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats wird heute Mittwochs den 27. April 1757
Die Ackermannische Gesellschafft deutscher Schauspieler aufführen :
Ein aus dem Französischen des Herrn von Voltaire übersetztes
Lust-Spiel in fünf Handlungen.
L’ENFANT PRODIGUE, Der verlohrne Sohn.
Personen:
Euphemon, der Vater.
Euphemon, der Sohn.
Steifenthor, ein Präsident.
Euphemons jüngster Sohn.
Rondon, ein alter Bürger.
Lieschen, Rondons Tochter.
Die Baronesse von Croupillac.
Marthe, Lieschens Mädchen.
Jasmin, Diener bei Euphemon dem Sohn.
Ein Diener.
Den Beschluss macht ein Pantomimisches Ballet:
Der Wettstreit zwischen Pierot und Arle quin.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats wird heute Montags den 9. May 1757
Die Ackermannische Gesellschafft deutscher Schauspieler aufführen :
Ein sehr rührendes Lustspiel von fünf Handlungen, aus dem
Frantzösischen des Herrn de la Chaussee, von der geschickten Feder
des berühmten Raths-Herrn Brocks in Hamburg übersetzt:
MELANIDE.
490
Personen:
Dorisee, eine Wittwe.
Rosalie, Doriseens Tochter.
Theodon, Doriseens Schwager.
Der Marquis d’Orvigny, Rosaliens Liebhaber.
Melanide, Doriseens Freundin.
D’Arviane, Rosaliens Liebhaber, ein junger Officier.
Ein Laquey.
Hierauf folgt ein Pantomimisches, sehr lustiges Ballet :
Der Kohlenbrenner.
Zum Beschluss folget das beliebte Nachspiel in Versen, genannt:
Hertzog Michel, Oder: Das ausgerechnete Glück eines Bauern.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen Magistrats wird heute
den 14. September 1757
Die Ackermannische Gesellschafft deutscher Schauspieler aufführen :
L’ECOLE DES FEMMES.
Comedie en vers & en cinq actes par Mons. Moliere.
DIE SCHULE DER FRAUEN,
Ein Lust-Spiel, in Versen und fünf Aufzügen des Herrn v. Moliere.
Personen:
Arnolph, sonst Herr de la Souche.
Agnese, ein junges, unschuldiges Mädgen, welches Arnolph
auferzogen hat.
Horace, Agnes’ Liebhaber.
Alain, ein Bauer, des Arnolph Knecht.
Georgette, eine Bäuerin, des Arnolph Magd.
Chrisalde, Arnolph’s Freund.
Enrique, Chrisaldens Schwager.
Oronte, Vater des Horace und Freund des Arnolphs.
Ein Notarius.
Hierauf folget, nebst einem Pantomischen Ballet, ein aus dem
Französischen des Herrn Moliere übersetztes Nach-Spiel, nemlich :
Die erzwungene Heyrath.
Personen:
Skanarel, der erzwungene Ehmann.
Hieronymus, dessen guter Freund.
Dorimene, Skanarels versprochene Braut.
Alcantor, Vater der Dorimene.
Alcidas, Bruder der Dorimene.
Licast., Dorimenens Liebhaber.
Pancratius, ein Aristotelischer Philosoph.
Marfurius, ein Pyrrhonischer Philosoph.
Zwei Zigeunerinnen.
Ein Lackey der Dorimene.
491
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen Magistrats wird heute
Montags den 19. September 1757
die Ackermannische Gesellschaft deutscher Schauspieler aufführen:
LE TAMBOUR NOCTURNE
Comedie en cinq actes & en prose par Mons. Destouches.
Das Gespenst mit der Trommel Oder: Der wahrsagende Ehemann.
Ein Lust-Spiel in Prosa und fünf Aufzügen,
Aus dem Französischen des Herrn Destouches von der Frau
Gottschedin in Leipzig übersetzt.
Personen:
Der Baron.
Die Baronesse, seine Gemahlin.
Herr von Windhausen, ein Liebhaber der Baronesse.
Herr Liebhold, ein anderer Liebhaber derselben.
Jungfer Salome, Hoffmeisterin im Schlosse.
Herr Schulwitz, Oberaufseher des Schlosses.
Gotthard, der Kellermeister.
Peter, der Kutscher.
Michel, der Gärtner.
Den Beschluss machet hierauf eine mit den tretlichsten Auszierungen
versehene Pantomime, Namens:
Le Yiellard rayeuni Oder: Der verjüngte Greiss.
Die Schaubühne stellet: Erstlich eine angenehme Gegend mit
Bäumen vor: Zweytens erblickt man in der Mitte einen hohen Berg
mit verschiedenen Wasser-Fällen; welche sicli Drittens in den, an
dem Fusse des Berges sich befindlichen Brunnen hinein stürzen.
Inhalt der Pantomime:
Ein abgelebter Greiss verliebet sich in eine junge Schäferin,
die ihm aber mit Verachtung begegnet. Er beklaget sein Unglück
und bittet die Venus, sich seiner anzunehmen. Cupido, auf Befehl
der Venus, verspricht ihm zu helfen. Machet demnach die Schäferin
im Schlafe, durch seinen Pfeil, empfindlich und verliebet. Benebst
lässt er den Greiss aus der Venus geweihetem Brunnen trinken;
welcher sich hierauf mitten auf der Schaubühne, vor jedermans
Augen schnell und in einem Augenblick in einen frischen und ange¬
nehmen Jüngling verwandelt etc.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hoch-Edlen Magistrats wird heute
Dienstags den 20. September 1757
die Ackermannische Gesellschaft deutscher Schauspieler aufführen
Ein sehr rührendes Schauspiel in Prosa und 5 Aufzügen,
Aus dem Französischen der Fr. von Grafigny von der Frau Professorin
Gottschedin in Leipzig übersetzt, Genannt:
CENIE, Oder: Die Grossmuth im Unglücke,
492
zween Neffen des Hin. Dorimonds.
Personen:
Hr. Dorimond, ein alter, ehrwürdiger Edelmann.
Mericourt,
Clerval,
Cenie, ein junges Fräulein.
Orphise, ihre Hoffmeisterin.
Lisette, der Cenie Kammer-Mädgen.
Dorsainville, Clervals Freund.
Dieses schöne Stück hat an allen Orten Deutschlands den
grössten Beyfall erhalten, wir verhoffen, dass es auch hier die Appro¬
bation bey hohen und geneigten Kennern erhalten werde, zu mehrerm
Vergnügen wird zum Nachspiel folgen:
Ein aus dem Französischen des Herrn Poisson übersetztes
Lustspiel in Versen:
Le Mariage fait par lettres de Change,
Oder: Die Heirath durch Wechsel-Briefe.
Personen:
Hortensia.
Olympia.
Eine Unbekannte.
Cleon, ein reicher Negociant.
Philinte.
Frontin, Cleons Bedienter.
Ein musikalisches Divertissement von allen Charakteren, wie
auch ein Ballet von Matrosen und Insulanern werden den völligen
Beschluss machen.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen Magistrats wird heute
Mittwochs den 5. October 1757
Die Ackermannische Oesellschafft deutscher Schauspieler aufführen:
Ein Lust-Spiel des Herrn Magister Lessings in Prosa und fünf
Aufzügen, genannt:
DER FREYGEIST.
Töchter des Lisidors.
Personen dieses Lustspiels:
Adrast, der Freygeist.
Theophan, ein junger Geistlicher.
Lisidor.
J uliane,
Henriette,
Frau Philane.
Araspe, des Theophans Vetter.
Johann, des Adrasts Bedienter.
Martin, des Theophans Bedienter.
Lisette, Mädchen der Juliane und Henriette.
Ein Wechsler.
493
Dieses schöne Lust-Spiel ist wie Sara Sampson von der ge¬
schickten Feder des Hrn. Magister Lessings entworfen, und da
selbiges vorige Messe vielen Beyfall erhalten, so wird selbiges auf
Begehren heute vorgestellet.
Zum melirerem Vergnügen wird eine Pantomime mit Aus¬
ziehrungen, Solos und Contre-Täntzen den Beschluss machen, betitult :
Die Verehrung der Sonnen, Oder: Das Fest der Erndte.
Die Schaubühne stellet ein Kornfeld vor, welches von den
Schnittern geschnitten wird; im Prospect erblickt man auf einem
Hügel einen Altar, auf welchem die Erndt-Leute ihre Opferung ver¬
richten etc.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch- Weisen
Magistrats wird heute [ohne Datum |
Die Ackermannische Gesellschafft deutscher Schauspieler aufführen :
Ein ganz neues Lustspiel mit Ballet und Divertissements in
dreyen Aufzügen, welches aus dem Französischen des Herrn de l’Isle
übersetzt ist. Genannt:
ORONOCKO, Oder: Der moralisirende Wilde.
Personen:
Lilio, ein aus Amerika zurückkommender Reisender, Liebhaber
der Flaminia.
Oronocko, ein Mexikaner.
Mario, ein anderer Liebhaber der Flaminia.
Pandolfo, Vater der Flaminia.
Flaminia.
Violette, ihr Mädgen.
Scapin, Bedienter des Lelio.
Ein Tabuletkrämer.
Ein Vorbey gehender.
Häscher.
Verschiedene Masquen.
Ballets:
Zwischen dem ersten Actus Entree von Amerikanern und einem
Europäer.
Zwischen dem zweyten Actus Entree von Matrosen.
Schluss Ballet von verschiedenen Masquen.
Den Beschluss macht ein gantz neues Nachspiel in Prosa
DIE BESCHWERLICHE MUTTER.
Personen:
Frau Argante.
Louise, ihre Tochter.
Henriette.
Leander.
Martin, dessen Bedienter.
Herr Bertrand.
494
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats wird heute [ohne Datum]
Die Ackermännische Gesellschafft deutscher Schauspieler auffuhren:
Ein von dem Herrn Prof. Geliert in Leipzig verfertigtes Lust-Spiel
in drey Handlungen:
DIE BETSCHWESTER.
Personen:
Frau Richardin, eine alte reiche Wittwe.
Christianchen, ihre Tochter.
Lorchen, ihre weitläufige Befreundin.
Simon, Christianchens Bräutigam.
Ferdinand, Simons Brautwerber.
Den Beschluss macht ein hier noch nie gesehenes, ganz neues,
aus dem Französischen des Herrn Dancourt übersetztes Lustspiel
von einem Aufzuge:
COLIN MAILLARD, Die blinde Kuh.
Personen:
Robinot, der Angeliqve Vormund.
Brillard, Robinots Muhme.
Angeliqve.
Claudine, Mathurins Braut.
Mathurin, Robinots Gärtner.
Eraste, der Angeliqve Liebhaber.
Lepine, Erastens Diener.
Der Amtmann, Robinots Vetter.
Bauern und Bäuerinnen, welche tanzen.
Nachricht.
Dieses ist eines der schönsten und lustigsten Nachspiele, so wir
auf dem Theater haben; es hat sich in Leipzig grossen Beyfall er¬
worben, und es ist ganz sicher, dass es an allen Orten gefallen muss,
weil das Scherzhafte auf jeden Ort passt und das blinde Kuhspiel
fast in ganz Deutschland bekannt und Mode ist. Zum Beschluss
dieses Stückes werden einige mit dem Stücke verbundene Ballets
getantzt, und zuletzt schliesst es sich mit einer musikalischen Be¬
lustigung. Wir versprechen uns also einen zahlreichen Zuspruch.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen Magistrats werden heute
Donnerstag den 13. Octoher 1757
Die Französische Pantomimische Kinder unter Anführung des
Mons. Sebastiani, mit ausserlesener Musique, eine aus vielen
Decorationen und Veränderungen bestehende Pantomime in
dreyen Aufzügen aufführen, genannt:
ARLEQUIN FUGITIF, Oder: Der flüchtige Arlequin.
Nebst einem lustigen und grossen Ballet von 16 Persohnen, betitult :
Die lustige Bauern - Hoch zeit.
495 —
NE. Der gänzliche Inhalt dieser Pantomime, nebst allen
Vorstellungen und Verwandlungen ist bey der Entre für einen Batzen
zu haben.
Zu mehrerem Vergnügen wird zum Nachspiel folgen
Ein aus dem Französischen des Herrn Cerou übersetztes Lustspiel,
Genannt :
L’AMANT AUTEUR & VALET.
Der Liebhaber als Diener und Schriftsteller.
Der Schauplatz ist auf dem Rossmarckte und wird mit dem
Schlage halb 6 Uhr geöffnet, die Person zahlet auf die Gallerie
1 Gulden, Partere 30 Kreuzer, und auf den zweyten 15 Kreuzer,
und den letzten 8 Kreuzer.
NB. Wer Belieben trägt vorhero Billets zu lösen, kan solche
bey dem Directeur in des Hrn. Scheideis Behausung an der Allee
erhalten.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hoch-Edlen und Hoch- Weisen
Magistrats werden heute Montags den 24. October 1757
Die Frantzösische Kinder unter der Direction des Herrn Sebastiani,
Auf dem Ackermännischen Schauplatze vorstellen:
Eine neue und ungemein lustige Pantomime, genannt:
LE DIABLE BOITEUX, Der krumme Teufel,
Oder: Die höllische Pfau-Feder.
In dieser Pantomime, welche sich von selbst loben wird, sind
die Haupt- Verwandel ungen und Auszierungen folgende:
Harlekin wird in einen Mühlgraben geworfen, und gehet mit
dem Mühlrade herum; das Wasser im Graben wird zu Feuer, und
endlich verwandelt sich die Mühle in einen Elephanten, auf welchem
Harlekin davon reitet.
Harlekin wird in einer Pastetenbeckerey ertappt, Gliederweiss
zerschnitten und in den Backofen geschoben, aus welchem er lebendig
wieder heraus kömmt.
Harlekin wird aus einer Canone in die Luft geschossen; er
macht Colombinen unsichtbar, und nimmt sonsten sehr lustige Streiche
mit dem Pierot vor, welche hier anzuführen, der Raum nicht ver-
stattet; genug, man ist versichert, dass diese Pantomime Bey fall
finden wird, zumal wenn ein zahlreiches Auditorium den Muth der
Kinder vermehret, und deren Directorem in Stand setzet, auf neue
Maschinen das Behörige zu verwenden.
Nach einer jeden Handlung führen die Kinder ein lustiges
Ballet auf.
Den völligen Beschluss macht ein grosses Ballet, betitult:
DIE ERNDTE, Oder: Der Sommer.
Der Schauplatz ist auf dem Rossmarckt, und wird mit dem
Schlage 6 Uhr geöffnet, die Person zahlet auf den Logen 1 Gulden,
496
auf dem Parterre 30 Kreutzer, auf dem zweyten Platz 16 Kreutzer,
und auf dem dritten 8 Kreutzer.
NB. Die Billets sind bey dem Directeur im goldenen Brunnen
täglich bis um 2 Uhr Nachmittags zu haben.
Der Inhalt und alle Torstellungen dieser ungemein lustigen
Pantomime ist in einem Büchlein zu lesen, das bey der Entree vor
vier Kreutzer zu haben ist,
Nachricht.
In dem Comödienhause auf dem Rossmarkt ist ein feiner Stein
aus einem Ringe, ingleichen ein in Silber gefasstes Augen-Glas ge¬
funden worden; wem nun eines oder das andre zugehörig und wer
sich dazu legitimiren kann, der behebe sich bey dem Director der
französischen Kinder im goldenen Brunnen an der Hauptwache zu
melden, der beydes mit Vergnügen aushändigen wird.
XIII.
Auszug aus dein Repertoire der französischen Komödianten während der
Besetzung Frankfurts im siebenjährigen Kriege.
Par Permission de Monseigneur le Duc de Broglio et de Messieurs
les Magistrats de la Ville libre de Francfort les comediens de sa Mayeste
Tres-Chretienne le Roi de France
Donneront aujourd’hui Yendredy 31. Aoüt 1759,
LE DISTRAIT,
Comedie en vers et en 5 Actes de Mr. Regnard, suivie des Ensorceles
Opera Comique en un Acte.
On commencera ä 5 heures presises on paiera aux premieres Loges
et Amphitheätre un florin, au Parquet 40 Kreutzer.
C’est ä la grande Sähe du Concert aux Junghof.
Monsieur Bacher demeurant chez le Menuisier Artz dernier. le Schlim-
mauer chez lequelle on peut avoir le Billet du matin jusqu’ä
trois heures l’apres midi.
Mit Erlaubniss Sr. Excellenz des Herzogs von Broglio , und eines
Hochlöblichen Magistrates der Kayserlichen Freyen Reichs- Wahl-
und Handels-Stadt Frankfurt werden heute, Frey tags den 31. August
1759, die französiche Schauspieler des allerchristlichsten Königs von
Frankreich auf ihrem Schau-Platze aufführen:
DEN ZERSTREUETEN MENSCHEN,
ein Lustspiel in Versen und 5 Aufzügen, vom Herrn Regnard.
Hierauf folget:
DIE BEZAUBERTEN,
eine komische Opera von einem Aufzuge.
Der Anfang ist präcise um 5 Uhr, die Person zahlt auf den
ersten Logen und Amphitheater 1 Gulden, auf dem zweyten Platz
40 Kreutzer.
497
Der Schauplatz ist in dem grossen Concert-Saale zum Junghof.
Wer Billets verlanget, beliebe solche bei Herrn Bacher ab¬
zuholen, der an der Schlimmauer bey dem Schreiner-Meister Arzt
wohnet, und von Morgens bis um 3 Uhr Nachmittags anzutreffen ist.
Dieselben werden Mittwochs den 12 September 1759 aufführen:
CRISPIN DER ARTZT,
ein Lustspiel des Hauteroche in drey Aufzügen.
Hierauf folget:
DAS BÜRGERLICHE FRAUENZIMMER NACH DER MODE,
oder :
Die Dorff-Lustbarkeit,
ein Lustspiel von drey Aufzügen von Dancourt.
Den völligen Beschluss macht ein Ballet. Man wird in kurtzem
die neue Welt vorstellen.
Dieselben werden Samstags den 17. November 1759 aufführen:
eine zweyte Vorstellung vom
WAHRSAGER AUF DEM DORFE,
Eine Schäfer-Opera vom Herrn Rousseau, mit allen Annehmlichkeiten
ausgeschmückt; in selbiger wird ein neuer Acteur, der hier noch
nie gespielet, auftreten und den Collin vorstellen.
Vorher wird die kleine Comödie des Herrn Merville gespielet:
DIE ERZWUNGENE EINWILLIGUNG.
Man wird in Kurtzem die Gräfin von Hoffarth aufführen.
Morgen wird ein grosser und masquirter Bai gehalten.
Dieselben werden Samstags den 26. Januarii 1760 aufführen:
DEN GEITZIGEN.
Ein Prosaisches Lustspiel in 5 Aufzügen vom Herrn Moliere.
Hierauf folget:
Ein extra grosses pantomimisches Ballet.
Morgen Abends 11 Uhr ist ein grösser masquirter Bai.
Dieselben werden Donnerstags den 28. Februarii 1760 aufführen:
DIE DREI BAASEN,
ein Lust-Spiel in drey Aufzügen von Dancourt, mit drey
Zwischen-Spielen, Gesängen und Täntzen.
Vor demselben wird aufgeführt das lustige Stück des Herrn Regnard:
Geh und warte auf mich unter dem Ilmenbaum.
Man wird ehestens die Heldin Semiramis vorstellen.
Dieselben werden Dienstags den 4. Mertz 1760 aufführen:
AMPHITRION,
ein Lustspiel in drey Aufzügen von Herrn von Moliere.
Vor diesem Stücke ist eine Vorrede. Hierauf folget:
32
498
DAS FFST DER LIEBE,
ein kleines Stück von Madame Favart, mit feinen Auszierungen.
Man wird ehestens die Heldin Semiramis aufführen.
Dieselben werden den 5. März 1760 aufführen:
DIE FALSCHE VERTRAULICHKEIT,
Ein Lustspiel in drey Aufzügen, vom neuen Ital. Theater.
Hierauf folget:
DIE WUNDERLICHE FAMILIE,
Ein kleines Stück in einem Aufzuge vom Herrn le Grand.
Den völligen Beschluss macht ein Ballet.
Man wird ehestens die Heldin Semiramis aufführen.
Dieselben werden Mittwochs den 12. Mertz 1760 auf ihrem
Schauplatze aufführen: die erste Vorstellung von
DER HELDIN SEMIRAMIS,
ein Trauer-Spiel vom Herrn von Voltaire, mit allerhand extra
schönen neuen Zierrathen ausgeschmücket.
Dieselben werden Montags den 14. April 1760 aufführen:
DIE VEREINIGTE LIEBHABER,
ein Lustspiel in 3 Aufzügen vom neuen Italienischen Theater.
Hierauf folget:
Harlekin Hu 11a, oder Der Kebsmann,
ein kleines Stück vom nemlichen Theater, mit feinen Auszierungen.
Man wird ehestens Bayaz et, ein Trauerspiel von Racine aufführen.
Dieselben werden Mittwochs den 16. April 1760 aufführen:
DIE MORGEN-STUNDE,
ein grosses neues Pantomimisches Ballet. Diesem Stücke gehet vor:
Die Überraschung der französischen Liehe,
ein Lustspiel in drey Aufzügen vom Herrn von Mariveaux.
In Erwartung des Bajazet, die Fastnachts-Possen der
undankbaren Söhne.
Dieselben werden Samstags den 19. April 1760 aufführen:
DIE DOPPELTE UNBESTÄNDIGKEIT,
ein Lustspiel in drey Aufzügen vom neuen Italienischen Theater.
Hierauf folget:
Die gebieterische Magd.
Dieses Stück wird von einer neuen Actrice, welche
hier durchreisset, aufgeführet.
Den völligen Beschluss macht die Morgen-Stunde. Dieses Panto¬
mimische Ballet ist nochmahlen begehrt worden. In Erwartung des
Bajazet, die Fastnachts-Possen der undankbaren Söhne.
499
Dieselben werden Dienstags den 20. May 1760 aufführen:
DIE TAUSCHER, oder WECHSELER,
eine lustige Opera, Diesem Stücke gehet vor:
Die kleine Schule der Mütter,
ein klein Lustspiel vom Italienischen Theater, vom Herrn von Mariveaux,
und Die wunderliche Familie,
ein Lustspiel in Versen vom Herrn le Grand.
In Erwartung ehestens die Portraits nach der Mode.
Dieselben werden Mittwochs den 21. May 1760 aufführen:
DEN VERLORENEN SOHN,
ein Lust-Spiel in fünff Aufzügen vom Herrn von Voltaire.
Hierauf folget: Die ausschweifende Familie,
ein Lust-Spiel in einem Aufzuge vom Herrn le Grand.
In Erwartung ehestens die Portraits nach der Mode.
Dieselben werden Dienstags den 8. Juli 1760 aufführen:
DEN VERSCHWENDER,
ein Lustspiel in fünf Aufzügen vom Herrn Nericault Destouches.
Hierauf folget: die erste Vorstellung von
Der Liebe des Teuffels,
ein Lustspiel in einem Aufzuge vom Herrn le Grand, mit feinen
Auszierungen, Gesängen und Täntzen.
Dieselben werden Donnerstags den 10. Juli 1760 aufführen:
ESOPUS IN DER STADT,
ein Lustspiel in fünf Aufzügen und Versen vom Herrn Bourseault.
Hierauf folget ein Pantomimisches Ballet.
Man wird ehestens die Weltweisen aufführen, ein neues Lustspiel in
Versen und drey Aufzügen vom Herrn Pallettot. [Palissot.]
Dieselben werden Donnerstags den 9. October 1760 aufführen:
DIE GRÄFIN VON HOCHMUTH,
ein Lustspiel in Versen und fünf Aufzügen vom Herrn Thomas Corneille.
Hierauf folget: Die Liebe von Bucephale, ein Trauer- Spiel in
einem Aufzuge und Versen. Ehestens wird man die Menschen, ein
Lustspiel-Ballet und den geneigten Nebenbuhler aufführen.
Dieselben werden Samstags den 28. Februarii 1761 aufführen:
DIE WERBER,
eine comische Opera in einem Aufzuge. Diesem Stücke gehet vor:
Die Menechmer, oder: Die Zwillings-Brüder,
ein Lustspiel in fünf Aufzügen vom Herrn Regnard.
Dieselben werden Mittwochs den 19. May 1762 aufführen:
DEN LISTIGEN ADVOCATEN,
ein Prosaisches Lustpiel in drey Aufzügen, vom Herrn Palaprat. Diesem
gehet vor: Harlequin der Wilde, eine Lustspiel in drei Aufzügen,
vom neuen Italiänischen Theater. Man wird ehestens den Marschall,
eine beliebte Opera, aufführen.
32*
500
Dieselben werden heute Montags den 24. May 1762 aufführen:
NINETTE AN DEM HOFE,
eine beliebte Opera in zwey Aufzügen. Diesem gehet vor: Die
läq her liehe und gezwungene Frauenzimmer, ein Lust¬
spiel in einem Aufzuge, vom Herrn Moliere.
Dieselben werden Dienstags den 12. October 1762 aufführen:
DAS GELEHRTE FRAUENZIMMER,
ein Lustspiel in Versen und fünf Aufzügen, vom Herrn Moliere.
Hierauf folget: Das übelzugerichtete Nachtessen, ein kleines
Lustspiel in Versen, von Hautroche.
Die Ackermannische Gesellschaft deutscher Schauspieler wird heute
Dienstags den 29. Junii 1762 aufführen:
IPHIGENIA,
ein Trauer-Spiel in Versen, aus dem Französischen des Racine übersetzt.
Hierauf folget ein Pantomimisches Ballet: Die verliebten Böt-
t i g e r. Zwischen den Aufzügen der Tragedie werden unsere Täntzer
mit einem Pas de trois von venetianischen Gondeliers, und ein
Pas de deux aufwarten.
XIV.
Nicht ganz vollständiges Repertoire der französischen Komödianten unter
Direktion von Claude Barizon 1764.
Par Permission de Messieurs les Magistrats de la Ville Libre
et Imperiale de Francfort,
Les Comediens Francis donneront aujourd’hui Samedy 3. Mars 1764:
LA MERE CONFIDENTE,
Comedie en prose, et en trois Actes de Mr. Marivaux.
Cette Piece sera suivie:
DES PRECIEUSES RIDICULES,
Comedie en prose, et en un Acte, de Mr. Moliere.
En attendant les Ballets du celebre Monsr. Pitröt.
On commencera ä 6 heures precises.
On prendra 6 Livres aux premieres Loges, Parquet Noble trois
Livres, secondes Loges un florin.
C’est ä la grande Salle du Concert au Junghof.
Ceux qui souhaiteront des Billets pourront envoyer au petit Ange
d’or au Gelnhäusser-Gass, Lettre H. Nro. 117.
On les delivrera depuis huit heures du matin jusqu’ä midi, et
depuis trois heures jusqu’ä cinq du soir.
Mit Bewilligung Eines Hoch-Edlen Magistrats der Kayserlichen freyen
Reichs-Stadt Franckfurt werden heute Samstags den 3. Märtz 1764
Die Französische Schauspieler auf ihrem Schau-Platze aufführen:
501
DIE VERTRAUTE MUTTER,
Ein Prosaisches Lustspiel in drey Aufzügen, von Herrn Marivaux.
Nach diesem Stücke folgen:
Die lächerliche und gezwungene Frauenzimmer,
Ein Prosaisches Lustspiel in einem Aufzuge, vom Hrn. Moliere.
Man wird ehestens ein extra schönes Ballet vom Herrn Pitrot
aufführen.
Der Anfang ist präcise um 6 Uhr. Die Person zahlet auf der ersten
Loge 6 Livres, Parquet Noble einen kleinen Thaler, auf der zweyten
Loge einen Gulden.
Der Schauplatz ist in dem grossen Concert- Saale zum Junghof.
Die Billets können nach Belieben im kleinen goldenen Engel in der
Gelnhäusser-Gass Litt. H. Nro. 117 von 8 bis Mittags, und von
Nachmittags bis Abends abgelangt werden.
Dieselben werden Donnerstags den 8. Märtz 1764 aufführen:
DIE SPIELE DER LIEBE UND DES ZUFALLS,
Ein Prosaisches Lustspiel in drey Aufzügen, vom Italienischen
Theater, vom Herrn Marivaux.
Hierauf folget: Sinnreiches Bedenken des Feldzugs,
Ein Stück von einem Aufzuge, vom Herrn Poisson.
Man wird ehestens ein extra schönes Ballet vom Herrn Pitrot
aufführen.
Freytags den 9. Märtz 1764 werden dieselben aufführen:
DEN ZERSTREUTEN,
Ein Lustspiel in fünf Aufzügen und Versen, vom Herrn Regnard.
Hierauf folgen : Die drey Brüder und Nebenbuhler,
Ein Lustspiel in Versen und einem Aufzuge, vom Herrn la Font.
Man wird ehestens ein extra schönes Ballet vom Herrn Pitrot
aufführen.
Dieselben werden Donnerstags den 15. Mertz 1764
einen GROSSEN BALL abhalten.
Der Anfang ist Abends um 10 Uhr.
Die Person zahlt 6 Livres, oder einen grossen französischen Thaler.
Beym Eingang wird sich jemand befinden, welcher das
Seydengewehr und die Stöcke in Verwahrung nehmen wird.
Der Platz ist der Concert-Saal im Junghof.
Dieselben werden Freytags den 16. Mertz 1764 aufführen:
DIE THORHEITEN DER LIEBE,
Ein Lustspiel in drey Aufzügen, vom Herrn Regnard.
Es wird in selbigem Herr Doismont, welcher niemalen die
Schaubühne betreten, die Person des Crispins präsentiren.
502
Hierauf folget : Der Buhler, Autor und Diener,
Ein Lustspiel in einem Aufzug.
Herr Töski, erster Musicus auf der Yiolon Ihro Churfürstl. Durchl.
von der Pfalz, wird sich zwischen beyden Stücken mit einem Concert
seiner eignen Componirung hören lassen.
Nächster Tagen wird ein extra schönes Ballet vom Herrn Pitrot
aufgeführet werden.
Der Saal wird durchaus eingeheitzet.
Dieselben werden Samstags den 17. Mertz 1764 aufführen :
DER VERLIEBTE DEMOCRIT,
Ein Lustspiel in Versen und fünf Aufzügen vom Herrn Regnard.
Hierauf folget : Der Versuch,
Ein Lustspiel in Prosa, in einem Aufzug.
Herr Marmetti, Bassist, in Diensten Ihro Hochfiirstl. Durchl. zu
Hessen -Darmstadt, wird sich zwischen beyden Stücken mit einem
Concert seiner eignen Componirung hören lassen.
Nächster Tagen wird ein extra schönes Ballet vom Herrn Pitrot
aufgeführet werden.
Der Saal ist durchaus eingeheitzet.
Dieselben werden Sonntags den 18. Mertz 1764 aufführen die erste
Vorstellung:
DES GROSMÜTHIGEN SULTANS,
Oder: Die in den Serail eingeführten Galanen,
Ballet einer Helden-Pantomime, des berühmten Herrn Pitrot, mit
verschiedenen Veränderungen der Auszierungen, unter andern einer
sehr kostbaren, welche einen mit Säulen besetzten Gang eines Palastes
präsentiret, und von der Erfindung des berühmten Künstlers Quaglio,
Baumeisters Ihro Churfürstl. Durchl. von der Pfaltz, ist. Die Klei¬
dungen des Costüme zum Ballet sind unter der Aufsicht des Herrn
Renoudin, Königl. Französischen Hof-Schneiders, verfertigt worden.
Die ausserordentlichen Unkosten dieses Ballets haben den Directeur
genöthigt, den Preis zu erhöhen.
Vor dem Ballet wird aufgeführt: DER ZÄNKER,
Ein Lustspiel in drey Aufzügen, von Herrn Bruys.
Herr Schetky, erster Musicus auf der Violincelle I. H. Durchl. des
Herrn Landgrafens zu Hessen-Darmstadt, wird ein Concert seiner
eigenen Componirung aufführen.
Heute wird ein groser Ball gehalten, der Abends um zehen Uhr
seinen Anfang nimmt.
Am Dienstag den 20. und am Mittwoch den 21. Mertz 1764
Wiederholung der Helden-Pantomime :
DER GROSSMÜTHIGE SULTAN etc.
503
Vor dem Ballet wird auffgeführet :
Der Testaments-Erbe,
ein Lustspiel in Yersen, in fünf Aufzügen, von Herrn Regnard.
In Erwartung der Hannichen und Lubins, Zwischenspiel.
Herr Götzel, erster Musikus auf der Flute Sr. Königl. Maj. in Pohlen,
wird ein fürtrefflich Concert aufführen.
Dieselben werden Donnerstags den 22. Mertz 1764 einen grossen
Ball in dem Concert-Saal im Junghof abhalten.
Der Anfang ist Abends um zehn Uhr. Die Person zahlt 6 Livres,
oder einen grossen französischen Thaler. Niemand wird mit Stock
oder Seitengewehr eingelassen.
Morgen folgt Hannichen und L u b i n. Zwischenspiel.
Dieselben werden heute, Frey tags den 23. Mertz 1764, aufführen
die erste Vorstellung von :
HANNICHEN UND LUBIN,
ein musikalisches Zwischenspiel, welchem vorangehet: Der Franzos
zu London, ein Prosaisches Lustspiel in einem Aufzuge, vom Herrn
Boissi. In diesem Stücke wird der Herr Doismond die Role des
Milords Houzei vorstellen. Den völligen Beschluss macht die vierte
Vorstellung: Des gr ossmüthigen Sultans, oder Die in das
Serail eingeführten Galanen etc. Man wird ehestens Zaire
aufführen.
Dieselben werden Samstags den 24. Mertz 1764 aufführen:
DIE HERRSCHSÜCHTIGE MAGD,
eine kurtzweilige Opera, Parodie des Italiänischen Zwischenspiels
La Serva Padrona, demselben gehet vorher : Die Weiber-
Schule, ein Lustspiel in V ersen und fünf Aufzügen von Herrn
Moliere. Den völligen Beschluss macht die letzte Vorstellung:
Des grosmüthigen Sultans oder:
Die in das Serail ein geführte Galanen etc.,
Ballet einer Helden-Pantomime des berühmten Herrn Pitrot. Herr
Töski, erster Musikus auf der Violin Ihro Churfürstl. Durchlaucht
von der Pfalz, wird ein Concert seiner eigenen Componirung, auf
der Viole d’Amour aufführen.
Man wird ehestens Zaire aufführen.
Dieselben werden Sonntag den 25. Mertz 1764 aufführen:
ZAIRE,
ein Trauerspiel in fünf Aufzügen von Herrn von Voltaire. Es ist
dasselbige Stück von verschiedenen Standes-Personen nochmalen
verlanget worden. Nächstens wird man eine kurtzweilige
Opera aufführen, betitelt:
504
DER HUF-SCHMIEDT.
Herr Marmetti, erster Bassist an dem Etirstl. Darmstädtischen Hofe,
wird nach dem Haupt-Actn ein Concert seiner eigenen
Componirung spielen.
Heute wird ein grosser Ball abgehalten, der Abends
um eilf Uhr seinen Anfang nimmt.
Montags den 26. Mertz 1764 werden dieselben die zweyte Vorstellung
aufführen :
DER HANNICHEN UND LUBINS,
ein musikalisches Zwischenspiel. Vor demselben wird aufgeführt:
MELANIDE, ein Lustspiel in Versen, in fünf Aufzügen, von Herrn
Nivelle de la Chaussee. Zwischen beyden Stücken wird man
mit einem schönen Concert aufwarten.
Nächstens wird ein Ballet folgen, betitult: Hamadriade.
Dieselben werden Dienstags den 27. Mertz 1764 aufführen :
DER GALANTE LÄUFFER,
Von Herrn le Grand. Nach selbigem folget: B astien und Bastienne,
ein musikalisches Zwischenspiel : und Der grosmüthige Sultan
oder Die in das Serrail eingeführten Galanen etc.
Ballet einer Helden-Pantomime des berühmten Herrn Pitrot. Zwischen
obbemeldeteu Stücken wird Madame Auvray auf dem Clavier
ein Concert spielen.
Heute wird ein grosser Ball gehalten, der Abends eilf Uhr seinen
Anfang nimmt.
Heute, Donnerstags den 29. Mertz 1764 werden dieselben
zur Aufführung bringen :
CENIE,
ein Lustspiel in Prosa und fünf Aufzügen, von Mad. Grafigny.
Hierauf folget: Der Zank der Waldgötter und
der Schäfer um die Hamadriaden.
Ballet einer Helden-Pantomime des herühmten Herrn Pitrot.
Es ist dasselbige mit den Kleidungen des Costüme, welche unter der
Aufsicht des Herrn Renaudin, König], Franz. Hofschneiders, verfertigt
worden, annebst gantz neue Auszierungen von der Erfindung und
Verfertigung des berühmten Künstlers Quaglio, Baumeisters Ihro
Churfürstl. Durchl. von der Pfaltz, ausgeschmücket. Zwischen denen
Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert aufwarten.
Dieselben werden Freytags den 30. Mertz 1764 aufführen:
DER GLÜCKS-MANN,
ein Lustspiel in Prosa und fünf Aufzügen, von Baron.
Hierauf folget die zweyte Vorstellung:
Der Zanck der Waldgötter und der Schäfer um die
H am a driad en.
Zum Schluss ein Ball, der um eilf Uhr seinen Anfang nimmt
— f>05 —
Samstags den 31. Mertz 1764 Wiederholung:
DES GROSSMÜTHIGEN SULTANS
Oder: Die in den Serail eingeführten Galanen,
vor demselben wird anfgeführet : Der Spieler, ein Lustspiel in
Versen und fünf Aufzügen, von Herrn Regnard.
Zwischen denen Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert
aufwarten.
Dieselben werden Sonntag den 1. April 1764 aufführen:
DER PHILOSOPH VOM LAND,
ein musikalisches Zwischenspiel. Auf dasselbe folget:
Der Zanck der Waldgötter und der Schäfer um die
Hamadriaden.
[Die Vorstellungen vom 1.— 8. April wurden in dem grossen
Komödienhaus in den kleinen Allee, der sogenannten Welschen Opern¬
hütte von den französischen und italienischen Schauspielern
gemeinsam abgehalten.]
Dieselben werden Montags den 2. April 1764 abermals aufführen:
HANNICHEN UND LUB1N,
Zwischenspiel von einem Aufzug, von Herrn Favart. Auf selbiges
folgt: Die drev Buckelichten, Zwischenspiel von zwey Aufzügen.
Den völligen Beschluss macht das Ballet: Der Zanck der Wald¬
götter und der Schäfer um die Hamadriaden.
Zwischen denen Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert
aufwarten.
Heute, Dienstags am 3. April 1764, werden dieselben aufführen:
DER GALANTE MERCUR,
ein Lustspiel in Versen und vier Aufzügen, von Herrn Boursault.
Hierauf folget : Die drey Buckelichten, Zwischenspiel von zwey
Aufzügen, annebst zwei Balletten.
Zwischen denen Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert
aufwarten.
Heute wird ein grosser Ball gehalten in dem Concert-Saal im Junghof,
welcher Abends um 11 Uhr anfängt.
Dieselben werden heute, Mittwochs den 4. April 1764, aufführen:
DER PHILOSOPH VOM LAND,
eine kurtzweilige Opera, vorgestellt von den Italienischen Sängern.
Hierauf folget Der Zanck der Wal dgötter und der Schäfer
um die Hamadriaden.
Donnerstags den 5. April 1764 werden dieselben aufführen:
HARLEQUIN HERR UND DIENER,
ein Prosaisches Lustspiel von drey Aufzügen. In selbigem wird
506
Herr Desforges, Comödiant Ihro Hochfürstl. Durchl. des Herrn Land¬
grafen zu Hessen-Cassel, den Harlequin vorstellen, darauf folget:
Hie Böhmin,
eine kurtzweilige Opera von zweven Aufzügen. Mlle. Vincent,
berühmte Actrice des französischen Schauspiels, wird in selbiger die
Böhmin präsentiren; und Herr Boisemond wird sich als Calcant zeigen.
Den völligen Beschluss macht die letzte Vorstellung:
Der Zanck der Waldgötter und der Schäfer um die
Hamadriaden.
Dieselben werden Freytags den 6. April 1764 aufführen:
DER BETRÜGER,
ein Lustpiel in Versen und drey Aufzügen. Hierauf folget:
Die herrschsüchtige Magd,
eine kurtzweilige Opera von zweyen Aufzügen. Mlle. Vincent,
berühmte Atrice des französischen Schauspiels, wird in selbiger die'
Zerbine präsentiren. Den völligen Beschluss macht: Der gross-
müthige Sultan, oder Die in den Serrail eingeführten
G a 1 an en , Ballet einer Helden-Pantomime des berühmten Herrn Pitrot.
In Erwartung Thelemacks auf der Insul Calipso. Zwischen denen
Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert aufwarten.
Dieselben worden Samstags den 7. April 1764 aufführen :
DER JAHRMARKT ZU MALMANTILLE,
eine kurtzweilige Opera, von den Italiänischen Sängern vorgestellet.
Den völligen Beschluss macht: Der Grosmüthige Sultan etc.
In Erwartung Thelemacks auf der Insul Calipso.
Dieselben werden heute Sonntags den 8. April 1764 aufführen:
CRISPIN, NEBENBUHLER SEINES HERRN,
ein Prosaisches Lustspiel des französischen Theatres. Hierauf folgt:
Die herrsch süchtige Magd,
den völligen Beschluss macht: Der grosmüthige Sultan etc.
Heute wird ein grosser Ball gehalten, in dem Concert-Saal
im Junghof, welcher Abends 11 Uhr anfängt.
Die Französischen Schauspieler, welche anjetzo von denen Italienern
abgesondert sind, werden Montags den 9. April auf ihrem alten
Schauplatz im Junghof aufführen:
HANNICHEN UND LUBIN,
ein Französches Zwischenspiel, welches von Hohen Adelichen Per¬
sonen ist verlanget worden. Demselben gehet vorher:
Sinnreiches Bedenken des Feldzugs,
ein Lustspiel in Versen, von Herrn Poisson.
Den Beschluss macht das Ballet:
Der Zanck der Waldgötter und der Schäfer und die Hamadriaden.
507
Dieselben werden Dienstags den 10. April 1764 aufführen:
DAS ÜBEL VERWAHRTE MÄDGEN,
eine kurtzweilige Opera, von einem Aufzug, in welcher die Music
von Herrn Dossi ist. Demselben gehet vorher: Die Ziegeunerin,
eine kurtzweilige Opera, von zweyen Aufzügen, es ist dieselbe ver¬
langt worden. In denen beyden Zwischenspielen wird Mlle. Vincent
die Haupt-Rollen aufführen. Den völligen Beschluss macht wiederum
Der Grosmüthige Sultan ect.
Morgen folgt: Ni nette am Hof, und das neue Ballet:
Telemaque auf der Insul Calipso.
Herrn Götzel Königl. Pohlnischer Hof-Musicus wird sich zwischen
denen Stücken auf der Flöte hören lassen.
Mittwochs den 11. April 1764 wird von denselben aufgeführet :
TELEMAQUE AUF DER INSUL CALIPSO
Ballet einer Helden-Pantomime des berühmten Herrn Pitrot, Es ist
dasselbe mit den Kleidungen des Costume, welche unter der Auf¬
sicht des Herrn Renaudin, Königl. Franz. Hofschneiders, verfertigt
worden, annebst gantz neuen Auszierungen von der Erfindung und
fertigung des berühmten Künstlers Quaglio, Baumeisters Ihro Churf.
Durch! von der Pfalz, ausgeschmücket. Demselben gehet vorher :
Die Men echmen,
ein Lustspiel in Versen und fünf Aufzügen, vom Herrn Regnard.
Zwischen denen Stücken wird man mit einem fürtrefflichen Concert
auf warten.
Dieselben werden Donnerstags den 12. April 1764 aufführen:
DIE OHNVERMUTHETE VERHINDERUNG,
oder: Die Hindernis ohne Hindernis,
ein Prosaisches Lustspiel, in fünf Aufzügen, vom Herrn Destouches.
Hierauf folgt die zweyte Vorstellung von
Telemaque auf der Insul Calipso,
Ballet einer Helden-Pantomime des berühmten Herrn Pitrot.
Berechnung mein an den Directeur der Frantzösischen Comedie
Sieur Barizon und dessen Voräthig Debit Massa habende Forderung
betretend und Verhält es sich mit solcher folgender Maassen
Heute dato den 1. December 1767.
1764 , Soll
d. 3. Mertz. Vor eine bey erstrer geflohnen Aberechnung
heute dato gehaltne aber nicht bezahlte Comedie 46. 48
d. 8. Mertz. Vor die heute dato gehaltne ohnbezahlte Comedie 46. 48
d. 9. Mertz. Vor eben eine dergleichen . 46. 48
d. 23. Mertz. Laut eines unter heutigem dato ausgestellten
Wechsels vor Saal u. Magazin Miethe nach
Abzug obiger drey Comedien . 750. 45
508
d, 24, Mertz. Vor eine Theatralische Vorstellung .... 46. 48
d. 25, huj. Vor eine dergleichen und Ball . 147. 48
eod. Vor 1 Monath Miethe von 5 douc. Stühle . 22. —
d. 26. huj. Vor 1 Theatralische Vorstellung . 46. 48
d. 27. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 29. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 46. 48
d. 30. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 31. huj. Vor 1 dergleichen . 46. 48
d. 1. April. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
eod. 1 Monath anticip: zu entrichtende Magz. Miethe 18. 20
d. 2. huj. Vor 1 Theatralische Vorstellung . 46. 48
d. 3. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 4. huj. Vor 1 dergleichen . 46. 48
d. 5. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 6. huj. Vor 1 dergleichen . 46. 48
d. 7. huj. Vor 1 dergleichen . 46. 48
d. 8. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 9. huj. Vor 1 dergleichen und Ball . 147. 48
d. 10. huj. Vor 1 dergleichen . 46. 48
d. 11. huj. Vor 1 dergleichen so Meinen Ball so ohne
denen gedruckten Comedien Zetulen einzu¬
verleihen gehalten worden L. M. Uebereinkunft 107. 18
d. 12. huj. Vor 1 dergleichen und kleinen Ball . . . 107. 18
f. 2749. 41
d. 1. Dec. An 3 1j2 Jahr Magazin und Bodenzinss derer
1767 decorationes u. übrigen Theatral. effecten . . 175. —
eod. An 5 Monath.- Kellerzinss vom 4 May biss
4. Oct. 1764. L. M. Uebereinkunft mit Ms.
Barizon . . . . 40. —
eod. Vor transport derer decorationes aus dem Saal
in 1 der Magazins u. von da weiter auf 1 Boden 9. 38
eod. Vor den Grossen Cronenleuchter so zerbrochen
worden .............. 167. —
eod. L. R. des Glassers vor zerbrochnen Scheiben 9 20
L. R. des Maurers die ausgebrochne Mauer
an dem Theatro nebst denen Neben-Wänden
aufzumauren . . 42. —
eod. L. Rech, des Weissbinders die Decke zur Sey-
ten des Theatri wieder zu latten zu rohren
und zu Gippssen .......... 52. —
eod. L. Rech, des Zirnmer-Mans die ausgeschnittne
Balken an erwenter Decke nebst neben Wände
wieder zu hersteilen . . 38. —
f. 3282. 39.
509
soll haben
d. 24. Mertz. Durch den Empfenger haar bekommen . . 46. 48
d. 25. huj. Durch eben denselben . 46. 48
d. 1. April. Durch Hr. Barizon 20 Louisdor & 8 '/2 Ducat. 262. 30
d. 6. April. Noch durch eben denselben empfangen . . 220. —
d. 8. April. Die Einahme eines Balls erhalten .... 268. 45
d. 11. April. Durch den Empfenger baar . 44. —
d. 12. April. Durch eben denselben . 44. —
f. 932. 51
Das hierobenstehende Credit beleuft sich . . 3282. 39
Bleibt meine gerechthabene Fordrung nach
Abzug hierstehende 932. 51 . 2349. 48
F. M. v. Bieuenthal.
XY.
Ein Zettel von Johann Ludwig Ludwig.
Mit gnädiger Bewilligung Eines Hochedlen Magistrats
Der Kayserl. freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn werden heute
Mittwoch als den 16. May 1764 die allhier anwesende
Schau-Spieler Teutscher Comedien
ihren Schauplatz eröffnen, und darauf vorstellen :
Eine aus dem Französischen des berühmten Hrn. von Moliere
entlehnte, mit besondern Auszierungen und durchgehender
Lustbarkeit erfüllte Moralische Piece, betitelt:
LE FESTIN DE PIERRE,
Oder: Das Steinerne Todten-Gastmahl,
sonst genannt: Die im Grab annoch lebende Rache, oder aber
Die bis auf das höchste gestiegene, zuletzt aber übel angekommene
Kühn- und Frechheit des Don Jean, eines Spanischen Edelmanns,
Mit Hannsswurst, einen geplagten Bedienten, brutalen Stadt-
Commendanten, hungrigen Reissgefährten, lächerlichen Todtengräber
und furchtsamen Aufwärter bey denen Geistern.
NB. Es wird dabey ein sehenswürdiges Monument vorgestellet werden.
Hierauf folgt zu mehrerem Vergnügen eine der lustigsten
Nachcomödien , betitelt:
Frau Sibilla trinckt kein Wein.
Der Anfang ist präcise um halb 7 Uhr. Die Person zahlet auf
der lsten Loges einen Gulden. Auf den Isten Parterre 40 kr. Auf
dem 3ten Platz 24 kr. und auf den letzten Platz 12 kr.
Der Schauplatz ist auf der grosen Bockenheimer-Gass in der
Allee, in dem neuerbauten Comedien-Haus.
Man kan nach Belieben die Billets in dem Comedien-Haus von
Morgens 8 Uhr bis Nachmittags um 3 Uhr gefälligst abiangen lassen.
510
XYI.
Ein Zettel von Arnold Heinrich Porseh.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn
werden die allhier anwesende
Chur-Sächsische privilegirte Schau-Spieler
Heute Montags den 6. Octobris 1766
auf ihrem Schau-Platze aufführen : Ein grosses und schönes
Trauer-Spiel, welches die Stärcke der Poesie, der Leidenschafften und
der Action in der Vollkommenheit zeiget, betittult :
L’ORPHELIN DE LA CHINE,
Der Chinesische Wayse,
Oder: Der, für seinen Cron-Prinzen, sein eigenes Kind aufopfernde
grossmüthige Chineser,
Und die durch eine tugendhafte Chineserin überwundene Grausamkeit
eines tartarischen Helden.
Von Voltaire in Versen und 5 Aufzügen, übersetzt vom Principal.
Personen:
Zamti, ein Chinesischer Mandarin.
Idame, dessen Gemahlin.
Etan, 1 yt te
Aselli, | vemaiue-
Gengiskan, Tartarischer Kayser.
Octar,
Osmann,
Tartaren und Chineser.
Nachricht.
Dieses Stück hat das Glück gehabt, vor vielen Fürsten des
Reichs, insonderheit vor Seiner Churfürstl. Gnaden von Maynz, zum
höchsten Beyfall aufgeführt zu werden.
Den Beschluss macht eine neue Pantomime von Kindern.
Der Schauplatz ist im Junghof in dem gewöhnlichen Commö-
dien-Saal.
In denen Logen bezahlt die Person 1 fl. Eine gantze Loge zu
4 Personen 4 fl. Auf dem Amphitheatre 12 Batzen. Im Parterre
10 Batzen, und auf der Galerie 20 kr.
Der Anfang ist praecise um 6 Uhr.
Wer vorher Billets verlangt, beliebe solche bey Hrn. Arnold
Heinrich Porseh, Entrepreneur, im Junghof abholen zu lassen.
seine Eeldherrn.
511
XVII.
Drei vollständige und ein unvollständiger Zettel von Joseph v. Kurz.
Mit gnädigster Bewilligung Eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Wahl- Freien Reichs- und Handel-Stadt
Frankfurt wird heute unter der Direktion des Herrn Josephs von
Kurz, als Entrepreneur,
Die neu-erbaute Schaubühne eröffnet, und auf derselben aufführen :
Eine zwar uralte, weltbekannte, auch zum oftern vorgestellte,
und auf verschiedene Art schon gesehene
GROSSE MASCHINEN COMÖDIE,
Welche aber von uns heute auf solche Art soll aufgeführet werden,
dass es solchergestalten wohl schwerlich von andern Gesellschaften
wird seyn gesehen worden; genannt:
IN DOCTRINA INTERITUS
Oder Das lastervolle Leben und erschröckliche Ende des
Weltberühmten und jedermänniglich bekannten
Erzzauberers Doctoris Joannis Fausti,
Professoris Theologiae Wittenbergeusis.
Nach dem Sinnspruch:
Multi die stygia sine fronte palude jocantur,
Sed vereor fiat, ne jocus iste focus.
Das ist:
Wir pflegen von der Höll nur ein Geschäft zu machen,
Bis sich in Weinen kehrt ihr boshaft freches Lachen.
Mit Crispin, einem excludirten Studenten-Famulo, von Geistern übel
vexirter Reisender, geplagten Cammeraden des Mephistopheles, un¬
glücklichen Luftfahrer, lächerlichen Bezahler seiner Schuldner, natür¬
lichen Hexenmeister, und närrischen Nachtwächter.
Hier folgen die besonderen Auszierungen, Maschinen, Verwand¬
lungen und Vorstellungen:
1. Fausti gelehrte Dissertatio in seinem Musaeo, ob das Studium
Theologicum oder Nictromanticum zu erwählen.
2. Fausti merkwürdige Conjuration bey Nachtzeit in einem dunkeln
Wald, wobei verschiedene höllische Ungeheuer, Geister, Furien,
und unter diesen Mephistopheles bei Donner und Blitz er¬
scheinen.
3. Crispin hat in dem Zauberkreyss lächerliche Possen mit denen
Geistern.
4. Fausti besonderer Contract mit der Hölle, welchen eine Raab
aus der Luft abholet.
512
5. Crispin ans Vorwitz schlägt ein Buch in des Dr. Fausts Biblio-
theque auf, aus welchem kleine Teufel herauskommen.
6. Fausts Reise mit Mephistopheles durch die Luft.
7. Crispin erhält von Mephistopheles einen feurigen Goldregen.
8. Faust präsentiret an dem Hofe des Herzogens von Parma ver¬
schiedene sehenswürdige Vorstellungen aus der biblischen und
Profan -Historie, als nehmlich 1. wie Judith dem Holofernes im
Bett in seinem Gezelt das Haupt abschlägt. 2. Wie Delila dem
starken Simson seine Haarlocken beraubet, und die Philister
über Simson siegen. 3. Die Marter des Titius, dem die Raben
das Eingeweid aus dem Leib fressen. 4. Das Lager des Goliath,
welcher von dem kleinen David mit einem Stein aus einer
Schleuder überwunden wird. 5. Die Zerstörung Jerusalems,
welche gewiss gut in die Augen fallen soll.
9. Wird Faustus sich mit den Hofräthen vom Fürsten von Parma
belustigen und einem Hörner auf den Kopf zaubern.
10. Zeigt sich ein Freyhof oder Begräbnissort mit vielen Epytha-
phiis und Grabschriften. Faust will die Gebeine seines ver¬
storbenen Vaters aus der Erde graben und zu seiner Zauberey
missbrauchen, wird aber von dessen erscheinendem Geiste zur
Buse vermahnet.
11. Faust bekehrt sich, wird aber von Mephistopheles durch ver¬
schiedene Blendwerke abermals verführet, wobey sich der traurige
Begräbnissort in einen lustvollen Garten verwandelt.
12. Faust erkennet zu spät den höllischen Betrug, wobey sich der
angenehme Lustgarten in die offne Hölle verwandelt und der
verzweifelnde Faust von denen Furien, nach einer gebundenen
Verzweiflungsrede, unter Donner und Blitz, zur Hölle abge-
hohlet wird.
13. Wird ein Ballet von Furien
14. Wird Faustus von Mephistopheles unter einem Feuerwerk in
den Höllen-Rachen gezogen.
15. Machet ein grosses Feuerwerk das Ende.
Die Plätze sind wie gewöhnlich in ihrem Preis. Und der An¬
fang ist mit dem Schlag 6 Uhr.
NB. Auf das Theater wird niemand, weder bei der Probe, noch
während dem Schauspiel mit, oder ohne Geld, gelassen.
Mit gnädigster Bewilligung eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Wahl- Freien Reichs- und Handel-Stadt
Frankfurt am Mayn wird heute unter der Direktion des Herrn Josephs
von Kurz als Entrepreneur die neu-erbaute Schaubühne eröffnet
und auf derselben wiederholen das ganz neue hie zum erstenmahl
vorgestellete Lust-Spiel in ungebundener Rede, und fünf Aufzügen.
513
Betitelt :
MINNA VON BARNHELM
oder das Soldatenglück von Gotthold Ephraim Lessing.
Major von Teilheim, verabschiedet, .... Herr Waitzhoffer.
Minna von Barnhelm . Mdslle. Rischarin.
Graf von Bruchsaal, ihr Oheim . Herr Grünberg.
Franzika, ihr Mädchen . Mad. v. Kurz.
Just, Bedienter des Majors ....... Herr Koppe.
Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors Herr Bergopzoomer.
Ein Gastwirth . Herr Mayer.
Eine Dame in Trailer . Mad. Koppe.
Ein Feldjäger . Herr Pizl.
Darauf folget die mit vielem Beifall aufgeführte Pantomime mit
Maschinen, Dekorationen und Verwandlungen betittelt:
Arlequin, der wegen seiner Untreue aus dem Haus gestossene Diener.
Den gänzlichen Beschluss machetein darzu gehöriges Ballet genannt :
Die Hochzeit des Arlequin.
NB! NB! NB!
In den zwei letzten Vorstellungen des Fausts ist von uns irrig
in den Zettulu diesem Namen das praedicat Professor Theologiae bey-
gesetzet worden, indeme die Sache an sich selbst blos als eine thea¬
tralische Fabel aus dem Alterthum anzusehen, und wird solche aus
gnädigstem Befehl hiermit widerruffen, und wir erklären uns ganz
willig dabin. dass es in keiner Absicht jemahls unsere Meynung
gewesen diese Würde anzutasten, noch dieses Gedicht für eine Wahr¬
heit zu verkauften, sondern dadurch blos zu zeigen, wie sehr der
Geschmack der deutschen Bühne zu ihrer Ehre von den vorigen
Zeiten abgewichen.
Preis deren Plätze.
Logen im ersten und andern Rang ä 4 Personen 4 fl. Gallerien im
ersten und andern Rang die Person 1 fl., im Parterre die Person
10 Batzen, im dritten Rang die Person 8 Batzen, im vierten Rang
die Person 5 Batzen.
Der Eingang in das Theater von der Cassa aus in die erste und
andere Gallerie, wie auch zu denen Logen ist rechter Hand. Zu der
dritten und vierten Gallerie aber ist er linker Hand. Zu Ende des
Schauspiels werden auf beyden Seiten Thtiren eröffnet, damit man
desto bequemer aus dem Schauplatz kommen kann.
Die Billieter, welche man auf den heutigen Tag ablangen lässet,
werden den anderen nicht passiret.
NB. Auf das Theater wird niemand, weder bei der Probe, noch
während dem Schauspiel mit, oder ohne Geld, gelassen.
Die Logenschlüssel sind zu bekommen auf der grossen Gallengasse
Lit. E. Nr. G in des Herrn Hauptmann von Kahlden Behausung
bei dem Entrepreneur.
33
514
Der Schauplatz ist auf dem Rossmarkt in dem neu erbauten
Comödien-Hauss.
NB. Der Anfang ist heute mit dem Schlag 5 Uhr.
Mit gnädigster Bewilligung eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Freien Reichs- Wahl- und Handel-Stadt
Frankfurt wird heute unter der Direktion des Herrn Josephs von
Kurz als Entrepreneur die neu-erbaute Schaubühne zum erstenmal
wiederum eröffnet und auf derselben aufgeführet :
MARIA THERESIA MAJESTÄT
zur allerunterthänigsten Freudensbezeugung aufgeführet ein auf diese
ganz Europa entzückende höchst erfreuliche Begebenheit neu ver¬
fertigtes Vorspiel in Versen, genannt:
Das in dem Gefilde der Freude frohlockende
Teutschland.
Personen desselben.
Die Majestät. Die Freude. Der Sclmtzgeist Oesterreichs.
Die Schauspielkunst. Die Unschuld.
Bericht.
Der Schauplatz stellet eine angenehme, auf das herrlichste be¬
laubte Gegend vor, mitten in solcher zeigt sich ein auf das aller¬
schönste ausgezierter Altar der Vorsicht. Auf beyden Seiten in er¬
habnen Pyramiden die Kayserl. Königlichen Erbländer, und des Heil.
Röm. Reichs mit ihren Insignien, Wappen und Inschriften. Die
Majestät und die Freude flehen zu der Vorsicht, um die Wieder¬
genesung ihro Majestät. Der Schutz-Geist Oesterreichs versichert sie,
dass die Vorsicht Allerhöchst-Dieselbe ihren Wünschen wiederum
geschenket. Hierauf zeigt sich das auf das herrlichste geschmückte
Bildniss Ihro Majestät. Die Vorsicht lässt sich in einer prächtigen
Wolken-Maschine auf Allerhöchst deroselben Haupt herab. Die Fama
erscheint mit einer Inschrift, ganz Europa diese höchsterfreuliche
Begebenheit zu verkündigen. Die Schauspiel-Kunst, die Unschuld
an der Hand führend, mischet sich in das Frohlocken der übrigen,
rufet die Tanzenden herbei, an dieser allgemeinen Freude Theil zu
nehmen; hiermit folget von denenselben ein Tantz, und die Schau¬
spiel-Kunst schliesst mit einer auf die allerhöchste Feyer verfertigte
Aria, die aller uilthertänigst gehorsamste Zueignung.
Alsdann wird vorgestellt ein Trauerspiel aus dem Französischen des
Herrn Thomas Corneille in Versen und fünf Aufzügen.
Der Graf von Essex.
Personen.
Elisabeth, Königin von England.
Henriette Fürstin von Irton, Essex Geliebte.
Der Graf von Essex.
Der Graf von Salisbury, des Essex Freund.
C'ecel, des Graf Essex Feind.
Tilnev, der Königin Vertraute.
Croner, Hauptmann von der Königl. Leibwache.
Herr von Kurz spielet die Rolle des Grafen von Essex.
Den gänzlichen Beschluss machet ein neues grosses Ballet:
Die Freude der Schäfer oder die besiegte Missgunst.
[Alle übrigen Mittheilungen über die Preise etc. wie auf dem Zettel
von Minna von Barnhelm.]
Unvollständiger Zettel.
. . . der handelnden zum Trotz wollte wieder einschleichen lassen, nein ! — bloss aus
der Ursache erscheinet heut unser Crispin, in dem Garacteur des Hanns warst,
weil es der doppelte Garacteur und die Verwicklung des Lustspiels verlanget,
weil man die Zuseher, durch die alte Tracht auf die alten Zeiten zurück führen
will ; und weil Madame von Kurtz eben den Garacteur des Hannswurst, nach
Verlangen des Spiels, vorstellen wird; Dieses ist die Ursache, sonst keine —
sonst soll er wieder von unserem Theater venvorffen werden, wie er von allen
reinen Schaubühnen verworffen ist.
Es ist zwar wahr, dass dieser Garacteur noch üi Wien vorgestellet wird,
allein nicht so, als wie bcy denen flüchtigen Gesellschafften, die sich nur aus
Zotten- und Possenreisen Ehre machen, die es so weit gebracht haben, dass man
auch nicht einmal den Nahmen Hannswurst, auf einer reinen Schaubühne will
hören; sondern, es ist ein sehr geschickter Schauspieler, der den Garacteur be¬
kleidet, ein Schauspieler, der es vor eine Schande hält, das Publicum mit einem
andern, als feiner Satier, oder reinen Schertz lachen zu machen, ein Schauspieler
der nicht dumm plaudert, oder lachet, oder übertriebene Quinten, Quaresen, oder
verstellte Gesichter machet, nein ! — nein ! Es ist ein Mann ; es ist ein Schau¬
spieler, den jeder Cavalier, jede Dame, jeder Bürger, jeder Fremde liebt, und
hochschätzt ; denn nocli niemahlen hat sich eine ehrwürdige Mutter, und ein ehr¬
liebender Vater einen Vorwurf zu machen gehabt, die Folgen ihres Geschlechts,
einen solchen Mann, der Sitten bessert, ansehen zu lassen.
Dieses Stück ist in Wien von dem Impressarius verfasset, und aufgeführet,
und 29mal mit Beyfall wiederholet worden, — seine Begeisterung, welche unter einer
kurzen Pantomime gescliiehet, wo er unter vielen andern Hünern, und Hahnen aus
einem Ey kommet, wird Vergnügen und Lachen verursachen ; Ingleichen sclnneich-
len wir uns, dass die anderen Maschinen und Verwandlungen, unsere Hohe und
geneigten Gönner vergnügen werden.
Es wird wiegen Mangel des Platzes vieles von den Stücken verschwiegen;
Allein die Begeisterung finden wir vor nothwendig zu beschreiben. Bernardon
wird von Odoardo verfolgt, und erschossen, so dass er todt zur Erde fällt, und
auf dem Theater liegen bleibet, es kommt die in üin verliebte Eosalba, und be¬
klaget den unglücklichen Bernardon in einer Aria, der erscheinet als ein Geist
aus seinem auf dem Theater liegenden Cörper, und entdecket der Rosalba in einer
Ana, dass er in dem Reich der Todten nun wäre, und diesen Augenblick sie
verlassen müsse. Leander der unglückliche Liebhaber, den Rosalba vor Bernar¬
don hatte, muss sich bequemen auf Anrathen eines Mago, ein Zauberer zu wer¬
den, um den von Odoardo erschossenen Bernardon das Leben wieder zugeben.
Er unternimmt, und fängt die Beschwörung in einer Pantomime an, es erscheinet
der vorige Mago, mit noch dreyen, zu seinen Diensten. Leander befiehlt als
Zauberer denen 4 Magen einen grossen Mörser zu hohlen, und den auf der Erden
liegenden toden Bernardon hinein zu stiirtzen: Nach diesem, noch andere Glieder
von toden Görpem hineinzuwerfen, und aus selben eine Massa zu machen. Nach
diesem verwandelt der Leander einen Berg in einen grossen kupfernen Kessel,
welcher auf einem Feuer stehet; die Magi schütten die Massa aus dem Mörser,
in den grossen Kessel, und sind beschäfftiget mit anfeuern; es zerspringet der
33*
516
Kessel und verwandelt sich in ein neues Theater, welches ein Zimmer von einem
Mahlnarren vorstellet; ein solcher Mahlnarr, tantzet nach seinem Caracteur, seine
Entree ; die 4 Magen, bringen ihn wieder an seinen Ort, wo er hergekommen ist,
und das Theater verwandelt sich wieder in den Kessel.
NB. Es dienet zur Nachricht, dass aus diesen, und folgenden Caracteren
der Caracteur des Bernardons zusammen gesetzet ist. Die Magen fahren fort in
ihrer Arbeit, und der Kessel zerspringet zum 2tenmahl, und verwandelt sich in
das Zimmer einer Hundsnärrin, diese tantzet nach ihrem Caracteur wieder ihre
Entree, und wird wieder von den 4 Magen auf ihren Ort gebracht, das Zimmer
verwandelt sich wieder in den Kessel, und die 4 Magi fahren fort, so dass der
Kessel zum 3tenmal zerspringet, und das Zimmer eines verliebten Narren vor¬
stellet, dieser verliebte Narr tanzet auch nach seinem Caracteur und wird wieder
auf seine Stelle gebracht. Das Zimmer verwandelt sich wieder in den Kessel,
wo die Magi fortfahren, an der Begeisterung des Bernardons : endlich zerspringet
der Kessel zum 4tenmal, und verwandelt sich in ein Zimmer einer dummen
Närrin, diese dumme Närrin wird nach ihrer lächerlichen dummen Seen wieder
in ihr Ort von den 4 Magi gebracht ; Sie fahren weiter fort den Kessel zu hitzen,
so dass er zum ötenmal sich in ein Zimmer eines Musiknarren verwandelt.
Dieser Musiknarr wird auch wie die obigen wieder an seinen Ort gebracht; und
die 4 Magi geben dem Kessel noch mehr Eeuer, dieser zerspringet zum ötenmal
und verwandelt sich in ein Italiänisches Theater, mit allen ihren Caracteren.
Eine Närrin welche die folgende Caracteure tanzet, wird von allen Caracteuren
auch gekleidet sein, nemlich NB. 1. Provensal, 2. Türkisch, 3. Barcarolisch, 4.
Französisch, 5. Arlequinisch, 6. Scaramuzzisch und 7. Englisch, wenn diese Närrin
alle Caractereur durch getanzet, so wird sie auch wie die andere auf ihren Ort wieder
gebracht. Es erscheinen Attrabos, und Lagasis, in der Luft, und streiten um die
Begeisterung des Bernardons, die erste will es nicht, und die 2te munteret die
4 Magen auf, noch einmal anzufangen und fortzufahren. Die Magen hitzen den
Kessel noch immer zu, und er zerspringet zum Ttenmal und verwandelt sich, in
eine Strohscheuer, allwo eine Henne auf einem Ey sitzet, es kommen 6 Hüner,
und Hahnen aus dem Ey, und zuletzt Bernardon auch als Hahn, es folget ein
kurz Ballet, von denen Hühnern, und Hahnen, welcher sodann die Pantomime,
und den ersten Aufzug schliesset.
Die noch andere Maschinen und Verwandlungen versichert man, dass man
sie gewiss allhier noch nicht wird gesehen haben.
Wir wollen nicht mehr zum voraus beschreiben, damit man sich desto
mehr versprechen kan. Weil so viele Wochen geschickte, und arbeitsame Hände
ihren Fleiss angewendet haben, durch ihre Mühe, durch ihre arbeitsame saure
Mühe, auch einen Beyfall zu erwerben, auf welchen wir alle hoffen.
Den gänzlichen Bescliluss machet ein grosses Ballet.
Die Plätze sind wie gewöhnlich in ihrem Preiss. Und der Anfang ist mit dem
Schlag 6 Uhr.
NB. Auf das Theater wird niemand, weder bei der Probe, noch währendem
Schauspiele mit, oder ohne Geld, gelassen.
XVIII.
Mit gnädigster Bewilligung eines Hocliedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt
Franckfurt am Mnyn,
werden heute, Samstags den 16. September 1769, die Churfürstlich-
Pfälzische llof-Schau-Spieler, unter der Direction des Herrn Sebastiani,
517
ihre Schaubühne eröffnen und auf derselben verstellen, eine aus dem
Französischen ins Teutsche von Hrn. Sebastiani übersetzte
Opera Bouffa, genannt:
TOM JONES oder TOM JONAS.
Personen:
Sir Western, ein Englischer Edelmann. Alvortliy, Oheim des
Miss Sophie, seine Tochter. Blisil, Sophiens Bräutigam.
Mad. Western, ihre Tante. Honora, Sophiens Cammer-Mädgen.
Jonas, Western’s Freund. YerschiedeneBedientenund Bothen.
Etliche Piqueurs und Jäger.
NB. Diese Oper ist noch auf keinem Deutschen Theätre aufgeführt
worden, sie wird recht gut von uns vorgestellet , und hat alle
Approbation an hohen Höfen erhalten : weilen viele Gönner erst spät
kommen können, so wird vorher eine kleine Piece gemacht, betitelt :
Das übel ausgerechnete Glück.
NB. Dem geehrten Publico Avird hiermit höflich gesaget, dass ohn-
geachtet, Avir nicht viele Nachrichten auf die Austheilungs-Zettel
machen; woran man öfters eine halbe Stunde zu lesen hat, Avir
dennoch versichern alle unsere Zuschauer auf die feineste und
natürlichste Weisse mit unseren Schauspielen zu bedienen. Es
Averden die Messe über immer neue Commödien, Avie auch Operen
und Ballets gegeben, Avelche man denen Liebhabern höflich
empfehlet.
Der Schauplatz ist im Junghoff in dem gewöhnlichen Comödien-Saal.
In denen Logen bezahlt die Person 1 fl. Eine ganze Loge zu
8 Personen zahlt 8 fl. Auf dem Envüe Theätre 12 Batzen. Im Par¬
terre 10 Batzen. Und auf der Gallerie 20 Kreutzer.
Der Anfang ist um halb 6 Uhr.
W er vorher Billets verlangt, beliebe solche bey dem
Hrn. Directeur im Junghof abholen zu lassen.
XIX.
Auszug aus dem Repertoire der Kurpfälzischen Hofschauspieler unter
Direktion von Theobald Marcliand, während ihrer hiesigen Wirksamkeit von
der Ostermesse 177J bis zur Ostermesse 1777.
Opern, Operetten, Singspiele.
Der Deserteur . Opera buffa von Monsigny.
Der angeführte Cadi . » » » »
Die versch Avi egen en Geständnisse . . » » » »
Der Falke . » » » »
Der König und der Pächter .... » » » »
Röschen und Cola . Singspiel » »
Die schöne Arsene . Operette » »
Tom Jones . Operette
Der Gärtner von Sidon . »
Der Hufschmied . »
Der Soldat als Zauberer . »
Sancho Pansa . »
Der erste Schiffer . »
Peter und Hannchen . Operette
Zemire und Azore ....... Oper
Der Freund im Hause . Singspiel
Das redende Gemälde . »
Die sammitischen Heyrathen .... Operette
Lucile . »
Der eifersüchtige Liebhaber .... »
von Philidor.
» »
» »
» »
» »
» »
» Gretry.
» »
» »
» »
» »
» »
Der prächtige Freygebige . . .
Die Freundschaft auf der Probe
Die beiden Geizigen ....
Der Hurone .
Die drei Pächter .
Julie oder der kurze Irrthum
Blaise und Babet .
Silvain .
Hannchen am Hofe .
Die Verstandesjägerin ....
Die Freundschaft auf der Probe
Der Dorfwahrsager .
Die unterbrochene Hochzeit . .
Das Rosenmädchen von Salency
Die drei Sultane .
Johann und Johannette . . .
Anette und Lubin .
Bastian und Bastiana ....
Die beiden Militzen .
Anton und Antonette ....
Die Apotheke .
Das Milchmädchen .
Das schlecht bewachte Mädchen
Der Fassbinder .
Die drei Pächter .
Die Colonie .
Die seidenen Schuhe ....
Das Fischermädchen ....
Der grossmüthige Seefahrer . .
Robert und Kaliste ....
Die herrschende Magd . . .
Der Jäger und das Milchmädchen,
. . Oper
. . Operette
. . Opera buffa
» »
. Singspiel
. »
»
. Operette
»
. »
»
»
. »
»
. »
. »
. »
»
. Singspiel
. Operette
. Singspiel
. Operette
»
. Singspiel
. Operette
»
»
. »
. »
»
. Oper
Operette aus di
von Gretry.
» »
» »
» Desaides.
» »
» »
» »
» Favart.
» »
» »
» »
» »
» »
» »
» »
» »
» »
» d’Azemar.
» Gosek.
» J ust.
» Duni.
» »
» Audinot.
» Sacchini.
» »
» Fritzeri.
» Piccini.
» »
» Guglielmi.
» Pergolese.
Französischen.
510
Der Schuhflicker . Operette aus dem Französischen.
Der Schlosser . » » » »
Der Zauberer . » » » »
Die Bataille bei Ivry . Oper von Martini.
Alceste . » » Schweizer.
Das Elisium . » » »
Die verwandelten Weiber oder der Teufel
ist los . Singspiel von Filler.
Fee Urgelle . » » »
Der lustige Schuster . » » »
Lisuart und Dariolette . » » »
Der Dorfbarbier . » » »
Der Aerndtekranz . » » »
Die Jubelhochzeit . » » »
Die Jagd . » » »
Die Muse . » » »
Die Schäfer als Pilgrime . Prolog » »
[Der Text zu den meisten Hiller’schen Singspielen ist von Weisse
verfasst,]
Amors Guckkasten . Operette von Neefe.
Die Apotheke . » » »
Der neue Gutsherr . » » »
Das Rosenfest . Singspiel » Wolf.
Die treuen Köhler . » » »
Die Dorfdeputirten . » » »
Das Gärtnermädcken . » » »
Das grosse Loos . » » »
Der Mann nach der Uhr . » » Hippel.
Milton . » » Reinwald.
Der Kaufmann von Smyrna .... » » Stegmann.
Apollo unter den Hirten . » » »
Die Rekruten auf dem Lande ... » » »
Die Roseninsel . » » »
Der Töpfer . » » Andre.
Der alte Freier . » >> »
Der Barbier von Seviglia . » » »
Der Dorfjahrmarkt . » » Benda.
Der Holzbauer . » » »
Lukas und Bärbchen . » » »
Die- glückliche Zusammenkunft, Singspiel nach dem Französischen.
Julchens Heyrath . » » » »
Die vermummte Fischerin . . » » » »
Schau- und Ijustspiele:
Der Essigmann mit seinem Schubkarrn, Drama von Mercier, in’s
Deutsche übersetzt von M[archand].
520
Der Deserteur aus Kindesliebe, Drama von Götter nach Mercier.
Der Hausvater, Drama von Diderot.
Der Töpfer, Lustspiel aus dem Französischen. [Nicht zu verwechseln
mit Andre’s Singspiel.]
Eugenie, Lustspiel nach Beaumarchais.
Der Graf von Walltron oder die Subordination, Schauspiel von Möller.
Die junge Indianerin, ein neu bearbeitetes Schauspiel aus dem Fran¬
zösischen des Chamfort.
Das schöne Blumenmädchen, ein neu bearbeitetes Schauspiel mit ein¬
gelegten Arien aus dem Französischen.
Der Tuchfabrikant von London, Drama a. d. Französischen von Favart.
Julie oder der gute Vater, Schauspiel.
Beiisar, Schauspiel mit eingelegten Arien.
Die beyden Freunde oder der Kaufmann aus Lyon, Schauspiel mit
eingelegten Arien.
Clary, Schauspiel.
Die Waisen, Schauspiel. •
Die verschmitzte Vorsicht, Lustspiel von Beaumarchais.
Das Duell, Lustspiel von Jestern.
Der Eifersüchtige, der es nicht sein will, Lustspiel nach dem Fran¬
zösischen von Pfeffel.
Die verliebten Thorheiten, Lustspiel nach dem Französischen.
Die abgedankten Offiziers, Lustspiel nach dem Französischen von
H. Stephanie j.
Die natürliche Zauberey, eine Maschinencomödie von H. Stephanie j.
Die Berliner Landkutsche, Lustspiel.
Herzog Michel, Lustspiel.
Die Drillinge, Lustspiel von Bon in, aus dem Französischen übersetzt
von M[archand].
Der wohlthätige Murrkopf, Lustspiel.
Der poetische Dorfjunker, aus dem Französischen des Destouches.
Der Geizige, Lustspiel aus dem Französischen des Moliere.
Die gelehrten Frauen, Lustspiel aus dem Französischen des Moliere.
Der Fostzug oder die noblen Passionen, Lustspiel von Avrenhoff.
| Dieses Stück gefiel Friedrich dem Grossen am besten von allen
deutschen Lustspielen.]
Die Wildschützen, Lustspiel mit Gesang von H. Stephanie j.
Der glückliche Geburtstag, Lustspiel von Schlotter.
Der allzu gefällige Ehemann, Lustspiel mit eingelegten Arien aus
dem Französischen.
Der Hoffmann, Lustspiel.
Die Maskerade, eine neue Comödie mit Gesang aus dem Französischen.
[Was die Gattungsbezeichnungen der Stücke des hier zusammen¬
gestellten theilweisen Repertoires von Marchand anbetrifft, so sind
)
— 521 —
dieselben genau nach den auf den Theaterzetteln und sonstigen Publi¬
kationen gemachten Angaben beigesetzt worden.]
Mit gnädigster Erlaubnüss Eines Hochedlen und Hochweisen
Magistrats der Kayserl. Freven Reichs- Wahl- und Handels-Stadt
Frankfurt am Mayn werden heute Montags den 24. October 1774
Die Chur-Pfälzischen Hof-Schauspieler,
Unter der Direction des Herrn Marchand,
Die Ehre haben ihren Schauplatz zu eröffnen, und auf demselben
aufführen :
Ein gantz neues, hier noch nie aufgeführtes Lustspiel, in Prosa und
drey Aufzügen.
Genannt :
DES FOLIES AMOUREUSES, Die verliebten Thorheiten.
P ersonen:
Albert, Vormund der Agathe . . . Herr Wolffram.
Agathe, seine Mündel . Madam Mierck.
Erast, ihr Liebhaber . Herr Stierle.
Lisette, Kammermädgen der Agathe . Mad. Urban.
Crispin, Erastens Bedienter .... Herr Mierck.
Den Beschluss macht eine Operette, in einem Aufzug. Genannt:
SILVA IN. Silwain.
Es wird Niemand bey der Probe noch unter währender Comödie,
mit oder ohne Geld auf das Theater gelassen.
NB. Es dienet zur Nachricht, dass die Billietter, welche gelösst
werden, den nemlichen Tag abgegeben werden müssen, auf künftige
Tage sind sie ungültig.
Der Anfang ist mit dem Glockenschlag 6 Uhr.
Die Person zahlt in den Logen und Parquet einen Gulden,
eine ganze Loge zu 8 Gulden, Parterre 10 Batzen, Gallerie 20 Kreutzer,
und auf dem letzten Platz 12 Kreutzer.
Der Schauplatz ist im neuerbauten Oomödien-Hauss im Junghof.
Wer vorhero Bidets verlangt, beliebe solche bey dem Directeur,
auf dem Rossmarck an der Allee in des Herrn Scheideis Behaussung
abholden zu lassen.
Mit gnädigster Erlaubnüsseines Hochedlen und Hochweisen Magistrats
der Kays, freven Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Frankfurt am Mayn
werden heute, Donnerstags den 12. September 1771 die Chur-Pfäl¬
zischen Hof-Schauspieler unter der Direktion des Herrn Marchand,
die Ehre haben, ihren Schauplatz zu eröffnen und auf demselben auf¬
führen eine Opera Bouffa in drey Aufzügen, aus dem Französischen
ins Deutsche übersetzt. Genannt :
LE DESERTEUR, Oder: Der Deserteur.
Personen:
Alexis, ein Soldat . Herr Huck.
Johann Ludwig, ein Invalit . Herr Hellmuth.
Die Base des Alexis . Madem. Köllerin.
Louise, Tochter des Johann Ludwig . Mad. Brochard.
Hannchen, eine junge Bäuerin . Mad. Marchand.
Himmelsturm, ein Dragoner . Herr Marchand.
Bertrand, ein Yetter des Alexis . Herr Pilotti.
Couchemin, ein Brigadier von der Marechaussee. Herr Schröder.
Erick, ein Thurmhüter . Herr Grosse.
Eine Menge Yolcks und Soldaten.
Den Beschluss macht ein Pantomimisches Ballet.
Es wird hiermit erinneret, dass bey unsrer Gesellschaft nicht
gebräuchlich, in den Comödien-Zettlen grosse Nachrichten zu setzen,
wo man gemeiniglich zum voraus das Stück zu loben pflegt, wir
überlassen es den geneigten Gönnern den Werth davon zu bestimmen.
NB. Es dienet zur Nachricht, dass die Billietter welche gelösst
werden, den nemlichen Tage abgegeben werden müssen, auf künfftige
Tage sind sie ungültig.
Der Anfang ist mit dem Glockenschlag 6 Uhr.
Die Person zahlet auf den ersten Logen 1 Gulden, eine ganze Loge
zu 8 Gulden, auf dem Amphitheater 12 Batzen, auf dem Parterre
10 Batzen, auf der Gallerie 20 Kreutzer, und
auf dem letzten Platz 12 Kreutzer.
Der Schauplatz ist im Junghof in dem gewöhnlichen Comödien-Saal.
Wer vorhero Billots verlangt, beliebe solche bey dem Directeur,
im Junghof abhohlen zu lassen.
XX.
Seyler’s Repertoire (unvollständig:) 1777 Herbstmesse.
Der geadelte Kaufmann, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von J. Chr.
Brandes . den 26. August.
Melanide. Eine Comödie in fünf Akten nach dem Französischen des
de la Chaussee. — Hierauf ein pantomimisches Ballet : Die Kroaten
vom Balletmeister Schulz . den 27. August.
Der Barbier von Sevilla. Ein Lustspiel mit Gesängen in vier Auf¬
zügen von Herrn Grossmann nach dem Französischen des Herrn
von Beaumarchais . den 28. August.
Der Lügner. Ein Ijustspiel des Herrn v. Goldoni in drei Aufzügen.
Nach der Saalischen Übersetzung. Dazu ein Ballet: Wurst wider
Wurst oder die Matrosen und Werber.
Der Tadler nach der Mode oder ich weiss es besser. Ein Lust¬
spiel in drei Akten von Herrn Stephanie dem Jüngern. — Dazu
02.J
ein Ballet : das sogenannte Narrenballet oder »Jedes Amt hat
seine Beschwerden« von Balletmeister Schulz den 1. September.
Romeo und Julie. Eine ernsthafte Oper mit gesprochenen Dialog
von Herrn Götter, in drei Akten. Die Musik ist von Herrn
Kapelldirektor Benda. — Dazu ein Ballet: Der Kobold oder die
Bergleute vom Balletmeister Schulz . . . den 2. September.
Die Hochzeitfeyer oder die Schwiegermutter in fünf Akten von J. Chr.
Brandes . den 5. September.
Der dankbare Sohn von Engel und die Dorf-Gala von Herrn Götter in
Gotha; Musik von Kapellmeister Schweizer. Operette den 6. Septbr.
Emilia Galotti nebst einem Ballet zum Besten der beiden milden
Stiftungen . den 18. September.
Aufführungen an unbestimmten Daten.
Merope nach Voltaire’s gleichnamiger Tragödie frei bearbeitet von Götter.
Henriette oder sie ist schon verheirathet. Lustspiel in fünf Aufzügen
von Grossmann und ein pantomimisches Ballet.
Die Pilgrimschaft nach Mekka, Operette.
Der Zigeuner, Farce von Möller, mit Musik von Christian Gottlob Neefe.
Richhard III., Trauerspiel von J. Weise.
Minna von Barnhelm, Lustspiel von Lessing.
Die Liebe auf dem Lande, Operette, Text von Götter, Musik von Weise.
Feststellbare Aufführungen der Seylerschen Truppe
in den beiden Messen 1778 und 1779.
Emilia Galotti, Trauerspiel von Lessing.
Clavigo, Trauerspiel von Goethe.
König Richhard in., Trauerspiel nach Shakespeare von J. Weise.
Graf Olzbach, Trauerspiel von Brandes.
Macbeth, Trauerspiel nach Shakespeare von H. L. Wagner.
Evchen Humbrecht oder ihr Mütter merkt’s euch, Trauerspiel von
H. L. Wagner.
Hamlet | Trauerspiele von Shakespeare in Schröders Bearbeitung.
Eduard Montrose, Trauerspiel von Dyck.
Götz von Berlichingen, Schauspiel von Goethe.
Der Graf von Walltron oder die Subordination, Schauspiel von Möller.
Marianne, Schauspiel von Götter.
Der Edelknabe 1 0 „
-p. n 1 1 oi 1 Schauspiele von Engel.
Der dankbare Sohn ] 1 ö
Ariadne, Duodrama von Benda.
Sophonisbe, Monodrama von Neefe.
Juliana von Lindorak, Schauspiel von Gozzi.
Minna von Barnhelm, Lustspiel von Lessing.
Wissenschaft geht vor Schönheit, Lustspiel von Bock nach Goldoni.
Henriette oder sie ist schon verheyrathet, Lustspiel von Grossmann.
Nicht mehr als sechs Schüsseln, Lustspiel von Grossmann,
524
Der Eifersüchtige, Lustspiel von Stephanie j.
Der Kobold \
Der Ehescheue | Lustspiele von Götter.
Der argwöhnische Ehemann J
Der Postzug, Lustspiel von Avrenhoff.
Die verstellte Kranke, Lustspiel von Goldoni.
Der Tadler nach der Mode, Lustspiel von Stephanie j.
Sind die Verliebten nicht Kinder? Lustspiel von Reichhard nach Goldoni.
Robert und Kalliste, Operette von Guglielmi.
Die schöne Arsene. Operette von Monsigny.
Zemire und Azor, Oper von Gretry.
Die drei Pachter, Operette (Siehe den abgedruckten Theaterzettel).
Der Barbier von Sevilla, Operette / . ,
Der Töpfer, Operette ( von Audrft
Die Sclaven
Der Fassbinder, Operetten von Faber.
Alceste, Oper, [ob dieselbe von Gluck oder Schweizer, ist wegen der
Unvollständigkeit des Theaterzettels nicht zu entscheiden].
Die Liebe auf dem Lande, Operette von Hiller, Text von Weisse.
Theseus und Ariadne, Oper von Gretry.
Den meisten der Stücke folgte ein pantomimisches Ballet nach.
Mit gnädigster Erlaubniss eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats, der Kavserl. Freyen Reichs-, Wald- und Handels-Stadt
Frankfurt am Mayn, wird heute, den 16. May 1777, von der Sey-
ler’schen Schauspieler-Gesellschaft aufgeführt :
HENRIETTE oder SIE IST SCHON VERHEYRATHET,
Lustspiel in fünf Akten von Herrn Grossmann.
Der Obrist von Freyhof . Herr Möller.
Die Obristin von Freyhof . Mad. Seyler.
Henriette, deren Tochter, . Mad. Toskani.
Baron von Sternfels . Herr Opitz.
Sieur Blainville . Herr Borchers.
Der Graf von Hochburg . Herr Toskani.
Monsieur Antoine, Bedienter des Sieur Blainville, Herr Grossmann.
Johann, Bedienter des Obristen, . Herr Honsel.
Katharine, Kammermädchen der Henriette, . . . Mad. Fiala.
Den Beschluss macht ein grosses pantomimisches Ballet, betitelt:
Die Fischer oder der betrogene Ehemann
von der Erfindung des Herrn Balletmeister Schulz.
Es wird Niemand bev der Probe noch unter währender Comödie,
mit oder ohne Geld auf das Theater gelassen.
Der Anfang ist mit dem Glockenschlag 6 Uhr. Die Person zahlt in
den Logen und im Parquet einen Gulden, eine gantze Loge zu
8 Gulden, Parterre 10 Batzen, Gallerie 20 Kreutzer, und auf dem
letzten Platz 12 Kreutzer.
525
Der Schauplatz ist im neuerbauten Comödien-Haus im Junghof.
Eillets können im Scheidelischen Hause an der Allee bei Herrn Seyler
abgeholt werden, aber nicht länger als denselben Tag gültig seyn.
Mit gnädigster Erlaubniss eines Hoch-Edlen und Hoch-Weisen
Magistrats der Kayserl. Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt
Franckfurt am Mayn, wird heute, Mittwochs den 21. April 1779
von der Seyler' 'sehen Schauspieler-Gesellschaft aufgeführt :
DES TROIS FERMIERS, DIE DREI PACHTER,
eine ganz neue, hier noch niemals gesehene ländliche Operette in
zween Akten. Nach dem Französischen des Herrn Monvel
von W. G. Becker.
Personen :
Herr von Esten . Herr Möller.
Graf von Kirchheim, . Herr
Georg Weyher, Pachter des Herrn von Esten, im
Altenburgischen, und in dasiger Bauertracht,
seine Söhne, beyde Pachter
des Herrn von Esten, nicht
Herr Hensel.
Jakob Weyher,
Peter Weyher,
im Altenburgischen,
Herr Denimer.
Herr Pöschel.
Madam Pöschel.
Regine, Frau des Jakob Weyherr, ....
Lieschen, | Schwestern und Töchter des Jakobs Madam Dauer.
Dortchen, f und der Regine, . Madlle. Kirehhüffer.
Michel Weyherr, Peters Sohn und Lieschens
Bräutigam, . Herr Dauer.
Tötfel, ein junger Bauer, Dörfchens Liebhaber, Herr Müller.
Hans, ein Knecht des alten Georg Weyher, auch
in Altenburgischer Bauerntracht.
des Jakobs Weyher.
Ein Knecht,
Eine Magd,
Der Text der Arien ist am Eingänge für drey Batzen gedruckt
zu bekommen.
Den Beschluss macht ein grosses pantomimisches Ballet von der
Erfindung des Hrn. Balletmeisters Schulz, betitelt:
Schwarz und Weiss.
Es wird Niemand bev der Probe noch unter währender Comödie,
mit oder ohne Geld auf das Theater gelassen.
Der Anfang ist mit dem Glockenschlag 6 Uhr. Die Person zahlt in
den Logen und Parquet einen Gulden, eine gantze Loge zu 8 Gulden,
Parterre 10 Batzen, Gallerie 20 Kreutzer, und auf dem letzten Platz
12 Kreutzer. Der Schauplatz ist im neuerbauten
Commödien-Haus im Junghof.
Billets können im Scheidelischen Hause an der Allee bei Herrn Seyler
abgeholt werden, aber nicht länger als denselben Tag gültig seyn.
52G
XXI.
Verzeichntes der Trauer- Schau- Lustspiele und Operetten, so von der
Neuliausisclieii Schauspieler-Gesellschaft aufge führt werden.
1) Trauer- und Schauspiele.
Mariane, Trsp. in 3 Aufzügen von Herrn Götter.
Julius von Tarent, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Leisewitz.
Emilia Galotti, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Lessing.
Romeo und Julie, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Weise.
Julie und Bellmont, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Sturz.
Hamlet, Trsp. in 6 Aufz. von Hrn. Bock, nach Schakespear.
Richard der zweite, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Fischer, nach Schakespear.
Makbeth, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Wagner, nach Schakespear.
Clavigo, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Götlie.
Elfride, Trsp. aus dem Englischen in 5 Aufz. von Hrn. Bettuch.
Bewerley, Trsp. in 5 Aufz. aus dem Französischen von Hrn. Saurin.
Olivie, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Brandes.
Ines de Castro, Trsp. in 5 Aufz. aus dem Franz, von Hrn. Bertuch.
Edwin und Erna, Schsp. in 5 Aufz. von Hrn. Schraml.
Hie Mediceer, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Brandes.
Adelhaide von Ponthieu, Sclisp. in 5 Aufz.
Die Kriegsgefangene, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Eugenie, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Beaumarchais.
Der Tuchfabricant von Londen, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Favart.
Walwais und Adelaide, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. v. Dahlberg.
Juliane von Lindorac, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Gozzi.
Arno, Sclisp. in 2 Aufz. von Hrn. Babo.
Eduart Montrose, Trsp. in 5 Aufz. von Hrn. Dyck.
Freygeist, Sclisp. in 5 Aufz. von Hrn. Lessing.
Graf von Waltron, Schsp. in 5 Aufz. von Hrn. Möller.
Albert der erste, Schsp. in 3 Aufz. aus dem Franz, von Hrn. Weisse.
Jean Calas, von Hrn. Weisse.
Die Feuersbrunst, Schsp. in 3 Aufz. von Hrn. Grossmann.
Die Erbschaft, Schsp. in 3 Aufz.
Wie mans macht so gelits, Schsp. in 5 Aufz.
Ehrsucht und Schwatzhaftigkeit, Schsp. in 5 Aufz. von Hrn. Dick.
Der Bürger, Trsp. in 3 Aufz.
Die Flucht, Trsp. von Hrn. Weisse.
2) Lustspiele.
Die Holländer, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Bock.
Dia abgedankten Officiere, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Der Deserteur aus Kindesliebe, Lsp. in 3 Aufz. von Stephani jun.
Der allzugefällige Ehemann, Lsp. in 3 Aufz. von Stephani jun.
Die Feldmühle, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. Richter.
Schule der Damen, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani senior.
Der Furchtsame, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Hafner.
Trau, schau, wem? Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Brandes.
Der Graf von Olsbaeh, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Brandes.
Henriette, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Grossmann.
Mina von Barnhelm, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Lessing.
Der Postzug, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. v. Ayrenhof.
Präsendirt das Gewehr, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. Müller.
Die seltsame Probe, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Wezel.
Der Schein botrügt, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Brandes.
Der Schmuck, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Sprickmann.
Der Schneider und sein Sohn, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. Fuss.
Der Schuster und sein Freund, Lsp. in 2 Aufz. von Graf Türring.
Der Spleen, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Der adeliche Tagelöhner, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. v. Nesselrode.
Titus, ein Vorspiel, in 1 Act von Hrn. Engel.
Der Volontair, ein Vorspiel, in 1 Act, von Hrn. Plümicke.
Die Wirthschafterin, Lsp. in 2 Acten, von Hrn. Stephani jun.
Die Wölfe in der Heerde, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Die Wohlgebohrne, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Die Drillinge, Lsp. in 4 Aufz. aus dem Franz, von Hrn. v. Bonin.
Der Barbier von Seville, Lsp. mit Gesang, in 4 Aufz. von Hrn. von
Beaumarchais.
Soliman der 2te, Lsp. mit Gesang, in 3 Aufz. von Hrn. Favart.
Die sanfte Frau, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Engel.
Geschwind, eh es jemand erfährt, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Bock.
Die Nebenbuhler, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Engelbrecht.
Der Ton der grossen Welt, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. v. Helmold.
Die Verkleidung, Lsp. in 3 Aufz. nach dem Franz, von Hrn. Schwan.
Verwirrung über Verwirrung, Lsp. in 5 Aufz. nach Calderon de la
Barka.
Der Westindier, Lsp. in 5 Aufz. aus dem Engl, von Hrn. Bode.
Wie man eine Hand umkehrt, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Bock.
Der argwöhnische Ehemann, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Götter.
Die bestrafte Neugierde, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Der Tadler nach der Mode, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Das neugierige Frauenzimmer, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Goldoni.
Der geadelte Kaufmann, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Brandes.
Sind die Verliebten nicht Kinder? Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Reichard.
Die eifersüchtige Ehefrau, Lsp. in 5 Aufz. aus dem Engl, von Hrn. Bode.
Der glückliche Geburtstag, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Schietter.
Der poetische Dorfjuncker, Lsp. in 5 Aufz.
Der Kobold, Lsp. in 4 Aufz. von Hrn. Götter.
Rache für Rache, Lsp. in 4 Aufz. von Hrn. Wetzel.
Der Ehescheue, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Götter.
Zu gut ist nicht gut, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Schmidt.
5-28
Das Muttersöhnchen, Lsp. in 3 Aufz. von Hin. Reichard nach Goldoni.
Der Weltbürger, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Reichard nach Goldoni.
Der glückliche Bräutigam, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Stephani jun.
Der Jurist und der Bauer, Lsp. in 2 Aufz. von Hrn. Rautenstrauch.
Nicht mehr als sechs Schüsseln, Lsp. in 5 Aufz. von Hrn. Grossmann.
Der aufbrausende Liebhaber, Lsp. in 3 Aufz. von Hrn. Dick.
Die Wildschützen, Lsp. mit Gesang, in 5 Aufz. von Hrn. Stephani.
Der Geitzige, nach Meliere.
Carl und Sophie, oder die Phisionomie von Bretzner.
Die Alcalde von Zalamea, Lsp. in 5 Aufz. nach Calderon.
3) Nachspiele.
Der dankbare Sohn, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Engel.
Der Diamant, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Engel.
Der Würzkrämer, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Schumniel.
Der Strich durch die Rechnung, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Rauten Strauch.
Zama, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Krauseneck.
Die 3 Brüder als Nebenbuhler, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Andre, aus
dem Französischen.
Der ungegründete Verdacht, Lsp. in l Act, von Hrn. Brahm.
Nacht und ohngefähr, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Reichard.
Das Weibergeklatsche, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Weisse.
Die Juden, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Lessing.
Der Edelknabe, Lsp, in 1 Act, von Hrn. Engel.
Die Aussteuer, Lsp. in 1 Act, aus dem Franz, von Hrn. Schwan.
Ertappt, ertappt! Lsp. in 1 Act, von Hrn. Wetzel.
Die grosse Batterie, Lsp. in 1 Act, von Hrn. v. Ayrenhof.
Das Lotto, Lsp. in l Act, von Hrn. Schubert.
Der Bettler, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Bock.
Die Reisenden, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Ratleff.
Jost von Bremen, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Eckart.
Die beyden Fächer, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Scholz.
Die unschuldige Frau, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Schummel.
Der Sprödenspiegel, Lsp. in 1 Act.
Die falsche Vergiftung, Lsp. in 1 Act.
Die beyden Hüthe, Lsp. in 1 Act.
Fritzei von Mannheim, Lsp. in 1 Act, von Hrn. Eckert.
Der Schwätzer, von Reichard.
Die Ungetreue, von Reichard.
Der sehende Blinde, von Meyer.
4) 0 p e r n.
Zemire und Azore, Oper in 4 Acten von Hrn. Gretry.
Der Deserteur, Oper in 3 Acten von Hrn. Monsigny.
Bataille bey Ivry, Oper in 3 Acten von Hrn. Martini.
Der Freund von Hause, Oper in 3 Acten von Hrn. Gretry.
Die Freundschaft auf der Probe, Oper in 2 Akten von Hrn. Gretry.
529
Anton und Antonette, Oper in 2 Acten von Hrn. Gosek.
Der Jahrmarkt, Oper in 2 Acten von Hrn. Benda.
Die Apotheke, Oper in 2 Acten von Hrn. Just.
Tom Jones, Oper in 3 Acten von Hrn. Philidor.
Julie, oder der kurze Irrthum, Oper in 1 Act von Hrn. Desaides.
Das redende Gemählde, Oper in 1 Act von Hrn. Gretrv.
Das Milchmädchen, Oper in 1 Act von Hrn. Duni.
Röschen und Colas, Oper in 1 Act von Hrn. Monsigny.
Lucile, Oper in 1 Act von Hrn. Gretry.
Die Jagd, Oper in 3 Aufz. von Hrn. Hiller.
Die verwandelten Weiber, Oper in 3 Acten von Hrn. Hiller.
Der Fassbinder, Oper in 1 Act von Hrn. Audinot.
Der Holzhauer, Oper in 1 Act von Hrn. Benda.
Der Soldat als Zauberer, Oper in 1 Act von Hrn. Philidor.
Der grossmüthige Seefahrer, Oper in 1 Act von Hrn. Piccini.
Das Elisium, Oper in 1 Act von Hrn. Schweitzer.
Medea, Duodrama, von Hrn. Benda.
Ariadne auf Naxos, Duodrama, von Hrn. Benda.
Die schöne Arsen e, Oper in 4 Acten von Hrn. Monsigny.
Der Hufschmied, Oper in 2 Acten von Hrn. Philidor.
Colonie, Oper von Hrn. Saccini.
Fischermädchen, Oper in 2 Acten von Hrn. Piccini.
Der eifersüchtige Liebhaber, Oper in 3 Acten von Hrn. Gretry.
Robert und Kaliste, Oper in 3 Acten von Hrn. Guglielmi.
Die seidene Schuh, Oper in 2 Acten von Hrn. Frizeri.
Die beiden Geizigen, Oper in 2 Acten von Hrn. Gretry.
Der prächtige Freigebige, Oper in 3 Acten von Hrn. Gretry.
Die samitischen Heyrathen, Oper von Hrn. Gretry.
Die 3 Pächter, Oper in 3 Acten von Hrn. Saccini.
XXII.
Repertoire der Kurcölnischen Gesellschaft unter Direktion von
Grossmann und Hellmuth in der Ostermesse 1780.
Den 28. März: »Die Ankunft«, ein allegorisches Vorspiel, worauf
folgte »Julius von Tarent« von Leisewitz.
Den 29. März : »Juliana von Lindorak«, ein Schauspiel in fünf Auf¬
zügen vom Grafen Gozzi, umgearbeitet von Schröder und Götter.
Den Beschluss machte »Der Diamant«, ein Lustspiel in einem
Aufzug vom Professor Engel nach dem Französischen des Colle.
Den 30. März: »Die schöne Arsene«, ein Singspiel aus dem Fran¬
zösischen in vier Aufzügen, in Musik gesetzt von Monsigny.
34
530
Den 31. März: »Die sanfte Frau«, ein Lustspiel in drei Aufzügen von
Engel nach Goldoni. Den Beschluss machte »Ariadne auf Naxos«
ein Duodrama von J. Chr. Brandes mit musikalischen Akkom¬
pagnements von dem Kapelldirektor Benda.
Den 1. April: »Spass und Ernst«, ein Lustspiel in zwei Aufzügen,
den Beschluss machte »Der Hufschmied«, eine komische Oper in
zwei Aufzügen von Guetani; in Musik gesetzt von Philidor.
Den 3. April: (Siehe den in dieser Beilage abgedruckten Zettel.)
Den 4. April: »Julie«, ein Lustspiel mit Gesang in drei Aufzügen
von Monvel; nach einer Uebersetzung von G. F. W. Grossmann.
In Musik gesetzt von des Aides.
[Dieses Stück gefiel in Frankfurt sehr; es wurde auch am
30. September 1780 als Schlussvorstellung mit Mdslle. Josephi
in der Titelrolle unter grossem Beifall aufgeführt].
Den 5. April: »Wissenschaft geht vor Schönheit«. Ein Lustspiel in
drei Aufzügen von Bock nach Goldoni. Den Beschluss machte
»Der verjüngte Greis«, eine Kinder-Pantomime in einem Auf¬
zuge von J. Huber. [In dieser Pantomime stellte Mdslle. Flittner
Grossmanns Stieftochter , (die spätere Bethmann-Unzelmann)
einen Greis, seine kleine rechte Tochter einen Cupido und die
jüngste Tochter des Direktors Hellmuth die Schäferin Cloris dar.]
Den 6. April : »Der Schwätzer« Lustspiel in einem Aufzuge von
Boissy den Beschluss machte »Der Deserteur«, eine Operette in
drei Aufzügen von Sedaine, in Musik gesetzt von Monsigny.
Den 7. April: »Borneo und Julie«. Ein Trauerspiel in fünf Auf¬
zügen von Weisse.
Den 8. April : »Die Verkleidung«, ein Lustspiel in drei Aufzügen
nach Marivaux. Den Beschluss machte »Die Dorfgalla«, ein
Lustspiel in einem Aufzuge von Götter, in Musik gesetzt von
Schweizer.
Den 10. April: »Hamlet, Prinz von Dänemark«, ein Trauerspiel in
fünf Aufzügen von Schröder nach Shakespeare [Opitz war vor¬
trefflich in der Titelrolle, ebenso Madame Fiala als Ophelia].
Den 11. April: »Miss Jenny oder die Uneigennützigkeit«, ein Drama
in zwei Aufzügen aus dem Französischen. Den Beschluss machte
»Die Kolonie« ein Singspiel in zwei Aufzügen in Musik gesetzt
von Sacchini.
Den 12. April: »Der Tadler nach der Mode«, ein Lustspiel in fünf
Aufzügen von Stephanie dem jüngeren. Den Beschluss machte
»Pygmalion«, ein Lustspiel in einem Aufzug nach dem Franzö¬
sischen von Grossmann.
Den 13. April : »Die Erbschaft«, ein Lustspiel in drei Aufzügen von
einem Frauenzimmer (von Frau Hofkanzlerin zu Koblenz, Sophia
la Boche.)
t
- 531 —
Den 14. April: »Sind die Verliebten nicht Kinder?«, ein Lustspiel
in drei Aufzügen von Reichhard nach Goldoni. Den Beschluss
machte »Der Fassbinder« Singspiel in einem Aufzug; die Musik
von Audinot.
Den 15. April: »Die Drillinge«, ein Lustspiel in fünf Aufzügen nach
dem Französischen von Bonin. Den Beschluss machte : »Die
beiden Geizigen«, ein Singspiel in zwei Aufzügen von Falbaire ;
die Musik ist von Gretry.
Den 17. April: »Der Graf von Walltron oder die Subordination«, ein
Schauspiel in fünf Aufzügen von H. F. Möller.
Den 18. April: »Wilhelmine von Blondheim«, ein Schauspiel in drei
Aufzügen von F. G. W. Grossmann. Den Beschluss machte
das redende Gemälde, ein Singspiel in einem Aufzuge von An-
seaume, die Musik ist von Gretry.
Den 19. April : »Die Zukunft«, ein allegorischer ‘Prolog mit Arien
und Chören, womit die Kurcölnische Hof-Schauspieler-Gesell-
schaft ihre Danksagung abstattete. Den Beschluss machte : »Der
Gasthof, oder Trau, Schau, Wem?«, ein Lustspiel in fünf Auf¬
zügen von G. C. Brandes.
Den 20. April : »Die Jagd«, ein Singspiel in drei Aufzügen von Weisse,
in Musik gesetzt von Hiller.
Den 21. April: Auf besonderes Verlangen wiederholt »Nicht mehr
als sechs Schüsseln«, Familiengemälde von Grossmann.
Den 22. April : Die Gesellschaft beschloss die Bühne mit »Henriette
oder sie ist schon verheyrathet« von G. F. W. Grossmann.
Nach dieser Vorstellung sprach Madame Neefe einen Epilog in
Versen.
[In den namhaft gemachten, wie auch in späteren Vorstellungen
der Kurcölnischen Gesellschaft kam es oft vor, dass bedeutende Mit¬
glieder des Orchesters oder sonstige Künstler in den Zwischenakten
sich auf ihren Instrumenten hören Messen. Dann und wann trugen
auch die Sänger und Sängerinnen Arien und Duette in den Pausen vor.]
Mit gnädigster Erlaubnis Eines Hochedlen und hochweisen Magistrats
der Kaiser 1. Freyen Reichs- Wahl- und Handel-Stadt Frankfurt am Mayn
wird heute Montag 3. April von der
Churcöllnischen Gesellschaft unter [fehlt, jedenfalls: Direktion von
Grossmann und Hellmuth] aufgeführt werden:
NICHT MEHR ALS SECHS SCHÜSSELN,
ein Familiengemälde in 5 Aufzügen von G. F. W. Grossmamy
Personen:
Hofrath Reinhard . Herr Grossmann.
Madam Reinhard . Madam Huber.
Wilhelmine . Madam Grossmann.
Fritz . Herr Santorini.
34*
532
Oberst von Altorf . . .
Frau von Schmerling . .
Lieutenant von Altdorf .
Geheime Rath von Schenk
Kirchenrath Klaas . . .
Major von Wurmb . .
Kammerher von Wilsdorf
Friedrich, Diener [beschädigt]
Philipp .
Louise [fehlt ein Stück des Zettels].
Der Anfang ist mit dem Glockenschlag 6 Uhr.
Die Person zahlt auf den ersten Logen und Parquet 1 Gulden, eine
ganze Loge zu 8 Gulden, Parterre 10 Batzen, Gallerie 20 Kreutzer
und auf dem letzten Platz 12 Kreutzer.
Der Schauplatz ist im Junghof in dem neu [beschädigt] Comödiensaal.
Wer vorhe- — - |Billets verlangt etc. . . . Der Schluss des Zettels fehlt.]
Herr Erhard.
Madam Gensike.
Herr Steiger.
Herr Hellmuth.
Herr Diezel.
Herr Josephi.
Herr Opitz.
Herr Gensike.
Herr Grose.
Vorstellungen der Kureölnischen-Gesellschaft, welche in der Herbstmesse
1780 und Ostermesse 1781 tlieils zum Besten der milden Stiftungen gegeben,
theils in hiesigen Blättern angezeigt oder besprochen worden sind.
»Minna von Barnhelm« von Lessing.
»Miss Sarah Sampson« von Lessing.
»Julie«, ein Lustspiel mit Gesang in 3 Aufzügen von Monvel.
»Die Holländer«, Lustspiel von Bock.
»Zemire und Azor«, Singspiel von Gretry.
»Wilhelmine von Blondheim«, Trauerspiel in 3 Aufzügen v. Grossmann.
»Nicht mehr als sechs Schüsseln«, Lstpl. in 5 Aufzügen v. Grossmann.
»Der Fähndrich«, Lustspiel von Schröder.
»König Lear«, in Bock ’s Bearbeitung.
»Der Dorfbarbier«, Operette von Hiller, Text von Weisse.
»Elfriede«, Trauerspiel in 3 Aufzügen von Bertuch.
»Die verwandelten Weiber«, Operette von Hiller, Text von Weisse.
»Das öffentliche Geheimniss«, Lustspiel von Götter.
XXIII.
Repertoire der Böhm’schen Gesellschaft vom 18. September bis Ende
November 1780.
Nach (len Anzeigen im »Frankfurter Staats-Ristretto« zusammen¬
gestellt, in welchem Blatt Böhm auch in der Herbstmesse 1781 und
in der Ostermesse 1782 und im November desselben Jahres, als er im
neuen Komödienhause spielte, seine Vorstellungen bekannt machte.
I
— 533 —
18. September. »Das Reich der Todten«, eine komische Bourlesque
in drei Aufzügen, hierauf ein komisches Singspiel »Die Gou¬
vernante«.
19. September. »Hänschen und Lieschen«, ein Lustspiel mit Gesang
in zwei Aufzügen.
22. September. »Der Dorfbalbier«, ein Lustspiel mit Gesang in zwei
Aufzügen.
23. September. »Die Goldmacher«, ein Lustspiel in zwei Aufzügen,
lnerauf folgt »Der Jurist und der Bauer«, ein Lustspiel in zwei
Aufzügen.
26. September. »Der Teufel ist los oder die verwandelten Weiber«,
ein komisches Singspiel in drei Akten.
29. September. »Elfriede«, ein Trauerspiel in drei Aufzügen.
30. September. »Lottchen am Hofe«, ein komisches Singspiel in drei
Akten.
3. Oktober. »Elfriede« vön Hofrath Bertuch in Weimar. Zum Be¬
schluss folgt ein komisches Solo von Herrn Lohmeyer. [Das
Trauerspiel »Elfriede« gehörte zu den Lieblingsstücken des
hiesigen Publikums.]
6. Oktober. »Der Jurist und der Bauer«, ein Lustspiel in zwei
1 Aufzügen, hierauf folgt »die Herrschafts-Küche auf dem Lande«,
eine komische Oper in einem Akt.
7. Oktober. »Der Dorfbalbier«. [Eine beliebte und von der Böhm’-
schen Gesellschaft sehr gut gegebene Operette, besonders gefiel
Madame Müller als Suschen.]
9. Oktober. »Die Liebe auf dem Lande«, eine komische Oper in drei
Aufzügen.
10. Oktober. »Bernardon, der unschuldige Missethäter,« ein Lustspiel
in drei Aufzügen, hierauf folgt »Die Judon-Hochzeit«, eine
komische Operette.
14. Oktober. »Der hochgeehrteste Herr Yetter«, ein Lustspiel in drei
Aufzügen, hierauf folgt »Die Juden-Hochzeit«, eine komische
Operette.
16. Oktober. »Die grosse Batterie« [Lustspiel], hierauf folgt »Der
betrogene Pachter«, den Beschluss macht ein pantomimisches
Ballet »Die Haubenhefterin«.
20. Oktober. »Lottchen am Hofe«, Operette.
24. Oktober. »Der Schneider und sein Sohn«, ein Lustspiel in zAvei
Akten, hierauf folgt »Die Weinlese«, ein noch nie hier ge¬
sehenes Imstspiel mit Gesang in einem Aufzuge.
27. Oktober. »Die verliebten Zänker«, ein Lustspiel in drei Akten,
den Beschluss macht ein pantomimisches Ballet, genannt:
»Das Milchmädchen.«
28. Oktober. »Die drei ungleichen Liebhaber oder die wieder lebendig
gewordene Frau«, ein Lustspiel in fünf Akten.
534
30. Oktober. »Der Deserteur aus Kindesliebe«, ein Lustspiel in drei
Aufzügen von Stephanie dem jüngeren, hierauf folgt ein Lust¬
spiel in einem Aufzuge, genannt »Der leichtgläubige Ehemann«.
31. Oktober »Die Jagd«, eine komische Oper in drei Aufzügen.
. 3. November. »Die Liebe auf dem Lande«, komische Oper in drei
Aufzügen von Hiller-Weisse.
6. November. »Die Brüder oder die Schule der Väter«, ein Lust¬
spiel in fünf Aufzügen von Herrn Romanus in Dresden, den
völligen Beschluss macht »Der leichtgläubige Ehemann«.
7. November. »Die verliebten Zänker«, ein Lustspiel in drei Auf¬
zügen, hierauf folgt »Der Töpfer«, Operette in zwei Aufzügen
von Andre.
10. November. »Der Teufel ist los oder die verwandelten Weiber«,
Operette.
11. November. »Armuth und Tugend«, Schauspiel in einem Aufzuge,
hierauf »Les Vendanges de Surene oder die Weinlese in
Surene«, den völligen Beschluss macht ein pantomimisches
Ballet »Die Morgenstunde«.
13. November. »Geschwind eh’ es jemand erfährt oder der besondere
Zufall», ein Lustspiel in drei Aufzügen nach Goldoin von
Herrn Bock; hierauf folgt ein lustiges Nachspiel, genannt
»Das Gespenst«.
14. November. »Der Goldmacher«, ein Lustspiel in zwei Aufzügen,
hierauf folgt »Die Herrschaftsküche auf dem Lande«, von Herrn
von Kurz.
16. November. »Lottchen am Hofe«, Operette.
18. November. »Der Schneider und sein Sohn«, ein Lustspiel in zwei
Aufzügen, hierauf folgt »Die Juden-Hochzeit«, eine komische
Operette in zwei Aufzügen.
20. November. »Der Graf von Walltron oder die Subordination«,
Schauspiel von Möller.
21. November. »Der Kaufmann von London oder Begebenheiten
Georg Barnvells«, ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Auf¬
zügen aus dem Englischen des Herrn Lillo durch H. A. B.
24. November. »Der Töpfer«, Operette von Andre und die »Weinlese«
von Surene, Lustspiel in einem Aufzug.
25. November. »Ariadne auf Naxos«, Duodrama von Herrn Brandes,
in Musik gesetzt von Herrn Benda, hierauf folgt der »Hoch¬
geehrteste Herr Yetter«, Lustspiel in drei Aufzügen.
27. November. »Hamlet, Prinz von Dänemark«, ein heroisches Trauer¬
spiel in sechs Akten von Shakespeare. [In welcher Bearbeitung
ist nicht angegeben.]
28. November. Allen Gönnern, welche die Gesellschaft mit Zuspruch
geehrt haben zu Ehren unter Pauken und Trompetenschall
aufgeführt »Die dankbare Schauspielkunst oder die feierlichen
I
— 535 —
Wünsche für das Wohl cler Stadt Frankfurt«. Hierauf folgt
ein dazu gehöriges Ballet, betitelt: »Der Tempel der Unsterb¬
lichkeit«, den völligen Beschluss macht : »Der Bassa von Tunis«,
eine komische Operette in einem Akt.
[Von den Operetten, welche Bölmi in der Herbstmesse 1781
und in der Ostermesse 1782 zur Aufführung brachte, gefiel beson¬
ders »Das Mädchen von Freskati«, Operette in vier Aufzügen von
Paisello. Von den Lustspielen war besonders »Die Holländer oder
was vermag ein vernünftiges Frauenzimmer nicht«, Lustspiel in drei
Aufzügen von Bock, beliebt und von den Schauspielen scheint ausser
»Elfriede« von Bertuch »Der Deserteur aus Kindesliebe« von Stephanie
dem jüngeren am üieisten Anklang gefunden zu haben.]
Namen- und Sacli-Register zum Texte,
Aachen 92. 98.
Abbt 296.
Abt, der karg, Schwank 18.
A b raha in und Loth 25.
Abgabe an die Stadt 65. 79. 78. 99. 1 06.
112. 140. 143. 148. 1 72. 195. 208.
220. 222. 231. 237. 286. 296. 303.
306. 310. 328. 369. 376. 381. 392.
Ackermann, Konrad 240 — 246. 267
bis 270.
— Sophie Charlotte 242. 270.
— Charlotte 244.
Act or des Spiels 16.
A g i 1 i t e z (Equilibristen-Künste) 22. 24.
Agricola, Philipp 13.
d’Aguaviva, Claudius 62.
Alias (Ahab), Komödie vom König
17. 19.
Antu^ch 162.
— Sophie 163.
d’ Aigueville 272.
Akrobat. Künste 26. 69. 154. 217.
Alceste, von Schweizer 321.
Altenburg 225.
Altern, die zehn 12.
Arnely, Mademoiselle 194.
Andre 317. 327.
Andre ae 'sehe Buchhandlung 331.
d’Angres 40.
A n t h o n i , Lieutenant 250.
Argumentator 16.
Arlechino (Siehe auch Harlekin) 1 20.
Arle quin (Siehe Harlequin) Arle-
quinetta 183.
Arte h e r , Robert 54.
Aschaffenburg 217.
Aufresne, Jean (Reval) 312.
Augsburg 110. 280.
Aurore, Madame 263.
Auvray 272.
Ayrer, Jacob 26. 36. 37. 42.
Bach 234.
Baden-Durlachische Komödianten 145.
Baldemar von Peterweil 1.
Baldenecker 320.
Ballet 131. 181. 267.
Bande, die berühmte 104.
Bandeau, Madem. 183.
Barfüsserseliule 7. 76.
Bari z on, Claude 271. 280.
Bar tho lo m ae u s -Stift, Dirigirrolle 1.
Basel 77.
Bassi, Dominico 232. 237.
Baudaie, Genevieve 183.
Bauer ’s, Martin, Behausung 45. 50. 52.
Bayern 27.
Bayrische Hofkomödianten 115. 117.
147.
Beart, Rudolf 54.
Beek, Johann Ferdinand 148. 149.
Becker ’s Reinhard, Behausung 54.
Begehtt, Jan, siehe Sackeville.
Behr mann, G. 163. 168.
Bekanntmachung der Vorstellungen
39. 54. 57. 64. 152. 314. 369.
Belevall 272.
Belle-Isle, Herzog von, Marschall und
dessen Gemahlin 185.
Ben da, Friedrich Ludwig und Bruder
349. 363.
— Georg 317. 353.
— Madame 345.
Bender, Christoph 76.
Benecke, Heinrich Wilhelm 145.
Benozzi 182.
Bergopzoomer 289. 292.
Berlin 154. 231. 232. 293. 324. 327.
Bernardon 193. (S. auch Joseph von
Kurz).
Bernardy, Charles 315.
Bernaud 306.
Berner, Schauspieler 348.
Felix, Principal 378.
de Bersac 250 — 260.
Bevuremont, Tänzer 182.
Biel, Jacob 37.
Biel au (von Trottberg) 393.
Billieu 130—134.
Bienen thal, Bender von, Oberst 246.
250. 278. 301. 316. 328
Birken, von, Sigmund 104.
Bittner, Dem. 273.
Blache 377.
Blackfriarstheater 38.
Blackreude, Thomas 50.
Blümel, Christoph 97.
Bock, Johann Christian 376. 397.
Bock hausen, Christian 100.
Bocksberg, von, Sara 119.
Böhm, Johannes 392.
— Nanette 393.
— Madame 393.
Boek 268.
Boeuff, le, Johann 49.
Bondini’sche Gesellschaft 347.
Boni, Girolami (Bon, Bony) 234 — 237.
— Carlotta 234 —237.
Bonn 383.
Borchers, David 244. 346. 353. 356.
357. 365. 370. 371. 375.
— Madame, ehemalige Frank, geb.
Spaz 345. 366.
Bounin, Gabriel (Bounijn) 4L
537
*
Boursault 254.
Bouset, Johü, (Siehe auch Sackeville)
26. 36.
Bradstriet, Jehann (Bradenstreit,
Johann Breitenstrasse) 22. 25. 37. 38.
Brambaeher, Balthasar u. F rau 119.
Brand, Tenorist 384. 385. 387.
Brandenbur gisch - Englische Komö¬
dianten 57.
Brandenburgs che und Grossbrittan-
nische Hofacteurs 150.
Brandes 320.
Brandt 393.
Brauer, Jacob 77.
Braun, siehe Browne.
Braunschweig 92.
Braunschweig’ sehe, Fürstlich, Hof¬
komödianten 47.
Braun s c h w e i g- Lüneburg’ sehe Komö¬
dianten 148.
Bressand 145.
Bretzner 346.
Breiin, le, Balletmeister 194.
Brochard der Aeltere 320.
Mad. 320. 327.
Broglio, Herzog von 249.
Browne, Robert (Braun) 22.
26. 38. 41. 44. 47. 49. 50. 60. 62.
Bruck 200. 214.
Bruderschaften, sogenannte 2.
Brünn 395.
Buchdrucker, Aufführungen derselben
12. 13.
Buckhurst, Lord 25.
Bühne, die. 4. 15. 38. 44. 109. 131.
139. 192. 348. 391.
Bürgerspiele, 3 — 17. 19. 20. 40.
Burleske 139.
Busch, Yiolincellist 349.
Buschet, Johann, siehe Sackville.
Buschmann, Matthäus 197.
Butzengehen, das, 12.
Cambert, Robert 131.
Cana, Hochzeit zu, 16.
Carioni 232. 268.
Casanova, Jacob, von Seingalt 233. 264.
Cassel 38. 43. 48. 54. 59. 225. 272. 307.
Catharina von Georgien 76.
Cecchelli, Graf 274.
Cellarius, Johann 7.
Censur 12. 17. 127.
Chautron, Carlo 41.
Chaussee, de la 253.
Cherrier 130 — 134.
Christian, Markgraf von Branden¬
burg 51.
Christel, Madame 393.
Clavigo 323. 370.
Claar, Emil, Intendant der vereinigten
Stadttheater in Frankfurt a. M. 399.
Cleopatra, böse Frawe 18.
Cleopatra, Königin, mit Anthoni dem
Römer 18.
Clitemnestra, Tragödie von Hans
Sachs 18.
Clown 35.
Cobentzel, von, Graf 217. 219.
Coblenz 92.
Le Cocq, Madame 183.
Le Cocq, Monsieur 181.
Cöln 63. 75. 76. 78.92.98. 109. 110.
174. 303. 315. 329. 338. 368.
Cohn, Albert 21.
C oll egiatstifter, die drei 1. 6.
Colloredo, von, Graf 174.
Colombine 183.
Comthur des deutschen Ordens 19.
Conclusor 16.
Cor märten 105.
Corneille 105. 254.
Coulissen 62. 74. 109.
Courte (Courta), Anna 345. 365. 387.
Courtisan, siehe Harlekin.
Crispin, Crispina 193.
Cupido ’s Macht 81.
Daenemark 92.
Dänische Hofkomödianten 217.307.309.
Läget, Hans 18.
Dalberg, von, Freiherr 371. 377. 382.
Danonville 268.
Danzig 143.
Darmstadt 134. 146.
Darmstädter, Principal 217.
Dauer, Madame 345.
— Tenorist 348. 356 365. 385.
David, König und Philister Goliath,
Komödie 7.
Dekorationen 15. 58. 62. 70. 74. 132.
166. 325. 348. 391.
Demmer 365.
Dem m ler, Tenorist 348.
Denn er 385.
— - jun. und Frau 151.
— sen. Leonhard Andreas 150.
Deo bald 'scher Saal 392.
Derones 257. 263. 319.
Desaides 317.
Destouches 199. 253.
Devrient, Eduard 103. 325.
Diderot 254. 255.
I) i e g e 1 m a n n, Schauspieler 399.
Diestel, Madame 393.
Diezel 385, 388. 399.
Docken, siehe Marionetten.
Döbbelin u. Frau 248. 268. 293. 327.
Doismond 272.
Dorsch, Johann Christoph 119.
Dresden 63. 103. 105. 119. 120. 282.
| Düsseldorf 230.
D u p u i s 268.
j Dyck 312.
\
538
Eckenberg, von, Karl, (der starke Mann)
153. 155. 174.
Eckhoff 121. 143. 244. 336. 392.
Egenolff, Pfarrer 17.
Ehebrecherin, die 31.
Ehlich, Demoiselle 163.
Ehrhard 385.
Eintrittsgeld 18. 20. 25. 36. 40. 41.
45. 49. 50. 52. 55. 57. 71. 75. 112.
133. 172. 208. 221. 262. 273. 364. 392.
Eitel 289.
Elenson, Andreas 106. 115. 124.
— Friedrich "Wilhelm 146.
— Julius Franz 125.
— Karl Ferdinand 146.
— Maria Margaretha 116. 125.
— Sophie Julie (später Frau Haack
und Hoffmann) 125. 128. 134.
137. 146.
Emilia Galotti, erste Aufführung 352.
Emmerich, Joseph, Kurfürst von
Mainz 287.
England, Elisabeth Königin von 27. 38.
— König von, Gasthof 45. 262. 275.
Englisch'e Komödianten 21.38. 43 — 66.
69. 72. 75. 76.
Englische Künste 21.
— Springer 75. 78. 237.
Engst, Madame 393.
Enolphus, Vicar am Bartholomäus¬
stifte 3.
Equilibristen- Künste (Agilitez) 22.
24. 237.
Erasmus von Rotterdam 6.
Erfurt 93.
Ernst Ludwig, Landgraf von Hessen-
Darmstadt 134. 146. 147.
Esterhazy 273. 274.
Esther, von der Königin, Komödie 18.
Eulenspiegel mit dem Blinden 18.
Evchen Humbrecht etc. 372 — 375.
Expositor ludi 16.
Fabricius 162.
Fastnachtsspiele 4. 6. 17.
Faust, von Goethe 373.
— Dr., tragische Historie von Mar¬
lowe 24. 63.
— Stegreifkomödie 292. 294.
Favart, Madame 253.
— Simon 254. 317.
Fechtschule (St. Markus-Bruderschaft)
55.
Felser 309.
Fendler 385.
Fordinand Maximilian, Markgraf von
Baden 100.
Ferety, 381.
Fett milch’ scher Aufstand 56. 60.
Feyerabend, Karl Siegmund 19.
Fheer, Johannes 50.
Fiala, Schauspieler 347. 348. 353.365.
Fiala, Madame, 344. 356. 358. 365.
370. 371. 375. 383. 387. 388. 399.
Finsinger 245.
Fischer 395.
— Kapellmeister 276.
Flittner, Demoiselle (später Bethmann-
Unzelmann) 365. 385.
Flögel 214.
Foerster, Johann Gottlieb 148.
Fontaine, Jean 123.
Fool 35.
Fraine, Albert de, 147.
Frank, Demoiselle 366.
Franz I. Wahl und Krönug 197.
Französische Gesellschaften 17. 19.
40. 49. 100. 130. 177—88. 247—270.
305. 315.
Freibillet 139. 303.
Friedrich I., Herzog von "Württem¬
berg 27. 29. 34.
Friedrich IV., Pfalzgraf 41. 44.
Fuchs, Karoline 268.
Fürwitz, bestrafter 82.
Gaertner, Andreas 70.
Gage der Schauspieler 143. 195. 207. 329.
Gallo 394.
— Madame 393.
Garbrecht 268.
Gardello 289.
Gart, Theobald 14.
Gartelio 309.
Gecler, Johann 101.
G-St Spiele Komödie j SieheMysterium
Geliert 201. 241. 336. *
Gengenbach, Pamphilus 12.
Gensike, Madame 383. 387. 388. 399.
Gericht, das jüngste 13.
Gherardi, fils 182.
— Jean Baptiste 177.
Giaraton, Giuseppe 182.
Gilden 16.
Gimonde, Pietro 88.
Glocke, zur 19.
Gluck 376.
Goethe, Johann Wolfgang 247 — 270.
309. 325—328. 341. 359. 370. 374.
Götz von Berlichingen 323. 370.
Goldoni 289. 355.
Gorboduc oder Terrex und Porrex 25.
Gotha 392.
Götter 318. 350. 353.
Gottsched 160. 168. 212.
— Frau 241.
le Grand 254.
Green 24. 26.
Gretry 317. 326.
Greum, Heinrich 54.
Griebel (Kriebel), Balthasar 19. 20.
Grielemayr, Adam 18.
— Thomas 18.
>
— 539
Grimmelshausen, von, Hans Jacob
Christoffel 104.
Griselda, die geduldig imd gehorsam
Marggräfin 14. 15.
Grossbritannische Komödianten 148.
Grose 385. 388.
Grosse, August 289.
Grossmann, 342. 345 — 4(3. 349. 353.
356. 365. 370. 377. 382. 387—399.
— Madame 345. 377. 385. 387. 399.
Grotefend, Dr. Archivar 1. 252.
Grün, Johann (Green) 53. 63.
Grünberg, Johann Benjamin 289. 306.
Gründler, Frau und Tochter 162.
Gryphius, Andreas 76. 84. 105. 107.
Gündel, Marie, Schauspielerin 399.
Günther, Sänger und Komiker 347.
Gurton’s Frau, Nähnadel 23.
Gustav Adolph, König v. Schweden 70.
Guizetti 289.
Haack, Johann Caspar 137. 145. •
— Sophie Julie, siehe Elenson.
Haag 100
Hackenberg, Heinrich 77.
Händel 150. 234.
Halle 51. 240.
Halley 268.
Hallmann, Johann Christian 105.
Halsprunner Hof 57.
Hamburg 69. 128. 155. 164. 168. 231.
276. 283. 291. 293. 324.
Hamlet 63. 65. 68. 120. 380.
Hanau 134. 305. 307. 315. 380.
Hanno, Fürst in Norden 397 — 399.
Hannover 150.
Hanswurst 36. 78.
Harlekin (Arlechino, Arlequin, Cour-
tisan) 137. 173. 175.
Harlekinetta 183. 193.
H artig, Madame 321.
Hartmann 380.
— Demoiselle 384.
— Elisabeth Clara geb. Pilotti 380.
Hasse, Adolf 234.
— Faustina 234.
Hattasch, Ripienist 349.
Hauptaktionen 94.
Haupt - u. Staatsaktion 90. 136. 176. 239.
Hauteroche 254.
Heidelberg 4L 59. 80. 86. 89. 95.
150. 151.
Heidnischer Tanz 4.
Heinrich Julius, Herzog von Braun¬
schweig 22. 26. 31. 34. 36. 42. 47.
Hellmuth d. A. 319. 327. 356. 366.
377. 385 387-399.
— d. J. 347. 365. 377.
— Demoiselle 387.
— Franziska 320. 330. 345. 365. 377.
— Josepha 344. 363. 364. 365. 377.
383.
Hengel, Georg 141.
Henrich, Caspar 7 7.
Hensel, Friedrich 296. , 347. 365.
385—399.
— Mad. (Seyler) 242. 268. 270. 296.
343. 345. 356. 358. 370. 371.
Her m a n n von Thüringen, Landgraf 43.
Hessen- Rothenburg-Rheinfels, Land¬
graf von 239.
— Rheinfels, Landgraf 147.
Hessische, Fürstlich , Komödianten
u. Musikanten 43 — 45. 48. 49. 53. 55. 56.
Heuse 272.
Hey dr ich, Carl Gottlob 163. 200.
— Philippine, geb. Turnier 163. 200.
Hieronymo oder die spanische Tra¬
gödie 48. 63.
Hiller 235. 317. 327.
Hochteutsche Compagnie 80. 81. 86.
Iloffmann, Clara 268.
— Hans Ernst 79. 86. 94. 99.
H o f f m a n n - Elenson 135. 146. (Siehe
auch Sophie Julie Elenson.)
Hoffmanns waldau 105.
Hof mann, Jean, Schauspieler 399.
Hohenlohe, Gustav Adolf, Graf von,
124.
Hohl, Madame 309.
I ’ H o t e 250 — 260.
II oward, engl. Hofbeamter 22. 24.
Huber, Frau 383.
— Herr 399.
Huck 309. 319. 327.
Hüll (IIull) Johann 43. 45.
Hiisgen, Heinrich Sebastian 235. 398.
Iffland 256.
Ilgner 309. 313.
Ingermännin, Dem. 307.
Insbruek’sche Komödianten 97.
de l’Isle, Tänzerin 182.
Israel, Karl 150.
Italienische Dockenspieler 117.
— Musiker 47.
— Operisten 197. 232. 237. 274.
— Schauspieler 119.
Jacoby 162.
Jahn (Jan), Narr 25. 31. 35.
Janezschky, Christian 119.
Jenicke, Johannes 90.
Jiordani 222.
J o d e 1 1 e 40.
Johann Georg H. Kurfürst v. Sachsen
103.
— Georg HI. Kurfürst v. Sachsen 119.
— Sigismund, Kurfürst v. Branden¬
burg 54. 58.
Jollifous, Joris (George Jeliphus,
Joseph Jori) 75—99.
Jonasson, Demoiselle 393.
Jones, Richard 22.
Jonas, Robertus 50.
Joseph II. Wahl und Krönung 200.
J o s e p h i , Demoiselle 384.
J o s e p h ’ s Historie 11. 14.
J o n s o n , Ben 48.
Jude, der, von Malta 26.
Julius von Tarent 386 — 390.
J u n g h o f 246. 250.
Kabale und Liebe 375.
Kämpfern, die Historie von den
sechs 13.
Kahla, im Thüringschen 8.
Kahler 268.
Karl ’s VI. Krönung 137 — 145.
Karl’s VII. Krönung 176 — 196.
Karl Friedrich, Herzog von Holstein 158.
Karl Ludwig von der Pfalz 79. 96.
Karl Theodor, Kurf. v. d. Pfalz 340.
Kaufmann, der, von Venedig 50. 189.
Kassel siehe Cassel.
Kiel 163.
King 273.
King m a n n (Kingsmann, Klingsmann)
Robertus 44. 47.
Kinski, Graf 143.
K i r a s k y, Charles und Therese 305. 307.
Kirchhöfen, Madame 345. 356. 365.
Kirchhöfe r, Demoiselle 345. 356. 365.
— Schauspieler 348. 353. 365.
Kirchhof 268.
Kirsch, Madame 345. 356. 365.
Klay, Johann 104.
Kleefelder, Katharina Magdalena 201 .
K 1 i n g e r , Friedrich Maximilian 26.
349. 356.
Klo t sch, Schauspieler 200. 214.
Klotz 322.
Koblenz, siehe Coblenz.
Koch, Koch’ sehe Gesellschaft 268. 324.
336.
Koch, Gottfried Heinrich 162.
— geh. Büchner 163.
Köhler, Familie 214.
Kölbele, Johann Balthasar 298.
Koller, Demois. 317. 330.
Köln, siehe Cöln.
Königsberg i. Pr. 245.
Kohlhardt, Friedrich 135. 162. 200.
Koppe und Frau 289.
Kostüm 4. 6. 131. 151. 166. 167. 182.
201. 245. 325.
Krachbei n, zum (König von England)
45 61. 75. 78. 86. 103. 110. 113.
115. 125.
Kritik 321. 386.
Krüger 336.
Kühlmann, (Kuhlmann) Jacob 93.
115. 117.
Küttol, Gebrüder, Oboisten 349.
Kunstreiter 109.
K urbayrische Komödianten 147.225.
Kurcölnische Gesellschaft 377. 382.
395.
Kur pfälzische Gesellschaft 153. 311
bis 341. 382.
Kur sächsische Ilofkomödianten 63.
64. 127. 141. 225.
von Kurz, Joseph (Vater Bernardon)
193. 221. 284—295. 297—304.
307.
— ; Theresina 289. 301. 305. 307.
K,y d, Thomas 24. 26. 63.
Langenschwalbaeh 125.
Langer Gang 140.
Lanzisches Ehepaar 289.
Lateinische Komödie 6. 7. 76.
Lear, König von England 63. 376.
Ledbetter, Robertus 44. 47. 53.
Leibnitz, Gottfried Wilhelm 104.
Leinwandhaus 19. 78.
Leipzig 93. 106. 114. 119. 173. 196.
197. 240. 283. 342. 347.
Leisewitz 358. 386.
Lemiere 254.
Lenoir la Thorilliere 99.
Lenz 26.
Lepri 276.
Leo Armenius 76.
Leopold Wilhelm, Markgraf von Ba¬
den 100.
Lessing, 105. 166. 240. 255. 322.
324. 341. 343. 376.
Leyden, 55.
Liebeskampff, der 68.
Lillo 240.
Lilly, John 26.
Dr. Link, Frau 173.
Lincoln, Graf 38. 44.
Linz 173.
Loangkuppy, Christian Friedrich 100.
Localstücke, Frankfurter 190. 331.
Lodwy 273.
Loen, Johann Michael 140. 180.
Löpper, Martin (Leppert) 295 — 297.
309. 310. 313.
Löwenplätzchen 45.
Lohenstein 105.
London 22. 26. 38. 60. 100.
Lorenz, Familie 135.
— 162.
— Tochter 200.
Lucius, Juliane 296.
Ludovici 148.
Ludwig 168.
— Johann Ludwig 266. 274.
Lübeck 158. 164.
Lüneburg 92“.
Luftspringer 50. 68. 73. 123. 154.
157. 217.
Lully 131.
Dr. Luther, Martin 5. 7.
Lyonais, Tänzerin 182.
)
- 541 —
Macbeth 370.
Mach in, (Makim, Mackum) Reichard
43. 45. 50.
Maffon 217.
Magelone, die schöne, Komödie 18.
Maggiore, Francesko 274 — Q76.
Mainz 112. 127. 174. 217. 219, 238.
267. 282. 284. 294. 295. 313. 320.
328. 329. 338. 342. 349. 360.
Main z, Kurfürst von 19. 138. 143. 269.
Mangold, Marx 29. 135.
Ma n n , der starke, siehe von Eckenberg.
— zum wilden, Gasthof 152.
Mannheim 174. 282. 328. 329. 338.
371. 377. 392.
Mannheimer Lotto 330. 331.
Mara, 368.
Ma rburg in Hessen 48.
Marchand Theobald 281. 309. 311
—341.
— geb. Brochard 309. 317. 320. 339.
M a r i e Elisabeth von Oesterreich, Statt¬
halterin der Niederlande 147.
Marionetten spiel 88. 109. 117.
119. 148. 197. 208. 234.
Marivaux 199. 253.
Markschiffs Nachen 29. 35.
Markus, St. Bruderschaft, Fechtschule
56.
Marl owe, Ghristopher 23. 24. 26. 63.
Marmetti 272.
Marmonte 1 317.
Martin 272.
— Anna Principalin 308. 309.
Mascarille 182,
Maschinerien auf der Bühne 75. 132.
Masi, Jacob 274.
May en, Johann Friedrich. Magister 158.
Mayer, Eberhard 197. 214.
Maximilian, Kurfürst von Cölu 377.
Meck, Georg 18.
Mecklenb ur gische Komödianten
134. 138. 145
Mecour und Frau, Johanna geb. Preis-
ler 214.
Meiste rgesenke (Gesänge) 18.
Melanchthon, Philipp 8.
Mertier 317.
Merv i 1 le 254.
du M e s n i 1, Marquis 260.
von Metternich, Graf 392. 394.
Metz 17. 40. 130. 173. 250.
Metzler, Benjamin seel. Söhne, Han¬
delshaus 156. 162. 199. 204. 207.
Meyer, Flötist 349.
— (bei Löpper) 296.
Meyerfeld, Demoiselle 345. 366.
Migotti, (Mingotti) Joseph 197. 202.
— Katharine Regine 202.
Mierk und Frau 320. 321. 330.
Minna von Barnhelm (erste Auffüh¬
rung) 293.
M i s ch el 268.
Miss Sara Sampson, ersteAufführung240.
Mock, Georg 18.
Möller, 324. 339. 345. 349. 353. 355.
356. 375 385.
— Madame 365.
Moese r, Justus 36. 213.
Moliere 104. 114. 199. 254.
M o 1 z h e i m, Madame 366.
M o m b a u e r, Demoiselle 366.
Monditier, Valeran le comte de 40.
Mons, Heinrich, Tanzmeister 91.
Monsig ny 317.
von Montijo, Graf 185. 194.
Moralitäten 104.
Moretti, Pietro 262.
Moritz, der Gelehrte, Landgraf von
Hessen-Cassel 38. 43. 48. 53. 56.
Moritz von Nassau, Prinz von Oranien
55. 74.
Most, Wolff 18.
Mozart 270.
Müller, A. Schauspieler 399.
— Bassist 348. 366.
— Friedrich (Maler Müller) 370.
— Jacob 125.
— Joseph Ferdinand und Frau 146.
197. 202.
— Madame 393.
— Schausp. bei Böhm 394.
München 110. 116. 225. 239. 272.
282. 307. 319.
Münnerstadt 9.
Mummereien 3. 12.
M y 1 i u s 268.
Mysterien 1 -3. 15. 19. 40.
Narrenschneiden, das 5.
N eefe, Christian Gottlob 317. 349. 387.
— Madame 370. 383. 387. 388.
v. Neipperg, Graf, 284. 287.
Nesenus, Wilhelm 6.
Nessel rode, Freiherr von 332 — 337.
Neubqr, Friederika Carolina und
Johann 148. 155—176. 196—209. 214.
N e u f z er, Theobald 148.
Neufzerin, 148.
Neudietz Eudres 18.
N euhaus-Hartman n’sche Truppe
380.
Neuman n, Siegmund 280.
Nevard, George 184.
N i c o 1 i n i, Pantomimenspieler 197. 202.
Niederländisch- Französische Ko-
moediauten 149.
— Compagnie 55. 74. 75.
N in e 1 1 e, Demoiselle 394.
Norton, Thomas 25.
Nürnberg 4. 5. 17. 38. 55. 57. 58.
110. 237. 282.
N ou se uil 319.
Nürnberger Bande 117.
542
Nürnberger Hof 86.
— Spielleute 17. 18.
Nuth, Franz Anton und
193. 221. 239.
Ochs enhu t, Till 18.
0 el sn i t z 9.
Olivier, Tänzel* 273.
Oper, erste deutsche 73.
— Französische 131.
Opern gesell sc haften
Opitz, Martin 73. 105.
— Christian Wilhelm 347. 353. 356.
357. 365. 370. 371. 375. 377.
387. 388.
— Madame 365. 377.
Ort h, Johann Philipp, Bürgermeister
138.
von Oven, Senator 301. 318.
Paceli, Franz Christoph 119.
Palaprat 254.
Palissot 254. 256.
Pantalon 193.
Paris 50.
Pariser Bluthochzeit 26.
Passionsaufführungen 1. 2.
Pastorale (Pastorell oder Singespiele)
25. 41. 73. 74. 75.
Pauls, Carl 93.
Paulson, Carl 92.
Pfeiffer, Fagottist 349.
Pelzer (Pelcio) 103.
Pergen, Graf von 236.
Per in, Jacob 50,
P e r u z z i , Antonius 153.
Pfuhlhof 80.
Philipp, Landgraf von Butzbach 51.
Philidor 317.
Pickelhäring (Jean Potage,
Pudding, Hanswurst 36. 78.
Pierrot 182.
Pilotti 309. 319.
Pillotti’sclie Gesellschaft 280.
Pitre, Mimi 280.
Pitrot 272.
Plan tu s 7.
Pose hei, Madame 345. 365.
P ö s c h e 1 , Schauspieler 347. 365.
P o 1 i (Poly) 262.
Polyeuct 105.
Polnische, siehe kursächsische Komö-
mödianten.
P o n t o 349.
Poppe und Kroon 156. 169.
Porre, Pater 158.
Portier, Jean Peter 101.
Porsch 282—284. 308.
Posset, Jahn (Siehe auch Bouset) 37.
Potage, Jean, Siehe Pickelhäring 78.
Pradon 145.
Prag 61.
Pragische Komoedianten 147.
Prediger-Ministerium 143. 146. 226.
285.
Preis ler, siehe Mecour.
Preuss., Kgl., Hofkomödianten 173.
Prologant 145.
Prunius, Johann Heinrich 147.
Pudding, Jack, siehe Pickelhäring 78.
Pulcinella 88. 109. 115.
Quaglio 396.
Racine 254. 336.
Ralimkof, der 14. 16.
Rat hg eh, Jacob 27.
Rathscensor (Mathias Ritter) 12. 17.
Räuber, die, von Schiller 393.
Rebhun, Paul 8. 16.
Rector des Spiels 16.
Reeffe, Rudolphus 50.
Regel 296.
Regenbogen, Ott 16. 17.
Re g e n s bürg 59. 110. 124. 217. 236. 282.
Regnard 199. 254. 289.
Regulus 145.
Renaissance -Drama 105.
Renaud (Regnault, Renaut) 251.
260—267. 270. 309.
R eimann 289.
Rein, Jacob 50.
R e i n e r t 349.
Reiter, siehe Reuter.
Reuter, Mathis (Reiter , teutscher
Schulmeister) 8 — 12.
Rheinische Städte 38.
Riccio, Hyacinthe 197.
Richter, Job. Christoph 330.
— Gastwirth 285.
— Reinhard 119.
Riebe, Rudolfus (Riwaeus) 52. 54.
Rinuccini 73.
Ri schar, Johanna (Sacco) 289. 293.
Rischin, Madame 163.
Rist 69.
von Ritter, Baron Vicedom 342.
Ritter, Mathias, Praedikant, Raths¬
censor 12. 17.
Rode rieh, der Schlimme 120.
von Röthlein 389.
Roh an, Prinz de 249.
Romeo und Juliette 63. 68.
— und Julie 354.
Rosenplüt, Hans 4. 24. •
Rostock 307.
Rothe 394.
Rothes Haus 380.
Rouen 40.
Rousseau, J. J. 254. 317.
Rühl, Philipp Jacob, Thcatorschrift-
steller 69. 222. 323. 361. 387.
Sachs, Hans 4. 5. 13—15. 18.24.42.
Sächsische Compagnie 106.
— Komödianten 110. 141. 145. 156.
Frau 188—
130. 274.
Jack
543
>
Sachsen-Meiningen Herzog nnd Her¬
zogin von 239. 240.
S a ck e v i 1 1 e [Sackville, Sacksweil, John
Bouset, Johann Buschet Jean Begehtt]
22—27. 29. 35—38. 46—49. 52. 59.
Salier, Jacob 197.
des Salles, Marquis 261.
Salomon, Karl, Schauspieler 399.
Salzburg 307. 395.
Salzsieder, Gottfried 119.
Sanduhr, zur 45. 49. 50. 54. 55. 60. 63.
Santo rini 385. 399.
Sasse, Schauspieler 119.
Scapin, Scapina 182.
Scaramuz 182.
Scaramuzia 183. 193.
Scarlatti, Alessandro 234.
Schad’sches Haus 86.
Schäfer spiele 131.
Schär ff 'scher Saal 202. 222. 237.
Schattenspiel 119. 149.
Scheibe, Johann Adolf 201.
Schetky 272.
Sc he ur er, Georg 117. 123.
Schiessen, das grosse 17.
Schiller 255. 371. 372. 375.
Schirmer 268.
Schlegel, Elias 168. 201. 212.
Schleissner, Demoiselle 214. 222.
Schietter 345. 353. 385.
Schmelz, Ehepaar 296.
Schmidt, Andreas 14.
Schmidt, Christian Heinrich 121.137.
— Christoffel 14.
— Comist 349.
— Dr. Erich 361.
Schmidt stube 88.
Schmitt, Schauspieler hei Böhm 394.
Schmitt (Schauspieler bei Sebastiani)
309.
Schneider, Emil, Schauspiler 399.
Schönborn, Graf von 110.
Schönem ann, Anna Rachel , gcb.
Weigler 163.
Schönemann, Johann Friedrich 162.
200.
Schröder, Friedrich Ludwig 245. 268.
269. 289—294. 297. 346.
Schröter 162.
Schrotte r, Madame 321.
Schubert, Schauspieler 162.
Schuch, Franziskus 210. 221 — 231.
— geh. Rademann 213.
Schütz, Christian Georg von 396.
Schütz, Heinrich 73.
Schütz, Johann Georg 396.
Schuhmacher 12. 13. 16.
Schulz, Balletmeister 268. 348. 365.
— Karoline 268 — 270.
Schwaben 27.
Schwäbische Städte 38.
Schwager, Georg 315.
! Schwalbach 100. 134. 148.
j Schwa rtz, Peter 79. 86. 94. 99.
Schwedische Comödie 70.
Schweizer, Componist 321 .
Schwerttanz 12. 13. 16.
Scultetus, Sigismund Ferdinand 15.73.
von Seau, Graf 336.
Sebastiani, Joseph 239. 280. 308. 309.
Sedaine 317.
Seiltänzer 50. 68. 100. 115. 121.125.
154. 157. 197.
Seriny 178.
Seyfried, Jacob, Theaterschriftsteller
69. 132. 323. 347. 361. 387.
Seyler, Abel 340 — 381.
Seyler, Frau, siehe Honsel.
Se rule und Astrea 54.
Shakespeare, William 24. 34. 36.
38. 55. 60. 63. 64. 107. 121. 370.
Sganarelle 182.
Sillani, Gervasio 232. 237.
Singer 18.
Singschule 13.
Singspiele, auch Operetten genannt,
181. 317. 318.
Sodom und Gomora 25.
Sohn, der verlorne 12. 14.
Spanische, die, Tragödie (oderHiero-
nymo) 26. 48.
Spencer, John 55. 58. 59.
Spener, Philipp Jacob 93. 110. 110.
Speyer 57.
Spiegelberg, Christian 141.
— Johann 142.
Spiel, geistliches, siehe Mysterien.
Spielhonorar 329.
Spielzeit 40. 87. 132. 314.
Sprenckel, Sergeant 338. 380.
Squenz, Peter 107.
Stegmann 317.
Steiger 385 387. 399.
Stegreifkomödie 103. 176. 221.
Steinbrecher, Schauspieler 162.
— Frau, geh. Spiegelberg 163.
Steinerl, Bastian 77.
Stein mann 385.
von S t e i n w e h r , Wolf Balthasar Adolf
161.
Stenzei 213.
Stephanie d. J. 371.
Stierle 320. 393.
Still, John, Magister artium 24.
Stolzenb erger , Hans 19.
Strassburg 17. 40.57. 77. 130. 172.
177. 188. 239. 241. 315. 328. 329.
Strohecker, G., Schauspieler 399.
von Strotmann, Kais. Gesandte 113.
Stuart, Carolus 76. 84.
von Stüven 164. 169. 286.
Sturm und Drang 349. 356—58.
Stuttgart 27. 150.
Sultane, La, Pastorale 41.
544
Suppig 162.
Susanna, geistliches Spiel von Paul
Rebhun 8. 9. 25.
Susanna, Komödie 7.
Tabor, Hofrath 395.
Tabor, Zimmermeister 277.
Tänzer 55. 73. 181. 273.
Tarne rlan 26.
Taschenspieler 124.
Tele man 150.
Terenz 7.
Thor an c 249—252. 261. 262. 267.
von Th iingen, General 125.
T h u m m e 1, Johann Georg 308.
Thum und Taxis, Fürst von 148.
184. 217. 221. 234. 236.
T i e c k 23.
T i e t k e 320.
Tilly, Johann 307.
Titus, Manlius Torquatus 99.
Tobias, Historia vom 1 2.
Torgau 63. 120.
Tos kan i, Madame 345. 356. 358.
Toskani, Bassist 347.
Trier 79.
von Trottberg, Karl (Bieleau) 393.
Turnier, Philippine 163. 200.
Türpe, Michael 162.
Uhl ich, Adam Gottfried 65. 201. 215.
227. 233.
Uhl ich, geh. Rudolphi 215.
Urban, Madame 321. 330.
Vasonne, de la General 262.
Velthen, Johann, (Velthem, Velden,
Veltheim) 102—129.
Velthen, Katharina Elisabeth 1 1 9.
126. 134. 138.
Venedig 47.
Verdrüssliche, der 120.
Verdun, Demoiselle 345. 366.
Vignani 237.
Vincent, Dem. 273.
Vincent ins, Ladislaus 31. 34.
Vogt 394.
Voltaire 212. 254. 355.
Voltini 289.
Vorhang 74. 139 348.
Waes er, Johann Christian 307.
Wagner, Heinrich Leopold 26. 323.
350—360. 364—367. 370—375.
Wagner, Dr. H., 224. 358.
Waitzhoffer und Frau 289. 293.
von Wallerotty, Gerwaldi (Bellrotty,
Waldrody) 173. 175. 188-196. 219.
225. 237.
Wandertruppe, die erste 17.
W ar t b u r g , die 43.
Webster, Georg (John) 43 — 45. 50.
Weiber, die lustigen von Winsor 34.
Weibliche Darstellerinnen, erste 77.
Weikhmann 293.
Weimar 248. 321.
W e i n 1 a Seger. 208.
Weise, Christian, Rektor 105.
Weiskern, Friedrich Wilhelm 289.
We i s s e , Schauspieler 162.
We i s s e , Nina, Schauspielerin 399.
Weissenf eis, Herzog von 134.
Werthheim, 217.
Wetzlar 313. 329. 380.
W e z e 1 1 148.
Wie kr am, Jörg 12.
Wieland 321. 324.
Wien 53. 77. 89. 97. 100. 131. 143.
232. 307. 395.
Wi ene rische Compagnie 106 — 115.
— Komödianten 1 45.
Winkler, Johann Joseph, Prediger,
127. _
Winzinger 162.
Wittenberg, Licent. 353.
Witter, Professor 1 73.
Wolf 317.
Wolfenbüttel 22.
Wolf fr am 200. 214. 320.
Wolfseck, Gasthof zum 64. 69. 73.
Wolgehaben, Johann 97.
Worcester, Graf von 21.
Worms 6. 57. 103.
W ii r z b u r g 148.
Wursthänsel 35. 36.
Zademack, Schauspieler 399.
Zahubre cli e r 149.
von Zimmern, Caspar 92.
Zink 385.
— Demois. 344. 353. 365.
Zuccarini, Schauspieler 348. 370.
375.
Z ü n f t e 16.
Zw i Hinge, die 358.
PAR F E R M I $ S I O N
DE MONSEIGNEUR
LE MARECHAL DUC DE BROGLIO
Et DE MESSIEURS LES MAGISTRATS
de la Ville Libre de Francfort
LES COMEDIENS DE SA MAJESTE TRES-CHRETIENNE
LE ROI DE FRANCE.
Donneront aujourd’hui Mercredy 7. May 1760
LES BOURGEOISES A LA MODE
Comedie en profe en cinq Actes de Dancourt. Suivie
DU COCS DU YILLAGE,
Opera Comique en un A&e , terminee par
LE BALLET PANTOMIME,
Danfe par un jeune garcon age de fept ans , & par Mlle. Regnaulc
qui a ete redemandee.
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& la Soiree des Bouivards.
On commencera ä f. heures & demie precifes, on paiera aux premieres Loges
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teut avoir le Billet du malin jufqu’ä irois heures l’apres midi.
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M -öcrni 'ES?arfcf)aü» 1111b »011 BROGLIO»
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bet Äai;fcrlic!)cn Sreotm 0?cicl>s' * Sßabl « unb .panbcfö ? ©tabt grartcffurt
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Der $ül)n auf km Dorfe f
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